Das Projektinterview: Digitale IT-Infrastruktur für 80 Schulen – Planung und Umsetzung
01.06.22 / Christian Firnhaber
aus dem Netzwerk Insider Juni 2022
Mit dem Digitalpakt Schule wurde 2019 von Bund und Ländern gemeinsam ein Förderprogramm beschlossen, um Schulen und ihren Trägern den flächendeckenden Aufbau einer zeitgemäßen, digitalen Bildungsinfrastruktur zu ermöglichen.
Christian Firnhaber ist seit 10 Jahren als Projektleiter im Bereich Infrastrukturen bei ComConsult tätig. Mit dem Digitalpakt Schule startete er 2019 sein bisher umfangreichstes Projekt. In diesem Interview erfahren wir von ihm, wie ComConsult bei der Planung und Umsetzung der Digitalisierung von über 80 Schulen vorgegangen und dieses Projekt bis heute vorangeschritten ist.
Christian, was soll mit dem Digitalpakt Schule erreicht werden?
Der Digitalpakt Schule ist 2019 vom Bund als Finanzhilfe mit dem Ziel aufgesetzt worden, die circa 40.000 allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Deutschland bis Ende 2024 mit einer modernen, digitalen Bildungsinfrastruktur auszurüsten. Das ursprüngliche Fördervolumen, das der Bund dafür angesetzt hatte, waren fünf Milliarden Euro. Als im Zuge der Corona-Krise die Themen Fernunterricht und Online-Learning schlagartig an Bedeutung gewannen, wurde das Budget auf sechseinhalb Milliarden Euro erhöht. Das heißt, dass im Durchschnitt rund 120.000 Euro pro Schule geplant und die Fördergelder auf rund 150.000 Euro pro Schule erhöht wurden. Und um es schon einmal vorweg zu nehmen: Aus unserer Erfahrung heraus sind die finanziellen Mittel ziemlich knapp kalkuliert.
Wie arbeiten Bund und Länder zusammen?
Das Programm wurde vom Bund aufgelegt und über die Länder weitergeben. Für den Digitalpakt Schule war eine Grundgesetzänderung nötig, weil die Länder die Hoheit über die Bildungspolitik haben und daher der Bund beim Thema Schulen eigentlich kein Mitspracherecht hat. Die Länder haben dann ihre eigenen Durchführungsbestimmungen erlassen. Auf dieser Basis arbeiten wir jetzt.
Welche Schulprojekte betreut ComConsult?
Wir haben zurzeit vier Digitalpaktprojekte. Das größte Projekt ist Wiesbaden. Dort betreuen wir rund 80 Schulen über die gesamte Laufzeit. Wir planen die Ausstattung mit passiver Infrastruktur, WLAN und der dazu benötigten Elektrotechnik.
Die Grundlage für ein Schul-Digitalisierungsprojekt ist das Medienkonzept der Städte bzw. Kommunen.
Ja, im Medienkonzept wird festgelegt, womit genau das Schulgebäude flächendeckend ausgestattet werden soll. Auf dieser Grundlage wird der Förderantrag gestellt. Nach den Leistungsphasen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) sucht sich der Auftraggeber einen Flachplaner. Wir als Fachplaner durchlaufen dann mit den Ansprechpartnern für die jeweilige Schule den gesamten Prozess. Das fängt bei der Bestandsaufnahme an und geht hin bis zur Festlegung, was, wo, in welchem Umfang und in welchem Zeitrahmen benötigt wird.
Und dann erstellt ComConsult eine Ausführungsplanung für das Gesamtprojekt?
Wir haben in Wiesbaden für die 80 zu digitalisierenden Schulen einen groben Plan erstellt, in dem bestimmte Starttermine über die Jahre festgelegt wurden, damit sich die Arbeitsbelastung ausgewogen verteilt. Hier ist es wichtig zu planen, in welchem Zeitraum die Schulen mit den Beeinträchtigungen durch die Arbeiten am besten zurechtkommen und wann unsere Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Wir fassen fünf bis zehn Schulen in einer Ausschreibung zusammen, das Ganze zwei bis drei Mal über das Jahr verteilt. Wie viele Schulen in einem Teilprojekt zusammengefasst werden, richtet sich danach, wie groß die Schulen sind und mit welchem Arbeitsumfang bei der Umsetzung zu rechnen ist.
Wie begleitet ComConsult die Ausschreibung?
Wir unterstützen den Kunden bei der öffentlichen Ausschreibung, indem wir die Angebotsunterlagen hinsichtlich technischer und wirtschaftlicher Kriterien auswerten und einen Vergabevorschlag abgeben. Der Kunde prüft unsere Empfehlung und vergibt die Leistungen an die ausführenden Firmen.
Es gibt in den meisten Schulen ein pädagogisches Netz und ein Verwaltungsnetz. Was ist der Unterschied?
Das pädagogische Netz dient vornehmlich den Unterrichtszwecken. In diesem Netz wird gelehrt und gelernt. Das pädagogische Netz soll in allen Schulen flächendeckend implementiert werden. An das Verwaltungsnetzwerk sind beispielsweise das Direktorium, das Sekretariat und gegebenenfalls auch andere städtische Einrichtungen angeschlossen. Die Netze können physikalisch getrennt sein, doch theoretisch auch in wesentlichen Teilen über dieselbe Hardware laufen. In der Regel ist eine Trennung beider Netze historisch gewachsen und fast überall schon vorhanden. Eine klare Trennung ist nicht immer möglich. Es kommt beispielsweise vor, dass Schulen ein flächendeckendes Netz brauchen, weil kleine Konferenzräume gleichzeitig als Gruppenräume für Schüler genutzt werden. Wir beschäftigen uns vornehmlich mit dem pädagogischen Netz.
Ein zentraler Punkt ist die WLAN-Versorgung. Wofür soll das WLAN in den Schulen genutzt werden?
Der Bedarf an mobilen Geräten ist grundsätzlich vorhanden. Viele Geräte, die von Schülern und Lehrern genutzt werden, sind WiFi-Geräte. Es gibt auch viele Förderprogramme, die parallel zum Digitalpakt laufen, in denen eine solche Geräteausstattung explizit gefördert wird. Darüber hinaus sollen pädagogisch genutzte Räume zum Beispiel mit Digiboards ausgestattet werden. Die WLAN-Struktur ist dann vernünftig nutzbar, wenn sie das Gebäude auch wirklich abdeckt und in jedem Raum, der pädagogisch genutzt wird, mobile Geräte eingesetzt werden können. Dabei müssen wir die Anforderungen an die Bandbreite und die Clientdichte berücksichtigen, also, dass zum Beispiel in einem Gebäude in mehreren Räumen zwanzig Schüler zur gleichen Zeit mobile Geräte einsetzen können.
Welche Auswirkung hat der Einsatz der erweiterten Infrastruktur auf den Strombedarf?
Die meisten Gebäude haben eine elektrotechnische Ausstattung, die für einige fest installierten Geräte und für das Licht im Gebäude ausreicht, doch nicht für viele weitere, zusätzlich geplante aktive Komponenten. Wir müssen uns dann mit der Frage beschäftigen, wie wir die elektrische Infrastruktur im Gebäude entsprechend erweitern können. Oft stoßen wir besonders bei älteren Gebäuden auf das Problem, dass die elektrische Substanz nicht ohne Weiteres erweiterbar ist. Im Einzelfall evaluieren wir dann, wie die momentane elektrische Ausstattung und Auslastung ist. Wir prüfen beispielsweise, ob die vorhandenen Steckdosen noch benutzt werden können und wo möglicherweise zusätzliche Anschlüsse und Unterverteiler angebracht werden müssen.
Denkmalschutz und Brandschutz sind sicher wichtige Themen.
Ja, auf jeden Fall. Wenn wir Glück haben, gilt der Denkmalschutz nur für die Fassade und wir haben im Gebäudeinneren keine Probleme bei den Bauausführungen. Aktuell haben wir eine Schule, bei der nach unserem jetzigen Kenntnisstand das gesamte Gebäude unter Denkmalschutz steht. An den Wänden befinden sich denkmalgeschützte Fliesen, sodass wir dort gar nichts montieren können. Und in einem denkmalgeschützten Flur darf man beispielsweise keinen Brandschutzkanal installieren. Wir versuchen dann mit den verantwortlichen Stellen eine Lösung zu finden. Wir haben eine Schule gehabt, die wegen der Denkmalschutzbestimmungen ganz aus dem Programm genommen wurde, weil sie erst in einigen Jahren saniert wird.
Existiert von den Schulgebäuden eine Bestands-Dokumentation?
Leider existieren häufig keine detaillierten Unterlagen. Im ersten Schritt erhalten wir meistens nur einen Grundriss der Schule, den wir auf Vollständigkeit und Aktualität prüfen und gegebenenfalls anpassen. Als nächstes bekommen wir eine Vorabplanung für die Schule, in der festgehalten wurde, welche Ausstattung gewünscht ist. Dort ist gegebenenfalls auch angegeben, welche Leitungen gelegt werden sollen oder welche Kabelschächte, Trassen oder Leitungswege schon vorhanden sind. Sämtliche Angaben, die uns vorliegen, unterziehen wir einer eingehenden Prüfung. Dazu begehen wir das Gebäude und dokumentieren detailliert, welche Ausstattung aktuell existiert. Darüber schreiben wir einen Bericht, in dem wir alles zusammenfassen, was wir vorgefunden haben, was gewünscht ist, welche besonderen Punkte es im Einzelfall zu beachten gibt und eventuell im Vorfeld der Ausschreibung geklärt werden sollten. Der Kunde erhält den Bericht und gibt ihn frei.
Wie geht es dann weiter?
Wir planen in erster Linie die passive Infrastruktur. Wir tauschen uns mit den zuständigen Stellen der Stadt aus, damit wir auch bereits vorhandene aktive Komponenten in unserer Planung berücksichtigen können. Mit dem Leistungsverzeichnis übergeben wir am Ende dem Kunden ein Dokument, in dem alle einzelnen Positionen und Mengen enthalten sind, die er für die Ausschreibung benötigt.
Welche Aufgaben hast du bei der Bauleitung?
Beim Kickoff sehen wir uns mit der Firma, die mit den auszuführenden Arbeiten beauftragt wurde, die Schule zusammen an. Wir stellen den Kontakt zwischen allen relevanten Ansprechpartnern her und besprechen, wann mit den Arbeiten begonnen werden kann. Der zeitliche Ablauf der Arbeiten ist für Schulen ein sehr wichtiger Punkt, denn sie können in der Regel ja nicht auf einen größeren Teil ihrer Räume verzichten. Ein Auftragnehmer in einem aktuellen Projekt beginnt erst gegen Mittag mit seiner Arbeit, um den laufenden Betrieb möglichst wenig zu stören. Wir stehen als Ansprechpartner zur Verfügung, wenn Schwierigkeiten auftreten. Es kann beispielsweise sein, dass keine Bohrungen durchgeführt werden können, weil zu viel Eisen im Mauerwerk ist. Immer wieder müssen wir auch eingreifen, wenn Beschwerden kommen, dass es zu laut oder zu schmutzig ist. Bei der Bauüberwachung ist es wichtig darauf zu achten, ob die Bauleistungen vor Ort die Qualität haben, wie wir sie in der Leistungsbeschreibung angegeben haben. Es kann zum Beispiel vorkommen, dass wir einen Leistungsweg geplant haben, der so nicht umzusetzen ist. Dafür müssen wir dann eine Lösung finden. Am Ende der Bauausführung steht eine technische Vorabnahme, in der wir die technischen Details begutachten. Sehen wir uns beispielsweise die Kabelleitungen an, wenn die Decken noch offen sind, besteht noch die Möglichkeit, Mängel festzustellen und Änderungen zu veranlassen. Nach ein bis zwei Wochen sind in der Regel alle Fehler behoben und der offizielle Abnahmeprozess startet. Dazu treffen wir uns mit der Firma und den Verantwortlichen auf der Seite des Auftraggebers vor Ort und unterschreiben nach gemeinsamer erfolgreicher Abnahme das Abnahmeprotokoll.
Wie werden die Kosten kalkuliert?
Die Kommunen müssen sich im Vorfeld schon überlegen, was sie eigentlich beantragen wollen. Deshalb gibt es von dieser Seite meistens schon eine grobe Kostenschätzung. Es existieren gewisse Erfahrungswerte wie zum Beispiel die Anzahl der Schülerplätze und der Räume und welche Anzahl an aktiven und passiven Komponenten gebraucht wird. Diese Angaben nehmen wir in einem ersten Schritt auf und verfeinern das dann. Im Rahmen der Leistungsphasen wird aus einer ersten Annahme eine Kostenschätzung. Am Ende geben wir im Zuge der Ausführungsunterlagen, die wir den Kommunen zur Ausschreibung bereitstellen, eine entsprechende konkrete Kostenberechnung ab. Dort kalkulieren wir den Umfang der geforderten Arbeitsleistung und der zu erwartenden Ausgaben für die Technik und deren Installation. Wir liegen in der Regel mit unserer Kostenermittlung aufgrund unseres großen Erfahrungsschatzes sehr nah an den tatsächlichen Ausgaben.
Nach unserer Erfahrung ist es schwierig, einen Durchschnittswert für die Fördergelder einer Schule zu benennen. Dafür ist die Bandbreite der Leistungen pro Objekt zu unterschiedlich. Allein im Bereich der passiven Infrastruktur können die Kosten zwischen 30.000 und 300.000 Euro liegen. Es gibt relativ kleine Schulen, bei denen die Bauarbeiten in zwei bis drei Wochen erledigt sind und es gibt Schulen, die sich über mehrere Gebäude erstrecken, in denen beispielsweise neue Schächte gelegt werden müssen. Da kann sich das Projekt durchaus über drei bis vier Monate ziehen.
Wie liegt ihr im Zeitplan? Werden Ende 2024 alle Schulen digital aufgerüstet sein?
Ja, da bin ich zuversichtlich, wir liegen gut in der Zeit. Wir verwenden eine Menge Energie darauf, den Zeitplan einzuhalten. Zum jetzigen Zeitpunkt, also April 2022, haben wir an rund der Hälfte der Schulen die Ausstattung der digitalen IT-Infrastruktur abgeschlossen.