Nun, inzwischen hat sich die Situation geändert. Aber warum ist das so? Warum ist heute die ursprüngliche Ablehnung der Cloud nicht mehr durchsetzbar? Was hat sich geändert? Generell kann man sagen, dass wir mehr und mehr Lösungen in der Cloud bekommen, die wir so lokal nicht haben. Hinzu kommen Anwendungen, die von ihrer Natur her die Cloud zwingend erfordern. Es gibt zwei Beispiele, bei denen wir im Moment ein Umdenken bei den Top-Führungskräften unserer Kunden beobachten:
- Building Information Modelling BIM: hier entsteht in vielen Fällen ein digitaler Zwilling in der Cloud, der die Basis für die Optimierung des Betriebs legt und eine maximal effiziente Nutzung eines Gebäudes gestattet. 70% der Gesamtkosten eines Gebäudes liegen im Betrieb und nicht im Bau. Plötzlich haben wir hier eine Technologie, die dazu beiträgt, dass nicht nur Kosten gesenkt werden können, sondern auch ein Garant für eine einfachere Vermietbarkeit eines Gebäudes ist. Kombiniert man das mit neuen Technologien im digitalen Gebäude der Zukunft und deren Abbildung im Zwilling, dann wird die Sache rund. Und was passiert: selbst die Hardliner, die Cloud um jeden Preis bisher vermieden haben, springen auf einmal und vor allem ohne zu zögern auf den Zug. Wer hier im Wettbewerb um den Mieter nicht verlieren will, der wird diesen Weg gehen. Zwar gibt es Lösungen mit einem lokalen Zwilling, aber immer mehr Hersteller von Sensortechnik für Gebäude verbinden ihre Lösungen mit Cloud-Servern. Dies ist ein typisches Beispiel dafür, dass wir auf Dauer keine lokale Alternative haben werden.
- Unified Communications and Collaboration UCC: nach einem zögerlichen Start rollt jetzt die Welle in diese Richtung, noch langsam, aber sie rollt. Interessanterweise haben kleine Startups wie Slack und Trello die Tür geöffnet. Dann folgten Cisco und Unify und seit Microsoft dies zu einem Kern von Office 365 ernannt hat, kann niemand diese Welle mehr aufhalten. UCC ist ein gutes Beispiel für einen Anwendungsbereich, der ohne Cloud gar nicht funktionieren kann. Die Integration mobiler Endgeräte an beliebigen Orten und die Kommunikation mit externen Teilnehmern in Kombination mit Dokumenten-Kollaboration geht funktional nur mit einer Cloud-Drehscheibe für die Kommunikation.
Wenn wir diese Beispiele betrachten, was ist so anders als zum Beginn der Entwicklung? Nun, bei Infrastructure as a Service hatten wir eine direkte Konkurrenz zwischen Rechenleistung und Speicher in der Cloud und im lokalen Rechenzentrum. Und für 90% der Anwendungen war nicht erkennbar, wo der Vorteil der Cloud liegt. Zwar konnte die Cloud einige Leistungen preiswerter erbringen als wir das lokal können, aber die Schnittstellen- und Betriebskosten haben diese Vorteile wieder aufgehoben. IaaS in seiner Reinform konnte und kann bis auf Ausnahmen keinen so großen Mehrwert für Unternehmen bieten, dass sich ein Umstieg in die Cloud lohnt.
Was ist also so anders an den genannten Beispielen: ganz einfach, hier leistet die Cloud etwas, das wir lokal nicht haben. Sie liefert nicht nur einen signifikanten Mehrwert, sie generiert fast einen Zwang, diese Dienste zu nutzen. BIM geht auf Dauer nicht ohne Cloud. Und Kollaboration geht nicht ohne Cloud. Und genau an dieser Stelle könnten wir jetzt eine inzwischen lange Liste von Diensten und Produkten starten, die es einfach lokal nicht gibt. Und sobald man anfängt Cloud-Produkte zu nutzen, hat man ein kleines Problem. Diese Produkte sind konzeptionell darauf ausgelegt, mit anderen Cloud-Produkten zusammen eingesetzt zu werden. Wer Salesforce einsetzt, der wird mindestens Box und Zoom evaluieren. Wer Goggles G-Suite und Slack einsetzt, der wird Okta als eine Möglichkeit evaluieren. Die Konsequenz: es gibt dieses “ein wenig Cloud” auf Dauer nicht. Zumindest bei SaaS gilt: ganz oder gar nicht.
Gilt das nur für SaaS? Nein, auch Platform as a Service PaaS muss mittlerweile sehr ernst genommen werden. Zu Beginn der Entwicklung vor mehr als 10 Jahren konnten diese Produkte mit den ausgefeilten und sehr spezialisierten Vor-Ort-Produkten nicht konkurrieren. Das ist heute nicht mehr so. Eine Amazon AWS oder Microsoft Azure haben so viele Alleinstellungsmerkmale, dass sich nicht mehr die Frage stellt, ob ich für bestimmte Anwendungen ein PaaS Produkt nutze, sondern mehr welches ich nutze. Wir haben in einem sehr aufwendigen Test Amazon und Microsoft verglichen, indem wir unser Study.tv Angebot komplett in beide Welten portiert haben. Und study.tv ist komplexer als es aussieht. In dem relativ kleinen Produkt stecken alle Technologien, die sie auch für beliebig große Lösungen brauchen. Wir werden in den nächsten Monaten über den Vergleich und seine Ergebnisse sprechen. Aber so viel vorweg: Study.tv ist heute in der Cloud. Die Testergebnisse waren so eindeutig positiv, dass eine rein gehostete Lösung auch mit den neuesten Technologien keinerlei Sinn mehr machte. Zumindest für uns ist klar: sie können mit einer rein lokalen Umgebung nicht mit einem PaaS-Ansatz konkurrieren. Dies war vor einigen Jahren noch anders, aber inzwischen wird die Lücke immer größer. Microsoft unterstützt mit Azure einen Hybridansatz und das macht für Microsoft-Umgebungen Sinn. Aber für Produkte wie Study.tv, die sich komplett an externe Benutzer wenden, ist jeder Hybridansatz sinnlos. Für solche Anwendungen gehört die Zukunft der Cloud. Und wir werden dies in den nächsten Monaten in diversen Vorträgen und Analysen belegen.
Wir untersuchen auch seit Anfang letzten Jahres mit einem Team, wie der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen wird und welche Infrastrukturen wir für ihn brauchen werden. Die Ergebnisse sind signifikant und wichtig. Dieses Thema wird das Netzwerk Forum 2018 als Keynote starten. Auch weil wir IT-Infrastrukturen für den Arbeitsplatz der Zukunft jetzt vorbereiten müssen. Dies sprengt den Rahmen eines Geleits, aber in Zukunft wird es keinen rein lokalen Arbeitsplatz mehr geben (Abgrenzung: es wird auch weiterhin Lokal installierte Anwendungen geben, aber die Waage neigt sich zunehmend zur Cloud, dieser Prozess wird 5 bis 10 Jahre dauern. Aber naturgemäß gilt das nicht für alle Umgebungen. Speziell bei Kunden mit komplexen Prozessen und vielen Spezialanwendungen wie im Verwaltungsbereich, bei Banken und Versicherungen oder im Produktionsbereich wird es noch sehr lange lokal installierte Software geben). Lokal steht immer mehr eine beliebige in ihrer Natur austauschbare Hardware, die eine vorkonfigurierte Umgebung aus der Cloud abbildet. Dies diskutieren wir seit 20 Jahren und die gute alte Firma SUN ist mit dieser Vision noch untergegangen und wurde von Oracle übernommen. Aber wir sind mittlerweile in einer anderen Situation. Der Umbau unserer Art zu arbeiten weg von einer mehr individuellen Arbeit hin zu einer Arbeit in einem verteilten und dynamischen Team macht einen Cloud-Ansatz unverzichtbar.
Betrachten wir die Hersteller, dann ist es vor allem Microsoft, der die Kunden in die Cloud zwingen wird. Das scheint für den Anbieter von Microsoft Office ein überraschender Weg. Aber Microsoft versucht den Spagat eines Hybridansatzes aus einem Abo-Modell, Diensten in der Cloud und weiterhin lokal installierter Software, die aber aus der Cloud gesteuert wird und darüber ihre Einbindung in Kollaborations-Dienste erhält. Microsofts Zukunft in diesem Bereich ist Office 365. Und ein Schwerpunktdienst im Sinne eines Trojanischen Pferdes ist Microsoft Teams. Teams bereitet eine neue UC-Lösung von Microsoft und eine damit angestrebte Marktdominanz vor. Microsoft Kunden kommen auf Dauer nicht an Teams vorbei. Und mit Teams wird in den nächsten drei Jahren eine komplette Kommunikations- und Kollaborations-Umgebung kommen (das sagt Microsoft nicht so, aber wir sehen das so). Fazit: Microsoft wird sie als Kunde in die Cloud zwingen, ob sie das wollen spielt dabei keine Rolle. Haben sie eine Wahl? Ja klar, sie können zu Googles G-Suite wechseln, ohne Frage ein sehr überzeugendes Produkt. Es ist einfacher, aber deutlich preiswerter als Office 365 und es hat eine überwältigende Benutzer-Akzeptanz. Und es ist endlich eine Lösung, die mit einer Javascript basierten Add-On Programmierung mit einer standardisierten und – fast – Hersteller-neutralen Technologie fast beliebige Funktionserweiterungen erlaubt. Aber halt, das ist ja auch und vor allem nur in der Cloud zu bekommen. Was nun? Welche anderen Konkurrenten sehen wir im Moment? Quip, Zoho und ähnliche: alle nur in der Cloud zu haben. Wir wissen von anderen namhaften Anbietern, die in den nächsten Monaten Dokumenten-Kollaborations- und Bearbeitungs-Produkte vorstellen wollen, aber alles nur noch in der Cloud. Wir leben in einer Frühphase der Anreicherung von “Standard”-Produkten mit Funktionen aus der künstlichen Intelligenz. Das geht von der Bereitstellung einer Vorauswahl von Dokumenten zur täglichen Arbeit (Google) bis zur Optimierung der Raumbelegung von Besprechungsräumen. Aber gerade dieser Bereich wird auch nur in der Cloud kommen. Zwar können wir inzwischen eine lokale Rechenleistung für KI und Machine Learning schaffen, aber wir brauchen die Algorithmen/die Software und die notwendige Datenmenge. Und die gibt es vor allem in der Cloud.
Ist das alles ohne Probleme, wird alles automatisch besser? Nein, natürlich nicht. Cloud-Anbindung wird mit zunehmender Nutzung technisch anspruchsvoll. Wir brauchen immer mehr Bandbreite und vor allem sehr niedrige Latenzzeiten. Gleichzeitig generiert eine intensivere Cloud-Nutzung naturgemäß Herausforderungen im Bereich Sicherheit. Zwar hat die Cloud auch Vorteile im Bereich Sicherheit, aber die möglichen Risiken sind als signifikant einzustufen. Natürlich gibt es Lösungen, aber die sind weder preiswert noch einfach.
Kommen wir zum Titel dieser Ausführungen zurück. Können Sie der Cloud entkommen, wie hoch sind Ihre Erfolgsaussichten? Einfache Antwort: es wird Zeit, sich auf einen stufenweisen und kontrollierten Einstieg in die Cloud vorzubereiten. Insbesondere eine unkontrollierbare Schatten-IT in der Cloud muss vermieden werden. Die Zeiten, in denen man die Cloud auf IaaS reduzieren und ablehnen konnte, sind vorbei. Sie haben keine Wahl mehr, lernen Sie mit der Cloud zu leben ist die Antwort.
Müssen Sie jetzt um Ihren Job bangen? Im Gegenteil. Cloud bedeutet ja nicht weniger Arbeit. Cloud bedeutet andere Arbeit. Und davon ziemlich viel. Cloud hat ja auch einige Nachteile, wie die Diskussion um die Sicherheit in der Cloud zeigt. Aber diese Nachteile sind zum großen Teil lösbar. Aber sie erfordern Zusatzdienste und Konfiguration, ein anderes Wort für Arbeit. Es gibt auch für Sie als Betreiber eine Zukunft in der Cloud. Der Weg geht eben weg von der lokalen Hardware hin zur Dienstleistung.
Ist dies das Ende des Rechenzentrums? Nein. Wir werden auf mindestens 10 Jahre noch die Leistungen eines Rechenzentrums brauchen. Trotz aller Vorteile von PaaS gibt es noch lokale Anwendungen für lokale Benutzer. Die wird es auch weiterhin geben. Es wird immer Funktionen und Daten geben, die wir rein lokal halten wollen. Aber wir werden viele der bisher üblichen File-Server an die Cloud verlieren. Was nach 10 Jahren kommt, kann man naturgemäß heute nicht sagen. Aber grundsätzlich gilt für die Cloud: Cloud gewinnt dann, wenn sie etwas leistet, das ich lokal nicht leisten kann. Und ein rein wirtschaftlicher Vorteil reicht dabei nicht aus. Ich kann ja auch lokal wirtschaftlicher werden. Es muss ein signifikanter funktionaler Vorteil hinzu kommen oder eine Form von Wirtschaftlichkeit, die ich lokal nicht kontern kann.
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