aus dem Netzwerk Insider Oktober 2023
Wahrscheinlich sind Sie in diesen Monaten dabei, Ihr WLAN auf Wi-Fi 6 oder gar Wi-Fi 6E „aufzurüsten“. Bei den Netzwerk-Ausrüstern ist das ein alter Hut. Hier macht man bereits Werbung für Wi-Fi 7. Die Evolution von WLAN schreitet unaufhaltsam voran. Vor 20 Jahren waren wir froh, wenn wir 20 Mbit/s netto durch die Luft bekamen. Heute schafft mein Client 600 Mbit/s netto. Das ist von den beworbenen 10 Gigabit noch weit entfernt, aber immerhin.
Wie dem auch sei, das „Upgrade“ auf schnelleres WLAN läuft immer ähnlich ab. Wahrscheinlich nutzen auch Sie ein Controller-basiertes WLAN. Entweder müssen Sie die Software des WLAN-Controllers (WLC) auf eine aktuelle Version bringen oder gleich einen neuen WLC beschaffen, um die neuen Access Points nutzen zu können. Alte Access Points werden oft nicht mehr unterstützt und sind nicht mehr zu gebrauchen. Sofern Sie keinen WLC nutzen, sondern beispielsweise ein Cloud-Management, ist es einfacher. Das Problem bleibt jedoch dasselbe: In einem WLAN werden oft nur Access Points zweier WLAN-Generationen unterstützt, also aktuell etwa Wi-Fi 5 und Wi-Fi 6.
Wie sieht es auf der Seite der Clients aus? „Wo ist das Problem?“, werden Sie fragen. WLAN ist schließlich abwärtskompatibel. Selbst Uralt-Clients der Standards IEEE 802.11a und 11b funktionieren grundsätzlich auch mit Wi-Fi 6. Und doch stoße ich diesbezüglich immer wieder auf Probleme. So auch jetzt…
Der Kunde nutzt in seinen Produktionsprozessen Drehmomentschlüssel und Akkuschrauber mit WLAN-Anbindung. Derlei Werkzeuge kosten pro Stück einen mittleren vierstelligen Betrag und sind daher seit Jahren im Einsatz. Die WLAN-Adapter der Schrauber unterstützen den Standard IEEE 802.11n, neuerdings auch als Wi-Fi 4 bezeichnet.
Seitdem der Kunde in seiner Produktionshalle alle Access Points ausgetauscht hat, gibt es massive Störungen an den Schraubern. Die Verbindung zur zentralen Steuerung bricht regelmäßig ab, Schraubvorgänge lassen sich nicht mehr korrekt protokollieren.
Bei einem ersten Ping-Test erkenne ich ein lustiges Verhalten: Es geht kein Ping verloren, doch die Antworten erfolgen verzögert in Gruppen. Ich sehe z.B. fünf ICMP Echo Requests im Abstand von je einer Sekunde und dann fünf Echo Replies unmittelbar hintereinander. Aus Sicht des ersten Request ist der Reply um vier Sekunden verzögert eingetroffen. Leider ist das aus Sicht der Anwendung zu spät. Es ist also erklärlich, warum sich die Schrauber nicht wie vorgesehen nutzen lassen.
Die Frage ist nun, wo die Pakete aufgehalten werden. Ist es der Access Point, der die Requests zurückhält und als Block an den Client schickt? Oder ist es der Client, der die Requests zwar empfängt, doch die Replies zurückhält? Hier kann nur eine Analyse auf der Luftschnittstelle helfen. Zu diesem Zweck habe ich mir einen Laptop hergerichtet. Er verfügt über einen aktuellen WLAN-Adapter, mit dem ich sogar Wi-Fi 6E aufzeichnen kann.
In der Paketaufzeichnung erkenne ich Ersteres. Der Access Point sendet mehrere ICMP Echo Requests unmittelbar hintereinander an den Client. Er nutzt dafür ein Verfahren, das mit IEEE 802.11n eingeführt wurde. Es fasst mehrere Datenpakete an denselben Client zusammen und sendet sie gemeinsam aus. Der Standard nennt das „MAC Service Data Unit (MSDU) Aggregation“. Testweise deaktiviere ich also im WLAN-Controller die neueren WLAN-Varianten ab Wi-Fi 4 und siehe da, die Schrauber funktionieren. Nur leider ist das nicht die Lösung, weil nun die von anderen Anwendungen so dringend benötigte Performance fehlt!
Letztlich konnten wir diesen Fall mithilfe des Herstellers lösen. Es handelte sich offensichtlich um einen Fehler in der Software des WLC, der in späteren Versionen behoben sein wird. Ein Workaround war dank einer speziellen Konfigurations-Option möglich.
In einem ähnlich gelagerten Fall hatte ich leider keinen Erfolg. Hier half nur der punktuelle Austausch von Access Points gegen einen älteren Typ, damit die Produktion weiterlaufen konnte. Werkzeuge neuerer Generation waren im Übrigen von keinem der Probleme betroffen.
Was lernen wir daraus? Bei der Evolution des WLANs mit seinen zahlreichen neuen Features bleibt manches Altgerät auf der Strecke. Fast jedes neue Feature bringt zusätzliche „Informations-Elemente“ mit, die in Beacons und Probe Response Frames übertragen werden. Manches Altgerät kommt mit dieser Informationsfülle nicht zurecht. Vor 20 Jahren konnte ein Programmierer kaum erahnen, was mit heutiger Technik möglich sein würde. Ich im Übrigen auch nicht!
Fazit
Sie sollten nicht nur Ihr WLAN up to date halten, sondern auch die Endgeräte. Wenn beispielsweise eine Fertigungsstraße neu aufgebaut wird, gehört dazu selbstverständlich das Modernisieren der WLAN-Adapter aller Werkzeuge, Sensoren, etc. Diese Kosten sind mit einzupreisen. Mit derlei Maßnahmen vermeiden Sie Probleme der oben beschriebenen Art.
Überdies erhöhen Sie dadurch die Performance Ihres WLANs. Moderne Endgeräte nutzen naturgemäß höhere Bitraten und belegen dadurch das Medium – die Ressource „Luft“ – weniger lang. Das schafft Kapazität für zusätzliche Kommunikation.