URLLC steht für Ultra Low Latency Communications. Es ist DAS Feature des 5G-Mobilfunks, auf dessen Implementierung alle gespannt warten – jedenfalls alle, die sich mit der Umsetzung echtzeitfähiger Anwendungen beschäftigen und dafür eine verlässliche Kommunikation mit deterministischen Antwortzeiten benötigen. Das IEEE schickt sich nun an, dergleichen auch für WLAN zu entwickeln. Ich spreche von der Task Group IEEE 802.11bn Ultra High Reliability (UHR), die sich im November 2023 gegründet hat. Dazu passend wird wohl die Wi-Fi Alliance eine Spezifikation namens „Wi-Fi 8“ herausbringen.
In meinem Blog [1] über Wi-Fi 7 merkte ich an, dass nach wie vor die enge Verzahnung von Access Points untereinander und mit den Clients fehle, so wie es der Mobilfunk immer schon macht. Die Task Group 802.11bn will nun offensichtlich diesen Nachteil entschärfen und damit das Feature Multi Link Operation (MLO) auf Wi-Fi 7 erheblich aufwerten.
Bei MLO steht ein WLAN-Client über mehrere parallele Kanäle mit dem (Multi-Radio) AP in Verbindung. Mit anderen Worten, MLO erlaubt die gleichzeitige Nutzung jeweils eines Kanals im 2,4-, 5- und 6-GHz-Band durch dieselbe Station. Datenpakete können über mehrere Kanäle aufgeteilt oder auch redundant übertragen werden. MLO lässt sich prinzipiell mit der Link Aggregation im Ethernet vergleichen. Die logische Verbindung, die durch Ziel und Quell-MAC-Adresse bestimmt wird, nutzt mehrere Medien zur Übertragung, hier also mehrere Funkkanäle zwischen einem Access Point und einem Client.
Die Task Group IEEE 802.11bn will MLO auf mehrere Access Points erweitern und nennt es „Distributed MLO“. Das ist irgendwie vergleichbar zur Multi-Chassis Link Aggregation (MC-LAG) bei Ethernet. Jeder von Ihnen, der je MC-LAG konfiguriert hat, weiß um die speziellen Anforderungen der Verbindung zwischen den beteiligten Switches: verlässlich und performant. Die dazu eingesetzten Protokolle sind in der Regel proprietär.
Die Task Group steht also vor der Aufgabe, ein Protokoll für diesen Zweck zu entwickeln. Wir müssen uns dann wahrscheinlich von der Idee lösen, dass ein WLAN-Client immer nur mit genau einem Access Point verbunden ist. Auf diese Weise ließen sich endlich die WLAN-typischen Probleme beim Handover in den Griff bekommen. Unterbrechungen beim Zellwechsel vereitelten bisher bekanntlich jegliche Echtzeitfähigkeit des WLANs.
Darüber hinaus sollen weitere Mechanismen zur Unterstützung einer Echtzeitfähigkeit entwickelt werden. „Echtzeitfähig“ bedeutet, dass sich für den Abschluss einer Transaktion eine garantierte (!) Maximaldauer angeben lässt. Hierzu werden unter anderem folgende Features diskutiert:
- RU Reservation: Resource Units (RUs), also bestimmte Unterträger der OFDM, sollen exklusiv für bestimmte Verkehrsklassen reserviert werden. Das ist ein neuer Ansatz für Quality of Service (QoS) in WLAN, der ein wenig dem Konzept der Priority Queues bei Ethernet Switches entspricht. Und ja, das haben sie beim Mobilfunk abgeguckt.
- Preemptive Channel Access: Die laufende Übertragung „unwichtiger“ Datenpakete soll sich zukünftig unterbrechen lassen, um Ressourcen für priorisierten Traffic freizumachen. Man könnte also reservierte RUs (s.o.) solange für anderweitige Datenübertragung nutzen, bis ein priorisiertes Datenpaket beim Access Point eintrifft. Dann erst werden die reservierten RUs freigemacht.
Ein erster Draft vom IEEE 802.11bn wird im Mai 2025 erwartet [2]. Ich bin gespannt, welche der genannten Features sich dann materialisieren. Ich werde berichten.