DER NETZWERK INSIDER –
Ausgabe Mai 2024
Twisted Pair: Planung so einfach wie nie?
von Hartmut Kell
Die meisten modernen wie aber auch älteren Tertiärverkabelungen haben eine Leistungsfähigkeit, welche die Anforderungen der auf diesen Strecken eingesetzten Endgeräten bei weitem erfüllen. Ein Bedarf nach wesentlichen Verbesserungen für diesen Teil der anwendungsneutralen Kommunikationsverkabelung oder auch Änderungen der Konzepte oder Planungen ist derzeit nicht notwendig. Jede neue Gebäudeverkabelung, die eine Klasse-EA-Qualität sicherstellt, liefert am Arbeitsplatz „Rechenzentrumsqualität“ und sollte somit mehr als ausreichend sein. Insbesondere die in Deutschland meist vorzufindende Kombination von Kategorie-7/7A-Installationskabel und Kategorie-6A-Anschlusstechnik stellt eine Möglichkeit dar, ein einfaches „Upgrade“ der Verkabelung auf Klasse F/FA durchzuführen, ohne dass man von einer kompletten Neuverkabelung ausgehen muss. Jedem ist klar, dass heute dieses Upgrade nichts bringt, denn es gibt aktuell keine Anwendung oder kein Übertragungsverfahren, welches eine solche Verkabelungsqualität erforderlich machen würde.
Videoüberwachung – Datenschutz & Datenintegrität
von Marcus Steinhorn
In Zeiten, in der technologische Fortschritte unaufhörlich unsere Gesellschaft prägen, steht auch die Videoüberwachung immer wieder im Zentrum komplexer Debatten um Privatsphäre, Sicherheit und Ethik. Während diese Technologien das Potenzial bieten, unsere öffentlichen und privaten Räume sicherer zu gestalten, werfen sie gleichzeitig bedeutende Fragen hinsichtlich des Datenschutzes und der Datenintegrität auf. Diese Fragen gewinnen insbesondere vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung von Deep-Fake-Technologien an Brisanz. Deep Fakes, also durch Künstliche Intelligenz erzeugte manipulierte Videos, die kaum von der Realität zu unterscheiden sind, stellen eine völlig neue Herausforderung für die Authentizität und Verlässlichkeit von Videomaterial dar.
VMware: Ende einer Ära?
von Dr. Behrooz Moayeri
In der Aprilausgabe des Netzwerk Insider habe ich darauf hingewiesen, dass Hersteller und ihre Kunden unterschiedliche Interessen haben. An keinem anderen Beispiel wird dies zurzeit so deutlich wie im Falle von VMware. Seit der Übernahme des führenden Herstellers von Virtualisierungslösungen durch Broadcom gibt es viel Unruhe unter den VMware-Kunden. Mit der auf den Abschluss der Firmenübernahme folgenden Ankündigung der neuen Lizenzpolitik von VMware wissen die meisten VMware-Kunden, dass sie in Zukunft wesentlich mehr für VMware-Lizenzen bezahlen müssen als bisher. Dies ist vor allem auf das Modell des Software-Abonnements (Subscription) zurückzuführen.
Hintertür in „liblzma“: Ein Supply-Chain-Angriff über eine Open-Source-Bibliothek
von Dr. Markus Ermes
Pünktlich zum Osterwochenende wurde eine Sicherheitslücke in einer quelloffenen Kompressionsbibliothek entdeckt, die in vielen Projekten zum Einsatz kommt. Dabei sind zwei Aspekte besonders interessant:
- Diese Bibliothek wird über Umwege in einigen SSH-Servern bei verschiedenen Linux-Distributionen eingesetzt, und
- diese Sicherheitslücke ist vorsätzlich eingebaut worden. Es handelt sich also eigentlich um eine Hintertür!
35 Jahre Informationstechnologie – ein Rückblick
mit Dr. Behrooz Moayeri sprach Christiane Zweipfennig
Ein Leben ohne Internet, Handy oder Computer? Das ist für die meisten Menschen heute nicht mehr vorstellbar! Während in den 1980er Jahren viele Geräte aus „Zurück in die Zukunft“ noch als utopische Visionen galten, sind sie heute längst real. Diese Entwicklung sagt alles über den unfassbaren technologischen Fortschritt der vergangenen vier Jahrzehnte aus.
VMware: Ende einer Ära?
In der Aprilausgabe des Netzwerk Insider habe ich darauf hingewiesen, dass Hersteller und ihre Kunden unterschiedliche Interessen haben. An keinem anderen Beispiel wird dies zurzeit so deutlich wie im Falle von VMware. Seit der Übernahme des führenden Herstellers von Virtualisierungslösungen durch Broadcom gibt es viel Unruhe unter den VMware-Kunden. Mit der auf den Abschluss der Firmenübernahme folgenden Ankündigung der neuen Lizenzpolitik von VMware wissen die meisten VMware-Kunden, dass sie in Zukunft wesentlich mehr für VMware-Lizenzen bezahlen müssen als bisher. Dies ist vor allem auf das Modell des Software-Abonnements (Subscription) zurückzuführen.
Fast jede Organisation ist betroffen
Nach Microsoft ist VMware der einzige Hersteller, dessen Produkte in der IT-Umgebung fast jeder Organisation genutzt werden. Die Marke VMware steht seit über 20 Jahren für Virtualisierung. Wie Virtualisierung die IT verändert hat, muss hier nicht ausgeführt werden. Ohne Virtualisierung gäbe es kein Cloud Computing, was nicht heißt, dass große Cloud-Anbieter VMware-Lösungen für die Virtualisierung nutzen. VMware-Kunden sind vor allem Organisationen, die in eigenen Rechenzentren Server für eigene Zwecke betreiben. Lange bevor es die großen Clouds gab, hat VMware mit ESX und vSphere die Lösung für Server-Virtualisierung angeboten, die jeder Kunde kaufen und betreiben konnte. Kurz bevor VMware große Verbreitung fand, war der Aufbau eines eigenen Rechenzentrums eine große Materialschlacht. Mir ist das Beispiel einer Bank gut in Erinnerung geblieben, die um die Jahrtausendwende ca. 2.000 Mitarbeiter und fast genau so viele physische Server hatte.
Die Virtualisierung hat für die Betreiber von Rechenzentren den Aufbau von Serverfarmen wesentlich vereinfacht. Vor Jahrzehnten war es üblich, auf einem großen Server verschiedene Applikationen nebeneinander zu betreiben. Jede Applikation war somit von der einen Betriebssysteminstanz abhängig. Virtuelle Server schufen die Möglichkeit, eine Betriebssysteminstanz pro Applikation vorzusehen. Damit wurden die Abhängigkeiten zwischen Anwendungen minimiert und der Applikationsbetrieb wesentlich vereinfacht.
VMware war und ist nicht der einzige Lösungsanbieter für Virtualisierung, für die Betreiber privater Serverfarmen jedoch der größte. Viele Anbieter von Systemen und Applikationen haben auf die große Verbreitung von ESX und vSphere damit reagiert, dass sie ihre Lösungen auf Basis dieser VMware-Produkte angeboten haben.
VMware als führender Hersteller
Nicht nur hinsichtlich des Verbreitungsgrades blieben in den letzten zwei Jahrzehnten ESX und vSphere im Vergleich zu kommerziellen Alternativen wie Microsoft Hyper-V und offenen Lösungen wie KVM führend. Auch der Funktionsumfang der VMware-Virtualisierung war für viele RZ-Betreiber ein Grund, an VMware festzuhalten. Bei einer Reihe von wichtigen Funktionen im Zusammenhang mit der Server-Virtualisierung war VMware Vorreiter, so zum Beispiel bei Hochverfügbarkeit oder Verlagerung virtueller Maschinen, wofür der Name VMotion steht.
Der technologische Vorsprung von VMware beschränkte sich nicht nur auf Server-Virtualisierung. VMware ist sehr früh in den Markt für Netzvirtualisierung eingestiegen. Der Hype um Software Defined Networks (SDN) war noch recht neu, als in 2012 die Firma Nicira von VMware übernommen wurde. Aus dieser Akquisition erwuchs VMware NSX, bis heute die umfassendste Lösung für Network Function Virtualization (NFV), mit Funktionen wie Distributed Firewall bzw. Mikrosegmentierung, Routing, Lastverteilung etc.
Noch älter als das VMware-Engagement im Netzbereich ist die Client-Virtualisierung, die in der VMware-Geschichte sogar vor der Server-Virtualisierung kam. Aus der Client-Virtualisierung entwickelte sich die Virtual Desktop Infrastructure (VDI), d.h. Client-Virtualisierung auf Basis einer Serverfarm. VMware ist in diesem Bereich zwar nicht der Marktführer, hat aber jahrelang neben dem Marktführer Citrix bestanden.
Zu erwähnen ist auch VMware vSAN als eine sehr verbreitete Lösung für virtualisierten Speicher.
Was den neuen Eigentümer von VMware bewegt
Seit dem Schock der neuen Lizenzmodelle von VMware stellt sich die Frage, warum der neue Eigentümer Broadcom so viele Kunde massiv verärgert. Aus meiner Sicht kann das Kalkül nur sein, dass die Mehreinnahmen durch höhere Preise die Mindereinnahmen durch weniger Kunden überwiegen werden. Die Ablösung einer so wichtigen Kernlösung im RZ fällt vielen VMware-Kunden so schwer, dass sie zähneknirschend einfach mehr bezahlen werden, statt die Risiken und Unwägbarkeiten eines Technologiewechsels einzugehen. Wo soll auch das Personal herkommen, das ein Projekt wie die Substitution eines Herzstücks der IT-Umgebung stemmen soll? Und wer kann sicher sein, dass die Umstellungsrisiken nicht größer sein werden als die Lizenzeinsparungen durch den Wechsel zu einer preiswerteren kommerziellen oder gar zu einer Open-Source-Lösung?
Die Erpressbarkeit der Kunden wird daher für viele von ihnen nichts anderes übrig lassen als die teuren neuen Lizenzen zu bezahlen. Broadcom hat für VMware fast 70 Milliarden Dollar gezahlt. Angesichts des VMware-Jahresumsatzes von ca. 13 Milliarden Dollar muss Broadcom auf Biegen und Brechen das Preisgeld wieder eintreiben. Das erklärt die Rigorosität des Vorgehens.
Kurzfristige Profite stechen langfristige Kundenbindungen aus
Ich wage keine Prognose, ob sich am Ende die Übernahme von VMware für Broadcom monetär gelohnt haben wird. Ehrlich gesagt interessiert mich das auch nicht. Was ich weiß ist, dass wir wieder einmal sehen, wie kurzfristige Profite langfristige Kundenbindungen ausstechen. Anders formuliert: VMware hat aus der Sicht des neuen Eigentümers lange genug auf langfristige Kundenbindung gesetzt. Jetzt ist der Zahltag angebrochen, an dem sich für den Hersteller die jahrelange Bindung so vieler Kunden in Dollar und Cent auszahlen muss.
Eins ist klar: Auch wenn die Bestandskunden genötigt werden, mehr Geld zu bezahlen, werden sich Neukunden angesichts des Preisschocks gründlich Gedanken machen, bevor sie auf VMware-Produkte setzen. Es ist nicht so, dass VMware-Produkte alternativlos wären.
Was tun?
In keinem Bereich hat VMware derartige Alleinstellungsmerkmale, die andere Lösungen inakzeptabel erscheinen lassen. Insofern ist zu empfehlen, bei der Auswahl einer Virtualisierungslösung nunmehr verstärkt die Wirtschaftlichkeit zu betrachten. Jeder Hersteller muss sich dabei dem Wettbewerb stellen. Die berühmte Gesamtkostenrechnung ist anzuwenden. Die entscheidende Komponente der Gesamtkosten sind die Lizenzen. Niemand kann nachvollziehbar begründen, dass die Mehrausgaben für Lizenzen langfristig andere Kosten zum Beispiel für Personal reduzieren. Ich kenne auch keine seriöse Rechnung, aus der hervorgeht, dass sich die Entscheidung für die teuersten Virtualisierungslizenzen durch höhere Verfügbarkeit auszahlt. Daher steht und fällt der Wirtschaftlichkeitsvergleich mit den Lizenzkosten, berechnet über die projektierte Betriebszeit.
Einen Fehler darf man auf keinen Fall wiederholen: die Vernachlässigung der Exit-Strategie. Wie auch immer der Ersatz für die zu teuer gewordenen Produkte heißen mag, muss klar sein, welche Vorkehrungen einen künftigen erneuten Technologiewechsel ermöglichen, notfalls unter Verzicht auf die eine oder andere Funktionalität.