aus dem Netzwerk Insider Dezember 2021
Wir haben ein Problem: Microsoft etabliert sich in mehr und mehr Feldern als Quasi-Monopolist. Man muss immer länger suchen, um noch Kunden zu finden, die nicht auf Microsoft Exchange setzen oder die kein Active Directory oder Microsoft Office nutzen. Und wenn man sie endlich gefunden hat, dann stellt sich in den meisten Fällen heraus, dass lediglich die Migration dorthin noch nicht abgeschlossen wurde. Doch die Entscheidung wurde längst getroffen.
Das Problem
Die diskutierten Optionen bei diesen auch in Zukunft weiterhin bestehenden Themen sind in vielen Unternehmen und Behörden dieselben: Soll künftig ein Microsoft-Produkt OnPrem eingesetzt werden oder will man schon auf die Cloud setzen? Allerdings kommt auch in der Cloud als erster Kandidat das entsprechende Microsoft-Produkt auf die Einkaufsliste. An der Diskussion um das Microsoft 365 Portfolio kommt heute kaum noch jemand vorbei.
Irgendwie hat es Microsoft geschafft, die noch vor wenigen Jahren weitverbreitete Skepsis gegenüber der Cloud allgemein, insbesondere aber bei Themen wie dem Mailserver oder gar dem Verzeichnisdienst in kürzester Zeit schwinden zu lassen. Dabei hat die Pandemie sicherlich ihren Teil geleistet, doch letztlich wurde damit lediglich ein Trend beschleunigt, der sich auch in den Jahren davor bereits abzeichnete. Nun schickt sich also auch Microsoft Teams an, in vielen Unternehmen die Echtzeitkommunikation und Teamkollaboration zu übernehmen.
Doch haben wir deshalb wirklich ein Problem? Monopole sind schlecht für die Kunden, da ist man sich schnell einig. Ist es jedoch nicht noch etwas verfrüht, bei der Kommunikation von einem Monopol zu sprechen? Tatsächlich gibt es durchaus noch ernstzunehmende Herausforderer entlang des Microsoft-365-Spektrums. Dazu gehören unter anderem Unternehmen wie Cisco, Google und Salesforce, also absolute Schwergewichte in der IT.
Allerdings haben diese in deutschen oder vielmehr europäischen IT-Abteilungen häufig einen schweren Stand. Versuchen Sie doch einmal, einen deutschen Vorstand davon zu überzeugen, dass Google Workplace eine valide Alternative zu Microsofts Office 365 sein kann. In den meisten Fällen werden Sie nichts weiter als ein müdes Lächeln ernten. Diskussionen um den Datenschutz sind dabei oft eher zweitrangig. Es nutzt und kennt halt kaum jemand im professionellen Bereich die Alternative zu Microsoft, und man möchte kein Risiko eingehen, das sonst kein anderer eingeht.
Bei Microsoft ist das anders. Der Konzern genießt in diesem Bereich eine gehörige Portion Vorschuss-Vertrauen, insbesondere wenn es um das Cloud-Portfolio geht. Auch hier sind wichtige Fragen noch nicht abschließend geklärt, doch was soll schon schiefgehen, wenn es alle machen – so der Gedankengang.
Es gibt sie also, die Alternativen, und dann wiederum doch nicht. Wir schränken uns hier unnötig ein und verstärken somit ein Problem, das eigentlich keins sein müsste. Doch die Welt der IT ist schnelllebig, und wenn uns die vergangenen Jahre eines gelehrt haben, dann ist es dies, dass Stimmungen plötzlich umschlagen können.
Angriff durch Salesforce?
Ein Kandidat für einen Frontalangriff auf Microsoft ist sicherlich Salesforce. Das Unternehmen ist ein echter sogenannter „Cloud-Native“: Das Kernprodukt und die zahlreichen Zukäufe sind reine Cloud-Produkte und somit bestens für die Zukunft gerüstet.
Den Bereich der CRM-Software aus der Cloud hat Salesforce fest in der Hand. Auch hier hinken wir dem internationalen Markt noch hinterher, doch Salesforce ist durchaus auf dem Vormarsch und hat bereits den vollkommen anders aufgestellten Konkurrenten SAP im Auge. Mit einem geplanten Umsatz von über 30 Milliarden US-Dollar möchte Salesforce zumindest international schon bald an dem Konkurrenten aus Deutschland vorbeiziehen. Das Konkurrenzprodukt Microsoft Dynamics schaut bereits hinterher. Für Microsoft ist das allerdings eher ein Nebenschauplatz.
Ganz anders sieht das bei Microsoft Teams aus. Das Produkt für Kommunikation und Teamkollaboration entwickelt sich zunehmend zum Aushängeschild des Unternehmens und ist strategisch wichtig mitten im Portfolio von Microsoft 365 platziert. Salesforce hat mit dem Produkt Chatter einen eigenen Versuch in dieser Kategorie gewagt, ist jedoch letztlich gescheitert.
Nun versucht Salesforce es erneut und nimmt dafür Unmengen von Kapital in die Hand. Für sagenhafte 28 Milliarden US-Dollar wurde Slack übernommen. Slack ist ein direkter Konkurrent von Microsoft Teams im aktuell extrem angesagten Bereich der Teamkollaboration. Doch wir kennen es bereits: Auch das gilt insbesondere wiederum für den internationalen Markt.
Funktional braucht Slack den Vergleich in vielen Disziplinen nicht zu scheuen: Immerhin hatte Microsoft seinerseits selbst lange Zeit überlegt, das Unternehmen mit dem gleichnamigen Produkt zu übernehmen. Seinerzeit stand noch eine bescheidene Summe von 8 Milliarden US-Dollar im Raum, doch der Transfer wurde niemals vollzogen. Schließlich hatte man sich bei Microsoft dafür entschieden, Slack zu klonen, statt zu kaufen und den Klon tief in das eigene Portfolio einzuweben – mit riesigem Erfolg, wie sich zeigte.
Die Strategie
Zurzeit liegt eine Kartellbeschwerde bei der EU-Kommission gegen Microsoft vor, die noch vor der Übernahme durch Slack initiiert wurde. Darin wird Microsoft vorgeworfen, Microsoft Teams zu eng in das eigene Portfolio verwoben zu haben, um damit die Marktdominanz in manchen Bereichen auf die Teamkollaboration auszuweiten. Ob die EU hier wie seinerzeit beim Internet Explorer eingreifen wird, ist jedoch fraglich.
Erfolgversprechender aus der Sicht von Slack sind eher die neuen Möglichkeiten durch den Schulterschluss mit Salesforce und die dazugehörige Markt- und Kapitalmacht. Im Vergleich zu Microsoft Teams ist Slack bei uns ziemlich unbekannt. Allerdings kann das Produkt von dem enormen Werbebudget von Salesforce profitieren. Immerhin gibt das Unternehmen einen beträchtlichen Teil seines Umsatzes (ca. 40%) für Werbung aus. Dies kann bei einer Produktkategorie, die direkt von der Meinung der Endanwender abhängt, den entscheidenden Unterschied ausmachen.
Nicht zuletzt bietet die Kombination aus Salesforce und Slack jedoch auch Möglichkeiten, ein funktionales Spektrum auf eine Art abzudecken, bei dem selbst Microsoft nicht mithalten kann. So ist Salesforce seinerseits dabei, das neue Produkt in das vorhandene Portfolio zu integrieren und so ein Kommunikations- und Verwaltungspaket zu schnüren, das seine Sparte auf eine bisher einzigartige Weise abdeckt.
Die Zukunft
Ob dieser Weg zum Erfolg führt, wird sich zeigen. Doch der Kampf um das riesige Cloud-Angebot ist noch lange nicht vorüber, auch wenn es manchem mit Blick auf den lokalen Office-Markt aktuell so erscheinen mag. Hier wurde nur ein einziger von vielen Vektoren, insbesondere auf dem internationalen Markt, betrachtet. Dabei gibt es noch zahlreiche weitere Hersteller, die es jetzt und in Zukunft auf anderen Wegen versuchen. Man sollte nicht vergessen, dass es hier um einen riesengroßen Kuchen geht, der täglich weiter wächst.
Es ist also noch viel Bewegung drin: Technik, Trends, Gesetzgebung und Markt – überall kann und wird noch viel geschehen. Vermutlich sehen wir gerade erst den Anfang einer Entwicklung, die noch viele Überraschungen für uns parat haben wird.