aus dem Netzwerk Insider Januar 2024
Der Sanierung alter Elektroanlagen kommt in der modernen Elektrotechnik eine große Bedeutung zu. Viele Bestandsgebäude, sowohl im privaten und öffentlichen als auch im gewerblichen Bereich, verfügen über teilweise schon seit Langem veraltete Elektroinstallationen, die den heutigen Anforderungen an Sicherheit, Effizienz und Umweltverträglichkeit nicht mehr gerecht werden.
In diesem Artikel werden wir uns mit den Vor- und Nachteilen der Sanierung von alten Elektroanlagen befassen, sehen uns die rechtlichen Aspekte an, die dabei zu beachten sind, und betrachten aktuelle Normen, die hier berücksichtigt werden müssen.
In einem meiner aktuellen Tätigkeitsfelder bei der ComConsult geht es im Rahmen der Maßnahme „Digital Pakt“ um die Modernisierung von Schuleinheiten im IT-Umfeld. Dies schließt ebenfalls die Bereitstellung von EDV-Schuko-Steckdosen zur Versorgung der „neuen“ digitalen Medien wie digitaler Tafeln, iPad-Stationen wie auch die Erweiterung oder Ergänzung von Computer- und Verteilerräumen ein. Man sieht immer wieder Schulen, die teilweise einem Sanierungsstau von mehreren Jahrzehnten (> 40 Jahre) unterliegen.
Beispiel: Veraltete, sich jedoch noch in Betrieb befindende Bestands-Elektrounterverteilung einer Schule, dargestellt in Abbildung 1.
Gleiche Schule, jedoch bereits sanierte und modernisierte Niederspannungshauptverteilung, zu sehen in Abbildung 2.
Vorteile der Sanierung alter Elektroanlagen
Die Vorteile der Sanierung alter Elektroanlagen sind wie folgt:
- Erhöhung der Sicherheit: Alte Elektroanlagen sind anfällig für Kurzschlüsse, Überlastungen und andere Gefahren. Wenn zum Beispiel zum Zeitpunkt des ehemaligen Aufbaus der Elektroinstallation noch Schraubverbindungen an Sicherungselementen oder Dosenklemmsteine in Abzweigdosen etc. verwendet wurden, unterliegen diese elektrischen Verbindungselemente zwangsläufig einer Alterung und lösen sich unter Umständen im Laufe der Zeit. Dies kann zu einer gefährlichen Funkenbildung, im schlimmsten Fall zu einem Brand, führen. Des Weiteren sind aufgrund der früher verwendeten Leitungsquerschnitte mit ihren damals gültigen Absicherungen der Stromkreise diese für die moderne Nutzung mit der Vielzahl von elektrischen Verbrauchern meist völlig ausgereizt, wenn nicht sogar überlastet. Die Sanierung kann somit die Sicherheit erheblich verbessern, indem veraltete Komponenten durch moderne, sicherere ersetzt werden.
- Steigerung der Energietransparenz: Moderne Elektroanlagen sind in der Regel transparenter und zeigen durch Einsatz von modernen Smart-Metering-Systemen den Verbrauch in Echtzeit an. Dies kann durch Optimierung des Nutzungsverhaltens zu niedrigeren Energiekosten führen.
- Anpassung an aktuelle Bedürfnisse: Die Nutzung von Elektrizität hat sich im Laufe der Jahre völlig verändert. Wenn es früher primär um die Bereitstellung von Licht und Wärme z. B. zum Kochen ging, sind heute annähernd fast sämtliche Gerätschaften für den alltäglichen Gebrauch von verfügbarer Elektrizität abhängig. Außerdem ermöglichen Sanierungen die Anpassung an neue Anforderungen wie die Integration erneuerbarer Energien und die Unterstützung von Elektromobilität.
- Werterhalt und Wertsteigerung: Eine aktualisierte Elektroanlage, unter Umständen sogar unter Einbezug von erneuerbaren Energien und Elektromobilität, kann den Wert einer Immobilie steigern und deren Lebensdauer verlängern.
Nachteile der Sanierung alter Elektroanlagen
Die folgenden Nachteile der Sanierung alter Elektroanlagen sind den o.g. Vorteilen entgegenzusetzen:
- Kosten: Die Sanierung alter Elektroanlagen kann teuer sein, insbesondere dann, wenn umfangreiche Arbeiten erforderlich sind. Hier kann es beginnend vom Hausanschlusskasten (HAK) über die Unterverteilungen bin hin zu den Steckdosen und Lichtschaltern unter Umständen nötig sein bzw. werden, alle Leitungen und Komponenten erneuern zu müssen.
- Störungen: Es ist möglich, dass während der Sanierung die Stromversorgung im Betrieb unterbrochen wird, was für Unternehmen und Bewohner unbequem sein kann. Dies passiert genau dann, wenn von der alten Installation auf die Neue umgeschwenkt wird. In dem Fall, dass die Bestandsinstallation weiterhin in Betrieb bleibt, wird diese Phase etwas verkürzt. Man sollte jedoch erwähnen, dass bei einer Erweiterung bzw. Ergänzung einer alten Bestandselektroinstallation die Grundrisiken (siehe oben: Vorteile der Sanierung) nicht vollumfänglich behoben werden.
- Baumaßnahmen: Bei umfassenden Sanierungen sind oft bauliche Veränderungen erforderlich, was zusätzliche Unannehmlichkeiten und Kosten verursachen kann. Hier sind, um nur einige Veränderungen zu nennen, zum Beispiel die Herstellung der neuen Kabelwege (Schlitzen bzw. Aufputzinstallation) sowie der benötigte Aufbau und die Platzbereitstellung von eventuell zusätzlich benötigten Unterverteilern zu nennen.
- Planungsaufwand: Die Planung einer Elektrosanierung erfordert eine sorgfältige Vorbereitung und Koordination. Oftmals werden hier, je nach Größe des Gebäudes und des Umfanges der Sanierung, Elektrofachinstallationsbetriebe oder TGA- bzw. Fachplanungsbüros mit ins Boot geholt, um bei der Sanierung wirklich alle benötigten Aspekte berücksichtigt zu wissen.
Rechtliche Aspekte der Elektrosanierung
Die Sanierung alter Elektroanlagen unterliegt verschiedenen technischen Regelwerken und deren Überprüfungen, um die Sicherheit zu gewährleisten:
- Baurecht: Bei der Sanierung von Gebäuden ist das Baurecht zu beachten. An dieser Stelle kommt zwangsläufig die Berücksichtigung der Elektroanlage ins Spiel. Genehmigungen und Prüfungen können erforderlich sein, um sicherzustellen, dass die Anlagen keine Sicherheitsmängel aufweisen und die aktuellen Standards eingehalten werden. Hier sind zum Beispiel die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) oder die für die Schulen in NRW relevante Schulbaurichtlinie NRW (SchulBauR NRW) zu nennen.
- Elektroinstallationen: Elektroanlagen müssen den zum Zeitpunkt der Errichtung aktuellen Vorschriften und Normen entsprechen, die im jeweiligen Land gelten. In Deutschland ist zum Beispiel das Regelwerk der DIN VDE 0100 „Errichten von Niederspannungsanlagen“ die relevante Norm.
- Energieeffizienz: In vielen Ländern gibt es Vorschriften zur Energieeffizienz von Elektroanlagen, welche bei Einhaltung finanzielle Anreize bieten, wie zum Beispiel die Energiesparhinweise NRW oder das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit den entsprechenden KFW-Förderprogrammen.
- Sicherheitsvorschriften: Die Sicherheit der Elektroinstallationen und deren Betriebsmittel sind von entscheidender Bedeutung. Zu nennen wären hier zum Beispiel die Vorschrift 3 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV V3) zur Prüfung von elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln oder die für die Elektroinstallation relevante Norm DIN VDE 0105-100 zur Anlagenprüfung. Andere Vorschriften können ebenfalls den Brand- und Personenschutz betreffen.
Aktuelle Normen und Standards
Die Einhaltung aktueller Normen und Standards ist entscheidend für eine erfolgreiche Elektrosanierung. Hier folgen einige der relevanten Normen:
- DIN VDE 0100: Dieses Regelwerk legt die allgemeinen Anforderungen für Elektroinstallationen in zahlreichen Teilen fest, einschließlich Schutzmaßnahmen und Fehlerstromschutz.
- DIN VDE 0100-410: Dieser Teil der Norm befasst sich mit besonderen Installationen oder Betriebsmitteln, einschließlich Installationen in Bädern und Duschräumen.
- DIN VDE 0100-540: Diese Norm betrifft die Verlegung elektrischer Kabel und Leitungen.
- IEC 60364: Diese Norm ist international anerkannt und befasst sich mit Elektroinstallationen in Gebäuden.
- EN 50110: Diese Norm behandelt die Instandhaltung von elektrischen Anlagen.
Die genauen Normen können je nach Land (auch Bundesland) und regionalen Vorschriften variieren. Für den Eigentümer/ Betreiber einer Immobilie ist es wichtig, vor Start der „Sanierung alter Elektroanlagen“ mit den örtlichen Behörden und entsprechenden Fachleuten und unter Umständen Fachplanern zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass die sanierte bzw. modernisierte Elektroanlage den geltenden Normen und Richtlinien der Energieversorger entspricht.
Fazit
Die Sanierung alter Elektroanlagen kann erhebliche Vorteile bieten, darunter Sicherheit, Energietransparenz und Werterhalt. Die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen und die Berücksichtigung aktueller Normen sind entscheidend für eine erfolgreiche Sanierung. Wie oben bereits erwähnt, ist es vor Beginn einer Elektrosanierung ratsam, die örtlichen Vorschriften zu prüfen und sich mit Fachleuten zu beraten, um sicherzustellen, dass die Arbeiten den hohen Standards entsprechen.
Ob eine Sanierung der Elektroanlage tatsächlich erforderlich ist, kann aus Sicht des Autors nicht pauschal beantwortet werden. Die regelmäßigen Prüfungen gemäß DGUV V3 können einen ersten Aufschluss über den Zustand der Anlage vermitteln. Je nach Alter der Prüfung sollte diese im Rahmen der Begutachtung wiederholt werden. Neben diesen Prüfergebnissen sind Sichtkontrollen und Funktionstests weitere Kriterien der Entscheidungsfindung.
Die Erfahrung aus zahlreichen Projekten zeigt, dass Kabel und Leitungen ab einem Alter von ca. 40 Jahren einer besonderen Begutachtung unterliegen sollten. Schaltgeräte, Sicherungs- und Bedienelemente sollten ein Alter von ca. 30- 40 Jahren nicht überschreiten.