Und das Grundmuster der entstehenden Probleme ist immer ähnlich:
- Erhebliche Performance- und Stabilitätsprobleme
- Kein geregelter Betrieb
- Keine Mittel für ein geregeltes Wachstum einer skalierbaren Infrastruktur
Hier sind die typischen Fehleinschätzungen und Erwartungshaltungen zur Cloud:
1. Die Cloud spart Geld gegenüber dem eigenen Betrieb
Diese Einschätzung hält sich nun seit mehr als 10 Jahren konstant im Markt, obwohl es keinerlei Beleg dafür gibt. Alle veröffentlichten Vergleiche in diesem zeitraum kamen zu anderen Ergebnissen.
Das Problem der Berechnung der Wirtschaftlichkeit von Cloud-Diensten liegt in drei Bereichen:
- In der kompletten Berechnung aller Kosten, die einer Cloud-Nutzung zuzurechnen sind
- In der korrekten Berechnung der Kosten, die man bei der eigenen Erbringung hätte
- In der fehlenden Vergleichbarkeit der Leistungen
Die These, dass die Cloud Geld spart, stammt vermutlich aus den Anfängen der Cloud. Damals konnte man Rechenleistung bei Amazon AWS 30 bis 40% preiswerter einkaufen als man sie selber im eigenen RZ erbringen konnte. Alle veröffentlichten Kostenrechnungen von Kunden zeigten aber, dass dies isoliertes Rosinenpicken unter Vernachlässigung der Gesamtkosten ist. Wer Rechenleistung braucht, der braucht auch Speicher. Und Speicher in der Cloud ist häufig teurer als der Speicher, den man selber im eigenen RZ realisieren kann. Dies liegt auch am extremen Preisverfall von Speicher und einem Übergang von Hardware-basierten Produkten zu Software-Lösungen auf Standard-Hardware. Wie auch immer, wer heute Dienste bei Amazon AWS nutzt, der wird mit Hunderten von Spezialdiensten konfrontiert. Man wählt sich daraus die Dienste aus, die man braucht. Im Ergebnis erhält man auch für kleinere Projekte wie unser eigenes Study.tv, das auf Amazon AWS aufsetzt, längere Rechnungen mit vielen Einzelpositionen.
Unabhängig davon werden in solchen Betrachtungen die Kosten gerne ignoriert, die man braucht, um in die Cloud zu kommen und solche Lösungen zu betreiben. Die im Leitartikel beschriebenen UCC-Dienste oder allgemeiner Office 365 sind gute Beispiele dafür. Gerade bei Office 365 ist es nicht unüblich, dass Kunden blauäugig einsteigen, am Anfang sehr zufrieden sind und nach 6 Monaten in einem Performance-Desaster ankommen.
Mein Statement dazu ist:
- Der Zugang zur Cloud erfordert je nach Dienstebereich eine massive, umfangreiche und kostenintensive Infrastruktur
- Diese Infrastruktur muss auch betrieben werden und muss über die Zeit mit dem gegebenen Bedarf skalieren
Und dann stellt sich noch die Frage der Vergleichbarkeit. Die Entwicklungsumgebung eines Amazon AWS als Platform as a Service gibt es nicht lokal. Office 365 gibt es so nicht lokal (nur Teile davon wie SharePoint). Man geht in der Regel heute nicht in die Cloud, um Geld zu sparen, sondern weil man dort einen funktionalen Mehrwert sieht.
Was die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Cloud immer schwer macht, ist die Elastizität der dort angebotenen Leistungen. Wenn es einen spontanen Mehrbedarf an Rechenleistung gibt, dann kann ich den eben auch sofort abrufen. Dies ist mit selber erbrachten Leistungen im eigenen Rechenzentrum nur schwer zu vergleichen. Gleichzeitig erbringt ein Rechenzentrum viele Leistungen, die nie in der Cloud erbracht werden können. Ein Vergleich wird immer komplex und schwierig sein. Der Fokus sollte deshalb immer auf dem Mehrwert und nicht auf der Kostenersparnis liegen.
Deshalb mein abschließendes Statement zu diesem Irrglauben der Kosteneinsparung:
- Die Cloud ist teuer, sie spart kein Geld, sie bringt Mehrwerte zu erhöhten Kosten als bisher.
2. Die Cloud spart Personal
Diese Annahme ist mir bis heute unerklärlich. Wenn man den Personalbedarf eines kompletten IT-Betriebs betrachtet, dann ist der Anteil für den Hardware- und Systembetrieb vergleichsweise klein. Die Einführung von Cloud-Diensten produziert einen neuen Administrationsbedarf, die Notwendigkeit des Betriebs des Übergangs in die Cloud und erhebliche neue Aufgaben in der Absicherung der Cloud-Nutzung. Hinzu kommt, dass Cloud-Leistungen häufig so konfiguriert werden, dass mehrere Cloud-Dienste miteinander verknüpft werden. Anwendungen wie Zapier können teilweise dabei helfen, doch häufig wird man eigene Skripte entwickeln und betreiben müssen. Typisch wären eine Kopplung zwischen Salesforce und der eigenen Warenwirtschaft, die Integration von Kommunikationsdiensten in CRM, die Integration von Dokumenten-Management in andere Dienste. Alles das muss entwickelt und gepflegt werden. Wer daran zweifelt, dem empfehle ich die Administrationsoberfläche von Office 365 zur Ansicht in Kombination mit Azure AD, SSO und MFD.
Auch hier mein Statement
- Die Einführung von Cloud-Diensten erfordert mehr Betriebspersonal als bisher
3. Die Cloud kann man ignorieren
Aus diesem Zustand sind wir schon lange raus. Spätestens, wenn Microsoft die Kaufversion von Office einstellt und komplett auf die Office 365 Lizenzierung umstellt, sind 99% aller deutschen Unternehmen in der Cloud. Damit rechnen wir innerhalb der nächsten 5 Jahre. Generell gilt, dass die Software-Entwicklung neuer Produkte überwiegend nur noch in der Cloud stattfindet. Software-Produkte werden heute nach Scrum oder Kanban entwickelt. Die kleineren Entwicklungsschritte resultieren in deutlich häufigeren Upgrade-Notwendigkeiten. Dies geht eigentlich nur mit der Cloud. Für die Anbieter generiert die Cloud deutlich niedrigere Maintenance-Kosten. Wer als Anbieter diesen Weg nicht geht, hat wirtschaftlich auf lange Sicht große Probleme. Nischenanbieter sind davon nicht betroffen. Und manchmal macht es auch keinen Sinn in die Cloud zu gehen. Im Produktionsbereich haben wir weiterhin viele Anwendungen, die nur lokal Sinn machen. Aber auch hier geht Industrie 4.0 eindeutig in die Cloud zur Schaffung von Integrations-Lösungen.
Ein anderer Bereich, der die Cloud erzwingen wird, ist Künstliche Intelligenz. Zwar ist dies momentan häufig mehr Hype und Marketing als Realität, aber diese Entwicklung darf nicht unterschätzt werden. KI und Machine Learning werden viele Bereiche der Industrie verändern: von der Predictive Maintenance bis zum Marketing.
Auch hier wieder mein Statement:
- Die absolut meisten Unternehmen und Behörden können auf Dauer die Cloud nicht vermeiden. Wer dies glaubt und tut, öffnet die Tür zu einer gewaltigen Schatten-IT, die vermutlich auch heute schon existiert. Web-Anwendungen lassen sich in der Administration nur schwer ausgrenzen.
Mein Fazit der letzten Monate: die Cloud macht für bestimmte Dienste Sinn. In jedem einzelnen Fall sollte der Mehrwert geprüft werden, um die Mehrkosten, mit denen man unbedingt rechnen sollte, zu rechtfertigen. Die Cloud ist prädestiniert zur Schaffung einer unkontrollierten Schatten-IT. Wer diese vermeiden will, muss proaktiv sein. Dies ist durchaus möglich.
Der Einstieg in die Cloud erfordert Zugangs-Infrastrukturen, die relativ breit aufgestellt werden müssen. Sie reichen von der Benutzerverwaltung über die Zugangskontrolle bis hin zu Firewalls und hohen Bandbreiten. Wir nennen dies “Cloud Starterkit”, auch um zu unterstreichen, dass die Cloud eine Basis braucht, deren Kosten nicht unbedingt einem einzelnen Cloud-Dienst zugewiesen werden können. Das Starter-Kit ist die Basis für alle in der Cloud genutzten Dienste. Es erfordert Investitionen und generiert Betriebskosten. Und dafür muss es ein geeignetes und nicht zu kleines Budget geben.