Dies ist mein letztes Geleit. Und ich möchte es zum Anlass nehmen, ein Thema anzusprechen, das mir seit einiger Zeit schwer im Magen liegt und das mit Richtungsentscheidungen für fast alle unsere Kunden verbunden ist. Und da es mein letztes Geleit ist, möchte ich hier auch noch mehr Klartext sprechen als Sie es auch so schon von mir gewohnt sind. Diesen Ansatz will ich auch auf meiner letzten Veranstaltung, dem ComConsult Netzwerk Forum Ende März, so durchziehen. Sie sind herzlich eingeladen, die letzten Diskussionen meines Berufslebens dort mit mir und meinem Nachfolger Dr. Moayeri zu führen. Ich verspreche Ihnen, dass es sich lohnen wird.
Der Ausgangspunkt ist unsere Bedarfsanalyse, die ich auch in meiner Keynote auf dem Netzwerk Forum ausführlich ansprechen will. Wir haben den Trend schon länger, aber jetzt hebt er wirklich ab und wird zu einer echten Bedrohung für unsere bestehenden Infrastrukturen. Vereinfacht dargestellt ist die Zukunft Wireless. Das wissen wir natürlich schon länger, aber der entscheidende Punkt ist, dass wir das nun mit konkreten Anforderungen an die Leistung verbinden können.
Betrachtet man diese Leistungsanforderungen, die aus unserer Bedarfsanalyse entstehen, dann ist ohne jeden Zweifel klar:
- Die bisher im Markt vorhandenen Wireless-Technologien sind unzureichend und decken den zukünftigen Bedarf NICHT ab
- Dies betrifft mindestens
- Die Voice- und Videofähigkeit der Verbindungen
- Die enorm hohe Zahl der zukünftigen Anschlusspunkte
- Die Anforderungen an Garantie und Verfügbarkeit
- Die Stabilität der Kommunikation
Vereinfacht ausgedrückt brauchen wir:
- Eine deutlich stabilere und besser planbare Technologie als 11ac
- Umfangreiche Möglichkeiten der detaillierten Verkehrssteuerung
Mit 11ac bricht der Durchsatz pro Teilnehmer bei zunehmender Teilnehmerzahl in einer Zelle zusammen. Die Entwicklung ist nicht linear mit der Teilnehmerzahl, sie bricht wirklich einfach weg. Kombiniert man das mit weiteren Problemen wie Interferenzen von fremden Access-Points und Überschneidungen mit anderen Technologien im selben Frequenzbereich, dann kann das unmöglich die Basis für die Zukunft unserer IT sein. Und wenn wir sagen: die Zukunft wird Wireless, dann meinen wir, dass ALLE wesentlichen Teilnehmer in einem Netzwerk den Wireless-Zugang nutzen (siehe die Bedarfsanalyse, kommen Sie doch zum Forum und diskutieren Sie mit). Ohne ein den Anforderungen entsprechendes Wireless geht das Licht aus.
Wir wissen also, dass wir alle mit den bestehenden Wireless-Technologien keine Basis für unsere Zukunft legen können. Jetzt werden Sie mit Recht sagen, dass wir ja die Nachfolgetechnologien schon kennen. Und das stimmt. Wir müssen mindestens WiFi-6 / 11ax und 5G in unsere Planung einbeziehen. Vermutlich werden die großen Wireless-Hersteller gegen Ende des Jahres die ersten ax-Produkte in professioneller Form bringen. Aber damit laufen wir auch in ein Neuland. Und das Neuland ist 5G. 5G ist anders, indem es ganz verschiedene Nutzungs-Szenarien abdeckt. Es kann eben individuell in sehr unterschiedlicher Form ausgelegt werden (Auslegung meint hier mindestens Frequenzwahl, die Reichweite, die Anzahl der Basis-Stationen und die sinnvolle Anzahl von Teilnehmern pro Zelle kombiniert mit Anforderungen an Stabilität und Zuverlässigkeit).
Ein Teil von 5G ist dabei im Prinzip identisch mit einigen Anforderungen, die wir auch im WLAN-Markt haben. Und in der Tat ist diese Überlappung gewollt. Klartext: 5G und WLAN treten auch in Konkurrenz zueinander. Damit entsteht natürlich die Frage, warum man dann überhaupt noch ein eigenes WLAN betreiben soll? Die Lösung könnte ja so aussehen, dass die Provider eine Mischung aus 5G und WLAN liefern und damit die perfekte Abdeckung und Leistung liefern. Dies sieht 5G konzeptionell auch so vor. Sollten also Unternehmen überhaupt noch über 11ax nachdenken oder lieber gleich an ein Outsourcing an die Prodiver erwägen?
Lassen Sie uns für eine Antwort mit 5G starten.
5G wird gerne als die Eierlegende Wollmilchsau dargestellt. Dabei werden Leistungsmerkmale aufgelistet, die dem entsprechen, was 5G maximal kann. Das liest sich sehr beeindruckend. Aber es wird nicht die Realität sein. Tatsächlich kann 5G sehr unterschiedlich ausgelegt werden, um völlig verschiedene Märkte zu adressieren. Damit ist dann auch gemeint, dass Sie nicht alle denkbaren 5G-Leistungen zusammen haben werden:
- Hoher Durchsatz, mobile Teilnehmer, Breitband-Ablösung, der neue Internet-Zugang
- Kurze Latenzzeiten
- Viele kleine Anschlusspunkte für Sensoren, geringe Bandbreite, hohe Reichweite, niedrige Kosten
Und damit sind wir bei den Providern und der Frage, ob wir diesen den notwendigen Vertrauensbonus für unsere zukünftigen Netzwerk-Infrastrukturen geben. Meine sehr persönliche Sichtweise ist, dass die Provider bereits bei der ISDN und PSTN -Nachfolgeregelung schmählich versagt haben. Da ist keinerlei Vision und kein Konzept für die Kommunikation der Zukunft zu sehen. Die Vision der Zukunft von Kommunikation kommt von Microsoft und Anbietern wie Zoom. Nichts gegen Microsoft, aber traditionell lag Kommunikation woanders. Da ist es schön zu wissen, dass Cisco und die Provider zusammen geschlafen haben. Und betrachten wir dann den unwürdigen Eiertanz der 5G-Einführung in Deutschland, dann liegt das schlicht auf der gleichen Linie. Meine Schlussfolgerung: in keinem Fall sollte man den Providern eine Rolle zukommen lassen, bei der in irgendeiner Form eine Abhängigkeit von denselben entstehen würde. Im letzten Jahr hat auf einer Podiumsdiskussion in Barcelona ein führender Vertreter eines deutschen Providers öffentlich bekundet, dass ihm die Geschäftsmodelle für 5G auch unklar sind. Daran scheint sich auch in diesem Jahr nichts geändert zu haben. Und dann wundern sich Provider und beschweren sich, wenn die Regulierung für 5G nun das Recht für Unternehmen vorsieht, eigene 5G Netzwerke zu betreiben. Sollen sich Audi, BMW, Mercedes und Volkswagen denn in ihrer Produktion wirklich von diesem Chaoshaufen ohne Vision und Richtung abhängig machen?
Die Konsequenz und meine klare Empfehlung: solange Sie nicht in der Lage sind, Ihr eigenes 5G-Netzwerk zu betreiben, ignorieren Sie 5G in Ihrer Strategie. Setzen Sie konsequent auf 11ax und Technologien wie SigFox, ZigBee usw. (mir ist sowieso nicht ganz klar, warum SigFox und vergleichbare Technologien nicht intensiver diskutiert werden). Hier liegt genug Potenzial und vor allem mehr Entscheidungssicherheit. Wir kennen zwar die ax-Produkte der Hersteller noch nicht und wissen dementsprechend auch nicht, ob und wie die Möglichkeiten des Traffic-Managements des ax-Standards denn umgesetzt werden. Aber es reicht ja schon aus, dass es ein Anbieter macht. Dies würde alle anderen zwingen, zu folgen. Wenn die deutschen Provider und Politiker dann aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht sind und vielleicht die ersten Geschäftsmodelle erkennbar sind, können Sie immer noch überlegen, inwieweit und in welcher Form Sie bereit sind, darauf einzusteigen. Für Mobiltelefone wird es ohne Frage sowieso kommen. Aus meiner Sicht reden wir hier über 4 bis 5 Jahre. Bis dahin haben wir bereits die ax-Nachfolgetechnologie auf dem Tisch und SigFox sowie NB-IoT dominieren den Massenmarkt für Sensoren in Smart Cities.
Es gibt einen weiteren Punkt, den es zu beachten gilt. Wireless-Technologien decken den Access-Bereich ab. Aber wir werden auch weiterhin Core-Bereiche und eigene Rechenzentren haben. Wir haben eine zunehmende Bedeutung des Cloud-Zugangs, aber parallel dazu eine ebenfalls zunehmende Notwendigkeit der Kontrolle und Abgrenzung des Netzwerk-Verkehrs. Wir werden in den nächsten Jahren Tausende neue Anschlusspunkte aus dem Bereich IoT haben. Die laufenden Projekte aus dem Bereich Gebäudeautomatisierung untermauern diese Annahme. Alle diese Anschlusspunkte sind als unsicher und riskant einzustufen. (Die Diskussion über Huawei ist demgegenüber ein Lachnummer. Wir lassen Huawei nicht in unsere 5G-Backbones, aber in China produzierte Kleinelektronik wie Staubsauger, Kaffeemaschinen etc. in unsere Unternehmen und Ministerien? In welcher abgehobenen Traumwelt leben unsere Politiker eigentlich? Das müssen dieselben Leute sein, die erst zulassen, dass das Mobiltelefon der Kanzlerin abgehört wird und dann auch noch nichts dagegen unternehmen. Kann man ja auch verstehen, die NSA hat ja versprochen, es nicht wieder zu tun. Wirklich?) Wir brauchen eine Lösung, die einen einfachen und schnellen Anschluss eines Sensors durch einen Techniker mit steuerbarer Qualität, Verfügbarkeit und Sicherheit im gesamten Netzwerk kombiniert. Es ist nicht zu erkennen, wie dies möglich sein soll, wenn wir den Access-Bereich an einen Provider abgeben.
Lange Rede kurzer Sinn: Wireless ist die Zukunft. Aber wir müssen JETZT festlegen, wie wir das angehen wollen:
- Welche Technologien mit welchen Eigenschaften wollen wir einsetzen?
- Und was leisten die neuen Technologien wirklich?
- Und welche Auswirkungen hat das auf den Rest des Netzwerks?
- Was muss der Core können, um ax zu verkraften?
- Wie gehen wir im Betrieb mit einer Unmenge einfacher Anschlusspunkte um, die keine Einzelkonfiguration wirtschaftlich erlauben?
- Wie können wir die Versprechen von Machine Learning nutzen, um unsere Netzwerke sicherer zu machen und Anomalien im Betrieb automatisch zu erkennen?
Damit bin ich im wahrsten Sinne des Wortes am Ende. Mir bleibt an dieser Stelle nur, mich bei Ihnen für 33 schöne und interessante Jahre zu bedanken. Es war schön. Und ich würde auch im Nachhinein nichts anders machen. Aber für mich ist jetzt die Zeit gekommen, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Die neuseeländischen Berge warten auf meine Kamera und unsere Kühe und Pferde auf ihr Futter.
In diesem Sinne, vielen Dank für Alles und alles Gute für Ihre Zukunft, dann auf unserer Seite zusammen mit Dr. Moayeri und dem Ihnen ja wohl bekannten Team von ComConsult.