Aber ist es wirklich so einfach? Was müssen wir dabei berücksichtigen?
Dies ist eines unserer Schwerpunkt-Themen für unser ComConsult Netzwerk Forum 2018: die Zukunft im Bürogebäude ist Wireless, aber was bedeutet das im Detail? Wie können wir Planungs-Sicherheit erreichen und wovon sollten gute Entscheidungen abhängig sein? Immerhin haben Entscheidungen pro oder kontra Verkabelung unter Berücksichtigung der langfristigen Nutzung von Kabeln eine stark bindende Wirkung.
Das ComConsult Netzwerk Forum wird analysieren:
- Was bringen neue WLAN-Standards an Mehrwert?
- Was konkret leistet 802.11ax?
- Ist damit das Ende des Kabels gekommen?
- Welche Faktoren werden dies beeinflussen?
- Was wissen wir über den Arbeitsplatz der Zukunft und seinen Bedarf?
Lassen Sie uns mit der Frage starten, warum WLANs bisher nicht das Kabel verdrängen konnten. Spätestens mit dem IEEE 802.11ac Standard haben wir zumindest auf dem Papier doch genug Leistung, um nahezu jede Standard-Anwendung abzudecken. Ich denke, wir alle wissen, dass es einen erheblichen Unterschied zwischen den theoretisch möglichen WLAN-Leistungen und den Erfahrungen in der Praxis gibt. Aber das ist nicht wirklich das zentrale Problem.
Abbildung 1: Vorteil von 802.11ax gegenüber 802.11ac, Schlagwort: Airtime Efficiency
Quelle: Belden mit Verweis auf Boris Bellalta, Universität UPF Barcelona, März 2017. Allerdings vereinfacht Belden das Papier von Bellalta stark, in der Praxis gibt es auch naturgemäß Unterschiede zwischen Uplink und Downlink. Die Ergebnisse decken sich aber in der Tendenz mit anderen Veröffentlichungen zum Beispiel von Devin Akin
Das zentrale Problem von WLANs bisher ist, dass mit zunehmender Stationsanzahl in einer Zelle die maximal mögliche Bandbreite pro Station überproportional sinkt. Schon ab einer relativ geringen Stationsanzahl erreicht ein einzelnes Gerät nur noch Kilobit und in keinem Fall mehr Megabit. Kombiniert man das mit den anderen typischen WLAN-Problemen wie dem notorisch schlechten Medienzugangsverfahren DCF (keine direkte Kollisionserkennung, schlechte Kollisions-Auflösung), Hidden Station-Problemen oder Funk-Interferenzen zwischen verschiedenen Access Points, dann entsteht die typische und uns allen bekannte stark schwankende WLAN-Leistung in Umgebungen mit vielen Teilnehmern.
Es ist also grundsätzlich zu beachten: bei der WLAN-Planung zählt nicht die maximal mögliche Leistung einer einzelnen Station in einer Laborumgebung, Es geht um die Bandbreite, die für viele Teilnehmer in einer Zelle zur Verfügung steht. Wir sprechen hier von “Airtime Efficiency”.
Die Schlussfolgerung der Vergangenheit ist klar: solange wir keine Garantie für eine Mindestleistung und für Stabilität abgeben können, kann ein WLAN das Kabel in der der Fläche nicht verdrängen (unter Garantie kann dabei in dieser Umgebung nie eine 100% Garantie verstanden werden, es wird immer eine 80% oder 90% Garantie sein).
Aber jetzt sind wir genau an dem Punkt, an dem wir genau dieses Problem gelöst bekommen. Der neue IEEE 802.11ax-Standard ist ein Meilenstein-Standard, vielleicht der größte Sprung seit der Erfindung des WLAN. Und er adressiert genau das Kernproblem von IEEE 802.11: DCF wird durch einen neuen Mechanismus unter dem Namen OFDMA abgelöst. Das Verfahren ist nicht neu, es wird im Mobilfunkbereich bereits eingesetzt. Allerdings wird es hier anders parametriert und an die Gegebenheiten von WLANs angepasst. Im Ergebnis wird die Leistung pro Station nicht mehr wie bisher mit zunehmender Stationszahl zusammenbrechen.
Im Moment ist dies eine – vermutlich berechtigte – Erwartungshaltung. Da wir bis auf die Ankündigung erster Chipsätze keinen verabschiedeten Standard haben und dies vermutlich noch bis 2019 dauern wird, werden wir erst im Laufe des Jahres im Labor und dann in der Praxis prüfen können, ob diese Erwartung in der Praxis zu halten ist. Wie schon bei 11ac werden wir eine stufenweise Markteinführung von ax erleben. Die ersten Chipsätze, die für 2018 angekündigt sind (Broadcom, Qualcomm/Atheros), werden nicht die volle Leistung umsetzen und erst nach der Verabschiedung werden wir alle Leistungsmerkmale in den Chipsets erleben. Wie auch schon bei 11ac wird es auch bei 11ax technische Eigenschaften wie jetzt 8-Kanal MU-MIMO geben, die in der Praxis keine Rolle spielen werden. Es ist aber bereits sichtbar, dass IEEE 802.11ax einen veränderten Planungsansatz benötigen wird. Der Trend hin zu schmaleren Frequenzbändern wird mit 1024 QAM weiter verstärkt werden. Auch bleibt abzuwarten, in welchem Umfang die Zuteilung von Kapazität an die Stationen durch den Access Point in der Konfiguration beeinflusst werden kann.
Abbildung 2: OFDMA legt die Basis für eine Kapazitätserhöhung PRO STATION von Faktor 4 und löst gleichzeitig endlich DCF ab, ob und in welchem Umfang dies zu einer Stabilisierung in der Praxis beitragen wird, bleibt abzuwarten, aber auf dem Papier sind die Vorteile massiv,
Trotzdem und auch unter Berücksichtigung der noch vielen offenen Fragen ist bei der Auswertung von IEEE 802.11ax klar: bei voller Leistung der Chipsätze werden wir nun tatsächlich den lange diskutierten Übergang vom Kabel zum WLAN erleben können. Dies ist bei einer stark zunehmenden Menge an mobilen Geräten, die sowieso Wireless arbeiten, auch nicht weiter verwunderlich. Auch die Zunahme von Großraum-Büroauslegungen drängt den Planer scheinbar in diese Richtung.
Die Planung von ax wird auf jeden Fall deutlich komplexer als bisher. Gleiches wird für die Fehlersuche gelten. So müssen wir uns von der Idee lösen, einer einzelnen Station eine bestimmte Bandbreite garantieren zu können. Der Access Point wird immer versuchen, eine Gesamtoptimierung durchzuführen und dabei die verfügbare Kapazität permanent pro Station anpassen. Dies wird immer eine Momentaufnahme unter Berücksichtigung der gerade bei den Stationen anliegenden Verkehrsklassen sein (der Access Point fragt die Stationen was sie in ihrem Puffer haben, wie viel und von welchem Typ. Darauf basierend teilt er die Kapazität zu). Alles, was wir in Zukunft für eine einzelne Station noch sehen werden, ist eine mittlere Leistung über die Zeit. Es bleibt abzuwarten, welchen Zugang die Hersteller zu den diversen Parametern liefern werden.
Ist damit das Ende des Kabels tatsächlich gekommen? Es spricht doch alles dafür, oder?
Und hier passiert im Moment etwas, das wir so nicht erwartet haben. Wir erleben eine Neupositionierung von Power over Ethernet zum Standard für eine flächendeckende Gleichstromversorgung in neuen Gebäuden. Dies ist nicht nur auf der 100W-Leistung des neuen Standards basiert (bisher haben wir nur die Hersteller-spezifischen 60W, die Cisco in den Markt gebracht hat). Der entscheidende Punkt ist, dass PoE Strom UND Kontrolle zu einem Anschlusspunkt bringt. Damit können zum Beispiel in eine über PoE versorgte LED-Beleuchtung Sensoren integriert werden, die eine Steuerung der Beleuchtung oder eine Erkennung anwesender Benutzer erlauben. Diese Sensoren können fast multifunktional sein, man kann sich aus Sensoren für Heizung/Klima/Lüftung oder Rauchmelder oder … in den LED-Lampen vorstellen. Ein entsprechendes modulares Sensor-Konzept in den Lampen drängt sich geradezu auf (man beachte: eine Lampe hat damit in Zukunft eine eigene IP-Adresse, oder mehrere, wenn noch Sensoren hinzu kommen).
Abbildung 3: PoE für alles
Oder ein Schalter wird nicht nur an Strom angeschlossen, er erhält automatisch eine integrierte Intelligenz über die Anschaltung. Wenn ich ihn doch sowieso mit einem Stromkabel anbinden muss, warum dann nicht gleich mit PoE? Welchen Mehrwert würde es dann noch bringen, wenn der Schalter selber per Wireless kommuniziert? Warum müssen wir das im Zusammenhang mit WLAN diskutieren? Nun, PoE kann auch die Basis für einen Stromanschluss eines IT-Endgeräts inklusive des Bildschirms (gibt es von Samsung seit Jahren, spielt im Markt bisher aber kaum eine Rolle) sein. Damit würde dieses Kabel beides leisten: Stromversorgung und Netzwerk-Anschluss. Obwohl dies also auf den ersten Blick absurd erscheint, gibt es also in Zukunft einen möglichen Konflikt zwischen PoE und WLAN.
Wir können aus heutiger Sicht feststellen: es wird einen in diesem Umfang nicht erwarteten Konflikt zwischen WLAN und PoE geben, den wir diskutieren müssen.
Wir werden genau diesen Konflikt auf dem ComConsult Netzwerk-Forum mit ausgesuchten Experten diskutieren und analysieren:
- Wohin geht PoE? Wie wichtig ist es für das Gebäude der Zukunft?
- Wird PoE die eigentliche Basis für Gebäude-Automatisierung?
- Welcher Konflikt mit WLAN entsteht dabei?
- Was braucht das Endgerät eigentlich, wie sieht der Bedarf in Zukunft aus?
- Wer ist in einer stärkeren Position?
- Welche Entscheidungen sollte man hier und jetzt für die Infrastruktur-Ausstattung von neuen Gebäuden treffen? Gibt es einen Kompromiss, der beide Türen offen hält?
Alles klar, oder? Damit haben wir die bestehenden Kontrahenten eindeutig identifiziert. Oder war da noch etwas?
Abbildung 4: Mögliche Auslegungen von PoE in der Versorgung von LED-Beleuchtung
WLAN und PoE sind nicht die einzigen Technologien, die im Gebäude der Zukunft die Vorherrschaft über die Kommunikations-Infrastrukturen übernehmen wollen. Wir müssen mindestens noch den neuen Mobilfunk-Standard 5G in die Überlegungen einbeziehen (und Bluetooth, ZigBee, …). Und hier haben Provider wie die Telekom oder Vodafone ein entscheidendes Problem: wer wird für diesen neuen Standard eigentlich bezahlen? Viele der gerne hochgeredeten Anwendungsfälle für 5G wie IoT oder Autonomes Fahren existieren ja in den nächsten Jahren noch nicht in einem signifikanten Umfang. Also wo soll die Einnahme herkommen, die die sehr teure Einführung einer solchen neuen Technologie rechtfertigt? Und hier gibt eine aktuelle Podiumsdiskussion aus Barcelona einen ersten Einblick. Die Telekom hat klar Position bezogen und als wesentlichen Zielmarkt für 5G die Unternehmen angesprochen. 5G soll das WLAN in den Unternehmen überflüssig machen. Rein formal auf dem Papier ist das auch durchaus denkbar. Hier entsteht ein interessanter Wettbewerb. Und gleichzeitig ein Konflikt für Unternehmen. Immerhin sind die Preismodelle und die Leistung von 5G im Moment und auf absehbare Zeit völlig unbekannt. Wie soll hier eine fundierte Entscheidung für Infrastrukturen der Zukunft erfolgen? Und gleichzeitig haben wir etablierte Technologien wie WLAN-Call, die funktionieren. Zugleich wird eine 5G-Versorgung für ein größeres Gebäude nur funktionieren, wenn es eine im Gebäude integrierte Basis-Station gibt.
Diese sind aber extrem teuer in der Umsetzung und können zumindest wirtschaftlich bisher mit einem WLAN in keiner Weise konkurrieren. Spannende Fragen und viele Varianten, die dringend einer Diskussion bedürfen.
Und genau das macht das ComConsult Netzwerk-Forum 2018. Wir diskutieren mit Ihnen:
- Was genau wird 5G technisch liefern?
- Wo stehen wir heute und wie sieht der Weg aus?
- Wieso gibt es eine Konkurrenz und Überlappung mit dem WLAN?
- Wird das Kabel der lachende Gewinner sein?
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Dies ist eine etablierte Weisheit in der deutschen Sprache, die wir schon lange kennen. Aber hier könnte sie zutreffen. In der Auseinandersetzung zwischen WLAN und 5G könnte das PoE-Kabel für die Versorgung des Endgeräts der Gewinner sein. Egal wie die Umgebung aussieht, muss ich ja mindestens ein Stromkabel zum Endgerät bringen. Den Befürwortern von Laptops sei ein Blick in die Arbeitsstättenverordnung (Anhang) empfohlen, große Bildschirme sind ein Muss. Warum also sollte das versorgende Kabel nicht ein Netzwerk-Kabel mit PoE sein?
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