aus dem Netzwerk Insider Juli 2023
An ihr kommt bei der Einrichtung von Netzwerken niemand vorbei: die Steckdosenleiste. Denn ohne sie lassen sich die aktiven Netzwerk-Komponenten in den Verteiler- oder Serverschränken nicht in Betrieb nehmen. Diese technische Einheit ist eine der wenigen Elemente der Stromarchitektur, auf welche der IT-ler bei der Planung und insbesondere bei der Auswahl Einfluss nehmen kann. Bei der Planung von elektrischen Unterverteilern, Dieselgeneratoren oder auch USV-Anlagen beschränkt sich die Mitwirkung auf die Festlegung von wenigen Größen wie z.B. Dauer der Unterbrechungsfreiheit oder Gesamtleistung. Doch die Auswahl der Steckdosenleiste gehört zur Grundplanung des Racks und sollte in den Händen des Nutzers, also des IT-lers, liegen.
Leider ist es nicht nur damit getan vorzugeben, wie viele Steckdosenleisten (Power Distribution Unit – PDU) oder wie viele Steckplätze (Schuko, C13 etc.) benötigt werden. Steckdosenleisten können mehr bieten als nur „einen 230-Volt-Anschluss“ und bei falscher Planung können sie auch erhebliche Schäden z. B. infolge stromloser elektronischer Komponenten verursachen.
Deshalb ist es lohnenswert, sich die wichtigsten bei der Planung und Auswahl von Steckdosenleisten zu berücksichtigenden Aspekte anzuschauen – insbesondere, wenn es um ihren Einsatz in Racks von Serverräumen geht. Der nachfolgende Artikel soll dies näher beleuchten.
Ausgangssituation traditionell
Die Stromversorgung in den meisten schon etwas länger genutzten Netzwerk-Racks zeichnet sich durch folgende klassische Merkmale aus:
Die PDUs wurden in der Regel im rückwärtigen Bereich des Racks montiert, da sich die Anschlüsse der Netzteile der aktiven Komponenten ebenfalls hinten befinden. Selten sieht man 19“-Steckdosenleisten, die zur Versorgung von Netzwerk-Komponenten benutzt werden. Diese werden eher als Service-Steckdosenleisten verwendet, um z. B. ein Messgerät o.Ä. anzuschließen. Bei höheren Verfügbarkeitsanforderungen werden 2 PDUs vorgesehen, die in der Regel von verschiedenen Stromquellen bzw. Stromkreisen versorgt werden.
Dominierten bis vor ein paar Jahren noch Schukoanschlüsse, so haben sich in der jüngeren Vergangenheit die IT-ler mit Forderungen nach passenden Anschlüssen mehr und mehr durchsetzen können. Hier beginnt jedoch schon das erste Problem: Wer die Wahl hat, hat die Qual! Was sind denn überhaupt die passenden Anschlüsse?
Der Schuko ist weiterhin beliebt, so bietet er doch einen relativ sicheren Halt und kann nur schwierig versehentlich gelöst werden, dafür benötigt er allerdings sehr viel Platz. Eine höhere Dichte an Anschlüssen lässt sich mit den Typen C13 und C19 realisieren.
C13: Bei diesem Anschluss sind die Kontakte geschützt und er kann bei Stromstärken bis 10 A genutzt werden. In den C13 wird der C14 mit ungeschützten Kontakten gesteckt. (siehe Abbildung 1)
C19: Bei diesem Anschluss sind die Kontakte geschützt, und er kann bei Stromstärken bis 16 A genutzt werden. In den C19 wird der C20 mit ungeschützten Kontakten gesteckt. (siehe Abbildung 2)
Beide haben den Nachteil, dass sie per se nicht verriegelt sind und der Stecker sehr leicht herausrutschen kann. Deshalb wird grundsätzlich empfohlen, Steckdosenleisten mit der Möglichkeit zur Verriegelung vorzusehen und diese dann auch – daran scheitert es letztendlich doch meistens im Betrieb – zu verriegeln. (siehe Abbildung 3)
Natürlich ist bei der Planung der PDU schwer vorherzusehen, welche der Steckermöglichkeiten im Rahmen der Besiedelung benötigt wird – gerade in Server-Racks ist die Vielfalt der Stromkabel an den Geräten sehr groß. Um dieses Problem zu vermeiden, bieten viele PDU-Hersteller modular aufgebaute PDUs, die bedarfsorientiert mit den Anschlüssen ausgestattet werden können. (siehe Abbildung 4)
Dazu noch ein Tipp aus der Erfahrung von RZ-Umzügen: Bei der Erfassung der umzuziehenden Komponenten sollten unbedingt die zum Gerät gehörenden Stromkabel mit den Anschlüssen erfasst werden, um am Zielort beurteilen zu können, ob eine ausreichende Anzahl von passenden Stromanschlüssen vorhanden ist. Immer wieder kommt es vor, dass man in der zeitkritischen Phase der Inbetriebnahme feststellt, dass gar kein freier bzw. passender Stromanschluss mehr vorhanden ist.
Über einen anderen Punkt machen sich viele IT-ler gerade bei der Belegung der PDUs während der Inbetriebnahme keine Gedanken, und zwar auf welche von beiden Steckdosenleisten das Gerät aufgeschaltet werden soll. Es ist üblich, sich irgendeinen freien Port zu nehmen und das Gerät daran anzuschließen oder sogar erst mal die eine Leiste komplett zu belegen und dann die nächste. Dies kann dazu führen, dass beide – vom Grundprinzip her zueinander redundante Leisten – unsymmetrisch belegt sind. Ein Problem kann durch Server- oder Netzwerk-Komponenten entstehen, die mit zwei zueinander redundanten Netzteilen ausgestattet sind und bei dem eines der beiden Netzteile im Standby mitläuft. Man stelle sich vor, dass die Steckdosenleiste, auf der die primären Netzteile angeschlossen sind, ausfällt und die redundanten Netzteile auf der anderen Leiste die Stromversorgung übernehmen, diese Leiste jedoch bereits durch eine „versehentliche“ unsymmetrische Beschaltung auf Volllast läuft und dann die „neuen“ Netzteile gar nicht mehr übernehmen kann. Das macht deutlich, dass es schon ein „Belegungsmanagement“ geben und die Stromauslastung der Steckdosen bzw. Stromkreise bekannt sein sollte – was zu einer später noch erklärten Forderung nach Amperemeter führt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass viele Gefahren durch
• fehlende Anschlüsse wegen Falschbelegung,
• versehentliches Entstecken der Anschlüsse sowie
• Überlastung eines Stromkreises A, wenn Stromkreis B ausfällt (Lastunsymmetrie),
entstehen.
Anforderungen der EN 50600
Alle oben aufgeführten Beispiele und Gefahren beeinflussen die Verfügbarkeit der Stromversorgung und wenn es um den Punkt Verfügbarkeit geht, kommt bei Rechenzentren immer unvermeidbar die EN 50600 ins Spiel. Der Teil EN 50600-2-2 beschäftigt sich mit dem Thema Stromverteilung. Hier stellt sich die Frage, ob es in dieser Norm Empfehlungen oder Richtlinien gibt, die z.B. auf die oben genannten Risiken eingehen.
Zunächst erfolgt ein Zitat aus der Norm, welches deutlich macht, was der Norm wichtig ist: „Die Norm, DIN EN 50600-2-2, enthält detaillierte Anforderungen und Empfehlungen für die Stromversorgung und die Stromverteilung in Rechenzentren. Dabei werden die Dimensionierung der entsprechenden Anlagen, geeignete Verfügbarkeitsklassen und deren physische Sicherheit behandelt.“
Wie bereits beschrieben nimmt der IT-ler bei der Planung nur wenig direkten Einfluss auf die Primär- und Sekundärverteilungseinrichtung, er wird sich auf den Aufbau der Tertiärverteilungseinrichtung beschränken. Steckdosenleisten gehören gemäß der Norm dazu und werden unterschieden in
- allgemeinstromversorgte Steckdosen (gedacht z.B. für Beleuchtung),
- unterbrechungsfrei ersatzstromversorgte Steckdosen (z.B. gedacht für Netzwerk-Komponenten und wichtige Regelungselemente für Umgebungsbedingungen),
- lokale unterbrechungsfreie Ersatzstromsteckdosen (z.B. für Notbeleuchtung),
- kurzzeitunterbrochene ersatzstromversorgte Steckdosen (z.B. für Geräte für die Regelung von Umgebungsbedingungen, die kurzzeitig ausfallen dürfen). (siehe Abbildung 5)
Bezüglich der Forderung nach Verfügbarkeit gibt es – dieses Grundprinzip zieht sich durch die gesamte EN 50600 – vier Verfügbarkeitsklassen, die auch auf die Tertiärverteilungseinrichtung anzuwenden sind. Schaut man sich die höchste Klasse an, die VK4, so beschreibt die Norm lediglich die Anwendung einer Mehrpfadlösung, was gleichbedeutend ist mit der vollständig komponenten- und wegeredundanten Auslegung. Hierzu gibt es Abbildung 6 aus der Norm, das als Beispiel dienen soll.
Der Fokus des Artikels liegt auf unterbrechungsfrei ersatzstromversorgten Steckdosenleisten, die zum Betrieb der IT-Komponenten benötigt werden.
In jedem Fall empfiehlt die Norm grundsätzlich eine Messung der Stromversorgungsparameter, um „… Situationen zu erkennen, in denen der Leistungsbedarf die zur Verfügung stehende Leistung zu übersteigen droht.“ Auch „im Hinblick auf die Befähigung zur Energieeffizienz werden drei Granularitätsniveaus definiert, welche die Messpunkte beinhalten, an denen der Stromverbrauch der elektrischen Einrichtungen und Infrastrukturen eines Rechenzentrums zu erfassen ist.“
Damit stellt sich die Frage, ob eine Strommessung an der Steckdosenleiste im Sinne der Norm sinnvoll oder zu fordern ist. Sie gibt mehrere mögliche Messpunkte vor, die je nach Granularitätsniveau (nicht nach Verfügbarkeit) vorzusehen sind. Dazu existiert eine Übersicht über alle möglichen Punkte (s. rote Dreiecke in Abbildung 7). Im Bild wird erkennbar, dass erst ab Granularitätsniveau 3 an der Steckdosenleiste zu messen ist. Dann gilt: „Wenn von Tertiärverteilungseinrichtungen gespeiste unterbrechungsfrei ersatzstromversorgte Steckdosen in Gruppen in einem Schrank, auf einem Rahmen oder einem Gestell installiert werden, die verschiedene Typen von Lasten bedienen (z. B. IT, Sicherung oder Regelung der Umgebungsbedingungen), muss das Granularitätsniveau 3 ein separates Messen der einzelnen Lasttypen ermöglichen.“
Überwacht werden müssen dann: Ausgangsstrom, Ausgangsspannung, Leistungsfaktor auf allen anliegenden Phasen – und damit nicht auf allen abgehenden Ports. (siehe Abbildung 7)
Bei der Festlegung der Ziele, welche zur Energieeffizienz nach EN 50600-1 befähigen sollen, ist das zu erreichende Niveau zu bestimmen. Dies erfolgt nicht durch den IT-ler, sondern muss immer bei der Gesamtbetrachtung der Energieeffizienz erfolgen. Insofern stellt die Überwachung der Leistungsparameter so lange nur ein „kann“ dar, bis ein höheres Niveau gefordert wird. Wie wir jedoch zuvor gesehen haben, kann es für den IT-ler wichtig sein zu wissen, welche Auslastung die Steckdosenleiste hat (Stichpunkt „unsymmetrische Auslastung“).
Damit kommen wir zum nächsten Teil des Artikels, bei dem es um die Frage geht, welche (sinnvollen und nicht sinnvollen) Anforderungen der Auswahl von Steckdosenleisten zugrunde gelegt werden können.
Sinnvolle technische Anforderungen
Beschäftigt man sich mit den Leistungsmerkmalen der verschiedenen auf dem Markt angebotenen Steckdosentypen, kommt man zwangsläufig sehr schnell dazu, nicht jede Funktion als A-Kriterium (= Muss) einzustufen – selbst bei B-Kriterien (=Soll) kann der eine oder andere kritische Einwand herangezogen werden. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit haben wir bei ComConsult im Laufe der Jahre die Kategorisierung in Tabelle 1 der wichtigsten Grundanforderungen vorgenommen, die im Detail noch weiter erläutert werden.
Man muss davon ausgehen, dass der Anschluss der Leiste über einen zusätzlichen Schutzleiter keine Besonderheit, doch aus Personenschutzgründen eine Notwendigkeit ist.
Sehr häufig findet man – vor allem bei älteren Installationen – Steckdosenleisten in Netzwerk- oder Server-Racks mit An/Aus-Schalter. Dieser Schalter bietet große Risiken. Jeder, der schon einmal im Rückraum eines vollgepackten Server-Racks arbeiten musste, weiß, wie schnell man irrtümlich mit dem Arm an einen solchen Schalter kommen kann und dann ggf. die gesamte Leiste abschaltet.
Einige Nutzer sehen in der Einzelschaltbarkeit der Ports einen Vorteil. Dies kann sinnvoll sein, wenn mehrere verschiedene Geräte im Serverschrank verbaut wurden, die nicht immer parallel betrieben werden müssen. Zum Beispiel muss ein Monitor nur bei Nutzung mit Strom versorgt werden, wohingegen er ggf. im Standby-Modus jedoch nur geringen Strom verbrauchen würde und deshalb bei der Differenzstromüberwachung berücksichtigt werden müsste – dazu später mehr. Mit einer einzeln schaltbaren Steckdosenleiste wird das Gerät vollständig vom Stromnetz getrennt, sodass garantiert kein Strom mehr fließen kann.
Die bereits angesprochene Verriegelung wird als wichtig erachtet, deshalb zählt sie zu den Muss-Anforderungen.
Wie bereits ausführlich beschrieben müssen die Stromparameter normativ nicht zwingend gemessen werden, doch in Anlehnung an die Empfehlung der Norm und eine grundsätzliche Anforderung an Verfügbarkeit wird das als sehr sinnvoll erachtet. Die gemessenen Werte müssen natürlich angezeigt werden können, sei es mithilfe eines an der Steckdosenleiste befindlichen Displays oder remote. Darauf wird im weiteren Verlauf des Artikels noch näher eingegangen. (siehe Abbildung 8)
Viele Fachplaner erachten die Differenzstrommessung (Residual Current Monitoring RCM) als einen besonderen Wert. Die Grundidee dazu sieht wie folgt aus: Versteckte Fehlerströme, Ausgleichsströme und Isolationsfehler können u.U. zu Personengefährdungen führen. Diese Gefahr wird vor allem bei Personal ohne elektrotechnische Ausbildung hoch eingeschätzt. Notwendig wäre dann gemäß VDE 0100-410 eine Einrichtung mit Fehlerstromschutzschaltung FI. Diese Funktion erkennt einen Fehlerstrom und trennt die gesamte Steckdosenleiste vom Strom (Residual Current Protective Device RCD). Der FI an der Steckdosenleiste ist wegen der Gefahr von Fehlauslösungen und den regelmäßig notwendigen Prüfungen nach DGUV V3 bei IT-lern nicht besonders beliebt, und die Differenzstrommessung hilft da weiter.
Auch die EN 50600-2-2 betrachtet diese Funktion und empfiehlt „… Einrichtungen zu installieren, die in der Lage sind, Fehlerströme an der Verbindung zwischen den Schutzleitern und den Neutralleitern des Stromverteilungssystems der Gebäude des Rechenzentrums zu messen und aufzuzeichnen.“ Sie legt die Messung allerdings nicht gezielt an der Steckdosenleiste fest.
Doch wie funktioniert das? Vereinfacht erklärt: Die Summe von in die Leiste einfließenden Strömen wird verglichen mit der Summe der „erwarteten“ ausfließenden Strömen. Ist diese nicht gleich, wird davon ausgegangen, dass ein Leckstrom vorhanden ist, der personengefährdend sein könnte (typisch: Überschreitung von 30 mA). Bei Überschreitung des Schwellwertes wird dies entweder an der Leiste (hörbares oder nicht hörbares Signal) und/oder zentral gemeldet. Im Unterschied zum RCD wird die Leiste nicht abgeschaltet.
Diese Methode wird von einigen Experten insofern bemängelt, als dass die Personengefährdung im Falle einer Meldung in Kombination mit einer Missachtung der Meldung (z.B. die Alarmierung erfolgt Remote und der Techniker vor Ort weiß davon nichts) weiterhin nicht ausgeschlossen werden kann.
Abbildung 9 zeigt anschaulich, dass sich RCM und RCD nicht grundsätzlich ausschließen müssen. Die Differenzstrommessung bietet die Möglichkeit, mithilfe einer Vorwarnzeit, bei der z.B. der Differenzstrom noch nicht kritisch ist, Aktionen durch den IT-ler durchführen zu lassen, wie z.B. ein gezieltes Runterfahren der Server-Systeme. Bei einem klassischen FI wäre das ausgeschlossen.
Diese Differenzstrommessung wird im Allgemeinen z.B. in jedem neu geplanten Rechenzentrum vorgesehen, jedoch nicht zwangsläufig an der Steckdosenleiste. Die bereits in Abbildung 7 gezeigten Messpunkte können dazu auch verwendet werden, doch stellt sich die Frage, ob die IT-Abteilung darüber informiert wird und ob diese Genauigkeit für deren Verfügbarkeitsbetrachtungen ausreichend ist.
Sollte man sich für ein RCM-System entscheiden, so muss davon abgeraten werden, mit reinem IT-Wissen die Schwellwerte selber zu programmieren. Hier gehört ein gutes elektrotechnisches Wissen zu, um sowohl unnötig häufige Fehlalarme als auch Personengefährdungen zu vermeiden.
Kommen wir zu den „Kann-Anforderungen“. Die Nützlichkeit einer modular aufgebauten Steckdosenleiste wurde bereits erklärt.
Der Nutzen von unterschiedlich gefärbten Steckdosenleisten erschließt sich zunächst nicht jedem, doch wer einmal die konkrete Anwendung vor Ort gesehen hat, wird den Charme erkennen. Da in der Regel beide Steckdosenleisten gegenseitige Redundanz darstellen, sollten natürlich alle Komponenten mit zwei Netzteilen auf beide gesteckt werden. Bei normalen schwarzen Stromkabeln ist auf einen Blick schwer zu erkennen, welches Netzteil wo aufgesteckt ist. Sind die Leisten z.B. durch rote und blaue Färbung deutlich unterscheidbar und verwendet man gefärbte Stromkabel (ja, das ist möglich), so werden Fehler beim Aufstecken sehr schnell sichtbar.
Ob ein integrierter Überspannungsschutz notwendig ist, hängt sehr stark vom gesamten Stromkonzept ab. In der Regel sorgt bereits das Vorhandensein einer USV (zumindest bei Rechenzentren) für einen gewissen Grundschutz, der auch ohne Steckdosenleiste weiter ausgebaut werden kann. Wird eine Steckdosenleiste z.B. in einem Technikraum in der Ausprägung eines Etagenverteilers vorgesehen, so kann dieser Schutz sinnvoll sein.
Bei den möglichen Anzeigen hat sich ein elektronisch drehbares Display, z.B. zur Anzeige der Stromparameter, bewährt. Manchmal ist es mühsam, vertikal verlaufende Informationstexte in engen und nur schlecht beleuchteten Rack-Hinterräumen zu lesen. Einige Hersteller bieten Leisten an, bei denen pro Port eine farbige LED zur Statusanzeige genutzt werden kann. Dies kann hilfreich sein, um zu erkennen, ob ein aktives Gerät angeschlossen ist oder nicht.
Steckdosenleisten mit USB-Anschluss zur Versorgung von USB-Geräten werden nicht nur im Consumer-Bereich angeboten, sondern sie kommen auch im professionellen IT-Rack-Umfeld zum Einsatz. Der Autor schließt sich der gängigen Meinung an, dass unbekannte Tablets, Smartphones o.Ä. nichts an einer Steckdosenleiste zur Versorgung von Switches oder Server verloren haben und stellt deshalb den Sinn infrage. Es gibt allerdings auch Steckdosenleisten mit speziellem USB-Anschluss, der für etwas anderes verwendet wird: Über den USB-Port kann mit einem entsprechenden Dongle z.B. die Konfiguration bspw. der RCM-Schwellwerte aufgespielt werden, was die Inbetriebnahme der Leiste beschleunigt.
Bei den letzten beiden Punkten der Tabelle kommen wir zum abschließenden Teil des Artikels, der sich mit der weiteren „Intelligenz“ der Leisten beschäftigt.
Intelligente Steckdosenleisten
Vereinfacht erklärt bietet eine intelligente Steckdosenleiste die Möglichkeit zum komfortablen Messen oder Schalten an der Leiste, und dies – je nach Ausführung der Leiste – auch remote. Bei der Messung lassen sich die schon genannten Leistungswerte je Phase (fast immer) oder auch je Port/Outlet ermitteln. Letzteres ist jedoch kein Standard-Feature von intelligenten PDUs.
Eine weitere Funktion bildet die Kurzschlusserkennung. Hierbei geht es nicht darum, dass der Kurzschluss wie bei einer Sicherung zum Abtrennen des verursachenden Gerätes führt, sondern darum, dass der Port angezeigt wird, an dem der Fehler passiert ist.
Viele IT-ler sehen in der Möglichkeit, neben den Messfunktionen auch Schaltfunktionen aus der Ferne nutzen zu können, einen großen Vorteil. Dazu gehören z. B.:
- der Neustart von nicht mehr ansprechbaren Geräten,
- ein gezielter und portselektiver Lastabwurf bei erkennbarer und eskalierender Überlast,
- das Abschalten von nicht benutzten Ports,
- die Zusammenfassung von Ports zu Gruppen,
- die Konfiguration einer Schaltsequenz von Ports (sehr ungünstig kann es sein, wenn nach einer Aktivierung der Leiste alle Ports gleichzeitig maximalen Strom abgeben),
- eine Alarmmeldung, wenn die Steckdosenleiste nicht mehr remote erreichbar ist,
- Nutzung der Leiste zur Ermittlung von Umgebungsparametern.
Die technische Basis des Remote-Zugriffs bildet die Vernetzung der Leisten. Bedingt durch die vorhandene Expertise des IT-lers ist das natürlich am besten mithilfe eines Lokalen Netzwerkes möglich. Benötigt werden dazu
- ein RJ45-Anschluss an der Leiste (es reichen 10 oder 100 Mbit/s aus),
- ein Switch zum Anschluss der Leiste,
- eine sternförmige Twisted-Pair-Verkabelung,
- ein Protokoll zur Übertragung der Informationen (z.B. SNMP, HTTPS, ModBus TCP).
Die benötigte Verkabelung lässt jetzt „Böses“ erahnen, zu jeder Leiste ein Datenkabel? Bei typischen 4 Leisten pro Rack wären das dann 4 Kabel pro Rack. Stellt man sich eine Rackreihe mit 10 Racks vor, so müssten 40 Kabel zu einem Switch verlegt werden. Die EN 50600-2-4 lässt dazu keine reine Patchverkabelung mehr zu, es ist also frühzeitig der Standort des Steckdosenleisten-Switches inklusive der festen Verkabelung dahin zu planen.
Zum Glück bieten die meisten Hersteller ein sogenanntes Master-Slave-Prinzip an. Das bedeutet, eine Steckdosenleiste wird direkt an den Switch angeschlossen, und mehrere Leisten können mithilfe einer Kaskadierung an den Master angeschlossen werden (Protokoll für die Kette ist z.B. serielles Modbus RTU oder Ethernet Modbus-TCP). Bei dem Hersteller Bachmann können das z.B. bis zu 11 Stück sein. Vorsicht: Nicht jeder Leistenhersteller unterstützt jedes Protokoll, und auch innerhalb eines Hersteller-Portfolios kann es sein, dass die Leisten von verschiedenen Familien unterschiedliche Protokolle verwenden. (siehe Abbildung 10)
Das alles klingt sehr verlockend, erfordert jedoch einen hohen Preis. Da sind zunächst einmal die extremen Mehrkosten dieser intelligenten PDUs. Meistens stellt man überrascht fest, dass der Preis für zwei solcher Steckdosenleisten deutlich höher ist als das Rack selbst. Doch diese Investitionsbetrachtung alleine reicht nicht. Eine immer wiederkehrende Erfahrung in Zusammenhang mit der Planung von derartigen intelligenten Steckdosenleisten zeigt, dass für die Anschaffung überhaupt kein Konzept hinterlegt wurde. Man sieht die Chancen, weiß jedoch bis zum Zeitpunkt der Anschaffung nicht, wie die Leisten zu konfigurieren sind, wer sich für welche Messwerte interessiert oder welche Eskalationsprozesse z.B. infolge einer RCM-Alarmmeldung einzuleiten sind. Das führt dann dazu, dass sehr teure Steckdosenleisten angeschafft werden, die nicht mehr machen als die deutlich kostengünstigeren „dummen“ Leisten.
Das grundsätzliche Potenzial der Leisten, insbesondere bei geplanten Schaltmöglichkeiten, führt auch zur Notwendigkeit einer ernstzunehmenden Security-Analyse. Jedes im Netz angeschlossene Gerät stellt eine potenzielle Bedrohung dar und bietet „Angreifern“ viele Möglichkeiten zum Missbrauch. ComConsult-Sicherheitsexperten empfehlen deshalb folgende Maßnahmen:
- verschlüsselte Kommunikation,
- Deaktivierung aller unverschlüsselten Anschlüsse,
- Nutzung von SNMPv3 (nicht jede Leiste unterstützt das),
- Deaktivierung aller unsicheren Protokollvarianten,
- Änderung aller Standardpasswörter,
- dauerhaft gepflegte Nutzerverwaltung (z.B. nicht mehr berechtigte Personen „entrechten“),
- sicheres und konsequentes Update-, Patch-, und Release-Management,
- Abfrage der Zusicherung des Herstellers zu Updates über einen ausreichend langen Zeitraum bzw. zu einem Mindestzeitraum,
- eine zugriffsbeschränkte Management-Zone (statt Einbindung in das produktive Datennetz),
- konsequentes Monitoring und Logging.
Es ist also nicht damit getan, eine intelligente Steckdosenleiste einfach nur anzuschließen.
Fazit
Die richtige Stromversorgung von Racks ist genauso wichtig wie eine hochredundante Datenverkabelung, und man neigt schnell dazu, technisch komplexere Steckdosenleisten zu bevorzugen, denn „was viel kann, bringt auch viel“. Doch wie sichtbar wurde, liegen in der Funktionsvielfalt auch viele Risiken, und es sollte unbedingt vor der Anschaffung von teuren Steckdosenleisten ein Konzept erstellt werden, wie man mit dieser Funktionalität umgehen wird und wer die Paramater und Schwellwerte festlegt. Einige von diesen liegen außerhalb des Know-hows eines IT-lers, der über keine entsprechenden elektrotechnischen Kenntnisse verfügt.
Abkürzungen
DC Gleichstrom
DGUV Deutsche gesetzliche Unfallversicherung
DIN Deutsche Industrie Norm
EN Europäische Norm
PDU Power Distribution Unit
RCD Residual Current Protective Device
RCM Residual Current Monitoring RCM
RZ Rechenzentrum
USV Unterbrechungsfreie Stromversorgung
VK Verfügbarkeitsklasse