aus dem Netzwerk Insider November 2021
Der 5G-Mobilfunk scheint die Welt zu verändern. Ging es beim Mobilfunk jahrelang im Wesentlichen darum, zu telefonieren und das Internet ein wenig nutzen zu können, wird es nun offensichtlich zu einer Basis für unternehmenskritische Anwendungen. Die technischen Konzepte, die eine solche Aufwertung des Mobilfunks ermöglichen, haben wir an dieser Stelle im Rahmen verschiedener Artikel erläutert.
Nun soll es darum gehen, wie der Mobilfunk in unsere Gebäude kommt. Viele Kunden haben uns dazu in den vergangenen Monaten angesprochen; Projekterfahrungen liegen diesbezüglich vor. Darüber möchten wir in diesem Artikel berichten. Und wir möchten noch einmal die Begriffe klären: Sind es wirklich die neuen Features von 5G, die im Gebäude benötigt werden? Falls ja, was bedeutet das technisch? Was ist eigentlich ein privates 5G-Campusnetz?
Wie kommt der Mobilfunk ins Gebäude? Klar, durchs Fenster!? Dass das in der Regel nicht funktionieren wird, ist eine Binsenweisheit. Moderne Gebäude zeichnen sich durch thermische Isolierung aus. Fenster sind oft mit Metall bedampft, damit Sonnenstrahlung nicht ungehindert hineindringt. Funkstrahlung kommt dort ebenso wenig durch. Aus optischen Gründen werden überdies gern Fassaden aus metallischen Materialien angebracht, beispielsweise aus Aluminium. Sie können sich vorstellen, dass derlei Gebäude hervorragend gegen alle Funkwellen von außen abgeschirmt sind − zum Leidwesen aller Mobilfunknutzer.
Die grundsätzlichen technischen Möglichkeiten der Abhilfe haben wir in den letzten Jahren bereits an dieser Stelle diskutiert. Mein Kollege David Feuser stellte im Netzwerk Insider 11/2020 typische Varianten der Inhouse-Mobilfunk-Versorgung vor und wie man die entsprechende Ausleuchtung plant. Ich selbst habe im Januar 2017 erläutert, wie Mobilfunk über WLAN funktioniert, das in modernen Bürogebäuden üblicherweise von jedermann genutzt werden kann.
Auf diese Techniken werde ich in der Folge noch einmal eingehen, jedoch in geringerer Tiefe als in den beiden erwähnten Artikeln. Viel wichtiger erscheint mir jedoch die praktische Vorgehensweise bei derlei Projekten. Wie wählt man die passende Lösung aus? Wie kommt man zu aussagekräftigen Angeboten? Wie nimmt man die Leistung eines Mobilfunkproviders am Ende ab? Beginnen wir zunächst mit der Technik.
Wi-Fi Calling
Das 3rd Generation Partnership Project (3GPP) ist bekanntlich für die Standardisierung des Mobilfunks zuständig. 3GPP hat unter der Bezeichnung „Un-trusted Non-3GPP IP Access“ (u.a. in TS 23.402) ein Verfahren spezifiziert, bei dem sich das mobile Endgerät mit einer IP-Adresse in einem beliebigen IP-Netz befindet, also insbesondere in einem WLAN. Es baut einen mit IPsec geschützten Tunnel zum Mobilfunk-Kernnetz auf und kann darüber alle Dienste so nutzen, als wäre es im Mobilfunknetz eingebucht. Die Provider nennen diese Verbindungsart „Wi-Fi Calling“ oder auch „WLAN Call“.
Die meisten modernen Smartphones unterstützen Wi-Fi Calling. Darüber hinaus muss die Nutzung im Mobilfunkvertrag freigeschaltet sein. Ich selber nutze Wi-Fi Calling mit Erfolg im Homeoffice, da ich in der Nähe der niederländischen Grenze wohne und weder zu deutschen noch zu niederländischen Providern eine brauchbare Mobilfunkverbindung habe. Einige meiner Kunden haben versucht, Wi-Fi Calling für die Nutzung im Unternehmen einzuführen. Die Erfahrungen damit waren eher gemischt, wie zwei Beispiele zeigen:
- Es scheint vom Provider abzuhängen, wie gut Wi-Fi Calling funktioniert. Mein „dienstlicher“ Provider (Deutsche Telekom) schaltet auf WLAN um, sobald es mit guter Qualität verfügbar ist. Mein „privater“ Provider schaltet dagegen auf Mobilfunk um, sobald das Telefon auch nur schwachen Mobilfunkempfang hat. Sie können sich vorstellen, dass dies in meiner Wohnsituation eher unbrauchbar ist. Ich muss also zunächst den Flugmodus wählen und dann WLAN aktivieren, damit Wi-Fi Calling funktioniert. Ähnliches berichteten mir Kunden.
- Des Weiteren wurde ebenfalls berichtet, dass Mitarbeiter über Wi-Fi Calling erkennbar (siehe Symbole typischer Smartphones in Abbildung 1) eingebucht und dennoch nicht erreichbar waren. Anrufer erzählten, der Teilnehmer sei nicht erreichbar gewesen, und es habe lediglich die Mailbox geantwortet. Der Teilnehmer erhielt jedoch die Kurznachricht (SMS) mit der Rückrufbitte.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie man bei Wi-Fi Calling Quality of Service im WLAN umsetzt. Einerseits muss man sich darauf verlassen, dass die Smartphones entsprechende Datenpakete mit erhöhter Priorität, z.B. in der Access Category „Voice“, ausstrahlen und auch im IP Header entsprechend markieren. Andererseits kann man erwarten, dass Pakete, die aus dem Providernetz über das Internet eintreffen, keine QoS-Markierungen aufweisen. Hier muss man also selber tätig werden.
Fazit: Wi-Fi Calling funktioniert grundsätzlich, scheint jedoch keine verlässliche Lösung für die flächendeckende Versorgung von Gebäuden mit Mobilfunk zu sein.
Mobilfunk-Repeater
Wenn Sie im Internet nach diesem Begriff suchen, werden Ihnen zahlreiche Seiten angeboten, auf denen Sie derlei Repeater für wenig Geld kaufen können. Mobilfunk-Repeater bestehen aus mehreren Teilen (Abbildung 2):
- Eine Außenantenne, die auf den nächsten Mobilfunkmast ausgerichtet wird. Sie stellt den Kontakt zum Mobilfunknetz her.
- Eine Repeater-Einheit, die indoor angebracht wird und die Signale des Mobilfunknetzes verstärkt.
- Eine Indoor-Antenne, die Ihrem Smartphone eine Verbindung ermöglicht. Es werden auch Repeater angeboten, an die sich mittels Splitter mehrere Indoor-Antennen anschließen lassen.
Außenantenne und Indoor-Antennen dürfen sich nicht „sehen“, was in Abbildung 2 durch eine Wand angedeutet ist. Andernfalls gäbe es eine Rückkopplung. Außerdem dürfen Sie in Deutschland solche Geräte keinesfalls selber betreiben! Die von den Repeatern verstärkten Frequenzen gehören nämlich den Mobilfunk-Providern, die der Bundesnetzagentur viel Geld für die Nutzungsrechte bezahlt haben. Auf Wunsch installieren Ihnen die Provider jedoch Repeater.
Fazit: Mobilfunk-Repeater sind in begrenztem Umfang eine einfache Lösung zur Verbesserung des Mobilfunkempfangs. Installation und Betrieb müssen durch Mobilfunk-Provider erfolgen.
Distributed Antenna Systems
Die Idee des verteilten Antennensystems (Distributed Antenna System, DAS) ist so simpel wie naheliegend: Man nehme eine herkömmliche Mobilfunk-Basisstation und verteile deren Signale mittels Hochfrequenzkabel gleichmäßig auf zahlreiche Antennen im Gebäude. DAS ist im Grunde vergleichbar mit der Verteilung von Fernsehen in einem großen Wohnhaus. Auch dort gibt es einen zentralen Antennenverstärker, der das Signal soweit anhebt, dass es über Koaxialkabel im Gebäude verteilt werden kann. Fernseher werden an Antennensteckdosen angeschlossen, die einen kleinen Teil des auf dem Koaxialkabel anliegenden Signals zum Fernseher auskoppeln und den Rest an die nächste Dose weiterleiten.
Die Rolle der Antennensteckdosen übernehmen im DAS sogenannte Splitter und Tapper. Splitter teilen das eingehende Signal gleichmäßig auf mehrere Ausgangssignale auf. Tapper zweigen einen kleinen Teil des Signals ab (engl. tap: Verzweigung, Abgriff). Mittels Splitter lässt sich das von der zentralen Basisstation kommende Signal baumförmig im Gebäude verteilen. An den Ästen dieser Baumstruktur finden sich Kabelstränge, an denen mittels Tapper jeweils mehrere Antennen angeschlossen sind.
Mit einem DAS ist es möglich, die Signale mehrerer Mobilfunkprovider parallel abzustrahlen. Jeder Provider stellt zu diesem Zweck eine eigene Basisstation auf. Die Signale aller Basisstationen werden in einem Antennenkoppler zusammengeführt, auch als DAS Headend bezeichnet.
In großen Gebäuden wird man mehrere Funkzellen installieren wollen. Jeder Provider muss also etliche Basisstationen aufstellen. Dafür ist in der Regel ein eigener Verteilerraum mit ausreichender Fläche bereitzustellen. Abbildung 4 gibt eine Vorstellung vom Platzbedarf.
Wie schon gesagt, handelt es sich um Koaxialkabel, also Kabel mit einem rohrförmigen Außenleiter und konzentrischen Innenleiter. Bei der Auswahl von Koaxialkabeln sind zwei konkurrierende Bedingungen zu beachten:
- Geringe Dämpfung: Mobilfunk verwendet Frequenzen im Bereich von 700 MHz bis zu 2,6 GHz, bei 5G sogar bis 3,8 GHz. Um eine geringe Dämpfung zu erreichen, muss das Kabel ein dämpfungsarmes Dielektrikum besitzen, also möglichst Luft. Außerdem muss der Durchmesser so groß wie möglich sein.
- Obere Grenzfrequenz: Überschreitet der Umfang des Außenleiters die Wellenlänge, verschlechtern sich die Ausbreitungsbedingungen. Anders ausgedrückt, die maximale Übertragungsfrequenz begrenzt den Kabeldurchmesser.
In der Praxis setzt man sogenannte Wellmantelkabel ein, sie werden auch als Cellflex® bezeichnet. Typische Durchmesser reichen von ½ Zoll bis zu 1⅝ Zoll. Während letzteres im Steigebereich eingesetzt wird, verwendet man das ½-Zoll-Kabel auf den letzten Metern zu den Antennen.
Glauben Sie mir, die Verlegung von Wellmantelkabeln ist kein Spaß (ich durfte neulich 50 m ½-Zoll-Cellflex® bändigen). Dieses Material ist dank des Außenleiters aus Kupferfolie verdammt steif. Außerdem sind vergleichsweise große Biegeradien zu beachten. Eine Verlegung in Leerrohren halten wir für praktisch nicht durchführbar. Die Abbildung 5 zeigt zwei Beispiele, die das Verhalten der Wellmantelkabel erahnen lassen.
Neben der rein passiven Variante lassen sich auch Teilstrecken eines DAS über Glasfaser realisieren. Spezielle Konverter wandeln zu diesem Zweck die Hochfrequenz in digitale Signale um und am anderen Ende der Glasfaser wieder zurück in Hochfrequenz. Solche Lösungen werden als Hybride DAS bezeichnet.
Aktive DAS verzichten sogar vollständig auf Koaxialkabel. Die Wandlung in ein digitales Signal erfolgt direkt am DAS Headend. Die Antenne wird zu einer aktiven Komponente, da erst dort die Wandlung vom digitalen Signal zurück zur Hochfrequenz erfolgt.
Fazit: DAS sind eine bewährte Methode zur Verteilung von Mobilfunk in Gebäuden. Jedoch verlangt der zentrale Mobilfunk-Verteiler Platz, und die Kabelverlegung ist herausfordernd. Hybride und Aktive DAS vermeiden diesen Nachteil – in der Regel zu höheren Kosten.
Indoor Small Cells
In den letzten Jahren erfolgte im Mobilfunk eine Abkehr von „monolithischen“ hin zu modularen Basisstationen. Vor allem 5G verfolgt dieses Konzept. Daten vom Mobilfunk-Kernnetzwerk (Core) werden zunächst in eine digitale Repräsentation dessen umgeformt, was später auszusenden ist. Die entsprechende Komponente heißt Baseband Unit (BBU). Die BBU sagt, auf welcher Frequenz der Sender arbeiten soll und wie er zu modulieren ist.
Die Hersteller haben zu diesem Zweck ein neues Protokoll entworfen, das Common Public Radio Interface (CPRI), das auf Ethernet basiert. Eine neuere Form, das Enhanced CPRI (eCPRI), basiert sogar auf IP.
Die von der BBU generierten Daten werden über spezielle Sternkoppler, den sogenannten Radio Hubs, an die aktiven Antennen verteilt. Letztere nennt man oft Remote Radio Units (RRU). Die Verbindung von BBU über Radio Hubs zu den RRUs erfolgt über Glasfasern oder Kupferkabel. Es handelt sich schließlich um Ethernet. Wie von WLAN Access Points bekannt, lassen sich die RRUs sogar über das Ethernet-Kabel mit Strom versorgen (Power over Ethernet, PoE). Nicht alle Hersteller unterstützen diese praktische Variante. Einige Fabrikate erfordern die Verlegung von Spezialkabeln, die aus Glasfaser- und Kupferkabeln zusammengesetzt sind.
Alle RRUs, die von derselben BBU versorgt werden, strahlen wie beim DAS dasselbe Funksignal aus, sind also Teil derselben Funkzelle. Indoor Small Cells skalieren jedoch besser als DAS. Es ist nämlich möglich, zusätzliche BBUs zu installieren und die RRUs darauf aufzuteilen. Man erhält dann mehr und kleinere Funkzellen mit entsprechend höherer Gesamtkapazität.
Ein Nachteil der Indoor Small Cells soll nicht unerwähnt bleiben: Wenn mehrere Provider zu unterstützen sind, müssen mehrere BBUs an dieselben Radio Hubs angebunden werden. Das entsprechende Protokoll CPRI wird zwar herstellerübergreifend eingesetzt, jedoch sind in der Regel BBUs eines Herstellers nicht mit Radio Hubs bzw. RRUs anderer Hersteller kompatibel. Aus diesem Grund realisiert man ein Multi-Provider-Netz nach wie vor über den Umweg der Hochfrequenz. Zusätzliche Provider installieren eine vollständige Basisstation, deren Ausgangssignal über Koaxialkabel an eine sogenannte Radio Access Unit geführt wird. Diese wandelt das Signal in kompatibles (e)CPRI um, sodass es von den RRUs abgestrahlt werden kann.
Fazit: Indoor Small Cells sind eine moderne Lösung, die sich ähnlich wie WLAN mit Standard-IT-Verkabelung in ein Gebäude einbringen lässt. Die Realisierung eines Multi-Provider-Betriebs ist (noch) aufwendig.
Was ist bei 5G anders?
Im Prinzip ändert sich mit 5G erst einmal nichts: Die Daten der 5G-Basisstation müssen auf Antennen verteilt werden. Allerdings sind dabei folgende Einschränkungen zu beachten:
- Wahrscheinlich werden Sie 5G auf Frequenzen oberhalb von 3 GHz betreiben wollen, um die größtmögliche Kapazität nutzen zu können. Vielleicht möchten Sie auch ein privates 5G-Campusnetz auf ihrer eigenen Frequenzzuteilung im Bereich 3,7-3,8 GHz betreiben. Auf diesen Frequenzen weisen Koaxialkabel deutlich höhere Dämpfungen auf als bei 2 GHz oder darunter. Außerdem können Sie das dämpfungsarme 1⅝-Zoll-Kabel nicht einsetzen, weil dessen Grenzfrequenz bei 2,7 GHz liegt. DAS scheiden somit für 5G aus!
- Derzeit müssen Sie parallel zu 5G noch ein 4G-Netz bereitstellen, da erstens die Mehrzahl der Endgeräte noch nicht 5G-fähig ist und – falls doch – im Allgemeinen nur die Non-Standalone-Variante von 5G unterstützt (5G NSA). Bei 5G NSA erfolgt die Steuerung des Netzes über 4G.
Darüber hinaus sollten Sie sich darüber im Klaren sein, ob Sie ein privates 5G-Campusnetz, öffentlichen 5G-Mobilfunk oder beides bereitstellen möchten. Private 5G-Campusnetze dienen dazu, spezielle Endgeräte in speziellen Anwendungen Ihres Hauses zu versorgen. Beispiele für solche Anwendungen sind fahrerlose Transportsysteme (FTF) oder Personenortung mittels 5G-Pagern.
Private 5G-Campusnetze erfordern neben der Bereitstellung von Inhouse-Mobilfunk weitere 5G-Infrastruktur. So wird mindestens der für den Datentransport verantwortliche Teil des Mobilfunk-Kernnetzes, die User Plane, auf Ihrem Campus zu installieren sein. Wenn Sie parallel dazu öffentlichen Mobilfunk im Gebäude bereitstellen müssen, werden Sie zweckmäßigerweise beides durch denselben Provider installieren und betreiben lassen.
Planung von Inhouse-Mobilfunk
Bisher wurde der Einfachheit halber ein Mobilfunkprovider gefragt, wenn es um die Ausstattung eines Gebäudes mit Inhouse-Mobilfunk ging. Der Provider hat dann ein Angebot vorgelegt, das mit einem Gesamtpreis endete. Ein Angebotsvergleich zu anderen Providern war kaum möglich, da die Kalkulationsbasis meist nicht offengelegt wurde.
Auch Preisverhandlungen waren in der Vergangenheit kaum möglich. Genau genommen traten Sie als Bittsteller auf, wenn Sie eine vernünftige Inhouse-Mobilfunkabdeckung haben wollten. Die Frage war, wie viele SIM-Karten Sie beim betreffenden Provider hatten. Je mehr es waren, desto eher war dieser bereit, Ihnen Inhouse-Mobilfunk anzubieten. Der Vertreter eines Providers äußerte mir gegenüber einst: „Wir haben kein Interesse daran, Schachteln zu schieben. Wir sind an Verträgen interessiert“.
Nun gut, das scheint sich mit 5G jetzt zu verändern. Auf einmal erkennen die althergebrachten Provider, dass neue Player in den Markt kommen. Und vor allen können Sie jetzt selber eine Frequenzzuteilung für private 5G-Campusnetze beantragen. Damit haben Sie die freie Wahl des Partners für Installation und Betrieb. Die großen Provider stehen somit nun im Wettbewerb.
Was bedeutet das für Sie? Sie sollten Inhouse-Mobilfunk genauso planen, wie Sie es bisher schon mit der übrigen IT-Infrastruktur gemacht haben. Bevor Sie Angebote einholen, werden Sie eine Vor- und Entwurfsplanung erstellen. Dazu zählen unter anderem folgende Punkte:
- Betrachten Sie zunächst die Frage, ob Wi-Fi Calling ausreichend ist. Falls ja, können Sie sich die weiteren Punkte sparen. Falls nein, werden Sie gegenüber Ihren Geldgebern gut begründen müssen, warum nicht.
- Führen Sie eine Ist-Aufnahme durch: Welche Gebäudeteile sind mit Mobilfunk auszuleuchten? Sind mehrere Provider zu unterstützen? Welche Infrastruktur steht für die Kabelverlegung zur Verfügung? In welchen Verteilerräumen lassen sich Mobilfunk-Komponenten (BBUs, Radio Hubs, RRUs, etc.) installieren? Welche Vorgaben existieren für die Installation der Antennen? Wo gibt es Einschränkungen durch den Brandschutz? Und ganz wichtig: Welche Vorgaben macht der Architekt?
- Entscheiden Sie sich zwischen DAS und Indoor Small Cells: Provider bieten Ihnen derzeit gerne noch DAS an. Small-Cell-Lösungen sind oft noch teurer als DAS. Außerdem sträubten sich die Provider bislang, Multi-Provider-Lösungen auf Basis von Indoor Small Cells anzubieten.
- Verschaffen Sie sich vorab einen Überblick über die zu erwartenden Aufwände. Basis sollte eine Simulation der Mobilfunkausleuchtung sein. Die Vorgehensweise ist letztlich genauso wie bei der WLAN-Planung: Anhand von Grundrissen oder einem 3D-Modell des Gebäudes werden Materialien für Wände, Decken, Türen, Fenster etc. definiert. Daraus kann die Simulationssoftware bei gegebenen Antennenpositionen die Ausleuchtung errechnen. Wie das im Einzelnen funktioniert, beschreibt mein Kollege David Feuser im Netzwerk-Insider 11/2020. Am Ende dieses Arbeitsschritts erhalten Sie eine Materialliste. Sie wissen dann, wie viele Antennen voraussichtlich wo zu installieren sind und welche Komponenten sonst benötigt werden. Auch die voraussichtlichen Kabelwege ermitteln Sie im Rahmen dieses Punkts.
- Leiten Sie Maßnahmen ab, die durch andere Gewerke zu erbringen sind. Kabelwege und Verteilerräume werden typischerweise von dritten Partnern erstellt. Das gilt insbesondere für Neubauten.
- Stellen Sie einen Zeitplan auf: Alle Maßnahmen sind bei einem Neubau mit den übrigen Gewerken zu koordinieren. Falls Sie Mobilfunk nachträglich einbringen, denken Sie daran, dass Baumaßnahmen immer auch eine Störung des normalen Betriebs bedeuten. Als Basis für Ihre Zeitplanung können Sie annehmen, dass von der Beauftragung eines Providers bis zur betriebsfertigen Bereitstellung des Inhouse-Mobilfunks derzeit ca. ein Jahr (!) vergeht.
- Ermitteln Sie zuletzt aus den Maßnahmen die zu erwartenden Kosten.
Ausschreibung von Inhouse-Mobilfunk
Wenn möglich, sollten Sie die Leistungen zur Installation von Inhouse-Mobilfunk ausschreiben. Ziel ist es, mehrere vergleichbare (!) Angebote zu erhalten. Zu diesem Zweck sollten Sie ein möglichst aussagekräftiges Leistungsverzeichnis aufstellen. Denken Sie auch darüber nach, die Ausschreibung von Inhouse-Mobilfunk mit Mobilfunkverträgen zu kombinieren, wenn es zeitlich passt.
Da Sie keine Anlage von Hersteller X oder Y ausschreiben, muss Ihr Leistungsverzeichnis herstellerneutral gestaltet werden. Sie werden also eher Leistungsmerkmale als exakte Materialien nennen und bepreisen lassen. Aus welchen Elementen könnte ein solches Leistungsverzeichnis bestehen?
- Beschreibung der Umgebung: Der Bieter sollte vorab wissen, was ihn erwartet. Beschreiben Sie also die Liegenschaft samt Infrastruktur möglichst genau. Geben Sie dem Bieter die Möglichkeit, eine Ortsbesichtigung durchzuführen, falls er dies wünscht. Teilen Sie dem Bieter auch mit, welche vorhandene Infrastruktur er nutzen kann − etwa eine strukturierte Glasfaserverkabelung.
- Ergebnisse der Entwurfsplanung: Der Bieter sollte wissen, dass Sie bereits eine Entwurfsplanung erstellt haben, welche Annahmen Sie dazu getroffen haben und welches Mengengerüst sich ergibt. Erfahrungsgemäß verbessern Sie Ihre Verhandlungsposition, wenn Sie die angebotene Leistung mit der von Ihnen geplanten vergleichen und bewerten können.
- Zieldesign: Spezifizieren Sie die gewünschte Lösung. Möglicherweise werden Sie wegen der Zukunftsträchtigkeit die Indoor Small Cells bevorzugen, auch wenn das hinsichtlich der Multi-Provider-Fähigkeit schwierig ist. Der Bieter soll sich vorab darauf einstellen, dass es diese und keine andere Lösung sein soll.
- Service Level: Selbstverständlich werden Sie Ihre Erwartungen an Kapazitäten, Verfügbarkeiten und Reaktionszeiten formulieren. Bedenken Sie dabei, dass Mobilfunk aus Sicht der Provider traditionell eine Black-Box ist, in die der Kunde keinen Einblick erhält. Das wird sich in Zukunft ändern müssen, vor allem, wenn 5G eine Basis für unternehmenskritische Anwendungen wird. Sie werden also z.B. vom Bieter verlangen wollen, dass seine Managementsysteme Störungen selbsttätig an Ihre Managementsysteme melden, wie auch immer.
- Dokumentation und Abnahme: Traditionell haben Provider Inhouse-Mobilfunk nach eigenem Gutdünken bereitgestellt. Der Kunde hatte schließlich kaum die Möglichkeit, eine Dienstequalität zu verifizieren. Wir erwarten dagegen, dass die gesamte Ausleuchtung eingemessen wird und man Ihnen die entsprechende Dokumentation als Voraussetzung für die Abnahme zur Verfügung stellt. Sie haben dann die Möglichkeit der stichprobenartigen Überprüfung. Natürlich möchten die Bieter gerne darauf verzichten, denn eine flächendeckende Ausleuchtungsmessung ist nicht zum Nulltarif zu bekommen.
- Leistungsbeschreibung: Beschreiben Sie möglichst detailliert, was alles vom Bieter zu liefern und zu tun ist. Neben der Installation, Verkabelung und Konfiguration von Komponenten muss der Bieter vorab eine eigene Planung durchführen. Dokumentation und Abnahme habe ich bereits erwähnt. Vielleicht möchten Sie aber noch Zugriff auf die Management-Umgebung des Bieters und eine dafür passende Schulung erhalten.
- Anforderungskatalog: Es bietet sich an, technische und betriebliche Anforderungen in tabellarischer Form zu benennen und deren Erfüllung durch die angebotene Lösung abzufragen. Wie üblich werden Sie einige K.-o.-Kriterien aufstellen und die restlichen Kriterien mit einer Gewichtung versehen, sodass sich am Ende für jedes Angebot eine technische Note ergibt.
- Preisblatt: Erst ein detailliertes Preisblatt ermöglicht es Ihnen, die Angebote zu vergleichen. Dadurch bekommen Sie eine bessere Verhandlungsposition. Den Bietern ist das jedoch ein Dorn im Auge. Rechnen Sie also damit, dass man sich mit Händen und Füßen dagegen wehren wird, Ihre Preispositionen zu befüllen. Stattdessen wird man einen Preis eintragen und die restlichen Positionen mit „im Endpreis enthalten“ markieren.
Wenn Sie am Ende den wirtschaftlichsten Bieter bestimmt haben werden, sind Sie möglicherweise noch nicht fertig. Sofern es ein Multi-Provider-Inhouse-Netz werden soll, müssen Sie anschließend die weiteren Provider – auch als sekundäre Provider bezeichnet – um ein Angebot bitten. Dabei gibt es leider keinen Wettbewerb mehr. Dafür sind hingegen deutlich weniger Leistungen abzufragen. Der sekundäre Provider stellt eine Basisstation oder BBU samt Anbindung an sein Kernnetz zur Verfügung. Er bindet es an die Komponenten des primären Providers an. Zu diesem Zweck müssen Sie die technischen und betrieblichen Schnittstellen zum primären Provider spezifizieren.
Die Ausschreibung eines privaten 5G-Campusnetzes läuft letztlich genauso ab. Möglicherweise ist das private Netz nur ein weiterer Dienst des öffentlichen Providers. Möglicherweise verzichten Sie jedoch auf die Bereitstellung öffentlichen Mobilfunks und beschränken sich auf das private 5G-Campusnetz. Dann können Sie auf andere Modelle der Bereitstellung zurückgreifen − bis hin zum Eigenbetrieb der Lösung. Hier ist der Markt jedoch noch recht jung, und auch mit dem Eigenbetrieb von Mobilfunk gibt es bisher kaum Erfahrungen. Wir werden zu gegebener Zeit darüber berichten.