Wo bleibt der Markt für Atemschutzmasken?
Ich habe zwei Aufnahmen gemacht, deren Entstehung ich hier kurz erläutern muss, damit Sie nicht glauben, ich hamstere lebenswichtige Güter: Meine Frau ist Zahnärztin und arbeitet schon immer mit normalen Schutzmasken wie in der Abbildung 1 dargestellt.
Die in der Abbildung 1 gezeigte Maske hat keinen gesonderten Filter. Die diese Maske tragende Person atmet die Luft auch seitlich ein. Feine Aerosole, die Viren enthalten können, finden so den Weg von der Umgebung in die Atemwege. Wenn aber eine infizierte Person diese Maske trägt und dabei niest oder hustet, stoppt die Maske einen Großteil der gefährlichen Flüssigkeit, auf die ein Virus zum Überleben angewiesen ist. Daher ist sie so nah wie möglich an der Infektionsquelle zu platzieren. Kurzum: Die in der Abbildung 1 dargestellte Schutzmaske rettet die anderen.
Abbildung 1: Diese Maske rettet die anderen
In Zahnarztpraxen waren oben abgebildete Masken alltägliches Verbrauchsmaterial, das nach jeder Behandlung entsorgt wurde. Daran ist kein Zahnarzt pleitegegangen, zumindest nicht bevor die Corona-Pandemie kam.
Nun stellen Sie sich vor, alle Menschen würden außerhalb der eigenen Wohnung eine solche Schutzmaske tragen, also auch die Infizierten, dann würden letztgenannte eine signifikant niedrigere Anzahl anderer Personen anstecken. Immerhin.
Eine Maske mit Filter ist in der Abbildung 2 abgebildet und im Moment Gold wert. Die Zahnärzte suchen für sich und ihre Mitarbeiter dringend solche Masken und finden keine.
Die Maske gemäß Abbildung 2 ermöglicht es der tragenden Person, durch den abgebildeten grünen Filter zu atmen. Dieser Filter stoppt auch feinste Aerosole und schützt somit auch den Träger. Wenn Sie in diesen Tagen Bilder von Corona-Stationen der Krankenhäuser rund um die Welt sehen, sollte das medizinische Personal solche Masken tragen. Da sie aber Mangelware sind, trägt das Personal des Krankenhauses an meinem Wohnort zwei oder drei Masken der Sorte, die Sie in der Abbildung 1 sehen, übereinander. Ein erhebliches Risiko für die Personen, von deren Gesundheit und Arbeitsfähigkeit bald das Leben von jedem von uns abhängen kann. Der vielbeschworene Markt hat es nicht geschafft, für die Verfügbarkeit dieser lebenswichtigen Güter zu sorgen. Schauen Sie sich die beiden Masken gut an. Das Smartphone, mit dem ich die beiden Masken fotografiert habe, ist tausendmal so komplex wie die fotografierten Objekte. Das Smartphone ist milliardenfach da, die Masken nicht. Ist es für ein hochindustrialisiertes Land wie Deutschland technisch ein Problem, die beiden hier dargestellten Artikel in großer Zahl herzustellen?
Abbildung 2: Diese Maske rettet auch den Träger
In einigen der Reportagen über temporäre Fabrikschließungen in der Automobilbranche waren die Hallen für Endmontage zu sehen, der personalintensivste Teil eines Automobilwerks. Dort kommt es vor, dass Menschen Schulter an Schulter arbeiten. Es ist verständlich, dass man die Mitarbeiter durch eine solche Arbeit nicht gefährden will. Dieselben Fabriken sind jetzt dafür im Gespräch, wichtige Güter für das Gesundheitswesen zu produzieren. Hier schließt sich der Kreis: Die Masken, die Menschen bei der Arbeit schützen können, sollen nun von genau diesen Menschen hergestellt werden.
Produktionsumstellungen kennt man von anderen Krisenzeiten. In den USA nennt man das „Kriegswirtschaft“. Kein schönes Wort. Für diese lebenswichtige Umstellung sollte man eine bessere Bezeichnung suchen.
Das Gesundheitswesen ist nur ein Beispiel
Dies ist keine medizinische Zeitschrift. Ich bin weder Arzt noch Virologe, sondern wie Sie alle nur am Weiterleben interessiert. Ich habe lediglich anhand der Masken zu zeigen versucht, dass der Markt die Probleme im Gesundheitswesen nicht gelöst hat. Ähnlich sieht es aber auch in anderen Branchen aus.
In einer Branche kenne ich mich aus, nämlich im IT- und speziell im Netz-Bereich. Am 23. März 2020 hat die deutsche Bundesregierung beschlossen, dass jeder, der es selbst bezahlt, ein Recht auf einen Glasfaseranschluss hat. Es wird die alleinerziehende Hartz-IV-Bezieherin, die in diesen Tagen auch noch ihre Kinder zuhause unterrichten muss, freuen, dass sie nur ein paar Meter Tiefbau bezahlen muss, damit ihre Kinder störungsfrei die Online-Betreuung durch die Schule nutzen können.
Das hat mit Corona nichts zu tun: Seit Jahren scheitert der Ausbau des Glasfasernetzes und des schnellen Mobilfunks an den Gesetzen des Marktes. Wir wissen, dass die heute von uns genutzte gute Infrastruktur – Schienen, Straßen und Versorgungsnetze für Wasser, Strom und Gas, ja, auch die bestehenden Telefonkabel – nicht in einem freien Markt entstanden ist. Diese gesamte Infrastruktur wurde hauptsächlich vom Staat aufgebaut. Ohne signifikante Investition des Staates wird auch keine digitale Infrastruktur entstehen, die den Anforderungen der Gegenwart und der Zukunft gerecht wird. Die kommerziellen Provider werden keine flächendeckenden Netze schaffen, sondern nur dorthin gehen, wo die meisten zahlungskräftigen Kunden zu erwarten sind.
Ob die jetzige Pandemie etwas an der Glorifizierung der angeblich magischen Kräfte des Marktes ändern wird, wissen wir nicht. Es bleibt zu hoffen, dass zumindest in diesen Tagen die Notwendigkeit staatlicher Intervention erkannt wird. Es gibt erste Ansätze dafür. Ein Beispiel ist die Errichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) durch die deutsche Bundesregierung. Laut einer Webseite des Bundes ist es das Ziel des WSF, „Liquidität und Solvabilität von Unternehmen zu gewährleisten, die vor der Corona-Pandemie gesund und wettbewerbsfähig waren“. Prima, habe ich gedacht, davon können wir als bisher gesundes und wettbewerbsfähiges Unternehmen profitieren. Dann habe ich aber weitergelesen:
„Adressiert werden Wirtschaftsunternehmen, die mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen:
1) eine Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro
2) mehr als 50 Millionen Euro Umsatzerlöse sowie
3) mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt“.
Die weitaus meisten Unternehmen in Deutschland erfüllen diese Bedingungen nicht. Und die meisten Arbeitsplätze gibt es in Unternehmen, die die oben genannten Merkmale nicht aufweisen. Es muss also andere Mechanismen geben, mit denen man die Lebensfähigkeit der deutschen Wirtschaft und Millionen Arbeitsplätze sichern will. Wir wollen hoffen, dass dies kein frommer Wunsch bleibt.
Die IT-Branche darf nicht stillstehen!
Gerade die IT-Branche darf nicht stillstehen. Vieles in der IT lässt sich remote und ohne physische Nähe von Menschen zueinander leisten. Wir haben bei ComConsult zahlreiche Projekte, die auch in Pandemiezeiten weitergehen. Die IT kann sich selbst helfen, wie sie auch anderen Branchen hilft. Ohne Vernetzung und Collaboration Tools könnten wir die jetzigen lebenswichtigen Kontaktbeschränkungen gar nicht durchstehen. Wir können froh sein, dass uns die seit den 1990er Jahren sukzessive aufgebauten Netze und die im gerade zu Ende gehenden Jahrzehnt verfügbar gewordenen Kommunikationslösungen zum Nutzen gereichen Aber diese Werkzeuge müssen weiter betrieben und entwickelt werden. Der Bedarf an Netzkapazität wird wachsen. Investitionen in die IT-Infrastruktur sind erforderlich.
Dem Staat und den vom Staat direkt unterstützten Unternehmen kommt die Aufgabe zu, solche Investitionen zu tätigen. Der weitere Bestand vieler mittelständischer Firmen ist davon abhängig. Ja, ich denke dabei auch an die Arbeitsplätze bei uns und bei vielen der uns bekannten kleinen bis mittleren IT-Unternehmen, von der die ganze IT-Branche geprägt ist. Wenn die vielen kleinen bis mittleren IT-Unternehmen ihrem Schicksal überlassen werden, wenn überall „Auftragsstopp“ verkündet wird, ist bald kaum jemand da, der eine kritische Infrastruktur aufrechterhält und an die neuen Anforderungen anpasst.
Und ja, ich denke auch an den Bereich der IT-Weiterbildung. Das IT-Personal wird für die gesamte Gesellschaft gebraucht. In die Fort- und Weiterbildung dieses Personals muss weiter investiert werden. Sie haben sicher Verständnis für dieses Plädoyer in eigener Sache.