Heute wünschen wir uns den Elektrolurch in den Anschlusskasten neben der Antenne. Und er möge dafür sorgen, dass keine Funkstrahlung zu uns vordringt. Ohne die Funktion unserer Smartphones zu beeinträchtigen, natürlich.
Andere Leute versuchen es mit einem Aluhut. Er soll den Kopf vor zu viel Funkstrahlung schützen. Das kann sein. Beispielsweise, wenn die Strahlung von oben kommt. Das kann auch den gegenteiligen Effekt haben. Von unten betrachtet ist der Aluhut nämlich näherungsweise ein Parabolspiegel, dessen Brennpunkt mitten im Kopf liegt. Die Handy-Strahlung des Nebenmannes, der sein Smartphone in der Hosentasche trägt, gelangt so ganz konzentriert ins Gehirn. Also keine optimale Lösung.
Wie dem auch sei, eine so unsichtbare Energie wie in Radiowellen bereitet vielen Menschen Sorgen. Dem kann man technisch begegnen; darüber habe ich in meinem Standpunkt von September geschrieben. Darin empfehle ich ausnahmslos Maßnahmen, die auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten basieren.
Andere mögen Aluhüte oder Elektrolurche empfehlen. Die Wirkung solcher Hilfsmittel vermag ich nicht einzuschätzen. Sie können Aluhut- bzw. Elektrolurch-Gläubigen helfen, sie können aber ebenso gut auch keine Wirkung entfalten oder gar das Gegenteil bewirken. Ich erkläre es mir über den Placebo-Effekt: Indem ich von der Wirksamkeit eines Mittels überzeugt bin, helfe ich mir selbst bei der Abwehr des entsprechenden Leidens.
So finden sich im Internet Websites, auf denen Hilfsmittel zur Neutralisierung störender Schwingungen angepriesen werden. Die Idee: Ähnlich einem Noise-Cancelling-Kopfhörer werden störende Schwingungen durch eine Gegenschwingung kompensiert. Aha, denke ich: Damit das funktioniert, muss die Gegenschwingung dieselbe Frequenz, aber eine umgekehrte Phasenlage wie die störende Schwingung aufweisen. So macht man es beim Noise-Cancelling. Aber wie soll das mit elektromagnetischen Wellen gehen?
Nehmen wir an, die Funkwellen des Mobilfunkmasts um die Ecke werden als störend angesehen. Dann kann man diese mittels einer entsprechenden Gegenschwingung kompensieren – lassen wir den dafür erforderlichen technischen Aufwand einmal außer Acht. Das Problem dabei ist, dass unser Smartphone dann nutzlos wird, weil dieses den Mobilfunkmast nicht mehr empfängt. Das Versprechen der Websites ist aber, dass sich die Kompensation nur auf den Teil der elektromagnetischen Wellen bezieht, die störend auf meinen Körper wirken, nicht aber auf die elektromagnetischen Wellen, die mein Smartphone zum Surfen und Telefonieren braucht. Hmm…
Das Hilfsmittel, welches für die Kompensation gebraucht wird, ist ein „Frequenzmodulator“. Ah, sowas kenne ich: Einen elektronischen Oszillator kann man beispielsweise mittels einer Kapazitäts-Diode frequenzmodulieren. Hier aber scheint es etwas völlig anderes zu sein. Eine Abbildung deutet einen Rundstab aus Glas oder Kunststoff an, einige Zentimeter lang. So stelle ich mir einen Frequenzmodulator nicht vor (mal abgesehen davon, dass man für die Kompensation störender elektromagnetischer Wellen wohl eher einen Amplitudenmodulator bräuchte).
Es handelt sich also offensichtlich nicht um die Physik, die ich in Schule, Studium und beim Eigenbau von Funkgeräten kennengelernt habe. Und das bestätigen letztlich auch die genannten Websites. Am Ende werden technische Daten des „Frequenzmodulators“ in so genannten Bovis-Einheiten angegeben. Nein, das hat nichts mit Rindern zu tun. Der Namensgeber sei vielmehr ein gewisser André Bovis, der sich vor ca. 100 Jahren mit der Radiästhesie befasst hat. Und damit sind wir bei einem Thema, das ich unter dem Begriff „Esoterik“ kennengelernt habe. Hier geht es um Wasseradern, Wünschelruten, Feinstofflichkeit, Hartmanngitter und so fort.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich wage nicht zu bezweifeln, dass die Empfehlungen der Esoteriker positiv auf einige Menschen wirken können, wie Placebos eben. Grundsätzlich ist es also denkbar, dass „Frequenzmodulatoren“ und Elektrolurche, die man in Ihren Gebäuden unterbringt, bei einigen Mitarbeitern Ihres Unternehmens die Sicherheit verbreiten, vor Funkstrahlung geschützt zu sein. Vorausgesetzt, man weiß vom Einsatz dieser Mittel. Denn ein Placebo, von dem ich nichts weiß, wird wirkungslos bleiben.
Ich jedoch würde mein Geld lieber für physikalisch fundierte Maßnahmen ausgeben. Nicht, dass Sie es am Ende zu dem Fenster hinauswerfen, durch das die Strahlung hineinkommt.
Verweise
[1] http://mani-neumeier.de/guruguru/guruguru_mani_lurch_2016_gross.jpg
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