Und wieder einmal ist es Microsoft, die den Ton angeben. Die Entwicklung und Positionierung von Microsoft Teams hat die Konkurrenten offenbar auf dem falschen Fuß erwischt, Das ist durchaus überraschend, wenn man überlegt, dass Cisco und Unify ja eigentlich Vorreiter bei UCC waren. Aber mit der Integration einer vollständigen UCaaS-Lösung in Teams hat wohl keiner gerechnet. Gestern kam dann die Mitteilung aus dem Hause Microsoft, dass Teams die Funktions-Gleichheit mit Skype for Business Online erreicht hat. Dies wirft einen zwar nicht direkt vom Stuhl, da die Online-Version von S4B aus unserer Sicht bisher nicht wirklich überzeugt, aber Microsoft macht keinen Hehl daraus, dass die Cloud das Ziel ist und dass auf mittelfristige Sicht auch die On-Premise-Version von Skype for Business abgelöst werden wird. Für Microsoft liegt die Zukunft von UC in der Cloud und ist untrennbar mit UCC und Kollaboration im weitesten Sinne verbunden. Wenn man Kollaboration im Umfeld von Microsoft Office zu Ende denkt, dann macht dieser Weg auch Sinn. Wir werden diese Strategie von Microsoft und den Zusammenhang mit Office 365 auf dem UC-Forum heftig diskutieren. Immerhin ist Microsoft in der einmaligen Lage, dass ihr Office-Produkt den Markt in Deutschland dominiert. Und die Strategie ist offensichtlich: innerhalb von drei bis fünf Jahren soll jeder Microsoft Office Kunde Office 365, Teams und damit die Microsoft-Vorstellung von UCaaS benutzen.
Aber geht diese Entwicklung am Bedarf des deutschen UC-Kunden vorbei? International ist die Situation schon eindeutiger. Hier setzen Anbieter wie 8×8, RingCentral, Mitel und Zoom mit ihrem Markterfolg Zeichen. Zoom hat mit seinem Erfolg gerade Cisco gezwungen, die doch sehr angestaubte Benutzerschnittstelle von WebEx Meeting endlich in eine moderne Form zu bringen (siehe https://blogs.cisco.com/collaboration/new-face-of-webex). Das wurde ja auch langsam mal Zeit. Aber bisher spielen diese Anbieter auf dem deutschen Markt kaum eine Rolle. In Deutschland diskutieren wir nach wie vor Leistungsmerkmale, hohe Verfügbarkeit und unseren Wunsch der absoluten Kontrolle über unsere IT-Infrastrukturen. Parallel haben wir eine vom internationalen Markt abweichende Preisstruktur in der Cloud, die über die letzten Jahre von Anbietern wie sipgate oder nfon etabliert wurde. 8×8 und RingCentral sind international deutlich teurer, dafür haben sie aber auch eine deutlich breitere und bessere Leistung. Aber es ist auch klar, so wichtig der deutsche Markt auch für die Anbieter sein mag, auf Dauer kann er sich nicht von einem internationalen Trend lösen. In der weltweiten Summe ist der Markt dafür zu klein. Die Hersteller, die fast alle international agieren, haben da kaum eine Wahl wie der Wettbewerb zwischen Zoom und Cisco zeigt. Das muss nicht zwingend für die kleineren Nischenanbieter gelten, aber die Alcatels, Avayas, Ciscos, Microsofts und Unifys dieser Welt müssen zwangsläufig internationalen Trends folgen.
Also wo ist der Zukunftsbedarf dann anzusiedeln? Ist UC tot und wird von UCaaS und UCC abgelöst? Wie unser Leitartikel dazu erläutert, gibt es einige Entwicklungen, die für die meisten Kunden gelten (es gibt immer Ausnahmen für vertikale Märkte wie das Gesundheitswesen):
- Es gibt einen Trend zu einem mehr mobilen Mitarbeiter, der naturgemäß dann auch mobile Endgeräte einsetzt. “New Work” ist im Moment vielleicht erst einmal nur ein Hype, der sich noch bewähren muss, aber für einen Hype werden doch ziemlich viele Bürogebäude in dieser Richtung gebaut. Und die Verkaufszahlen sind eindeutig: der Trend geht zu Laptop, Smartphone und ggf. Tablet
- Die moderne Softwarewelt findet in der Cloud statt. Eine erheblich und wichtige Anzahl von modernen Software-Produkten wird gar nicht mehr als On-Premise-Version angeboten. Dafür gibt es aus Sicht der Hersteller gute Gründe. Software-Entwicklung wird immer agiler. Und wirklich agile Methoden der Software-Entwicklung mit zweiwöchigen Sprints lassen sich fast nur in der Cloud sinnvoll umsetzen (siehe an dieser Stelle zum Beispiel Unify Circuit mit 27 Sprints pro Jahr, wie sollte das mit einer On-Premise-Software funktionieren?)
- Die Orientierung an der Cloud führt dabei auch zu neuen Architekturen. Ein wesentlicher Teil dieser Architekturen ist Offenheit der Produkte und die Kombination von Cloud-Diensten zu neuen Gesamt-Leistungen. Dies reicht von IaaS über PaaS bis hin zu komplexen Diensten. Unify positioniert sich hier ganz klar mit seiner UCaaS-Lösung und einer begleitenden PaaS-Plattform, um diesem Trend mit einer offenen UCaaS-Architektur zu entsprechen. Offen bedeutet hier, dass andere Cloud-Anbieter die Möglichkeit erhalten, Dienste aus der Unify UCaaS-Lösung bei sich zu integrieren. Diesen Bedarf gibt es nun mal On-Premise so nicht. Auch Cisco hat mit der Übernahme von Broadsoft Zeichen gesetzt. Kommunikation ist ein wichtiger Dienst, der für viele Cloud-Anbieter gebraucht wird. Salesforce ist hier ein typisches Beispiel. Salesforce hat keine eigene Lösung für synchrone Kommunikation, braucht aber dringend eine. Warum aber das Rad neu erfinden, wenn bestehende und etablierte Lösungen einfach integriert werden können. Im Prinzip gilt dies für den gesamten CRM-Markt. Wollen Unify und Co. diesen Markt nicht an 8×8, RingCentral, Mitel und Zoom verlieren, müssen sie sich als UCaaS-Anbieter positionieren. So wie es eben auch Microsoft macht
- Wir entwickeln im Moment ein immer weiter gehendes Verständnis von Kollaboration in den unterschiedlichsten Formen. So haben ganz verschiedene Szenarien von Meetings die traditionelle Raumkonferenz abgelöst (ein weiterer interessanter Diskussionspunkt auf dem UC-Forum speziell im Zusammenhang mit Medientechnik). Kollaboration erfordert aus heutiger Sicht fast immer die Cloud. Microsoft Office ist ein gutes Beispiel dafür. Wer Kollaboration für Microsoft Office will, der findet die nur in der Cloud mit Office 365 als Kollaborations-Drehscheibe. Und auch Google hat Kollaboration mit seiner G-Suite als Cloud-Lösung schon seit Jahren im Markt etabliert. Die Google-Lösung gilt für uns dabei als Messlatte für eine gute Kollaborations-Lösung. Das was Google hier leistet, muss erst einmal geschlagen werden. Und wer kollaboriert, der muss auch kommunizieren. Da Kollaboration in der Cloud ist, muss konsequenterweise auch Kommunikation als Teil von Kollaboration in der Cloud sein. Damit ist Unified Communications und Collaboration UCC für viele betroffene Mitarbeiter klar die Zukunft. Es ist ein amüsanter Nebeneffekt des Marktes, dass Unify sich ausgerechnet die Google Plattform als Zielmarkt für seine UCaaS-Lösung ausgesucht hat. Aber auch das macht die internationale Ausrichtung des Produktes deutlich, für den deutschen Markt macht das keinen Sinn
- Künstliche Intelligenz wird unser Verständnis und unseren Umgang mit IT verändern. Die Google Next 2018 Konferenz gab vor wenigen Wochen einige gute Beispiele in diese Richtung. Auch Microsoft hat auf der Inspire genau diesen Trend diskutiert. KI ist aber was die diskutierten Themen angeht und seinen Einfluss auf die täglichen Arbeitsprozesse in der Cloud positioniert. Wer an den zukünftigen Einfluss von KI auch auf Kommunikations-Lösungen glaubt, der muss zwangsläufig auf UCaaS und UCC setzen
- In vielen Behörden und Unternehmen ist diese Entwicklung schon Realität, allerdings in Form einer weit etablierten Schatten-IT. Der Nachteil von Cloud-Diensten ist der häufig kostenfreie Einstieg und der leichte Zugang für jeden. Wir rühmen auf der einen Seite das Installations-freie WebRTC und sehen auf der anderen Seite nicht die Auswirkungen einer unkontrollierten Nutzung auf unsere IT. Wer eine immer stärker ausufernde Schatten-IT in der Cloud verhindern will, der muss eine eigene klare und verbindliche Strategie haben
Fassen wir alle bestehenden Trends zusammen (mehr dazu in unserer Markt- und Trendanalyse in der der Keynote zum UC-Forum), dann ist klar, dass es einen Bedarf für UCaaS und UCC gibt. UCaaS und UCC sind untrennbar mit unserer Kommunikations-Zukunft verbunden.
Damit sind wir bei DER ZENTRALEN FRAGE. Wir haben auf der einen Seite den nicht mehr umkehrbaren Trend zu Kollaboration, UCaaS und UCC. Auf der anderen Seite sind bei den meisten traditionellen UC-Anbietern keine gravierenden Investitionen in UC mehr zu beobachten (es gibt Ausnahmen bei Nischenanbietern wie Innovaphone, die weiterhin konsequent ihren Weg gehen, was auch gut so ist). Welche Schlussfolgerung sollen wir daraus ziehen? Kann man in dieser Situation wirklich noch UCaaS und UCC ignorieren?
Die Nutzer von UC brauchen zwingend eine Kommunikations-Strategie, die diese Entwicklung berücksichtigt. Das bedeutet nicht, mit fliegenden Fahnen nach UCaaS und UCC zu wechseln. Dies würde nicht gut enden. Aber eine schrittweise Öffnung in diese Richtung ist erforderlich. Ich habe das Risiko einer unkontrollierten Schatten-IT schon angesprochen. Immerhin werden aus unserer Sicht die überwiegende Mehrheit der Nutzer von Microsoft Office in den nächsten Jahren zu Office 365 wechseln und damit Microsoft Teams zur Verfügung haben (allerdings muss man hier eine Lanze für Microsoft brechen. Es gibt kaum ein anderes Cloud-Produkt, das so Administrator-kontrolliert ist wie Microsoft Office 365, zumindest hier würde ich nicht von einer Schatten-IT sprechen). Wer JETZT nicht mit einer klaren Strategie kommt, der wird wegen Untätigkeit bei Microsoft Teams enden. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich halte Teams durchaus für ein gutes Produkt, aber ich sehe es bisher nicht als vollständige UC-Lösung. Und nach wie vor bin ich gegen eine UC-Strategie, bei der der Anbieter keine klare Endgeräte-Strategie hat. Wo soll bitte eine positive Meeting-Erfahrung herkommen, wenn der Anbieter die entsprechenden Endgeräte und deren Bedieninterface seinen Partnern überlässt? Schon bei der Einführung von Teams als UCC-Lösung hätte man sich eine bessere Positionierung von Endgeräten bis hin zum Headset gewünscht. Das ändert aber nichts daran, dass Teams ein sehr gutes Produkt ist, das auch den Marktführer Slack unter Druck setzt.
Führt das zwangsläufig komplett weg von On-Premise-Lösungen? Natürlich nicht. Wir werden immer einen On-Premise-Teil mit Media-Gateways für analoge Endgeräte, für Telefone in Aufzügen etc haben. Wir werden immer vertikale Märkte haben, die von der generellen Linie aufgrund sehr spezieller Anforderungen abweichen. Und wir bekommen mit dem Internet der Dinge und seiner Einbindung in UC eine weitere lokale Komponente. Allerdings wird genau diese Komponente eine typische hybride Mischung erfordern, da IoT fast immer in der Cloud als Integrations-Plattform landet.
Wie sieht dann die Konsequenz aus? Ich denke, wir brauchen beides. Und wir müssen uns auf jeden Fall UCaaS und UCC zuwenden. UCaaS und UCC sind unsere Zukunft, aber sie werden auf viele Jahre hin UC On-Premise nicht komplett verdrängen. Wie viel UC On-Premise wir brauchen, muss von Unternehmen zu Unternehmen, von Behörde zu Behörde entschieden werden. Zwei sehr verschiedene Szenarien zeigen das: der mobile Mitarbeiter mit Laptop und Smartphone als Teil von “New Work” braucht weder ein Tischtelefon noch eine lokale UC-Lösung. Er wird sowieso in UCC integriert. Und sein Zugang zur “alten” UC-Welt wird aus seinem UCC-Client erfolgen (wenn er sie denn überhaupt noch braucht). Demgegenüber haben wir den Sachbearbeiter in einer Stadtverwaltung, im Finanzamt oder die Spezialanforderungen des Gesundheitswesens und anderer vertikaler Märkte. Dort dominiert weiterhin ein mehr traditionelles Verständnis von UC.
Gibt es auch Kritik an dieser Entwicklung? Auf jeden Fall. So toll die Möglichkeiten von UCC sind und so begrüßenswert die neue Kommunikationswelt ist, die uns endlich auch die Vorzüge von UC und Kollaboration zwischen Unternehmen gibt, so sehr muss man die fehlenden Standard kritisieren. UCC ist in jedem Fall Hersteller-spezifisch. Klar kann ich endlich mit Kollegen oder Auftragnehmern in anderen Unternehmen mit einem vollen Funktionsumfang vom Chat bis zur Dokumenten-Kollaboration kommunizieren. Aber mein iPhone und mein iPad sehen aus wie ein App-Museum. Mehrere Seiten sind alleine diesem Thema gewidmet. Zwar ist dies klar ein Indiz für eine doch weitgehend veränderte Kommunikationswelt, die immer mehr von Chat und Meeting und immer weniger von direkter reiner Sprachkommunikation getragen wird, aber eine App-Sammlung von Hangout über Circuit, Rainbow, WebEx Meeting, WebEx Teams bis hin zu Microsoft Teams und Zoom könnte nicht klarer zum Ausdruck bringen, was die Nachteile eines fehlenden Standards sind. Die Seiten eines einfachen und für alle gleichen Kommunikations-Interfaces sind scheinbar vorbei. Bekommen wir noch eine Norm? Nein. Gibt es Hoffnung? Wenn sie einen Hersteller-spezifischen Standard als Hoffnung ansehen, dann vielleicht. Aber welche Hersteller sind in einer Marktposition einen solchen Standard durchzusetzen? Mir fallen da genau zwei ein. Damit sind wir bei einer herausragenden SPANNENDEN Frage: wie stellt sich zum Beispiel Cisco die Zukunft im Zusammenspiel mit Office 365 vor