aus dem Netzwerk Insider Juli 2022
Eigentlich ist es völlig klar, Komponenten eines IT-Netzes brauchen eine Bezeichnung. Wie sonst können diese in eine Dokumentation eingebunden oder im Betrieb lokalisiert werden? Das gilt für Geräte, welche die IT-Infrastruktur nutzen (z.B. Drucker, PCs, Server), für aktive Netzwerk-Komponenten (Switches etc.) und nicht zuletzt für einen Teil der Verkabelungskomponenten. Doch zeigt die Erfahrung aus vielen Projekten, dass der Methodik, wie diese Kennzeichnung der Komponenten zu erfolgen hat, wenig bzw. nur unvollständige Aufmerksamkeit gewidmet wird. Dies fällt insbesondere bei Netzwerk-Auditierungen (im Sinne von „wie hat man es bisher gemacht“) und bei der Fachplanung von neuen IT-Verkabelungen – entweder in Bestandsumgebungen oder direkt bei Neubauprojekten – auf.
Welche Konsequenzen kann ein nicht optimiertes Kennzeichnungsschema haben bzw. warum lohnt es sich, große Sorgfalt bei der Definition walten zu lassen? Ein falsches Schema kann zu einer unangenehmen „Erblast“ werden, deren Langlebigkeit und Folgen erheblich größer sein können als die Nutzungsdauer der Komponenten. Insbesondere Netzwerkbetreiber müssen unter falschen oder schlechten Kennzeichnungsschemata „leiden“.
Der nachfolgende Artikel beschäftigt sich mit dem Grundprinzip der Kennzeichnung und Beschriftung von IT-Komponenten. Darüber hinaus wird ein Blick auf andere Lösungsansätze geworfen, insbesondere auf solche, die aus einer anderen Welt kommen. Hier seien z.B. der Bau von technischen Gebäudeanlagen oder die digitalisierte Planung von neuen Gebäuden, basierend auf BIM, erwähnt. Wie „vertragen“ sich diese Lösungsansätze mit der Kennzeichnung von IT-Verkabelungskomponenten? Zum Schluss widmet sich der Artikel dem besonderen Umfeld der Kennzeichnung von IT-Verkabelung im Rechenzentrumsumfeld.
Zu Beginn soll zunächst die triviale Frage nach dem Sinn und Zweck eines Kennzeichnungsschemas gestellt und auch beantwortet werden.
Ausgangsbasis
Es ist erforderlich, dass bei allen Infrastrukturen eine Bezeichnung der Komponenten vor Ort sowie eine Erfassung dieser in einer Dokumentation gemacht wird, egal ob es sich um Elektroinstallationen, Telefonnetze, Brandmeldeanlagen o.Ä. handelt. Bereits hier gibt es Unterschiede im Detaillierungsgrad bzw. Umfang. Werden die meisten Nutzer noch eine Beschriftung der Telefondose finden (kleines Klebeschild), so ist die Beschriftung der elektrischen Dosen eher ungewöhnlich – zumindest bei älteren Elektroinstallationen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass es einen Unterschied bei der Anforderung an die Dokumentation gibt, z.B. zwischen Telefon- und Stromversorgung.
Der Bedarf, eine Komponente überhaupt zu kennzeichnen, steigt, wenn die Beschaltung dieser Komponente (also das Einstecken einer Anschlussverbindung) eine sekundäre Beschaltung an einem weiteren Ort, in der Regel an einem Verteiler, notwendig macht. Dies ist bei der gewöhnlichen Elektroverkabelung eher nicht der Fall. Die Anwender werden sehr dynamisch und ohne Absprache mit der Elektroabteilung Steckdosen in Betrieb nehmen bzw. die Nutzung beenden, und es ist keine weitere zentrale Schaltung notwendig. Daher kann auf eine Beschriftung verzichtet werden. Mittlerweile wird man bei den meisten Elektroverkabelungen mindestens den zugehörenden Sicherungsautomaten bzw. Elektroverteiler an der Steckdose erkennen können. Und das weniger um eine Folgebeschaltung einleiten zu können, sondern vielmehr, um bei Auslösen der Sicherung eine Wiederinbetriebnahme des Stromkreises möglichst schnell sicherstellen zu können (Aspekt Verfügbarkeit).
Bei einem Datenanschluss im Büro zum Beispiel ist das anders. Sofern keine Vollaktivierung jedes Anschlusses in allen Dosen vorgenommen wird, muss der IT-Techniker jeden Port an der Dose mit einer Anschlussschnur versehen bzw. dem Mitarbeiter übergeben und zusätzlich am Verteiler eine Rangierung auf dem Switch durchführen. Dazu benötigt er eine Dokumentation oder eine Beschriftung an der Dose, aus der er die Zuordnung ersehen kann. Um in der späteren Betriebsphase nachvollziehen zu können, ob die Kommunikationstechnik am besagten Nutzungspunkt verfügbar ist, braucht man zwangsläufig eine „Belegungsdokumentation“ (in der Regel eine Rangierliste o.ä.) mit den eingetragenen Namen der belegten Komponenten. Eine sinnvolle Kennzeichnung der Datenanschlüsse ist zwingend notwendig.
Anlagenkennzeichnungssysteme
Wird ein Neubau – insbesondere in größerem Umfang – geplant, so gibt es sehr viele Gewerke und Anlagen, die geplant, eingebaut und später auch betrieben werden müssen. Zu diesen Anlagen existieren seit vielen Jahren standardisierte Methoden darüber, wie Teile der Anlage zu bezeichnen und zu dokumentieren sind. Bis vor wenigen Jahren lebte die IT in einer völlig anderen Welt und wurde nicht den technischen Anlagen eines Gebäudes zugeordnet. Der Betrieb der „IT-Anlage“ oblag vollkommen der IT-Abteilung, und eine Anpassung an die anderen Anlagen des Gebäudes oder Einordnung darin war nicht notwendig. Dies ermöglichte den IT-Abteilungen die Spezifizierung von teilweise völlig anderen Kennzeichnungsschemata.
Diese Zeiten sind bei modernen Neubauten vorbei, und zwar aus folgenden Gründen:
- Mindestens bei Großbauprojekten wird von allen Gewerken gefordert, sich einem übergeordneten Schema anzupassen, zumindest bei den Teilen, die fest mit dem Gebäude verbunden sind, also der IT-Verkabelung. Der IT-Abteilung oder dem IT-Fachplaner wird gar keine Wahl gelassen.
- Spätestens in dem Fall, wenn ein IT-Netzwerk dazu dient, die technischen Anlagen des Gebäudes (TGA) zu überwachen und zu steuern, gehört es zur Anlage, und eine davon losgelöste Kennzeichnung hat wenig Sinn. Die Organisationseinheit, die das Facility Management durchführen soll, wird darauf bestehen, ein einheitliches Schema zu bekommen.
- Mit der Einführung von BIM (Building Information Modeling) werden IT-Verkabelungsobjekte im digitalen Zwilling abgebildet, und diese brauchen einen Namen, sprich eine Bezeichnung. Den Rahmen für diese Bezeichnung setzt dann das BIM-Modell.
Bei derartigen hochkomplexen Neubauten wird häufig ein sogenanntes Anlagenkennzeichnungssystem (AKS) eingeführt. Das AKS ist eine branchen- und technologieübergreifende Festlegung zur Kennzeichnung und Identifikation technischer Systeme, insbesondere von Maschinen und Anlagen. Im Gebäude zählt jede Lüftung, jede Aufzugssteuerung u.Ä. als Anlage. AKS dient der eindeutigen Kennzeichnung, Zuordnung und Nachvollziehbarkeit aller eingebauten betriebs- und wartungsrelevanten Komponenten sowie deren Eigenschaften und Funktionen und ist ein sehr wichtiges Dokumentations- und Beschreibungssystem für das Gebäude. Trotz vorhandener Standardisierungen (z.B. VDI 3814) gibt es jedoch projektbezogene Abweichungen, i.a. projektspezifische Anforderungen an die Gliederungsstruktur und -tiefe. Dabei liegt die Herausforderung darin, einen Kennzeichnungsschlüssel zu finden, der so kurz wie möglich und gleichzeitig so lang wie erforderlich ist.
In den Standards wird unterschieden zwischen
- Anlagenkennzeichnungssystem (AKS) zur eindeutigen Kennzeichnung der Anlagen,
- Betriebsmittelkennzeichnungssystem (BKS) zur eindeutigen Kennzeichnung von Betriebsmitteln und
- Benutzeradressierungssystem (BAS) zur eindeutigen Bezeichnung von Gebäudeanlagenfunktionen.
Legen wir im vorliegenden Artikel den Schwerpunkt auf die „feste“ IT-Verkabelung, so spielen BKS und BAS keine Rolle.
Der grundlegende Aufbau des Kennzeichnungsschlüssels umfasst zwei Hauptkennzeichnungstypen, die örtliche Kennzeichnung und die funktionsbezogene Kennzeichnung. Das heißt, anhand der Kennzeichnung kann man erkennen, wo sich die Komponente befindet und zu welcher Anlage sie gehört. Damit entstehen zwei Hauptblöcke einer Kennzeichnung:
Die örtliche Kennzeichnung ist relativ einfach zu erklären: Mithilfe von Trennzeichen erfolgt eine Zuordnung des Objektes zu einem Raum (oder einer Achse oder einer Raumzone). Nachfolgend zwei Beispiele aus Projekten, in denen die Anzahl der Datenstellen bzw. Zeichen und die wechselnden Trennzeichen „++“ und „.“ („a“ bzw. „A“ stehen für Buchstaben oder Zahlen) ersichtlich sind. (siehe Abbildung 2)
Ein Beispiel aus einem anderen Projekt (GS = Gliederungsstufe):
Vergleicht man das mit einer im IT-Umfeld typischen Kennzeichnung, so lässt sich feststellen: Ganz anders ist das nicht, damit kann man als IT-ler gut leben.
Kommen wir zur funktionsbezogenen Kennzeichnung. Auch diese besteht aus verschiedenen Gliederungsstufen. In dem Beispielprojekt oben sah dieser Block wie in Abbildung 3 dargestellt aus.
Die erste Gliederungsstufe beschreibt die Anlagentechnik. Das sind z.B. Elektrotechnik, Gasversorgungstechnik, Heizung, Kältetechnik etc. Im Beispiel oben wurden beispielsweise bei den Feldern a1 bis a3 mit den Buchstaben „TGH“ die Gasversorgung der Heizung gekennzeichnet und mit „TEE“ die Elektrotechnik für die Netzersatzanlage („T“ steht für Technik, „B“ für Bau etc.). Die Ziffer „N“ steht für Durchnummerierungen in der jeweiligen Stufe.
Anhand der „Beschallungsanlage“ werden kurz die weiteren Stufen erklärt – unabhängig vom tieferen Verständnis der Funktionsweise einer Beschallungsanlage:
- GS1: „TFE“ für Beschallungsanlage
- GS2: Eine Beschallungsanlage wird ausgehend von einem Verteiler aufgebaut, bei GS2 wird hier ein Kürzel dem Objekttyp „Verteiler“ zugeordnet (andere Objekttypen auf dieser Ebene z.B. Feuerwehrsprechstelle, ELA-Einspielkasten).
- GS3: Die Beschallung wird in Form von Linien-Technologien aufgebaut, bestehend aus mehreren Linien. Da 3 Nummernfelder zur Verfügung stehen sollen, können somit bis zu 999 Linien in diesem Gebäude, ausgehend von einem Verteiler, vorgesehen werden.
- GS4: An der Linie „hängen“ Hupen, Lautsprecher u.Ä., entsprechende Kürzel werden hier eingetragen.
Erkennbar wird: Unabhängig von der örtlichen Kennzeichnung kann jedes Objekt der Anlage durch diesen Schlüssel eindeutig gekennzeichnet werden. Nicht alle Anlagen benötigen die volle Gliederungstiefe.
Die funktionale Kennzeichnung in obigem Beispiel wäre dann für eine „Hupe“: TFE0001.UH001.WG001.PG023. UH steht für „Gehäuse für leittechnische Einrichtung“, WG steht für die Linie und PG für die Hupe.
Um eine absolut eindeutige Kennzeichnung sicherzustellen, wäre jetzt vorneweg die örtliche Kennzeichnung zu ergänzen. Man erkennt: Das Ganze wird sehr lang. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass sich das benutzte Ortskennzeichen immer auf das in der letzten Gliederungsstufe gekennzeichnete Objekt bezieht. Also im obigen Beispiel der Hupe würde das Ortskennzeichen eine Information zum Montageort der Hupe liefern.
Kommen wir jetzt zur IT bzw. dazu, wie man diesen standardisierten Schlüssel auf die IT überträgt. Und da wird es schwierig.
Nutzbarkeit des AKS bei IT
Im Bereich der IT ist es unüblich, unterschiedliche, funktional bedingte Gliederungsstufen vorzusehen. Die wichtigsten Gründe für diesen allgemein üblichen Verzicht lauten wie folgt:
- Ein modernes IT-Netzwerk inklusive der aktiven Komponenten steht insbesondere für Universalität und Dienstneutralität. Dies impliziert eine häufige Nutzungsänderung und schließt damit eine funktionsbezogene Kennzeichnung weitestgehend aus. Welcher Funktionsgruppe soll man beispielsweise ein mehrfaseriges Glasfaserkabel zuteilen, über das ein Produktionsnetz, ein Büronetz und ein Sicherheitsnetz parallel aufgebaut werden?
- Viele Elemente eines IT-Netzes lassen sich keiner dauerhaften Funktion zuordnen, im Laufe eines Netzwerkbetriebs ändern sich diese. Ein Beispiel hierfür ist ein Etagenverteiler nach EN 50173-1: Ein so definierter Verteilerpunkt kann aufgrund seiner veränderten Nutzungsform und nachträglicher Verkabelungen „aufgewertet“ werden und erhält zum Beispiel eine neue Funktion als Gebäudeverteiler. Insbesondere im Bereich der aktiven Komponenten kann durch Austausch von Modulen, z.B. in Switches, ein System seine Funktion ändern; aus einem Distribution Switch wird beispielsweise ein Core Switch. Es ist nachvollziehbar, dass ein Wechsel der Nutzungsform oder Funktion zwangsläufig zu einer Änderung der Beschriftung führen würde, sowohl an der Komponente selbst wie auch in einer möglicherweise zentral gepflegten Dokumentation. Dieses Problem stellt ein erhebliches Hindernis bei der Akzeptanz dieser Methode dar.
- Gewöhnlich wird stattdessen nur eine ortsbezogene Objektkennzeichnung vorgezogen, diese ist dauerhaft und eindeutig.
Das „kleinste“ zu dokumentierende Objekt einer IT-Verkabelung ist in der Regel der Anschlussport. Dieser befindet sich in einem Raum, dieser Raum auf einer Etage, die Etage in einem Gebäude, das Gebäude auf einem Campus, der Campus an einem Standort. Vergleicht man jede dieser geographischen Bezugspunkte mit einer Verpackung bzw. einem Paket, so wird folgendes Prinzip deutlich:
Die Bezeichnung setzt sich aus einer Kette von Informationen zusammen, die „schachtelförmig“ zusammengesetzt werden. Der Bezeichnungsschlüssel bzw. der Name der Komponente muss alle „Verpackungsteile“ beinhalten, damit dieser Name eindeutig und logisch aufgebaut ist. Nachfolgend ein Beispiel, entnommen aus einem Kennzeichnungsschema der ComConsult, konkret für die Kennzeichnung der IT-Anschlüsse an einer Dose:
Die Beschriftung von Dosen mit mehreren Kommunikationsanschlüssen muss so erfolgen, dass der jeweilige Endpunkt der dort angeschlossenen Installationskabel bereits an der Dose ersichtlich wird (Vermeidung der Notwendigkeit von Kabellisten!). Also an der Dose wird erkennbar, wo genau sich das andere Ende des Kabels befindet.
Dazu ist die nachfolgende Vorgabe einzuhalten, und Dosen werden wie folgt bezeichnet:
- mit der vollständigen Kennzeichnung des Rangierfeldes (inkl. der gesamten Ortskenndaten des Feldes),
- mit einem festgelegten Klassenkürzel für das Rangierfeld und
- mit den Portnummern, auf denen die Kommunikationsanschlüsse am anderen Ende der Leitung im Rangierfeld aufgelegt sind.
Beispiel für die Kennzeichnung, passend zum Bild der Dose:
vor Ort: 01-V01-VS05-RFT08-DT066 (zielbezogen)
Dokumentation: PS27-HH-01-V01-VS05-RFT08-DT066 (zielbezogen)
Bedeutung:
PS27 = Pascalstraße 27 (einzigartige Bezeichnung des Gebäudes)
HH = Hochhaus
01 = Ebene 01
V01 = Erster IT-Verteiler(punkt) auf der Etage
VS05 = Fünfter Verteilerschrank im Raum
RFT08 = 8. Twisted-Pair-Rangierfeld
DT066 = 66. Informationstechnischer Datenanschluss (= Port) im Schrank
Hinweis: Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Bezeichnung auf der Dose ohne Qualitätsverlust einzukürzen. Eine kann z.B. der Wegfall der Klassenkürzel sein, somit würden dort dann nur Zahlen stehen, d.h. aus <01-V01-VS05-RFT08-DT066> würde <01-01-05-08-066>.
Wenn eine IT-Abteilung bei der Festlegung des AKS in der frühen Planungsphase nicht mitwirkt (HOAI-Leistungsphase 5 ist zu spät!), wird sehr häufig Folgendes passieren: Die Dose inkl. des Datenports wird verortet, indem sie dem Raum zugeordnet wird. Das Gleiche gilt für die Buchse im Rangierfeld. Damit erhält sie eine Bezeichnung, die dem IT-ler eigentlich gar nicht nützt, warum? Zwei Gründe:
- Es gibt ohne weitere Dokumente keine Zuordnung zwischen Buchse am Rangierfeld und Buchse in der Dose. Optional wäre denkbar, eine Zusatzinformation auf die Dose zu bringen, was allerdings meistens am Platz scheitert.
- Versucht der IT-ler bei einem Problem an einer ihm bekannten Dose herauszufinden, in welchem Verteiler sich das zugehörige Rangierfeld befindet, hat er ohne Zusatzdokumentation (datenbankbasierende Dokumentation) keine Chance.
In beiden Fällen werden sowohl die Inbetriebnahme als auch die Fehlersuche erheblich beeinträchtigt; ohne Zusatzdokumentation (Papier oder Tablet) kommt der Techniker überhaupt nicht weiter. Das oben beschriebene IT-spezifische Kennzeichnungsschema würde so einen Zustand vermeiden.
Also wäre auch bei AKS wünschenswert: Jedes Element der IT-Verkabelung wird auf der höchsten Gliederungsstufe GS1 einem Verteilerraum zugeordnet. Verteilerschränke, die in einem Verteilerraum aufgestellt werden, werden konsequenterweise diesem Raum zugeordnet. Dies erfolgt mithilfe der GS2. Komponenten, die in einem Verteilerschrank eingebaut werden, werden dem Verteilerschrank über die GS3 zugeordnet (im Projekt: UH stand für Rack, US für Dose und XG für Buchse):
Wie bereits beschrieben sieht AKS jedoch eine Ortskennzeichnung bezogen auf das jeweils betrachtete Objekt (= Teil der Anlage) vor, und dies bedeutet, dass der aus IT-Sicht bevorzugte Schlüssel nicht anwendbar wäre. Die Dose bzw. der dort enthaltene Anschluss würden nicht dem Verteiler zugeordnet werden, sondern dem Raum, in dem sich die Dose befindet. Eine Information, die aus Sicht der IT völlig uninteressant ist.
Die Erfahrungen des Autors aus unterschiedlichen Projekten zeigen sehr häufig, dass
- die Interessen der IT-Abteilung dem AKS untergeordnet werden,
- Kompromisse ausgearbeitet werden müssen und
- doch die beschriebenen Zielangaben über zusätzliche Dokumentationselemente erfasst werden müssen.
Gerade Letzteres macht die Notwendigkeit von datenbankbasierenden Dokumentationen deutlich. Hier wird der nach AKS definierten und gekennzeichneten Dose bzw. dem darin enthaltenen Port „einfach“ nur ein Zusatzmerkmal gegeben, und zwar mit der Information, welchem Rangierfeldport diese zugeordnet wird.
Ganz schwierig wird es, wenn ein Objekt nicht einem Raum zuzuordnen ist. Jedes Datenkabel dürfte dem Grund nach ein Objekt sein, das es zu erfassen gilt. Doch welches Ortskennzeichen wäre da zu verwenden, denn ggf. verläuft z.B. ein Glasfaserkabel zwischen zwei Gebäuden?
Auch die funktionale Zuordnung auf der oberen Gliederungsstufe dürfte bei modernen Gebäuden nicht so klar festzulegen sein. Je weiter ein Gebäude digitalisiert wird, umso mehr wird die IT eine Rolle bei allen Gebäudeanlagen spielen. Zwei Strategien sind denkbar:
- Bei der ersten Strategie bleibt die IT ein eigenes Gewerk, dient als Kommunikationstechnik für alle Gebäudeanlagenteile und kann, wie oben gezeigt, gekennzeichnet werden (z.B. auf der Gliederungsstufe 1 „TIT“).
- Bei der zweiten Strategie bildet jedes Gewerk für sich eine IT-Kommunikationstechnik mit eigener IT-Verkabelung und eigenen aktiven Netzwerk-Komponenten. In diesem Fall wäre z.B. der obersten Gliederungsstufe nicht die IT zuzuordnen, sondern die jeweilige Anlage. IT wird also eine Subfunktion z.B. der Gasanlage (also „TGH“).
Kennzeichnungen bei BIM
Bei BIM (Building Information Modeling) bildet jedes im Gebäude zu verbauende Element und auch (fast) jedes ins Gebäude einzubringende Element ein Objekt eines digitalen Modells. Damit dieses Objekt eindeutig ist, erhält es sowohl eine Artikelnummer (im Prinzip die eindeutige Typnummer) als auch eine Art Inventarnummer. Diese ist völlig losgelöst von der Funktion oder Lage des Objektes. Sie orientiert sich an den Datenbankregeln der BIM-Modellierung.
In der BIM-Datenbank kann diesem Objekt allerdings ein weiteres Merkmal – z.B. in Form einer AKS-Kennzeichnung – zugewiesen werden. Da diese meistens keine aus IT-Sicht wichtigen Zusatzinformationen beinhaltet, wird dem Objekt als zweites Merkmal die oben beschriebene Zusatzinformation wie z.B. „ist verbunden mit“ zugeordnet.
In Abbildung 7 wird sehr gut das BIM-Prinzip deutlich: Es gibt ein in einem Raum zu platzierendes Objekt, welches zu der BIM-Objektgruppe 12.120.012 „Doppeldose mit 2 RJ45 als Unterputzvariante“ gehört. Dieser Objekt-Typ hat mehrere Eigenschaften, unterteilt in Gruppen wie z.B. „Allgemeines“, „Elektro“ oder „ICT“. Die AKS-Kennzeichnung ist natürlich kein ICT-Merkmal, sondern ein Merkmal, was allen Komponenten eines Gebäudes zugeordnet werden muss. Deshalb gehört es zu der Merkmal-Gruppe „Allgemeines“. Schaut man sich ganz rechts die Felder unter „Klassifikation“ an, so findet man die oben im Artikel erklärten Prinzipien der mehrgliedrigen Anlagenkennzeichnung wieder.
Es lässt sich schwer vorstellen, dass eine BIM-konforme Kennzeichnung beim Betrieb eines IT-Netzwerkes hilfreich sein wird. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Möglichkeit der Spezifikation von Zusatzmerkmalen bei BIM-Artikeln genutzt werden muss, um einen IT-konformen „Zweitnamen“ vergeben zu können.
In Abbildung 8 bildet z.B. das untere Eingabefeld die Möglichkeit, dem Objekt in BIM eine völlig andere Beschriftung/Kennzeichnung zuzuordnen. Hier könnte z.B. eine „zielbezogene“ Kennzeichnung – wie zuvor erklärt wurde – eingetragen werden. Bei der Erzeugung von Grundrissplänen kann dann später entschieden werden, welche Merkmale im Datenbankauszug zur Dose sichtbar zugeordnet werden, genau das, was der IT-ler im späteren Betrieb als Information benötigt.
Diese Möglichkeit der zusätzlichen Kennzeichnung muss bereits sehr früh im Projekt vorgesehen werden, nämlich beim Grundaufbau des digitalen BIM-Zwillings, denn ansonsten steigt der Aufwand der Anpassung gewaltig. Man versuche sich vorzustellen, dass z.B. 30.000 RJ45-Ports im BIM nach AKS o.ä. festgelegt worden sind und die IT-Abteilung dann gerne nachträglich zu jedem Port eine eigene Bezeichnung geändert/ergänzt hätte, so wären die Erfolgsaussichten da eher gering.
Besonderheiten der Kennzeichnung im Rechenzentrum
Bisher haben wir ausführlich die Kennzeichnungsproblematik bei der Planung von hochmodernen, neuen Gebäuden als Ganzes betrachtet und dabei gesehen, dass die Sichtweisen von Facility Management und IT durchaus sehr unterschiedlich sind. Die wenigsten Gebäude nehmen ein Rechenzentrum auf, und selbst wenn, erfolgt sein Betrieb in den seltensten Fällen durch ein übergeordnetes Facility Management. Hier behält meistens die IT-Abteilung die uneingeschränkte Hoheit. Einer „Zwangskennzeichnung“ z.B. der Rangierfelder im Serverraum nach AKS ist der Autor bisher so noch nicht begegnet.
Obwohl die IT-Abteilung hier die volle Freiheit zur Kennzeichnung und Beschriftung hat, lohnt es sich, einmal kurz auf die Besonderheiten der Verkabelungskomponenten im Rechenzentrum, speziell im Serverraum (= White Space), zu schauen. Hier gibt es keine Dosen und keine unterschiedlichen Räume, stattdessen sind die Anfangs- und Endpunkte der Kabel fast ausschließlich in Racks zu finden – in der Regel mithilfe von Patchpanels/Rangierfeldern gebildet. Diese müssen in einer sinnvollen Form gekennzeichnet werden. Die grundsätzlichen Ziele sind:
- absolute Eindeutigkeit des Komponentennamens,
- variable Länge der Beschriftung in Abhängigkeit des zu beschriftenden Objektes und
- identische Länge der Beschriftung auf der Port-Ebene.
Dies unterscheidet sich noch nicht vom Prinzip der Kennzeichnung bei Teilen der Gebäudeverkabelung. Es gibt jedoch Unterschiede. Hierzu einige Beispiele:
In den meisten Gebäude- oder Etagenverteilern existiert nur eine Schrankreihe, in einem RZ jedoch ggf. mehrere. Sollen diese Reihen im Kennzeichnungsschema dargestellt werden, so muss die Information in die Ortskennzeichnung als „Stelle“ einfließen. Achtung: Ortskennzeichnung meint nicht nur die Lage eines Objektes im Gebäude, sondern auch innerhalb des Racks.
Beschreibt die örtliche Lage eines Rangierfeldes in einem Etagenverteiler in 99% der Fälle nur die Lage auf der vorderen 19“-Ebene, so werden im Rechenzentrum bzw. in einem dort stehenden Rack sowohl die Vorder- als auch die Rückseite benutzt. Die Montage der Rangierfelder im Kaltgang ergibt bei den überwiegend rückseitigen Netzwerk-Anschlüssen im Warmgang keinen Sinn. Diese beiden Möglichkeiten zur Montage haben zur Folge, dass in der Ortskennzeichnung auch Kalt- und Warmgang unterschieden werden müssen.
Je nach Umgebung oder Planungskonzept werden bei den Gebäudeverkabelungen nur homogene Rangierfelder eingesetzt. Dies erlaubt z.B. die Verwendung von Klassenkürzeln wie RFT für „Rangierfeld Twisted Pair“ oder RFL für „Rangierfeld Lichtwellenleiter“. Im RZ dagegen sind gerade bei Trunk-Lösungen durchaus Rangierfelder vorzufinden, die mehrere Medien „aufnehmen“. Ein medienspezifisches Klassenkürzel ergibt keinen Sinn.
Zusätzlich muss die Modularität bei der Ortskennzeichnung dargestellt werden. Sieht man das nicht vor, kann folgendes Problem auftreten: Es werden mehrere Module für ein modulares Rangierfeld geliefert und eingebaut. Jedes dieser Module hat herstellerseitig dieselbe Portzählung bzw. -kennzeichnung, also wird es mehrere Ports mit der Nummer „1“ geben. Damit wäre, bei keiner Berücksichtigung des Modulplatzes (oder Slots), keine Eindeutigkeit des Ports mehr gewährleistet.
Doch auch das reicht noch nicht an Kennzeichnungstiefe. Bei Rangierfeldern oder Modulen z.B. mit LC-Quad-Anschlüssen kann es sein, dass nur die Stanzung im Blech (= ein Loch) eine Nummer bekommt, weil einfach kein Platz da ist, um die einzelnen Ports der 4 LC-Ports zu beschriften (siehe Abbildung 9). Das hat zur Folge, dass auch diese Modularität in das Schema einfließen muss.
Bei all dem wird der ein oder andere IT-Planer oder Nutzer ggf. sagen: „Das kommt bei mir nicht vor“. Da kann nur zur Vorsicht geraten werden. Wenn ein Kennzeichnungsschema nicht die möglichen, doch vielleicht unwahrscheinlichen Fälle berücksichtigt, dann kann es später bei einer Einführung von diesen Komponenten zu großen Schwierigkeiten kommen, diese noch im Kennzeichnungssystem unterzubringen.
In einem konkreten Projekt führte diese Betrachtung z.B. zu folgendem festgelegten Schema zur Port-Bezeichnung im Rangierfeld eines Racks:
Konkret ausgeschrieben wäre das der Port RZ1-A-14-K-12-A-02-2, also der 2. Port in der Stanzung 2 im Modul A des Rangierfeldes, eingebaut auf Höheneinheit 12, im Rack 14 auf der Kaltgangseite, im Block A vom Serverraum 1. Kommt jetzt der Einwand, diese Bezeichnung wäre doch viel zu lang, um z.B. ein High-Density-Rangierfeld damit zu beschriften, so ist zu berücksichtigen, dass ein Großteil der Kennzeichnung überhaupt nicht auf das Rangierfeld kommen muss. Bis zur Stufe „Slot/Modulplatz“ stehen die Beschriftungen schon an anderer Stelle. Der Schrank wird normalerweise bereits oben am Rand des Gehäuses eine Beschriftung haben, und die Höheneinheiten sind ebenfalls beschriftet.
Die im Betrieb so wichtige Zusatzinformation „wohin geht das Kabel“ ist im Kennzeichnungsschema nicht mehr abbildbar, der Name würde viel zu lang werden. Hier wird in den meisten Fällen der Weg gewählt, dieses am Rangierfeld durch Zusatzschilder darzustellen (siehe Abbildung 11).
Fazit
Aus Sicht des Autors wird dem Thema Beschriftung bzw. Kennzeichnung in der IT viel zu wenig und viel zu spät die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet. Allzu häufig überlässt man die Kennzeichnung der ausführenden Installationsfirma, welche nur sehr selten einen durchgehend konzeptionellen Ansatz wählt. Die IT kann in diesem Zusammenhang viel von den anderen Baugewerken lernen, denn hier wird diesem Thema sehr früh und umfangreich die notwendige Beachtung gegeben. Diese Kennzeichnungsmodelle passen nicht immer zur Denkweise der IT-ler, sie lassen sich allerdings als Grundidee in vielen Punkten verwenden. Für die IT-Fachplanung ist es sehr wichtig, sich bei Neubauten, in denen sich die Einführung von komplexen Anlagenkennzeichnungssystemen abzeichnet, frühzeitig einbringen, damit am Ende eine Dokumentation für den IT-ler entsteht, mit der im Betrieb auch etwas angefangen werden kann.