EU-Gebäuderichtlinie Novelle 2024 (EPBD) und Gebäudeenergiegesetz 2024 (GEG) – §71a Gebäudeautomation
17.09.2024 / Dr. Andreas Kaup
Die gesetzlichen Anforderungen für Klimaschutz im Gebäudesektor steigen. Die zeitlichen Zielvorgaben in Deutschland und der EU werden mit ausschließlich baulichen Maßnahmen kaum umsetzbar sein. Der große Hebel der technischen Möglichkeiten muss daher genutzt werden. Auf EU-Ebene gibt der Green Deal Klimaneutralität bis 2050 vor. In Deutschland definiert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz für 2045 den Anspruch auf Klimaneutralität. Dabei ist das Zwischenziel, bis 2030 die Treibhausgasemission um 55 % im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Auf Länderebene und auch bei vielen Unternehmen gilt bereits das Jahr 2030 als Stichtag für einen klimaneutralen Gebäudebestand. Dieses Ziel lässt sich vorraussichtlich nur mit Systemen für die Gebäudeautomatisierung und -steuerung und ergänzenden Proptech-Lösungen realisieren.
Die Gebäudeenergiegesetz-Novelle 2024 definiert erstmalig technische und terminliche Vorgaben bezüglich des Einsatzes von Gebäudeautomationssystemen in Deutschland. Die Einführung des neuen Paragraphen hat ihren Ursprung in der EU-Gebäuderichtlinie (European Performance of Building Directive, EPBD). Somit muss jetzt schon darauf geschaut werden, was in der neuen EPBD-Novelle 2024 gefordert wird, um sowohl den aktuellen als auch den zukünftigen Vorgaben an die Gebäudeautomation gerecht zu werden.
Überblick: Termine und Fristen
Die EU-Gebäuderichtlinie (European Performance of Building Directive, EPBD) spielt eine entscheidende Rolle im „Fit for 55“-Ziel der Europäischen Union und wird in jeder Legislaturperiode fortgeschrieben. Sobald eine Novelle das EU-Parlament passiert und anschließend Zustimmung durch den Europäischen Rat erfährt, haben die EU-Staaten 24 Monate Zeit, um die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Am 12. April 2024 hat der Europäische Rat der EPBD-Novelle final zugestimmt und somit haben die EU-Staaten nun zwei Jahre Zeit, die dort definierten Vorgaben in nationales Recht zu überführen.
Das jetzige Gebäudeenergiegesetz basiert noch nicht auf der zuvor erwähnten EPBD-Novelle. Es wurde am 16.10.2023 beschlossen, und im Bundesgesetzblatt Nr. 280 wurde das „Gesetz zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches, zur Änderung der Verordnung über Heizkostenabrechnung, zur Änderung der Betriebskostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung“ veröffentlicht. Die Änderungen des Gebäudeenergiegesetzes betreffen ebenso die Gebäudeautomation für Nichtwohngebäude und werden im §71a – Gebäudeautomation definiert. Neue Definitionen und Anforderungen bezüglich der Gebäudeautomation sollten unbedingt auch hinsichtlich der sich daraus ergebenden Anforderungen an die Gebäude-IT betrachtet werden.
GEG-Novelle 2024
Als neu eingeführte Begriffsbestimmung werden Systeme für die Gebäudeautomatisierung und –steuerung erstmals wie folgt definiert:
„Ein System, das sämtliche Produkte, Software und Engineering-Leistungen umfasst, mit denen ein energieeffizienter, wirtschaftlicher und sicherer Betrieb gebäudetechnischer Systeme durch automatische Steuerungen sowie durch die Erleichterung des manuellen Managements dieser gebäudetechnischen Systeme unterstützt werden kann.“ [§3 Absatz 1 Punkt 3a) ii) 29a]
Interessant wird es in den vier Absätzen des neu eingeführten §71a – Gebäudeautomation, und zwar nicht nur für die GA, sondern auch für die Gebäude-IT. Für viele Neu- und Bestandsbauten von Nichtwohngebäuden wird eine Gebäudeautomation durch diesen Paragraphen kurzfristig verpflichtend.
Bis zum Ablauf des 31.12.2024 müssen Nichtwohngebäude gemäß Absatz 1 mit einer Nennleistung der Heizungsanlage oder der kombinierten Raumheizungs- und Lüftungsanlage von mehr als 290 Kilowatt mit einem System für die Gebäudeautomatisierung und -steuerung ausgerüstet werden. Die Anforderungen an das System für die Gebäudeautomatisierung und -steuerung werden in den Absätzen 2 bis 4 definiert, wobei an ersteres Anforderungen hinsichtlich der Bereitstellungen einer digitalen Energieüberwachungstechnik für eine kontinuierliche Überwachung, Protokollierung und Analyse der Verbräuche gestellt werden. Erhobene Daten müssen über gängige, frei konfigurierbare Schnittstellen zugänglich sein, um eine herstellerneutrale Auswertung zu ermöglichen. Wenn bereits eine Gebäudeautomatisierung mind. gemäß Automationsgrad B – DIN V 18500-11: 2018-09 eingesetzt wird, muss bis zum 31.12.2024 dafür gesorgt werden, dass die Kommunikation zwischen miteinander verbundenen gebäudetechnischen Systemen auch bei unterschiedlichen herstellereigenen Technologien, Geräten und Herstellern funktioniert. Selbiges gilt ebenso für die Kommunikation mit anderen Anwendungen und anderen Typen von gebäudetechnischen Systemen innerhalb des Gebäudes. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der objektspezifische Systemeigner des gebäudetechnischen Managements durch das System über mögliche Optimierungspotentiale informiert wird. Eine pauschale Definition, für welche Gebäude der Grenzwert von 290 KW Nennleistung zutrifft, kann nicht getroffen werden, da diese maßgeblich von der Gebäudedämmung und des Energiebedarfs des Gebäudes abhängt. Je nach Energieeffizienzklasse können Bürogebäude mit einer Nennleistung der kombinierten Raumheizungs- und Lüftungsanlage zwischen ca. 3000 und 12000 m² Bruttogeschossfläche haben.
Die hier geforderte Gebäudeautomation muss folgende Funktionen ermöglichen:
- kontinuierliche Überwachung, Protokollierung und Analyse der Verbräuche aller Hauptenergieträger sowie aller gebäudetechnischen Systeme,
- Datenbereitstellung über gängige und frei konfigurierbare Schnittstellen, um eine Auswertung firmen- und herstellerunabhängig zu ermöglichen,
- Bereitstellung von Anforderungswerten in Bezug auf die Energieeffizienz des Gebäudes,
- Identifizierung von Energieverlusten bei gebäudetechnischen Systemen sowie
- Informationsbereitstellung und Handlungsempfehlungen für den Betreiber bezüglich der Verbesserungspotentiale im Betrieb zur Steigerung der Energieeffizienz.
Kurz gesagt handelt es sich um eine Verpflichtung zur Datenerhebung und -analyse mit darauf basierenden Optimierungsmaßnahmen sowie die Abkehr von proprietären Kommunikationsprotokollen und Schnittstellen. Als führende nicht-proprietäre Kommunikationsprotokolle der Gebäudeautomation können BACnet und KNX bezeichnet werden. Dabei wird immer die Verwendung der neuesten und IT-sichersten Protokollversionen, wie BACnet Secure-Connect und KNX IP-Secure, empfohlen.
EPBD 2024
Die Umsetzungsfrist des GEG §71a bis zum 31.12.2024 ist eine sehr kurzfristige Angelegenheit. Durch die Anpassung im EPBD 2024 werden zukünftig noch mehr Gebäude von dem Gesetz betroffen sein. Der oben definierte Grenzwert von 290 kW Nennleistung wird auf 70kW nach unten hin angepasst. Für betroffene Gebäude wird voraussichtlich eine Umsetzungsfrist bis Ende 2029 gelten. Um ein gut konzeptioniertes und wirtschaftliches Nachrüsten oder Modernisieren der Gebäudeautomation zu garantieren, sollten für entsprechende Gebäude schon jetzt Strategien erdacht werden, um nicht in eine ähnliche Terminnot zu geraten, wie es durch das GEG 2024 der Fall ist.
Wer bezahlt das Nachrüsten der Gebäudeautomation?
Für Büro- und Gewerbeimmobilien ist die gesetzliche Regelung des Mietverhältnisses häufig weniger eindeutig als bei Wohnraummietverhältnissen. Der Kostenträger für die Gebäudeautomation wird sich je nach Objekt unterscheiden. Modernisierungskosten dürfen ohne eine ausdrückliche Klausel im Gewerbe-Mietvertrag nicht auf den Mieter umgelegt werden, Instandsetzungskosten jedoch schon. Eine Modernisierung entspricht der Verbesserung des Standards des Gebäudes, während die Instandsetzung als Erhalt des Zustands des Gebäudes definiert wird. In welche dieser beiden Kategorien die in §71a geforderten Maßnahmen fallen, wird bestimmt noch viel diskutiert werden, denn am Ende geht es vielerorts eher darum, wie man aus energiesparenden Maßnahmen den maximalen monetären Gewinn erzielen kann, und nicht darum, wie die maximale Klimaeffizienz erzielt wird.
Worauf muss bei der Modernisierung der GA hinsichtlich der IT geachtet werden?
Beim Nachrüsten oder der Modernisierung kann es häufig vorkommen, dass die vorhandene IT-Verkabelung nicht den Ansprüchen genügt. Es gibt eine Vielzahl von Funklösungen am Markt, mit denen diese Problematik umgangen werden kann. Eine solche Lösung ist allerdings nicht bei allen Immobilien gewünscht, sodass es teilweise zu Neuverkabelungen kommen kann. Solche Entscheidungen sollten in einem ausführlichen Konzept bewertet werden. Dabei sind ebenso die Bestandskomponenten zu betrachten, um zu evaluieren, welche von ihnen noch dem Stand der Technik entsprechen und integriert werden können, welche zu ersetzen sind und welche eventuell noch ergänzend benötigt werden. Alle Komponenten sollten ebenfalls hinsichtlich der IT-Sicherheit bewertet werden. Wenn bestehende Nichtwohngebäude mit einer modernen Gebäudeautomation ausgerüstet werden, kann es vorkommen, dass ursprünglich in sich geschlossene Systeme zu offenen Systemen mit vielen Schnittstellen werden, die in der Regel auch eine Verbindung zum Internet, manchmal auch in die Cloud benötigen. In manchem Fällen wurde die IT-Infrastruktur der ursprünglichen Gebäudetechnik für diesen Zustand nicht ausgelegt. Sicherheitsmaßnahmen wie Netzsegmentierung und Firewalling wurden bei geschlossenen, proprietären Bus-Lösungen nicht benötigt, da der interdisziplinäre Daten- und Informationsaustausch zwischen Gewerken nicht angedacht war. Beim Nachrüsten einer Gebäudeautomation sollte ebenfalls die entsprechende IT-Infrastruktur möglichst dem Stand der Technik angepasst werden. Sowohl für die GA-Komponenten als auch für die IT-Infrastruktur sind die Bausteine INF.13 – Technisches Gebäudemanagement und INF.14 – Gebäudeautomation des BSI IT-Grundschutzkompendiums 2023 zu berücksichtigen. Die IT-Security der Gebäudeautomation ist ein Thema für sich, das den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde.
GEG und EPBD sind nicht nur Gebäudeautomatisierung
Die Gebäudeautomation ist natürlich nur ein kleiner Bestandteil der thematisierten Gesetze. Es werden noch Vorgaben für viele andere Smart-Building-Systembausteine definiert, welche einen positiven Beitrag zu der Zukunftsfähigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden leisten. Ein Beispiel dafür sind die Vorgaben hinsichtlich Infrastruktur für nachhaltige Mobilität und der damit verbundenen Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur.
Ein kurzes Fazit
Dass die Gebäudeautomation teilweise zur Pflicht wird, ist ein guter und wichtiger Schritt, um die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern. Beim Nachrüsten und Modernisieren der Gebäudeautomation darf das Thema IT-Sicherheit allerdings nicht außer Acht gelassen werden, um einen sicheren und effizienten Betrieb zu gewährleisten.
Anhang – Auszug aus dem Gesetzestext GEG 2024 [1]:
§71a – Gebäudeautomation:
(1) Ein Nichtwohngebäude mit einer Nennleistung der Heizungsanlage oder der kombinierten Raumheizungs- und Lüftungsanlage von mehr als 290 Kilowatt muss bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 mit einem System für die Gebäudeautomatisierung und -steuerung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 ausgerüstet werden. Satz 1 ist auch für ein Nichtwohngebäude mit einer Nennleistung für eine Klimaanlage oder eine kombinierte Klima- und Lüftungsanlage von mehr als 290 Kilowatt anzuwenden.
(2) Zur Erfüllung der Anforderung nach Absatz 1 muss ein Nichtwohngebäude mit digitaler Energieüberwachungstechnik ausgestattet werden, mittels derer
- eine kontinuierliche Überwachung, Protokollierung und Analyse der Verbräuche aller Hauptenergieträger sowie aller gebäudetechnischen Systeme durchgeführt werden kann,
- die erhobenen Daten über gängige und frei konfigurierbare Schnittstelle zugänglich gemacht werden, sodass Auswertungen firmen- und herstellerunabhängig erfolgen können,
- Anforderungswerte in Bezug auf die Energieeffizienz des Gebäudes aufgestellt werden können,
- Effizienzverluste von gebäudetechnischen Systemen erkannt werden können und
- die für die Einrichtung oder das gebäudetechnische Management zuständige Person über mögliche Verbesserung der Energieeffizienz informiert werden kann.
(3) Neben der Anforderung nach Absatz 2 muss ein zu errichtendes Nichtwohngebäude
- mit einem System für die Gebäudeautomatisierung entsprechend dem Automatisierungsgrad B nach der DIN V 18599-11: 2018-09* oder besser ausgestattet sein und
- ein technisches Inbetriebnahme-Management einschließlich der Einregelung der gebäudetechnischen Anlagen durchlaufen, um einen optimalen Betrieb zu gewährleisten.
Bei der Ausstattung des Systems für die Gebäudeautomatisierung nach Satz 1 Nummer 1 muss sichergestellt sein, dass dieses System die Kommunikation zwischen miteinander verbundenen gebäudetechnischen Systemen und anderen Anwendungen innerhalb des Gebäudes ermöglicht und gemeinsam mit anderen Typen gebäudetechnischer Systeme betrieben werden kann, auch bei unterschiedlichen herstellereigenen Technologien, Geräten und Herstellern. Das technische Inbetriebnahme-Management nach Satz 1 Nummer 2 muss mindestens den Zeitraum einer Heizperiode für Anlagen zur Wärmeerzeugung und mindestens eine Kühlperiode für Anlagen zur Kälteerzeugung erfassen.
(4) Sofern in einem bestehenden Nichtwohngebäude bereits ein System für die Gebäudeautomatisierung entsprechend dem Automatisierungsgrad B nach der DIN V 18599-11: 2018-09* oder besser eingesetzt wird, muss bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 die Kommunikation zwischen miteinander verbundenen gebäudetechnischen Systemen und anderen Anwendungen innerhalb des Gebäudes ermöglicht werden sowie sichergestellt werden, dass diese Systeme gemeinsam mit anderen Typen gebäudetechnischer Systeme betrieben werden können, auch bei unterschiedlichen herstellereigenen Technologien, Geräten und Herstellern.
Informationsquellen / Verweise
https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/280/VO.html (19.19.2023)