Interoperabilität von Videokonferenzen – ein (zum Teil ernüchternder) Bericht aus der Praxis
04.10.22 / Leonie Herden
aus dem Netzwerk Insider Oktober 2022
Die Nutzung von Videokonferenzen ist aus dem Berufsalltag nicht mehr wegzudenken. Doch Videokonferenz ist nicht gleich Videokonferenz. Insbesondere die Fülle an Anbietern und Lösungen führt nicht selten dazu, dass kein einheitliches Benutzererlebnis erreicht werden kann. Dies gilt sogar bei unternehmensinterner Kommunikation, also bei Konferenzen, bei denen sämtliche Teilnehmer ohnehin ausschließlich Endpunkte eines Herstellers nutzen sollten. Obwohl in diesem Fall sowohl die Lösung als auch die genutzten Clients in eigener Verantwortung sind, sind auch hier oft „Altlasten“ in Form von älterer Hardware, schlecht ausgestatteten Konferenzräumen oder einer unzureichenden Infrastruktur anzutreffen. Bei unternehmensübergreifenden Konferenzen sind darüber hinaus oft verschiedene Clients im Einsatz, die einen reibungslosen Ablauf zusätzlich erschweren. Die Herausforderungen, die wir in vergangenen sowie derzeitigen Projekten antreffen, sind ebenso vielfältig wie der Markt der Videokonferenzlösungen: von der Vereinfachung der Teilnahme an Videokonferenzen unterschiedlicher Hersteller über die Integration einer Videokonferenzlösung in die eigene IT-Landschaft bis hin zu der Frage, wie die vorhandene Hardware in Besprechungsräumen genutzt werden kann. Im folgenden Artikel wollen wir uns diesen Herausforderungen stellen und untersuchen, wie es um die Interoperabilität verschiedener Videokonferenzlösungen steht.
Herausforderung: Teilnahme an Videokonferenzlösungen unterschiedlicher Hersteller
Die folgende Situation hat sicherlich jeder von uns innerhalb der letzten zwei Jahre schonmal erlebt: Man erhält eine Einladung zu einer Videokonferenz, deren Namen man schonmal gehört hat, aber die man weder selbst im Einsatz hat noch jemals selbst vorher genutzt hat. Was also tun? Sofern man selbst Administrationsrechte auf dem PC oder Laptop hat, kann man sich den jeweiligen Client herunterladen, installieren, und anschließend für die Videokonferenz nutzen. Jedoch treten auch hier nicht selten Probleme auf. Das fängt bei der ungewohnten Bedienung an und geht bis hin zu ungewollten Auswirkungen auf andere Applikationen: Kann ich meinen Hintergrund ändern? Wo befinden sich Einstellungen zur Audio-Ausgabe? Und was passiert, wenn jetzt ein Anruf auf meinem Telefonie-Client eingeht? – Um nur ein paar typische Nutzerfragen zu nennen. Insbesondere die parallele Nutzung verschiedener Kommunikationsdienste führt zu ungewünschten Seiteneffekten. So gibt es zwischen verschiedenen Lösungen in der Regel keine Kopplungen, die einen Abgleich des Erreichbarkeits- oder Präsenzstatus ermöglichen. Eine Telefonie-Lösung weiß also nicht, dass sich der Nutzer gerade in einer Videokonferenz befindet, es sei denn, er nutzt die telefonische Einwahl. Geht nun ein Anruf ein, wird ein Headset, das sowohl für die Videokonferenz als auch für den Telefonie-Client verwendet wird, parallel von zwei Diensten angesprochen. Im günstigeren Fall wird das Headset für die Dauer des Anrufes nur vom Telefonie-Client genutzt. Dann kann der Nutzer zwar die Teilnehmer der Videokonferenz nicht mehr hören, dies gilt aber auch umgekehrt, und der Nutzer spricht ausschließlich mit dem Teilnehmer des Anrufes. Es kommt also nicht zu ungewollter Preisgabe von Informationen an die Teilnehmer der Videokonferenz. Es ist aber auch möglich, dass das Headset weiterhin von beiden Diensten Signale überträgt. In dem Fall können die Teilnehmer der Videokonferenz also ebenfalls das hören, was eigentlich für den Teilnehmer des Anrufes bestimmt war. Dem Nutzer bleibt hier nur die Wahl, sich entweder innerhalb der Videokonferenz stumm zu schalten oder die Videokonferenz vollständig zu verlassen. Diese Problematik ist allerdings nicht nur auf die Nutzung von externen Videokonferenzdiensten beschränkt, sondern tritt immer dann auf, wenn eine Videokonferenzlösung genutzt wird, die keine Synchronisierung des Erreichbarkeitsstatus mit weiteren Kommunikationsdiensten anderer Hersteller bietet – was nach unserer Erfahrung sehr häufig der Fall ist.
Noch komplizierter wird die Teilnahme an externen Videokonferenzlösungen, wenn der entsprechende Client nicht installiert wird, beispielsweise weil dies durch Unternehmensrichtlinien nicht erlaubt ist. Dann steht nur noch die Teilnahme per Browser zur Verfügung. Doch auch hier muss gegebenenfalls ein Plug-In installiert werden, um an der Videokonferenz teilnehmen zu können. Zudem stehen oft nicht alle Funktionen zur Verfügung, so ist beispielsweise die Anpassung des Hintergrundbildes oft nicht bei einer Teilnahme über einen Browser möglich.
Ein grundsätzliches Problem bei der Teilnahme an externen Videokonferenzlösungen besteht außerdem darin, dass die externen Server von der eigenen Infrastruktur aus erreichbar sein müssen. Hier stellen oftmals Firewall- oder Routing-Regeln entsprechende Hindernisse dar, die zu Einschränkungen bis hin zur vollständigen Verhinderung der Teilnahme an einer externen Videokonferenzlösung führen. Im Zweifelsfall sind hier für jede Videokonferenz individuelle Anpassungen des Regelwerks notwendig. Damit die Teilnahme an der Videokonferenz für den Nutzer möglichst reibungslos verläuft, müssen solche Anpassungen im Vorfeld durchgeführt und im Idealfall getestet werden. Dies ist jedoch vielfach nicht von der jeweiligen IT zu leisten, oder wird nur für Lösungen umgesetzt, die häufig von externen Kommunikationspartnern genutzt werden.
Eleganter wäre es doch, wenn man mit einem Video-Client von Hersteller A an einer Videokonferenz von Hersteller B teilnehmen könnte. Dass man sich also keine Gedanken mehr über die jeweilige Lösung und Ausstattung des Gegenübers machen müsste, so wie es beispielsweise bei klassischer Telefonie ist. Oder haben Sie sich schonmal Gedanken darüber gemacht, bei welchem Telefonie-Anbieter Ihr Gesprächspartner ist?
Interoperabilität bei Videokonferenzen – ein hoffnungsloser Fall?
Ganz so einfach, wie es bei der klassischen Telefonie ist, ist die Welt der Videokonferenzen leider nicht. Viele Lösungen bieten zwar die Integration von SIP-fähigen 3rd-Party-Endpunkten, jedoch sind solche Integrationen eher für eigene, interne Geräte gedacht, die nicht vom Hersteller der Videokonferenzlösung selbst bereitgestellt werden. In den jeweiligen Konfigurationen können diese Endpunkte dann als „Standard SIP-Endpunkte“ registriert und für Videokonferenzen innerhalb dieser Herstellerlösung genutzt werden. Der interessantere Anwendungsfall ist doch gerade die Teilnahme an beliebigen Videokonferenzen. Hier kann zwar in Ausnahmefällen ebenfalls eine Einwahl über die SIP-URI erfolgen, jedoch ist die einwandfreie Funktionsweise nicht garantiert.
Daher müssen andere Wege, wie eine Server-basierte Integration, betrachtet werden. Bei Telefonie-Lösungen sind solche Kopplungen (auch SIP-Trunks genannt) seit Jahren im Einsatz und somit eine Standard-Funktion, zumindest bei den großen Herstellern und Anbietern. Bei Videokonferenzlösungen, die verstärkt als Cloud-basierte Lösungen genutzt werden, besteht die Anforderung nach einer standardisierten Möglichkeit zur Kopplung verschiedener Lösungen zwar schon länger, jedoch haben die Hersteller in der Vergangenheit hier keine umfangreiche Entwicklungsarbeit betrieben. Einige Anbieter von Videokonferenzlösungen haben zwar schon in der Vergangenheit entsprechende „Interoperabilitäts-Server“ implementiert, jedoch erstreckten sich die Möglichkeiten oft nur auf die Übertragung von Audio- und Videosignalen. Weitere Dienste, wie Desktop-Sharing, Presentation-Sharing, Chat oder eine Dateiablage haben erst in den letzten drei Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Daher gibt es nun von einigen Herstellern verstärkte Bemühungen, sich der großen Welt der Videokonferenzlösungen zu öffnen und entsprechende Schnittstellen zu anderen Systemen anzubieten. Jedoch ist hier vor allem ein Anbieter im Fokus der anderen: Microsoft. Durch die Marktpräsenz und die große Verbreitung der Lösungen von Microsoft betreiben andere Anbieter große Anstrengungen, die eigene Lösung möglichst kompatibel zu gestalten.
So bietet Cisco den „Microsoft Certified Cloud Video Interop-Server” (CVI-Server) an, mit Hilfe dessen eigene Webex-Clients an Microsoft-Teams-Besprechungen teilnehmen können. Hierzu werden die Einwahldaten der Microsoft-Teams-Besprechung um eine SIP-URI ergänzt (siehe Abbildung 1).Diese SIP-URI kann dann im Webex-Client genutzt werden, um mit einem Webex-Client oder einem anderen kompatiblen SIP-Client an der Microsoft-Teams-Besprechung teilzunehmen. Zu beachten ist hier, dass für den Initiator eines Meetings eine entsprechende zusätzliche Lizenz innerhalb der Webex-Umgebung vorliegen muss. Das heißt insbesondere, dass diese Integration nur für Meetings genutzt werden kann, die auch vom Unternehmen selbst erstellt werden. Für Microsoft-Teams-Besprechungen, die von externen Kommunikationspartnern erstellt werden, kann somit nicht auf die Integration von Cisco-basierten Endpunkten zurückgegriffen werden.
Ein weiterer Anbieter von Interoperabilitätsservern ist ]pexip[. Auch hier wird ein von Microsoft zertifizierter Cloud-Video-Interop-Server angeboten, und es wird bei Einladungen zu Microsoft-Teams-Besprechungen ein entsprechender Einwahl-Link erzeugt (siehe Abbildung 2).
Die Integration von ]pexip[ ist jedoch nicht nur auf die reine Erstellung eines Einwahl-Links beschränkt. Vielmehr können weitere Mehrwerte, wie die Definition von Layouts für Videokonferenzen oder Audio-Ansagen und Begrüßungsbildschirm in verschiedenen Sprachen, zur Verfügung gestellt werden. Mit Hilfe des Cloud-Video-Interop-Servers können auch Raumsysteme an Microsoft-Teams-Besprechungen teilnehmen, sofern sie die Einwahl per SIP-URI grundsätzlich unterstützen. Wie auch bei dem Video-Interop-Server von Cisco gilt: Sie als Unternehmen müssen den Dienst von ]pexip[ nutzen und natürlich auch die jeweiligen Lizenzen bezahlen. Es profitieren sowohl Ihre eigenen Teilnehmer dadurch, dass interne 3rd-Party-Videokonferenzsysteme an Microsoft-Teams-Besprechungen teilnehmen können, als auch externe Teilnehmer über die zusätzliche SIP-URI.Ähnlich wie Cisco und ]pexip[ ist die Funktionsweise von Poly Realconnect des Herstellers Poly, ehemals Polycom bzw. Logitech. Mit Hilfe des Dienstes „Realconnect“, der sowohl als Cloud-Dienst als auch als On-Premises-Installation betrieben werden kann, wird ebenfalls eine SIP-URI für die Einwahl in Microsoft-Teams-Besprechungen generiert. Dieser Link kann dann von internen sowie externen Teilnehmern gleichermaßen genutzt werden. Darüber hinaus bietet Poly als Anbieter von Hardware auch eine Reihe von Videokonferenzsystemen sowie weiterer Peripherie wie Headsets, Kameras und Mikrofone an. Insbesondere die Videokonferenzsysteme sind für den Einsatz verschiedener Hersteller optimiert: Microsoft Teams, Zoom, GoTo sowie RingCentral zählen zu den unterstützten Herstellern. So ist es nicht verwunderlich, dass die Plattform von Poly nicht nur Microsoft Teams, sondern auch die vorgenannten Lösungen sowie eine Reihe weiterer Lösungen aus dem Bereich UCC und Contact Center unterstützt.
Die Einwahl in eine Microsoft-Teams-Besprechung kann mit Hilfe der genannten Lösungen also auch mit anderen Clients und Endpunkten realisiert werden. Die spannende Frage ist nun, wie es sich mit den zur Verfügung stehenden Funktionen und insbesondere der Absicherung von Konferenzen verhält. Zuerst die gute Nachricht: In der Regel können neben der Übertragung von Audio- und Videosignalen auch weitere Dienste wie die Übertragung von Bildschirminhalten genutzt werden. Jedoch können Chat oder der Versand von Dateien oftmals nicht genutzt werden, da diese über separate Verbindungen und Protokolle übertragen werden. Um somit sämtliche Besprechungsfunktionen nutzen zu können, ist also der Microsoft-Teams-Client notwendig. Als wäre das nicht schon genug, spätestens wenn es an die Frage der Verschlüsselung der Verbindung geht, müssen deutliche Abstriche gemacht werden. Zwar findet zwischen den jeweiligen Video-Interop-Servern und den Clients natürlich eine Transportverschlüsselung der Datenströme statt. Ob darüber hinaus eine Verschlüsselung von Signalisierung und Medienstrom stattfindet, hängt nicht zuletzt von den Clients ab, das heißt, ob diese Clients entsprechende Verschlüsselungsalgorithmen unterstützen. Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Konferenzen mit verschiedensten Endpunkten ist folglich nur sehr schwer erreichbar, zumal Microsoft Teams eine solche ausschließlich für Gespräche zwischen zwei Teilnehmern zur Verfügung stellt.
Eine positive, zumindest für Nutzer der Microsoft-Teams-Raumsysteme (Teams Room System) interessante Entwicklung ist die Möglichkeit, an Videokonferenzen anderer Hersteller und Anbieter teilzunehmen. Erst kürzlich hat Microsoft sogar die Einwahl dahingehend verbessert, dass sie genauso einfach wie die Einwahl in eine Microsoft-Teams-Besprechung ist: nämlich per Knopfdruck. Dies gilt zumindest für die Android-basierten Modelle (siehe [7]). Diese Anpassungen der Raumsysteme werden weiter unten noch genauer betrachtet.
Natürlich besteht die Welt der Videokonferenzlösungen nicht nur aus Microsoft. Doch die Etablierung von herstellerübergreifenden Standards zur Interoperabilität bei Videokonferenzen beschränkt sich auch bei den anderen Herstellern darauf, dass eine SIP-URI zur Einwahl mit Standard-Videokonferenzclients angeboten wird. Wie bei der Interoperabilität mit Microsoft sind auch hier die Funktionen auf die Übertragung von Audio-, Video- und Bildschirminhalten beschränkt. Zudem ist eine herstellerübergreifende Verschlüsselung der Verbindung nur selten anzutreffen, da jeder Hersteller eigene Implementierungen sowie Algorithmen für die Umsetzung der Verschlüsslung nutzt. Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung kann somit ebenfalls nicht erreicht werden. Diese ist aber ohnehin nur bei einigen wenigen Herstellern überhaupt verfügbar und dort auch mit funktionalen Einschränkungen verbunden. Zudem müssen alle an einer Konferenz beteiligten Clients die Nutzung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unterstützen, hier gibt es gerade bei der Nutzung von Web-Clients noch große Einschränkungen.
Insgesamt zeigt sich, dass das Thema „Interoperabilität“ zwar ein Stück weit bei den Anbietern von Videokonferenzlösungen angekommen ist, die Entwicklungsarbeit aber eher darauf beschränkt ist, sich in Microsoft Teams zu integrieren. Und auch da ist insbesondere in Bezug auf Verschlüsselung noch Optimierungspotential. Für andere Lösungskombinationen sind solche Integrationen in der Regel nicht verfügbar und müssten dementsprechend kunden- bzw. lösungsspezifisch implementiert werden.
Integration Videokonferenz in eigene IT-Landschaft
Die Integration von Videokonferenzlösungen in die eigene IT-Landschaft betrifft viele unterschiedliche Aspekte: von der Anbindung zentraler Systeme der Videokonferenzlösung an einen Verzeichnisdienst über die Integration in Applikationen wie E-Mail oder Groupware-Anwendungen bis hin zur Anbindung an weitere Kommunikationsdienste. Die Anbindung an einen Verzeichnisdienst kann ähnlich wie bei anderen Kommunikationsdiensten dazu genutzt werden, auf einfache und schnelle Art und Weise die Nutzer innerhalb der Lösung anzulegen. Ebenso können die Daten für unternehmensweite Adressbücher bzw. Kontaktverzeichnisse genutzt werden. Allerdings beschränkt sich die Anbindung, die die Hersteller anbieten, meist auf einen einmaligen Import von Daten bei der Ersteinrichtung der Nutzer. Weitergehende Synchronisierung von Daten sind jeweils lösungsspezifisch einzurichten. Eine Groupware-Integration wird von vielen Herstellern von Videokonferenzlösungen unterstützt. Natürlich ist hier in erster Linie eine Integration in Outlook, teilweise auch in den Google-Kalender, anzutreffen. In der Regel erhalten die Nutzer über ein Plug-In die Möglichkeit, Videokonferenzen direkt aus dem jeweiligen Tool heraus zu planen und so Teilnehmer aus lokalen Adresslisten entsprechend hinzuzufügen. Zudem werden die Einwahldaten direkt der E-Mail hinzugefügt (siehe Abbildung 1 für das Beispiel Microsoft Teams mit zusätzlichen Einwahldaten). Diese und weitere Integrationen in andere Applikationen sollen an dieser Stelle jedoch nicht weiter betrachtet werden. Vielmehr werden wir uns im Folgenden mit der Anbindung von Videokonferenzlösungen an weitere Kommunikationsdienste beschäftigen.
Bei unternehmensübergreifender Kommunikation ist eine Interoperabilität zwischen verschiedenen Lösungen nur in Ausnahmefällen zu realisieren. Im Folgenden möchten wir daher untersuchen, wie es bei unternehmensinterner Kommunikation aussieht und ob es hier eine Möglichkeit gibt, eine Interoperabilität mit überschaubarem Aufwand zu realisieren. Hierbei sind grundsätzlich zwei Fälle zu unterscheiden:
- On-Premises-Lösungen
- Einbindung von Cloud-basierten Videokonferenzlösungen
Im ersten Fall sind typischerweise eine TK-Anlage, gegebenenfalls ein UC-System sowie eine Videokonferenzlösung vorhanden. Sofern die Lösungen von einem Hersteller sind (beispielsweise Cisco mit dem Cisco Unified Communications Manager und einem Cisco Meeting Server, oder Avaya Aura mit Avaya Equinox Meeting), können die Systeme so miteinander verbunden werden, dass einerseits der Erreichbarkeitsstatus zwischen den Systemen synchronisiert wird und andererseits die Nutzer komfortabel Videokonferenzen in die tägliche unternehmensinterne Kommunikation integrieren können. Zudem können Hardware-basierte Videokonferenzsysteme in eine Gesamtlösung integriert werden, sodass eine einheitliche Nutzer- und Geräteverwaltung erfolgen kann. Die Umsetzung von sicherheitsrelevanten Themen wie Verschlüsselung von Signalisierung und Medienstrom wird durch die Hersteller gut unterstützt und kann in einem solchen Ein-Hersteller-Szenario implementiert werden.
Problematischer wird es, wenn eine Videokonferenzlösung eines anderen Herstellers eingesetzt werden soll. Hier ist man auf die Verfügbarkeit von Standard-Schnittstellen angewiesen, um eine Telefonie-Lösung an eine Videokonferenzlösung anzubinden. Diese Schnittstellen sind jedoch nicht für alle Kombinationen aus verschiedenen Lösungen verfügbar und beschränken sich auf Basis-Funktionen, das heißt, die Übertragung von Audio- und Videodaten. In der Praxis sehen wir allerdings häufig, dass die Lösungen ohne Kopplungen parallel genutzt werden. Möchte ein Nutzer sein Telefon in einer Videokonferenz nutzen, muss hierzu einerseits eine telefonische Einwahl überhaupt verfügbar sein (nicht jede Videokonferenzlösung bietet eine solche Einwahl an). Andererseits muss sich der Nutzer manuell in die Videokonferenz einwählen, was dazu führt, dass der Audio-Datenstrom in der Regel über das öffentliche Telefonnetz oder das Mobilfunknetz übertragen wird und somit nicht verschlüsselt wird. Denn nur die per IP übertragenen Daten werden bei den Videokonferenzlösungen mittels Secure Real Time Protocol (SRTP) abgesichert.
Betrachten wir nun den zweiten Fall: Eine Cloud-basierte Videokonferenzlösung in Kombination mit einer On-Premises-Lösung für Telefonie. Solche hybriden Deployments sind aus Sicht der vielen, hauptsächlich US-amerikanischen Hersteller nur ein Übergangsszenario hin zur ausschließlichen Nutzung von Cloud-Lösungen. Deutsche Unternehmen setzen nach unserer Projekterfahrung gerade für die Bereitstellung von Telefonie-Diensten noch verstärkt auf On-Premises-Lösungen. Bei Videokonferenzen haben sich in den vergangenen Jahren jedoch Cloud-basierte Lösungen etabliert, daher sind hybride Architekturen durchaus relevant. Hier ist eine Anbindung einer Videokonferenzlösung, die vom gleichen Hersteller wie die eigene TK- bzw. UC-Lösung ist, mit überschaubarem Aufwand zu realisieren. Dies ist unter anderem darin begründet, dass die Hersteller ihre Cloud-basierten Lösungen verstärkt vermarkten und somit durch Angebote von Integrationen neue Kunden für die Cloud-Lösungen gewinnen möchten. Sofern eine Videokonferenzlösung eines anderen Herstellers genutzt werden soll, ist eine Anbindung in der Regel nur mit hohem Aufwand realisierbar, sodass diese in der Praxis nicht durchgeführt wird. Damit bleiben die einzelnen Lösungen weitgehend isoliert, sodass der Nutzer mit mehreren Lösungen, Clients und Endgeräten umgehen muss.
Was ist bei Nutzung von Videokonferenzen in Besprechungsräumen zu beachten?
Als wäre der Umgang mit mehreren Kommunikationsdiensten -lösungen nicht schon kompliziert genug, besteht eine weitere Herausforderung im Umgang mit Videokonferenzlösungen in klassischen Besprechungsräumen. Viele Meetings und Besprechungen finden mittlerweile als sogenannte hybride Meetings statt. Das heißt, dass sich ein Teil der Teilnehmer in einem klassischen Besprechungsraum befindet, wohingegen weitere Teilnehmer an verteilten Standorten sind. Letztere nutzen in der Regel einen Soft-Client der Videokonferenzlösung, um an den Besprechungen teilzunehmen. Aber für die Teilnehmer in den Besprechungsräumen stellt sich oft die Frage, welche Hardware genutzt wird. Sofern im Besprechungsraum ein Videokonferenzsystem der jeweiligen Lösung positioniert ist, kann dies meist sehr einfach für die Teilnahme genutzt werden. Einige Systeme bieten sogar dedizierte Tablets an, die eine Touch-Bedienung nutzen und so eine Teilnahme per Knopfdruck ermöglichen (siehe Abbildung 3). Diese Tablets sind entweder Android-basiert oder Windows-basiert, wobei im letzteren Fall oft ein zusätzlicher PC notwendig ist.
Der Vorteil solcher Systeme ist, dass eine direkte Teilnahme ohne eigene Hardware möglich ist. Grundsätzlich gibt es hier zwei Varianten:- Variante 1: Systeme als Objekte der Videokonferenzlösung
Die Besprechungsräume können in den jeweiligen Videokonferenzsystemen als Objekte angelegt und dann zu geplanten Besprechungen einfach wie normale Teilnehmer hinzugefügt werden. Sofern eine Integration in eine Groupware wie Exchange oder ähnliches konfiguriert ist, kann so direkt eine Raumbuchung und -verwaltung erfolgen. Zusätzlich können Teilnehmer in den Besprechungsräumen noch mit lokalen Clients an den Besprechungen teilnehmen, um beispielsweise Inhalte oder Dateien präsentieren zu können. Jedoch kann eine Besprechung auch weitergeführt werden, falls einer der Teilnehmer den Raum verlässt, schließlich ist das Raumsystem selbst ein Teilnehmer der Besprechung.
- Variante 2: Anmeldung mit persönlichem Account
Bei einigen Systemen können sich auch die Nutzer mit ihren jeweiligen Accounts anmelden. Die Cisco Webex Boards oder das Microsoft Surface Hub sind Beispiele für solche Geräte. Hier können die Nutzer ebenfalls sehr einfach an Besprechungen teilnehmen. Im Gegensatz zur Variante 1 kann direkt am Konferenzsystem auf Daten und Dokumente, die zuvor innerhalb der Videokonferenzlösung gespeichert werden, zugegriffen werden. Zusätzlich besteht die Option, Inhalte vom eigenen PC zu teilen. Die Teilnahme an der Besprechung ist jedoch an die Anwesenheit des jeweiligen Nutzers gebunden. Verlässt der Nutzer den Raum bzw. meldet er sich am Raumsystem ab, so wird auch die Teilnahme an der Besprechung beendet.
Bei Videokonferenzraumsystemen gibt es nicht die Möglichkeit, alternative Clients anderer Videokonferenzanbieter zu installieren. Zwar können die Konferenzraumsysteme auch als 3rd-Party-Clients in Videokonferenzen anderer Anbieter genutzt werden. Um jedoch mehr Funktionen zu nutzen, wäre ein Client des jeweiligen Herstellers notwendig. Doch auch hier gibt es Bewegung auf dem Markt: Microsoft und Zoom bieten mit Hilfe der Funktion „Direct Guest Join“ die Möglichkeit, an Konferenzen anderer Hersteller teilzunehmen und weitere Funktionen innerhalb der Videokonferenzen zu nutzen (siehe [7]). Hierzu wird auf den Geräten ein Browserbasierter Client ausgeführt, um Funktionen jenseits von Audio- und Videoübertragung bieten zu können. Allerdings gibt es zumindest derzeit einige Einschränkungen. So ist zum Beispiel nur ein Monitor nutzbar, und die Bildübertragung erfolgt teilweise mit einer geringen Auflösung, wodurch keine qualitativ hochwertige Videoübertragung möglich ist. Diese Themen und weitere Verbesserungen sind aber seitens Microsoft sowie Zoom bereits in der weiteren Entwicklung. Um „Direct Guest Join“ zu nutzen, ist kein Video-Interop-Server notwendig, da die Integration durch Microsoft bzw. Zoom selbst umgesetzt wird. Es ist somit kein weiteres System oder Server, wie ein Video Interop Server, involviert. Daher entstehen auf Seiten des eigenen Unternehmens auch geringere Betriebsaufwände, da Wartung und Weiterentwicklung der Services direkt innerhalb der Plattform der jeweiligen Hersteller geschehen.
Moderne Videokonferenzraumsysteme bieten mittlerweile eine geteilte Übertragung von Besprechungsräumen an. Das bedeutet, dass das Videobild nicht als einzelner Stream übertragen wird, sondern je Teilnehmer ein dedizierter Stream erzeugt wird. So erscheinen sämtliche Teilnehmer auf die gleiche Art und Weise, unabhängig davon, ob sie sich im Besprechungsraum oder einem anderen Ort aufhalten. Dies erfordert gegebenenfalls mehrere im Raum verteilte Kameras, damit sämtliche Teilnehmer in einem ähnlichen Blickwinkel dargestellt werden können (siehe Abbildung 4). Dies schafft gerade für hybride Meetings eine besser Nutzererfahrung.
Was ist aber, wenn kein passendes Videokonferenzraumsystem vorhanden ist? Oder sich die Raumausstattung auf die Bereitstellung grundlegender Peripherie, das heißt großes Display, Kamera, Lautsprecher und Mikrofon, beschränkt? Dann muss der Nutzer mindestens einen geeigneten PC oder Laptop im Besprechungsraum zur Teilnahme mit der entsprechenden Peripherie verbinden und am Meeting über einen Softclient teilnehmen. Die Verbindung zum PC erfolgt entweder drahtlos oder per HDMI-Kabel. Der Vorteil ist, dass die vorhandene Hardware auch für die Teilnahme an Videokonferenzen anderer Hersteller genutzt werden kann. Schließlich befindet sich der teilnehmende Client auf dem PC bzw. Laptop des Nutzers. Im Gegenzug muss der Nutzer sich zunächst mit der entsprechenden Peripherie verbinden und prüfen, dass innerhalb der Videokonferenz auch die Kamera, Lautsprecher und Mikrofon des Besprechungsraums und nicht die im PC integrierten Geräte ausgewählt sind. Dies kann gerade bei der Nutzung unterschiedlicher Besprechungsräume bei jeder Durchführung von Videokonferenzen zu wechselnden Bedingungen und somit einem eingeschränkten Benutzererlebnis führen.Fazit
Die Welt der Videokonferenzen ist groß und sie wächst immer weiter. Zumindest aus Sicht der Hersteller, wenn es um die eigene Lösung und deren Möglichkeiten geht. So werden immer neue Funktionen sowie eine weitere Integration von 3rd-Party-Endpunkten für die Teilnahme von eigenen Nutzern an Videokonferenzen angekündigt. Eine lösungsübergreifende Kommunikation hingegen ist zumindest derzeit an vielen Stellen mit Einschränkungen verbunden:
- Beschränkung auf Audio- und Videodaten
- Teilweise Beschränkung der Übertragung von geteilten Inhalten (wie Präsentationen, Desktop- oder Application-Sharing)
- So gut wie keine Integration von Chat, Dateiversand oder weiteren Spezialfunktionen einzelner Hersteller
- Nur eingeschränkte Unterstützung von verschlüsselten Verbindungen
- Keine Unterstützung für Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
Zwar öffnen sich die Hersteller mehr und mehr, allerdings meist in die Richtung Microsoft Teams (siehe [1]). Ziel ist es hier, an Microsoft-Teams-Besprechungen auch mit anderen Clients (zum Beispiel Cisco Webex) teilzunehmen. Aber auch Microsoft hat erkannt, dass es auch andere Hersteller und Anbieter von Videokonferenzlösungen gibt, und hat für die eigenen Raumsysteme die Möglichkeit geschaffen, Videokonferenzen ausgewählter Hersteller ebenso einfach wie in einer Microsoft-Teams-Besprechung zu nutzen.
Bis zur vollständigen Interoperabilität ist es noch ein weiter Weg. Ob eine solche vollständige Interoperabilität aber überhaupt notwendig ist, sollte anhand von Anwendungsfällen und sich daraus ergebenen Anforderungen individuell analysiert werden.
Verweise
[1] https://www.comconsult.com/microsoft-teams-cisco-webex/
[2] https://help.webex.com/en-us/article/nffx8kj/Deploy-the-Webex-video-integration-for-Microsoft-Teams
[3] https://help.pexip.com/service/teams-inviting.htm
[5] https://explore.zoom.us/docs/en-us/zoomrooms.html
[6] https://www.uctoday.com/collaboration/zoom-introduces-smart-gallery-view/