Der Strukturwandel, immer größere Rechenzentren und hohe Standortanforderungen
08.01.2025 / https://www.comconsult.com/dr-johannes-dams/
aus dem Netzwerk Insider Januar 2025
Nicht weit vom Standort der ComConsult in Aachen entfernt im Rheinischen Braunkohle-Revier findet ein Strukturwandel statt, wie es ihn in der Vergangenheit selten gegeben hat. Die Stilllegung der Braunkohle-Tagebaue und die Abschaltung der Braunkohlekraftwerke stellen eine besondere Herausforderung für Politik und Wirtschaft dar. Hierbei hat die NRW-Landesregierung die Umsetzung der fortschreitenden Digitalisierung zu einem der Eckpfeiler dieses Umbaus gemacht. Tatsächlich haben die aktuelle Debatte um KI und der damit verbundene Bedarf an Rechenzentrumskapazität diesen Strukturwandel und die Planung von Rechenzentrumsflächen zusätzlich befeuert. Die Dateninfrastruktur wird damit Grundlage des Strukturwandels.
Dies bietet uns als Planer und Berater die Gelegenheit, weiterführende Einblicke in RZ-Dimensionen zu gewinnen, die wir bei unseren üblichen Kunden eher selten erhalten. Die verschiedenen Projekte überbieten sich hierbei hinsichtlich Projektgröße und Umfang – beginnend mit der Ansiedlung von Microsoft als Hyperscaler, die durch die Presse ging (Pressemitteilung der Stadt Bedburg, https://www.bedburg.de/Aktuelles/Doppelpack-fuer-die-Region-Weltkonzern-Microsoft-kommt-nach-Bedburg-und-Bergheim.html). In der Tat stehen wir als ComConsult in einem ähnlichen Projekt einem Kunden mit einer Grobkonzeption bzgl. der Netzwerkinfrastruktur zur Seite.

Abbildung 1: So tief muss natürlich keine Baugrube für ein RZ sein – ©Behrooz Moayeri
Die Standort-Werbung durch das Land NRW und die Ansiedlung von Microsoft haben den Bedarf an entsprechenden Flächen in der Region weiter erhöht. Um Anforderungen und Bedarfe klar zu definieren, wurde dabei vonseiten des Landes mit verschiedenen Partnern eine Machbarkeitsstudie für solche Digitalpark- und RZ-Flächen erstellt (Studie des Landers NRW, https://www.wirtschaft.nrw/pressemitteilung/dateninfrastruktur-rheinisches-revier). Hieraus lassen sich einige spannende Anforderungen ablesen, die aufzeigen, welche Aspekte im Bereich der Hyperscaler-Planung und vielleicht auch der Planung von IT-Standorten im Allgemeinen zu berücksichtigen sind. Konkret befasst sich die Studie mit Standorten für Hyperscaler-Rechenzentren, Datendrehkreuze und Digitalparks – also neben den RZ-Standorten auch um die Ansiedlung von Internetknoten und Gewerbeparks mit dem Fokus auf innovative IT-Unternehmen. Es werden die Potenziale der Region im Bereich der digitalen Infrastruktur und Datennutzung als Drehkreuz für den Austausch, die Speicherung und die Nutzung großer Datenmengen in Augenschein genommen. Im Detail werden dabei für die Kategorien Rechenzentrum und Digitalpark die Anforderungen für einen solchen Standort definiert:
- Räumliche Verortung
- Digitale Ökosysteme datenzentrischer Nutzung
- Zuverlässige Stromversorgung
- Redundante Glasfasertrassen
- Datendrehkreuz
Oder anders ausgedrückt:
- Geografische und verkehrstechnische Lage der Standorte
- Geschäftsumfeld und Vorhandensein von Nutzern, Mitarbeitern und Gewerbe
- Bedarf innerhalb der Region hinsichtlich entsprechender Ansiedlungsflächen
- Verfügbarkeit der benötigten elektrischen Leistung (Stromversorgungssicherheit)
- Anbindung an und Nähe zu bestehenden Datentrassen (z. B. zur Glasfaser-Anbindung)
- Weitere Parameter, die eher übergreifend politisch zu betrachten sind (z. B. Wirtschaftsfaktoren etc.)
Abbildung 2: Wird das RZ an der Abbaukante rutschfest sein? – ©Behrooz Moayeri
Es werden tatsächlich teilweise sehr technische Themen erörtert. So wird festgelegt, dass Digitalpark und Rechenzentren eine Erreichbarkeit mit einer Latenz von unter 2 ms aufweisen müssen. Hinsichtlich der Anbindung an Datentrassen identifiziert die Studie die in der Region verlaufenden Backbone-Verbindungen von Paris nach Stockholm und von Amsterdam nach Frankfurt als wichtigen Vorteil. Diese Verbindungen erleichtern eine performante Anbindung an wichtige Drehkreuze, Rechenzentren und Unterseekabel. Die Anbindung an Provider und insbesondere an relevante Internetknoten spielen also eine besonders herausragende Rolle. Für viele Anwendungsfälle ist hier eine redundante Anbindung gefordert, die wegeredundant über verschiedene Provider erfolgen muss. Die Anbindung an Datentrassen spielt in fast jedem RZ-Projekt eine Rolle, wird aber meist dadurch sichergestellt, dass Internet- und WAN-Provider eine Anbindung etablieren. Bei besonderen Anforderungen ist dies ein Punkt, der im Detail betrachtet werden muss. Am Ende kann eine geschickte Standortwahl die Kosten für eine bauliche Anbindung zwar reduzieren, in vielen Projekten ist dies dann dennoch nachrangig. Deutlich relevanter sind dabei Forderungen nach Wegeredundanz der Anbindung sowie nach einer Mehrprovider-Strategie. Ebenfalls spannend ist die Analyse der Flächen und weiterer Bedarfe. So identifiziert die Studie eine Reihe von Standorten, bewertet sie und betrachtet ebenso die volkswirtschaftlichen Auswirkungen auf die umliegenden Gemeinden.
Bei der Wahl eines IT-Standorts kann diese Vorgehensweise auch für Rechenzentren üblicherer Größenordnung als Orientierung dienen. Allerdings ist man hier meist auf bereits bestehende Firmenflächen angewiesen. Im Gegenzug lassen sich die Anforderungen in der Regel besser überblicken. Insbesondere für die Hyperscaler-Rechenzentren spielt der zukünftige Strombedarf eine zentrale Rolle. Wer sich mit KI und Co. befasst wird sicherlich schon über den enormen Strombedarf gestolpert sein, der für diese Rechenzentren benötigt wird. Für 20 ha Baugrund kann hier bereits ein Bedarf von 600 MW überschritten werden. Das in der Studie dargelegte Minimum liegt bei 100 MW für einen Hyperscaler-Rechenzentrumsstandort. Das bedeutet auch, dass entsprechende Stromtrassen verfügbar sein müssen und eine entsprechende Versorgung überhaupt umsetzbar ist. Ebenso muss die entstehende Abwärme abgeführt oder idealerweise produktiv genutzt werden. All dies sind Faktoren, die eine Standort-Wahl beeinflussen. Die im Rheinischen Revier bestehenden Stromtrassen und die damit verbundene Versorgungssicherheit werden deutlich betont. Auch in Bezug auf die Stromversorgung werden zukünftige Unternehmens-RZs möglicherweise einen erhöhten Bedarf sehen. Dies gilt vor allem dann, wenn KI-Anwendungen aus strategischen Gründen „on-premises“ betrieben werden sollen. Für die meisten Anwendungsfälle bleiben die Anforderungen jedoch geringer. Nachhaltigkeits- und Umweltaspekte sind ebenfalls zu berücksichtigen. Dazu gehören demnach der Energieverbrauch, die Nutzung erneuerbarer Energien, die Effizienzsteigerung durch innovative Kühlungstechniken oder die Nutzung von Abwärme für Fernwärmenetze. Das gilt vor allem bei diesen Größenordnungen. Tatsächlich plant man in der Regel, die Abwärme zu nutzen. In der Nähe der früheren Braunkohlekraftwerke gibt es zum Teil Infrastruktur, um die Abwärme für Wohngebiete der Umgebung als Fern-/Nah-Wärmeversorgung zu nutzen. Doch dies ist bei derartigen Größenordnungen, wie ein Hyperscaler-Rechenzentrum sie bietet, in einer ländlich geprägten Umgebung natürlich nur deutlich eingeschränkt möglich.

Abbildung 3: In einigen Jahren werden wesentlich kleinere Baukräne die Landschaft prägen, nicht mehr die riesigen Tagebaubagger – ©Behrooz Moayeri
Abhängig von Bedarf und Kunde sind weitere Aspekte relevant. Diese reichen von Anforderungen an Erdbebensicherheit, Hochwassergefahren, Abstand zu weiteren Standorten, geografische Redundanz etc. Rechenzentren dieser Größenordnung und die umliegenden Ansiedlungen erfordern stets eine Betrachtung sozialer und wirtschaftlicher Auswirkungen. Auch wenn ein Rechenzentrum selbst nur geringe Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsituation hat, muss die wirtschaftliche Umgebung von Zulieferern, Baufirmen etc. dennoch verfügbar und nutzbar sein. Entsprechende Auswirkungen sind zu bedenken und wurden für die Region betrachtet. In unserem aktuellen Projekt besteht unsere Aufgabe darin, an einem bestimmten Standort grundlegende technische Festlegungen zu treffen, die die Anforderungen der Vorstudie erfüllen, sowie bauliche Infrastrukturvorgaben zu definieren. So sollte vor der weiteren Konzeption ein Umfeld geschaffen werden, das die Anbindung und die Netzwerkinfrastruktur auf dem RZ-Gelände und den umliegenden Gewerbeflächen festlegt, ohne späteren Projektbeteiligten einen zu engen Rahmen vorzugeben. Das Projekt umfasste einen Digitalpark mit Gewerbeflächen, Co-Location-Rechenzentren, Rechenzentrumsflächen für bereits benannte Nutzer und eine Fläche für die Ansiedlung eines Hyperscalers. Daher fanden Abstimmungen mit späteren Mietern der RZ-Flächen und weiteren Planern statt. Die Anbindung an Internetprovider und das Interesse von Glasfaser-Betreibern der in der Nähe verlaufenden Trassen wurde erfragt und abgestimmt. Unser Fokus lag darüber hinaus darauf, wie die Anbindung verschiedener Gebäude und Flächen auf dem Gelände an die Außenanbindungen stattfinden kann und wie das Netzwerk innerhalb der Gebäude ausgebaut sein soll. Diese Vorgaben stellten dann ein entsprechendes Grobkonzept dar.
Fazit
Natürlich stellen die meisten unserer Kunden an ihre Rechenzentrumsflächen nicht annähernd die Anforderungen, die ein Hyperscaler an seine Infrastruktur stellt. Die Anforderungen im Umfeld eines Digitalparks kommen den typischen Kundenanforderungen schon deutlich näher. Letztlich lassen sich aus der gesamten Standort-Analyse jedoch einige Aspekte herausgreifen, die auch im kleineren Maßstab berücksichtigt werden können. So sind die technischen Anforderungen in diesem Projekt besonders hoch. Doch für eine Grobbetrachtung sind vor allem die Umgebung und der Gesamtkontext des Rechenzentrumsprojekts zu betrachten. Ab einer bestimmten Größe werden die verfügbare (oder baulich erstellbare) Infrastruktur zur Versorgung und die Nutzung der Abwärme zunehmend wichtig. Neben der Versorgung mit Datenanbindungen spielen auch die Stromversorgung und die Abwärmenutzung eine Rolle. Im konkreten Projekt hat sich gezeigt, dass die Ansiedlung weiterer Gewerbe und Rechenzentren (insbesondere als Colocation-Standorte) die Umsetzung erst attraktiv macht und die Infrastruktur-Investitionen lohnenswert sind.

Abbildung 4: Links geht es zur vertriebenen natürlichen Intelligenz, rechts zur späteren künstlichen – ©Behrooz Moayeri
Wer zukünftig Anwendungen, wie z. B. KI-Systeme, in eigenen Rechenzentren betreiben will und daher zusätzlich zu einigen Anforderungen eines Digitalparks auch die Anforderungen eines Hyperscalers erfüllen muss, wird um eine ähnliche Analyse wie die des Landes NRW nicht herumkommen. Der Umfang und das Ausmaß werden für die meisten Projekte sicherlich übersichtlicher ausfallen. Dennoch lässt sich aus derart komplexen Projekten einiges lernen. Mittlere und kleinere Unternehmen können von derartigen Betrachtungen und den entsprechenden Erkenntnissen profitieren. Die oben beschriebenen Punkte können unterschiedliche Relevanz aufweisen. Jedoch sollte man sich bei der Wahl des eigenen RZ-Standorts zumindest die folgenden Punkte herausgreifen: Standortwahl und Anbindung
- Anbindung an Datentrassen und Internet kommt auch mittelständischen Unternehmen zugute, wenn bei zukünftig erhöhtem Bedarf direktere Anbindungen an Internetknoten erforderlich sind. Auch wenn in vielen Fällen eine typische Internetanbindung ausreicht, sollte man den Bedarf dennoch prüfen und erfassen.
- Die Nähe zu Kunden und Geschäftspartnern und ebenso die Nähe zu Ballungsräumen und Mitarbeitern etc. können eine Rolle spielen.
Stromversorgung und Energieeffizienz
- Zuverlässige Stromversorgung und ausreichende Anbindung sind heutzutage an Unternehmensstandorten meist gegeben. Sobald der Strombedarf aufgrund der zunehmenden Rechenleistung steigt, kann hier im Extremfall besonderer Planungsbedarf für die Elektroinfrastruktur auf dem Gelände bzw. im Gebäude bestehen. Häufig ist die Betrachtung von Notstrom und USV allerdings ausreichend.
- Eine Strategie zu Energieeffizienz des RZs hinsichtlich der Hardwareausstattung sollte verfolgt werden. Bei größeren Rechenzentren spielt dies zunehmend eine Rolle.
Skalierbarkeit und Flexibilität
- Durch modulare Bauweise kann eine spätere Erweiterung und die notwendige Flexibilität ermöglicht werden.
- Auch die Notwendigkeit der Cloud-Anbindung und -Integration sollte berücksichtigt werden, da die Kommunikation nach außen ebenfalls in der Lage sein muss, zukünftig mitzuwachsen.
Sicherheitsanforderungen
- IT-Sicherheit, Datenschutz, Ausfallsicherheit und Redundanz der Anbindungen sowie der Infrastruktur sind ohnehin für jeden RZ-Betreiber zentrale Planungsaspekte, welche dringend berücksichtigt werden müssen.
Nachhaltigkeit und Kostenoptimierung
- Senkung von Betriebskosten, Nutzung von Abwärme, effiziente Kühlungssysteme und der Einsatz erneuerbarer Energien gelten mittlerweile ebenfalls als übliche Rahmenparameter eines RZ-Baus.
Projekte wie das hier erwähnte Hyperscaler-RZ werden einerseits die Anforderungen vieler Kunden-Rechenzentren übertreffen und damit Bedarfe berücksichtigen, die in den meisten RZ-Projekten keine Rolle spielen. Andererseits werden in einer solchen Grobkonzeption sicherlich auch einige Aspekte, die für einen individuellen Kunden relevant sind, unbeachtet bleiben – etwa die Berücksichtigung bestehender Standorte. Eine genaue Analyse der Anforderungen, sowohl baulicher Natur als auch die der IT, ist für die Planung des Rechenzentrums ausschlaggebend. Ein Blick in derartige Rechenzentrumsprojekte kann helfen, Anforderungen zu definieren und technische Rahmenbedingungen festzulegen. Gerne unterstützen wir Sie bei Ihrem nächsten Rechenzentrumsprojekt.