aus dem Netzwerk Insider Juli 2023
Mit der zunehmenden Digitalisierung haben sich die Anforderungen an Immobilien geändert. Bewertungskriterien wie Gebäudeanbindung, Gebäudekonnektivität, vernetzte Gebäude-IT-Infrastruktur, Nachhaltigkeit, Cybersecurity und Mehrwert für den Nutzer sind für die Renditefähigkeit von Gebäuden die Schlagworte der Zukunft.
Thomas Steil ist Spezialist für Smart Technologies. In diesem Interview berichtet er davon, wie ComConsult mit dem sogenannten Digital Ready Check die Digitalisierungsfähigkeit von Bestandsgebäuden überprüft und bewertet und daraus Handlungsempfehlungen als Grundlage für eine Digitalisierungsstrategie und eine Digitalisierungsumsetzung ableitet.
Thomas, du bist bei ComConsult Leiter des Competence Centers Smart Technologies. Womit beschäftigt sich dieser Unternehmensbereich?
Aktuell haben wir im Competence Center Smart Technologies sehr viel mit dem Bereich Smart Building zu tun und mit Smart-Office-Flächen. Die Pandemie hat gezeigt, dass sich gerade das Arbeiten im Home Office und auch in den Büroflächen stark verändert hat.
Das bedeutet, dass die Unternehmen nicht mehr so viel Fläche brauchen. Die Bundesbank hat kürzlich in einer Presseerklärung veröffentlicht, dass bei ihr der Home-Office-Anteil in Zukunft bei 60 Prozent liegen wird [1]. Das ist eine enorme Zahl. Wenn jetzt schon die Bundesbank so vorgeht, kann ich mir vorstellen, dass viele Unternehmen mehr in Richtung Home-Office-Arbeit mitgehen. Die steigende Home-Office-Arbeit hat direkte Konsequenzen auf die Ausstattung der Büroflächen. Sie muss standardisiert werden und dazu braucht man mehr Technik mit einem Buchungssystem, damit die Büroarbeitsplätze optimal von unterschiedlichen Personen genutzt werden können. Hinzu kommt Sensorik, um ein angenehmes Arbeitsklima mit guter Luftqualität und ausreichender Beleuchtung zu schaffen. Viele Firmen sind daran interessiert, ihre Büroflächen einerseits neu zuzuschneiden und andererseits attraktiv zu gestalten, damit die Mitarbeiter gerne ins Büro kommen.
Dazu ist, wie gesagt, viel Technik gefordert und das ist das, was wir in unserem Competence Center planen. Unsere Abteilung hat quasi eine Querschnittsfunktion, die fast durch alle Leistungsbereiche der ComConsult geht. Angefangen bei der Verkabelung über Funkdienste bis hin zu Betriebskonzepten und der Cyber Security.
Welche weiteren Vorteile bietet die Digitalisierung von Gebäuden?
Wichtige Aspekte sind die Kostenminimierung und die Energieeffizienz. Das Heizen in Gebäuden funktioniert ja normalerweise zeitgesteuert. Der Ablauf ist oft so, dass zum Beispiel von 8 bis 17 Uhr geheizt wird, dann wird gereinigt und die Raumtemperatur wir auf 15 Grad abgesenkt. Räume, die von niemandem genutzt werden, müssen jedoch nicht ständig geheizt, gelüftet oder gereinigt werden.
Hat bei Bestandsgebäuden der Trend zu smarter Modernisierung zugenommen?
Bei Neubauten ist es fast schon normal, zumindest die Infrastruktur so zu planen, dass die Immobilie früher oder später „smartifiziert“ werden kann. Bei Bestandsgebäuden, die den Großteil aller Gebäude ausmachen, stellen wir seit der Pandemie aus den eben erwähnten Gründen eine starke Zunahme von Anfragen nach smarter Modernisierung der Gebäudeinfrastruktur fest.
Warum ist die Digitalisierung von Bestandsgebäuden oft problematisch?
Bei vielen Gebäuden finden wir die Situation vor, dass die benötigten Kabel nicht da sind oder dass einfach Räume fehlen. Wenn ein Gebäude digitalisiert werden soll, braucht man in der Regel mehr Strom und unter Umständen mehr Platz im Etagenverteiler, weil mehr Komponenten eingebaut werden müssen. Bei Gebäuden aus den siebziger Jahren ist der Rechnerraum oft winzig und nicht richtig klimatisiert. Problematisch ist auch häufig, neue Kabel zu verlegen, weil das sehr teuer ist und teilweise die Wände wegen schädlicher Stoffe wie Asbest nur mit einer Genehmigung geöffnet werden dürfen und dann Spezialfirmen beauftragt werden müssen.
Wie kann man die Probleme lösen?
Gerade in Bestandsgebäuden sind Funklösungen eine attraktive Alternative zu Kabellösungen. Man braucht nur sehr wenige Kabel. Die Sensoren oder Komponenten unterhalten sich über ein Mesh miteinander, und die Daten werden am Gateway ausgegeben. In diesem Bereich gibt es eine Vielzahl von Produkten, und es gibt auch sehr viele Standards. Neu ist zum Beispiel, dass jetzt die ersten Rauchmelder und Einbruchmeldeanlagen funkbasiert auf den Markt kommen und zertifiziert werden. Auch smarte Lampen, die sich miteinander unterhalten, und Sensoren, die messen, wie Luftqualität, Temperatur und Luftfeuchtigkeit am Arbeitsplatz sind, können per Funk nachgerüstet werden.
ComConsult hat in mehreren Projekten den digitalen Reifegrad von Bestandsgebäuden untersucht, analysiert und bewertet.
Ja, genau. Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Drees & Sommer, einem international tätigen Beratungsunternehmen und Projektsteuerer für den Bau- und Immobiliensektor, haben wir den digitalen Reifegrad von Gebäuden überprüft. Am Ende erhält der Kunde einen Kurzbericht mit Handlungsempfehlungen.
Als Arbeitsgrundlage für die Untersuchung der Gebäude dient der sogenannte Digital Ready Check. Was genau ist das?
Den Digital Ready Check haben wir gemeinsam mit Drees & Sommer entwickelt. Dabei schauen wir uns genau an, wie der Status beziehungsweise der Digitalisierungsgrad des Bestandsgebäudes aktuell ist. Wir stellen uns die Frage, was man aus der vorhandenen IT-Infrastruktur machen und wo man sie sinnvoll modernisieren kann. Dabei stoßen wir teilweise auf Gegebenheiten, bei denen eine Digitalisierung baulich unfassbar teuer oder einfach nicht umsetzbar ist. Schwierig kann es werden, wenn in einem kleinen Bereich ein Rechenzentrum gebaut werden soll, der Platz für die Klimaanlage aber nicht reicht. Ein Gäste-WLAN in der Lobby einzurichten ist dagegen relativ leicht umzusetzen.
Im ersten Schritt wird ein Gebäudesteckbrief mit allen wesentlichen Angaben zum jeweiligen Objekt erstellt. Woher bezieht ihr dafür eure Informationen?
Im besten Fall erhalten wir vom Auftraggeber Unterlagen zum Gebäude. Je nachdem, wie alt das Gebäude ist, existieren aber gar keine Pläne oder es gibt nur ein paar handgeschriebene Zettel, die irgendwann einmal abfotografiert wurden. Auch ist es fraglich, ob das, was früher einmal geplant wurde, letztendlich auch so gebaut wurde. Deshalb führen wir in den meisten Fällen Ortsbegehungen durch. Beim Ortstermin schauen wir uns die räumlichen Gegebenheiten genau an und dokumentieren, wie groß die Etagenverteiler sind, welche Kabelqualität verlegt wurde, wie viele Glasfasern von einem zum anderen Raum noch ungenutzt sind und so weiter. Wir stellen dann häufig fest, dass vieles, was im Laufe der Zeit installiert und gebaut wurde, nirgendwo schriftlich festgehalten wurde.
Im zweiten Schritt wird das Gebäude anhand eines umfangreichen Kriterienkatalogs einer Prüfung unterzogen. Diese Liste umfasst über 200 Fragen zu verschiedenen Themen. Welche sind das?
Die Checkliste umfasst Fragen zur Verkabelung, Klimaleistung, Internetanbindung, Rechnerräumen, Etagenverteilern und so weiter. Wir untersuchen die Qualität der vorhandenen Hardware und prüfen, ob sie überhaupt noch supportet wird. Wir schauen uns an, ob die Netzwerkstruktur noch State of the Art ist und welche Sicherheitselemente dort enthalten sind. Nicht immer können alle Fragen beantwortet werden, und manche Fragen kommen auch erst gar nicht auf. Manchmal stellen wir fest, dass einige verbaute Komponenten so alt sind, dass es für sie keinen Ersatz mehr gibt. Ich habe einmal in einem Projekt einen Serverraum gesehen, in dem haarsträubende Zustände herrschten. In einem Rack waren Komponenten verbaut und über dem Rack tropfte es von der Decke. Das gesamte Gebäude wurde über die Technik in diesem Raum versorgt. Wenn der rote Eimer, in den das Wasser tropfte, übergelaufen wäre, wäre es vorbei gewesen. Wir gehen also wie gesagt die Liste durch und dokumentieren alle Informationen, die wir über das Gebäude zusammengetragen haben, unter anderem auch anhand von Fotos. Wir erstellen dann einen Kurzbericht in der Regel in Form einer Powerpoint-Präsentation mit den To-Do-Punkten. Darin weisen wir darauf hin, wenn eine Gefahr für den aktuellen Betrieb besteht, weil keine Redundanz gegeben ist oder bauliche Missstände vorliegen.
Im letzten Schritt erfolgt eine Bewertung der untersuchten Digitalisierungsbausteine. Wie kann man sich das vorstellen?
Wir bewerten den Ist-Zustand und sagen, welche Komponenten aufgrund ihres Alters oder, weil sie nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik sind, ausgetauscht werden müssten. Wir geben Empfehlungen, welche Digitalisierungsbausteine vor dem Hintergrund eines guten Preis-Leistungs-Verhältnisses unserer Meinung nach umgesetzt werden sollten. Höchste Priorität hat dabei oft, mithilfe der Digitalisierung den Komfort der Mieter zu erhöhen, indem wir uns anschauen, wie man Allgemeinflächen, die alle Mieter nutzen, attraktiver gestalten kann. Ein sehr wichtiger Aspekt ist das Cyber-Security-Konzept für die Gebäudetechnik. Existiert beispielsweise keine Firewall, geben wir entsprechende Handlungsempfehlungen.
Kann durch den Digital Ready Check ein Bestandsgebäude aufgewertet werden?
Auf jeden Fall. Dieser Check ist auch im Rahmen einer Due Diligence, also einer Risikobewertung, interessant. Wenn ein Gebäude verkauft wird, führt der Käufer ein Due Diligence durch und lässt ein Unternehmen die Immobilie vom Tragwerk bis hin zur Lage bewerten. Ist eine Bestandsimmobilie energetisch saniert und soll sie verkauft oder vermietet werden, suchen die Eigentümer weitere Möglichkeiten, um die Mieteinnahmen zu steigern. Und auf einmal ist Digitalisierung für die Renditesteigerung einer Immobilie interessant. Wenn man beispielsweise fünf Millionen in die Digitalisierung eines Gebäudes investiert und dadurch die Mieteinnahmen um drei Cent pro Quadratmeter erhöhen kann, hat man die Investition nach drei Jahren wieder erwirtschaftet. Wir empfehlen, die Haltbarkeit der IT-Komponenten mit fünf bis sieben Jahren zu kalkulieren. Der Investor hat also mindestens zwei gewinnbringende Jahre, meistens aber mehr.
Ein Versicherungskonzern hat rund 40 Standorte im In- und Ausland einem Digital Ready Check unterzogen, ein anderer Konzern über 60. Wie habt ihr diese umfangreichen Projekte abgewickelt?
Diese Projekte haben mehrere Monate gedauert. Es war allein schon schwierig, Termine zu vereinbaren, damit uns die Hausmeister durch das Gebäude führen konnten. Wir haben versucht, Termine lokal zu clustern, indem wir fünf Immobilien, die dicht beieinanderlagen, an zwei nachfolgenden Tagen besichtigt haben. Aber im Grunde mussten wir Einzeltermine vereinbaren. Zum Teil konnten wir uns an eine Betreiberfirma wenden, die für die Liegenschaften in einer bestimmten Region zuständig war. Der Betreiber hat dann die Ortstermine koordiniert, was ganz gut klappte. Wir haben nicht an allen Ortsbegehungen teilgenommen. Drees & Sommer hat uns dann Fotos zur Verfügung gestellt. Mal eben nach Ungarn zu fliegen, um ein fünftausend Quadratmeter großes Gebäude zu besichtigen, macht wenig Sinn.
In einem sehr großen Hochhaus in einer Großstadt hatte ein Betreiberwechsel stattgefunden. Der neue Betreiber war sehr interessiert daran, dass alle Missstände im Gebäude erfasst wurden.
Das war ein gigantisches Gebäude mit über 60 Geschossen und mehreren hundert Stellplätzen. Das Gebäude war 7 oder 8 Jahre alt, als ich vor Ort war. Es herrschten teils katastrophale Zustände. Der neue Betreiber kannte die Mängel und hatte uns damit beauftragt, die Missstände zu dokumentieren. Die Klimaanlage und Lüftungstechnik waren auf dem technischen Stand der siebziger Jahre. Im Serverraum tropfte es von der Decke in das Rack. Davon habe ich ja eben schon erzählt. Wie gesagt: Wenn die Sprinkleranlage ausgelöst hätte, wäre der Gebäudebetrieb zusammengebrochen und die Mieter hätten hohe Schadensersatzforderungen gestellt.
Plant ComConsult in den Gebäuden auch die Medientechnik?
Ja, in Bezug auf die passive Infrastruktur. Wir kooperieren mit einem auf Medientechnik spezialisierten Beratungsunternehmen, das mittlerweile von Drees & Sommer übernommen wurde. Die Infrastruktur für die Medientechnik hat inzwischen die gleichen Voraussetzungen wie die IT-Infrastruktur. Deshalb können wir von ComConsult die Infrastruktur für eine neue Medientechnikinstallation planen und bewerten. Aber welches Display im Vergleich zu anderen an der Wand besser ist oder welche Kamera von welchem Hersteller am Ende zum Einsatz kommt, beurteilen wir dann nicht mehr. Auch die Betriebskonzepte für Medientechnik unterscheiden sich aktuell noch von denen der IT.
Was sind aus deiner Sicht aktuell die wichtigsten Aspekte für ein modernes digitales Bürogebäude?
Eine Büroimmobilie ist heutzutage für die moderne Arbeitswelt attraktiv, wenn sie am Konzept des sogenannten Activity Based Working ausgerichtet ist. Gemeint ist, dass es aktivitätsbezogene Arbeitsplätze gibt mit einerseits Räumen, in denen man separat still arbeiten kann oder in denen mehrere Personen auf engem Platz zusammensitzen. Andererseits gibt es Arbeitsflächen, in denen Mitarbeiter besonders gut kreativ zusammenarbeiten können. Das ist gerade ein großer Trend. Und hier muss natürlich die Infrastruktur passen. Es muss eine sehr gute WLAN-Verbindung geben, denn die Mitarbeiter haben keinen festen Arbeitsplatz mehr und wechseln im Gebäude oft den Standort, von dem aus sie arbeiten. Dazu braucht man ein Buchungssystem, das die Verfügbarkeit der Arbeitsplätze organisiert und überwacht. Wichtig ist auch die Installation von Sensoren zur Regulierung der Luftqualität und Raumtemperatur. Dies bringt einen Mehrwert sowohl für den Mitarbeiter, der sich an seinem Arbeitsplatz wohlfühlt, als auch für den Gebäudebetreiber, der die Flächen effizienter nutzen kann.
Wir von ComConsult begleiten Gebäudebetreiber durch alle Phasen ihres Digitalisierungsprojektes. Angefangen bei der Bestandsaufnahme und deren Analyse, geben wir unseren Kunden konkrete Empfehlungen für die Umsetzung der auf ihr Gebäude und ihren Bedarf zugeschnittenen Digitalisierungsbausteine. Darüber hinaus stehen unsere erfahrenen Experten aus den einzelnen ComConsult Competence Centern unseren Kunden auch anschließend in der Phase der Realisierung der benötigten Infrastruktur beratend zur Seite.
Verweise