Das Projektinterview: Herausforderungen bei der Planung eines Netzwerks in Portugal
01.08.22 / Dr. Johannes Dams
aus dem Netzwerk Insider August 2022
Bei der Planung der IT-Infrastruktur für neue Gebäude sind vom Konzept bis zum Betrieb viele Faktoren zu berücksichtigen. Doch was ist insbesondere zu beachten, wenn der zu planende Standort im Ausland liegt?
Johannes Dams ist bei ComConsult Leiter des Competence Centers Netze. In seiner siebenjährigen Karriere hat er viele große Unternehmen beim Aufbau der aktiven Infrastruktur beraten und betreut. In diesem Interview berichtet er davon, wie ComConsult die IT-Infrastruktur eines Neubaus in Portugal geplant hat und warum es bis heute nur eine provisorische Lösung gibt.
Noch vor dem Projekt in Portugal wurde ComConsult beauftragt, für ein weltweit agierendes Industrieunternehmen das Netz für den Neubau der Europazentrale in Hamburg zu planen.
Unsere Aufgabe war es, im Rahmen der Baubeschreibung Arbeitspapiere für den Bau eines Bürohochhauses zu erstellen, die die technischen Anforderungen unseres Kunden an den Bauherrn definieren. Die Themen gingen über klassische IT-Technik, Stromversorgung und Kühlung von Serverräumen bis hin zur WLAN- und Stromversorgung. Der Kunde hatte das Problem, dass aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie der eigentliche IT-Dienstleister, der im Ausland ansässig ist, nicht zur Verfügung stand. Deshalb begleiteten wir anschließend auch die Inbetriebnahme.
Wie kam es nun dazu, dass ComConsult mit dem Projekt in Portugal betraut wurde?
Für ComConsult gehört es zur Routine, sämtliche Umsetzungsprozesse sehr detailliert zu dokumentieren. Das gefiel dem Kunden sehr gut und er kannte das von anderen bisherigen IT-Dienstleistern nicht. Das veranlasste ihn, uns auch mit dem anstehenden Bauprojekt in Portugal zu beauftragen.
Für den Standort in Portugal sollte das Design des aktuellen Netzwerks bewertet und ein vorläufiges Netzwerkkonzept erstellt werden. Warum nur vorläufig?
Der Bestandsstandort in Portugal soll geschlossen werden. Stattdessen soll ein neues Gebäude mit neuerer Technik entstehen. Im ersten Schritt haben wir Vorschläge gemacht, was aus unserer Sicht an dem vorhandenen Netzwerk verbessert werden sollte. Dieses Konzept diente gleichzeitig als Vorbereitung für das neu zu planende Gebäude.
Aktuell gibt es massive Probleme mit Lieferschwierigkeiten. Einige Hersteller von beispielsweise Switches und Routern haben Lieferzeiten von über einem Jahr angegeben. Normalerweise planen wir von der Bestellung bis zur Lieferung drei Monate ein. Das ist schon großzügig gerechnet, denn in der Regel dauert es vier bis sechs Wochen, bis die Hardware da ist. Bei der Bestellung der zentralen Router wurde uns eine Lieferzeit von mehreren hundert Tagen angegeben. Das haben wir noch nie vorher so erlebt. Wir mussten deshalb teilweise doppelt planen. Es gibt momentan eine provisorische Lösung, die gebaut wird. Auch für unseren Kunden bedeutet das doppelten Aufwand. In das neue Gebäude kommt jetzt erst einmal Hardware aus einem alten Standort, der abgelöst wird, die mit Containern von Deutschland nach Portugal verschifft wird. Der Plan ist es, irgendwann in diesem Herbst die Hardware, die mühselig über 2.000 Kilometer transportiert wurde, wieder auszubauen und dann die neuen Komponenten einzubauen.
Ist es nicht kritisch, alte Komponenten zu verbauen?
Ja, das ist es. Alte Komponenten bekommen ja irgendwann keine Software-Updates mehr. Und dann erhöht sich die Anfälligkeit für Fehler, Ausfälle und vielleicht auch Angriffe. Für einen Übergang geht das, doch auf Dauer ist das natürlich keine Lösung.
Was ist konkret eure Planungsaufgabe?
In Portugal soll in dem neuen Gebäude ein Repaircenter entstehen. Für eine solche Werkstatt gibt es ganz andere Anforderungen an die Technik als zum Beispiel für eine Büroumgebung. Unsere eigentliche Aufgabe war es, die aktive Infrastruktur zu planen. Für die passive Infrastruktur war ein lokaler Bauplaner zuständig. Hier war es unser Auftrag, seine Vorstellungen zu prüfen und entsprechende Änderungsanforderungen zu stellen. Dabei haben wir uns am Standard unseres Kunden in Deutschland orientiert.
Welche Probleme traten bei der Verkabelungsplanung auf?
Natürlich existieren europäische Normen für Verkabelungen. Dennoch sind Unterschiede vorhanden. Beispielsweise gibt es in Portugal klare Vorgaben, welche Art von Glasfaserkabel verwendet werden muss, um eine staatliche Zertifizierung zu erfüllen. In Deutschland nutzt man entweder Multimode- oder Singlemode-Kabel. In Portugal wird grundsätzlich Singlemode-Kabel verwendet. Vom Kunden in Deutschland gibt es jedoch die Vorgabe, dass Multimode-Kabel verbaut werden. In Portugal müssen Verkabelungen in Industriegebäuden von einer Behörde baulich freigegeben werden. In Deutschland kennen wir das in dieser Form für die IT-Verkabelung nicht. Wir haben also gemeinsam mit dem lokalen Planer überlegt und dabei die Tricks kennengelernt, wie wir vor der portugiesischen Behörde sauber argumentieren können, dass Multimode-Kabel verwendet werden sollen.
Welche besonderen Anforderungen gibt es an das Netzwerk?
WLAN ist für das neue Repaircenter ein wichtiges Thema. Wie man es ja auch in anderen Produktionsunternehmen wie beispielsweise der Automobilindustrie kennt, gibt es verschiedene Geräte im Produktionsbereich, die ausschließlich nur noch eine WLAN-Anbindung haben. Auch gibt es Produktionsgeräte, die mit dem Internet kommunizieren müssen und über die Cloud überwacht werden. Das sehen wir in unseren anderen Projekten extrem selten. In der Regel werden die Geräte in der eigenen Umgebung überwacht und das Produktionsnetzwerk ist eher abgekapselt von der Außenwelt.
ComConsult hat auch Vorgaben für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung aufgestellt.
Ja. Das Thema USV wird von unserem Competence Center Elektro-Infrastrukturen abgedeckt. Daher haben wir die Kollegen aus dem Bereich zur fachlichen Unterstützung hinzugezogen. Denn in diesem Projekt war es auch unsere Aufgabe zu konzipieren, welche unterbrechungsfreie Stromversorgung benötigt wird, damit sichergestellt ist, dass die Geräte selbst bei Stromausfall eine gewisse Zeit weiterversorgt werden. Wir haben die Anforderungen definiert und uns mit dem Hersteller abgestimmt. Im Rahmen der Umsetzung hatten wir hier ebenfalls Lieferschwierigkeiten. Erfreulicherweise war der Hersteller bereit, dem Kunden ein altes Modell vorübergehend kostenfrei zur Verfügung zu stellen.
Wie habt ihr die Planung dokumentiert?
Wir haben eine detaillierte Bestandsaufnahme des momentan noch aktuellen Altbaus durchgeführt und dabei festgehalten, was im Neubau geändert werden sollte. In die Gebäudepläne haben wir unsere Vorstellungen für die IT-Räume eingetragen. Wir haben beispielsweise Angaben darüber gemacht, wo die IT-Schränke und wo die Klimaanlage vom Gebäudeplaner platziert werden dürfen, denn es darf ja kein Wasser von der Klimaanlage in den IT-Schrank tropfen. Das Ganze haben wir dann an den portugiesischen Planer übergeben.
Kamen die Portugiesen mit der Dokumentation gut zurecht?
Dem portugiesischen Generalplaner für die Verkabelungsplanung machten wir beispielsweise klare Vorgaben, wie die rund 3.000 Netzwerkdosen zu beschriften sind, damit sie am Ende an der richtigen Stelle eingebaut werden. Für den Generalplaner war es völlig neu, dass ein Kunde solche Maßnahmen fordert und diese Details vorgibt. Diese genaue Dokumentation und Planung schien für den portugiesischen Planer ungewöhnlich zu sein, sodass wir ihm erst einmal erklären mussten, dass sich unsere Vorgehensweise in vielen Projekten bewährt hat und was die Gründe dafür sind.
Wie wird die Umsetzung durch ComConsult geprüft und begleitet?
Wir begleiten das Projekt wegen der weiten Entfernung und bis vor Kurzem auch wegen Corona hautsächlich online. Es ist von großem Vorteil, wenn ein Unternehmen nicht alles outsourct, sondern intern Mitarbeiter zur Verfügung stehen, die Ahnung haben. Mit unserem Kunden haben wir dieses Glück. In Portugal gibt es einen Mitarbeiter, der sich im Bereich der IT richtig gut auskennt. Mit diesem Mitarbeiter können wir gut zusammenarbeiten, denn er versteht, was wir wollen und kann vor Ort schauen, ob alles richtig läuft.
Wie funktioniert die Kommunikation mit den Portugiesen?
Wir waren für eine Teilbauabnahme vor Ort, doch größtenteils kommunizieren wir online. Die Verständigung ist nicht immer einfach, weil Englisch ja auf beiden Seiten keine Muttersprache ist. Wir hatten das Problem, dass der Verantwortliche auf der Seite des portugiesischen Planers überhaupt kein Englisch sprach. Ein Meeting dauerte dann schon mal doppelt so lang, weil ein Übersetzer eingesetzt werden musste.
Wann findet der Umzug in den Neubau statt?
Das neue Gebäude ist fertig, doch ist es erst grob zur Hälfte mit Möbeln ausgestattet. Da der Neubau größer als das alte Gebäude ist, kann der Umzug in zwei bis drei Wochen stattfinden.