aus dem Netzwerk Insider August 2024
Sie erinnern sich wahrscheinlich an meinen Standpunkt vom Dezember 2021 [1], in dem ich Ihnen Wi-Fi HaLow kurz vorstellte. Gerade hatte die Wi-Fi Alliance das entsprechende Zertifikat kreiert [2], und auf ihrer Website gab es zu jener Zeit sechs zertifizierte Produkte. Ich stellte damals Wi-Fi HaLow einigen Low-Power Wide Area Networks (LP-WAN) gegenüber, vor allem LoRaWAN und Mobilfunk mit NB-IoT [3] und mMTC [4]. Ob und welche Rolle Wi-Fi HaLow zukünftig spielen könnte, war mir damals noch nicht klar.
Angeregt durch einen Artikel in [5], greife ich das Thema gerne noch einmal auf. Ich beginne mit der Technik, die sich dahinter verbirgt: Wi-Fi HaLow ist zunächst ein ganz normales WLAN mit Access Points und mobilen Clients. Es nutzt jedoch Frequenzen unterhalb von 1 GHz, d.h. in Europa den Bereich von 863 bis 868 MHz. Hier stehen entweder 5 Kanäle mit je 1 MHz Breite oder zwei Kanäle mit je 2 MHz Breite zur Verfügung. Die maximale effektive Strahlungsleistung beträgt 25 mW.
Diese vergleichsweise schmalen Kanäle werden mittels OFDM [6] in 23 bzw. 54 Unterträger aufgeteilt. Der Abstand der Unterträger beträgt mit 31,25 kHz ein Zehntel des Werts bei Wi-Fi 5 und seinen Vorgängern. Durch diese Maßnahme vergrößert sich die Symboldauer auf das Zehnfache, wodurch die Robustheit gegen Mehrwegeempfang deutlich steigt. Nur beim LTE-Mobilfunk liegen die Unterträger mit 15 kHz noch näher beieinander (bei 5G ist es etwas komplizierter).
Mit nur 23 Unterträgern bei verzehnfachter Symboldauer lassen sich naturgemäß keine Gigabits/s übertragen. Stattdessen liegen die Brutto-Bitraten zwischen 150 kBit/s und gut 8 Mbit/s, je nach MCS [7] und Kanalbreite. Auch MiMo [8] mit bis zu 4 Spatial Streams wird unterstützt. Damit ergeben sich maximal 32 Mbit/s.
Interessant finde ich, dass ein Feature, welches uns bei Wi-Fi 6 als Neuigkeit „verkauft“ wurde, bereits in dem Wi-Fi HaLow zugrunde liegenden Standard IEEE 802.11ah aus dem Jahr 2017 beschrieben ist. Ich spreche von der Target Wake Time (TWT). Dabei handeln Clients und Access Points aus, wann und wie lange sie das Medium nutzen möchten. Dabei können sie nicht nur angeben, wann sie das nächste Paket versenden wollen, sondern auch, wie lange es dauern wird.
Das Verfahren ermöglicht einerseits eine Koordination zwischen Clients und Access Point mit dem Ziel der Kollisionsvermeidung. Andererseits erfährt dadurch das Ziel (Target), wann es mit einem Paket zu rechnen und für dessen Empfang wach (wake) zu sein hat. Clients können sich auf diese Weise für längere Zeit in einen Schlafmodus versetzen, wenn sie dies zuvor mit dem Access Point ausgehandelt haben. Zur Erinnerung: Das ursprüngliche Verfahren des WLAN Power Save erforderte, dass der Client regelmäßig aufwachte, um die Traffic Indication Map des Access Points empfangen zu können. „Regelmäßig“ bedeutet dabei alle 100 Millisekunden oder ein Vielfaches davon. Letztlich ist TWT also eine Voraussetzung für wirklich energiesparenden Betrieb, wie man ihn im IoT benötigt.
Weitere interessante Features in Wi-Fi HaLow sind Bidirectional TXOP [8] und S1G Relay. Ersteres beschreibt die Möglichkeit, dass Request und Response in derselben TXOP gesendet werden können. Letzteres ist eine stark vereinfachte Version des WLAN Mesh. Das S1G Relay [9] hat einerseits die Rolle eines Clients inne und ist an einem Access Point assoziiert. Auf der anderen Seite übernimmt es die Rolle eines Access Points gegenüber anderen Clients oder weiteren S1G Relays.
Welche Rolle wird Wi-Fi HaLow zukünftig spielen? Inzwischen (am 8. Juli 2024) listet die Wi-Fi Alliance 10 zertifizierte Produkte, also kaum mehr als vor zweieinhalb Jahren. Immerhin ist nun neben Newracom mit Morse Micro ein zweiter Hersteller von SoCs [10] dabei. Morse Micro hat kürzlich eine Video-Übertragung über 3 km mithilfe ihres Produkts demonstriert [11], der Aufhänger für den Artikel aus [5].
Und tatsächlich, wenn Sie ein wenig nach drahtlosen Video-Kameras recherchieren, werden Sie einige Produkte finden, die auf Wi-Fi HaLow basieren. Video im Außenbereich ist eine IoT-Anwendung, für die LP-WAN zu langsam und Mobilfunk zu teuer ist. Außerdem wird IP-Fähigkeit verlangt, was bekanntlich mit WLAN problemlos zu realisieren ist. Es tut sich also etwas bei WiFi HaLow, wenn auch nur gaaaanz langsam…
Verweise
[1] Der Netzwerk Insider, Ausgabe Dezember 2021, Seite 30
[2] https://www.wi-fi.org/news-events/newsroom/wi-fi-certified-halow-delivers-long-range-low-power-wi-fi
[3] NB-IoT = Narrow-band IoT, eine Spielart des LTE-Mobilfunks
[4] mMTC = massive Machine Type Communications, eine Spielart des 5G-Mobilfunks
[5] Edd Gent: “Wi-Fi HaLow extends Signals to 3 Kilometers”, IEEE Spectrum, April 2024
[6] OFDM = Orthogonal Frequency Division Multiplex, die “Parallelschnittstelle” beim Funk
[7] MCS = Modulation and Coding Scheme, Kombination aus Modulationsverfahren und Redundanz bei der Fehlerkorrektur
[8] TXOP = Transmit Opportunity, die Zeitspanne, die ein Endgerät ohne Unterbrechung senden darf; dabei kann es sich auch um mehrere Pakete handeln
[9] S1G = Sub 1 GHz, bezeichnet WLAN-Stationen im Frequenzbereich unterhalb von 1 GHz, also solche gemäß IEEE 802.11ah
[10] SoC = System on Chip, ein Chip, der Funktechnik, Prozessor und Peripherie vereint