Beschäftigt man sich mit den modernsten Planungsstrategien und Methoden zur Realisierung von großen Neubauten, so scheint kein Weg an BIM (Building Information Modelling) vorbeizugehen. Veröffentlichungen der unterschiedlichsten Art auf unterschiedlichsten Plattformen suggerieren, BIM ist da und von allen Planungsbeteiligten vor und während des Bauvorhabens zu beherrschen.
Doch ist es wirklich da und kann auch jeder, der am Bau eines Gebäudes beteiligt ist, mit BIM umgehen?
Planen im und mit dem digitalen Zwilling
Die BIM-Idee und die Nutzung der damit verbundenen Optimierungspotenziale gehen weit über den eigentlichen Bau des Gebäudes hinaus, nämlich bis hin zu seinem Betrieb. Die BIM-Vorteile können erst genutzt werden, wenn das Gebäude steht. Bis dahin ist es ein langer Weg, der – grob vereinfacht über das Planen und Bauen des Gebäudes führt.
Die Idee ist: Vor dem eigentlichen Bauen erstellt man zunächst einen digitalen Zwilling des Gebäudes, was „modellieren“ genannt wird. Vereinfacht gesagt bedeutet es, dass dieses Gebäude sowohl grafisch bzw. geometrisch geplant wird (man kann sich das Gebäude inklusive aller Inhalte in 2D oder 3D ansehen) und dass alle verbauten Elemente in einer Datenbank erfasst werden. Sowohl das grafische als auch das Datenbank-Modell sind miteinander verknüpft und synchronisieren sich.
Digitale Zwillinge sind also digitale Darstellungen physischer Gebäude, Anlagen und Systeme. Ein Datennetzwerk ist ebenso als eine Anlage dieses Gebäudes zu betrachten. Damit geht für die Fachplanung der IT-Kommunikationstechnik – bekannt als DIN-Kostengruppe 457 oder HOAI-Anlagengruppe 5 – bei modernen Planungen kein Weg an BIM vorbei.
Einer der meistgepriesenen Vorteile der Fachplanung mit BIM besteht darin, dass Kollisionen zwischen Gewerken früh erkannt und schon geklärt / bereinigt werden, bevor es auf der Baustelle zu Konflikten kommt. Dies ist Gegenstand der HOAI-Planung und endet in der Leistungsphase 5 „Ausführungsplanung“, die so detailliert sein sollte, dass eine über Leistungsphase 6 und 7 ermittelte Installationsfirma danach bauen bzw. installieren kann. Man gesteht dem Fachplaner in der Leistungsphase 5 eine Ungenauigkeit zu, die das Installationsunternehmen durch einen Planungsfeinschliff in Form einer Werk- und Montageplanung (W&M-Planung) „nachschärft“. Mit dieser abschließenden Werk- und Montageplanung werden die Monteure vor Ort in die Lage versetzt zu bohren, Kabel zu verlegen, zu montieren, Stecker anzuschließen etc.
Beim perfekten digitalen Zwilling wird es im Idealfall eine kollisionsfreie Ausführungsplanung geben, und das Nachschärfen durch die W&M-Planung wird noch geringer ausfallen als bei traditionellen Planungen. Aber: Ist das tatsächlich zu erwarten? Kann man z.B. in einem riesigen Büroneubau mit dutzenden von Gewerken davon ausgehen, dass jede Kernbohrung, jede Anschlussdose genau dahin kommt, wo sie am Reißbrett geplant wurde? Sind Änderungswünsche in der Bauphase so radikal auszuschließen, dass sich bei der Planung der IT nichts mehr ändern wird? Wohl kaum! Damit bleibt eine W&M-Planung unersetzlich, und eine Nachführung / Anpassung der Ausführungsplanung wird ebenfalls nicht zu vermeiden sein.
Und jetzt kommt der spannende Punkt: Diese Nachplanung muss und kann nur im BIM-Modell erfolgen. Wie sonst sollen z.B. Kollisionspunkte entdeckt werden? Auch die Revisionsdokumentation kann nur im BIM-Modell erfolgen. Dies impliziert: Die ausführende Firma muss über eine nicht unerhebliche BIM-Kompetenz verfügen.
ComConsult als IT-Fachplaner stellte sich im Rahmen eines sehr großen Neubauprojektes (ca. 25.000 Datenanschlüsse) mit BIM als Planungsplattform die Fragen:
- Wie weit ist nach heutigem Stand die BIM-Kompetenz bei den großen Installationsunternehmen vorhanden?
- Wer könnte in den nächsten 1-2 Jahren die mit BIM zusammenhängenden Aufgaben bewältigen?
Marktumfrage: Welches Installationsunternehmen kann BIM?
Daraus entstand die Idee, eine nicht repräsentative Marktumfrage bei Firmen vorzunehmen, die mit ComConsult in Großprojekten bereits zusammengearbeitet haben. Folgendes Leistungsbild wurde an diese Firmen versendet und um Rückmeldung wurde gebeten:
Dabei ging es nicht um eine kaufmännisch zu bewertende Anfrage. Wir wollten lediglich erfahren, wer die Leistungen potentiell erbringen könnte. Zitat aus unserer Anfrage: „….stellen wir uns die Frage, welches ausführende Unternehmen dies in naher Zukunft leisten könnte.“
Elf Firmen wurden angefragt und 6 von ihnen haben Rückmeldung gegeben. Zusammengefasst lauten die Aussagen dieser Firmen wie folgt:
- „ … haben nur rudimentäre Erfahrungen mit der Planungsmethodik BIM“
- „ … leider müssen wir absagen“
- „… unsere Zeichner können kleinere Tätigkeiten in BIM ausführen“
- „… Schulungsthematik liegt auf Eis“
- „… kein Interesse an BIM“ oder „… keine Berührungspunkte“
- „… 3D-Projekte wurden nicht konsequent bis ins Detail ausgeführt“ (Anmerkung: 3D-Planung und BIM sind nicht dasselbe!)
Fakt: Falls in diesem oder im nächsten Jahr für eine IT-Fachplanung ein Installationsunternehmen zum Aufbau einer Kommunikationsverkabelung mit einer bereits vorhandenen Expertise im Rahmen einer Ausschreibung gefunden werden müsste, dann sähe es vermutlich sehr schlecht aus.
Fazit
BIM ist da, keine Frage, zumindest bei Neubau-Projekten, die sich gerne mit den Planungsattributen „digital“, „innovativ“, „zukunftsorientiert“ und „kostenoptimiert“ schmücken möchten. Aber „da“ bedeutet, es ist – wenn überhaupt – erst bei den Fachplanern angekommen. Das reicht jedoch nicht. Die Installationsfirmen der IT-Branche, die sich in den nächsten Jahren hiermit nicht weiter beschäftigen werden, laufen Gefahr, bei Großaufträgen klare Wettbewerbsnachteile zu haben. Somit wird es zukünftig im Rahmen der Ausschreibungen eventuell nur wenige geeignete Bieter geben, die dann wiederum aller Wahrscheinlichkeit nach entsprechend hohe Preise verlangen können.