Erinnern Sie sich noch an diese schicken Smartphones? Zum Aufklappen und mit einer richtigen Tastatur! Ich jedenfalls habe immer noch Schwierigkeiten damit, auf winzigen Touchscreens Texte schnell und fehlerfrei einzugeben. Die junge Generation ist in dieser Hinsicht deutlich besser. Sie hat aber wahrscheinlich noch nie einen „Communicator“ zum Vergleich in den Händen gehalten.
Zugegeben, der Webbrowser auf diesem Gerät ist schon lange obsolet. HTML5 et al. – Fehlanzeige. Und auch die E-Mail-Synchronisation gelingt nicht mit jedem Postfach. Aber immerhin lässt sich damit noch telefonieren. Wer weiß, wie lange noch?!
Die Telekom hat am 22.10.2024 bekannt gegeben, dass 2G bzw. GSM (Global System für mobile Communications, die zweite Generation des Mobilfunks) abgeschaltet wird [1]. Dies soll voraussichtlich am 30.06.2028 geschehen. Das „Urgestein“ der digitalen Mobilfunktechnik bleibt also nur noch dreieinhalb Jahre in Betrieb.
Vodafone zog am gleichen Tag nach und verkündete die Abschaltung für Ende 2030. Telefónica äußert sich noch sehr vage und empfiehlt den Kunden, auf Endgeräte zu wechseln, die den modernen 4G- und 5G-Standard unterstützen. Aber auch Telefónica wird das 2G-Netz zeitnah abschalten.
Die Abschaltung kommt keineswegs unerwartet. Nachdem bereits 2021 alle drei Provider in Deutschland 3G / UMTS abgeschaltet hatten, war der nächste logische Schritt die Abschaltung von 2G. Da jedoch gerade in Deutschland noch viele IoT-Geräte, Alarmanlagen, mobile Systeme etc. mit Modems ausgestattet sind, die nur 2G und 3G unterstützen, ist die Auswirkung der Abschaltung nicht zu unterschätzen. Viele Systeme wurden zwar bereits aufgerüstet, aber spätestens nach der Abschaltung wird wahrscheinlich auffallen, dass an der ein oder anderen Stelle noch Geräte mit 2G angebunden sind.
Vorteile durch die Abschaltung
Welche Vorteile hat die Abschaltung denn nun für die Telekom, oder allgemeiner gefasst für die Provider? Insbesondere die Frequenzen, die derzeit noch von 2G belegt sind, können dann für andere Technologien uneingeschränkt genutzt werden. In Deutschland ist dies hauptsächlich der Frequenzbereich um 900 MHz. In einigen Umgebungen sind auch noch die Frequenzen bei 1800 MHz für GSM im Einsatz.
Ähnliches wurde bereits bei der Abschaltung von 3G für die Frequenz bei 2100 MHz ersichtlich: Das Frequenzband 1, das den Frequenzbereich von 2110 bis 2170 MHz und von 1920 bis 1980 MHz einschließt, wurde zu einem der wichtigsten Bänder für LTE.
Ähnlich wird es dem Frequenzbereich um 900 MHz ergehen, insbesondere für die Versorgung abgelegener Flächen. Denn je niedriger die Frequenz, desto höher die Reichweite. Die Datenrate wird dann keine Spitzenleistungen bieten, jedoch ist eine langsame Versorgung besser als keine. Auch heute schon wird das Frequenzband 8, das den Bereich um 900 MHz einschließt, für die Versorgung mit LTE verwendet. Jedoch müssen hier die 2G-Frequenzen derzeit noch ausgenommen werden.
Was bedeutet die Abschaltung für die Nutzer?
Die Abschaltung wird für Unternehmen und Privatkunden einen nicht zu unterschätzenden Einfluss haben. Zwar unterstützen Smartphones, die seit etwa 2010 auf den Markt gekommen sind, meist LTE bzw. 4G. Endgeräte wie mein „Communicator“, der nur 2G und 3G unterstützt, lassen sich ab dem Zeitpunkt zumindest im Mobilfunknetz der Telekom nicht mehr einsetzen. Sei’s drum, inzwischen habe auch ich mich an den Touchscreen gewöhnt.
Schwieriger wird es mit Fahrzeugen, Alarmanlagen, IoT-Geräten und Zählern jeglicher Art (Strom, Wasser, Gas etc.) werden, die derzeit auf 2G angewiesen sind. Nach der Abschaltung sind jegliche Online-Funktionalitäten nicht mehr verfügbar. Betrachten wir als Beispiel Ihren PKW: Seit 2018 mussten Neuwagen mit einer Einrichtung für den Notruf („eCall“) ausgestattet werden. Die Betriebsfähigkeit des eCall ist sogar relevant für das Bestehen der regelmäßigen Hauptuntersuchung. Was nun, wenn eCall Ihres Fahrzeugs auf 2G basierte? Müssten Sie es dann stilllegen, wie ich meinen „Communicator“?
Das Beispiel ist sicherlich nicht besonders relevant. Ich weiß nicht einmal, in wie vielen Fahrzeugen seit 2018 eCall ohne 4G verbaut wurde. Aber viele andere Bereiche werden betroffen sein. Wir bei ComConsult kennen jedenfalls zahlreiche Unternehmen, die ihre IoT-Anwendungen einst auf Basis von 2G-Modems implementiert haben.
Das Thema der Mobilfunkversorgung der Flächen muss ebenfalls bedacht werden. Die Bundesnetzagentur gibt in regelmäßigen Abständen ein Dokument „Monitoring Mobilfunk“ [2] heraus, in dem dargestellt wird, wie die Versorgung derzeit ausschaut. Die Darstellung wird einerseits unterteilt in die einzelnen Bundesländer und andererseits in die Mobilfunk-Technologien (Betrachtung aller Provider in Deutschland). Es wird ersichtlich, dass Stand Juli 2024 insbesondere 2G nahezu ganz Deutschland abdeckt. 99,8% der Fläche von Deutschland sind mit 2G versorgt, 4G versorgt bisher „nur“ 97,41% und 5G 90,62%.
Hieraus lässt sich schließen, dass nach der Abschaltung von 2G die Mobilfunkversorgung insgesamt schlechter werden könnte. Es besteht die Gefahr, dass dann in abgelegenen Orten kein Mobilfunk mehr zur Verfügung steht. Wahrscheinlich werden die Provider dieses Problem jedoch rechtzeitig angehen.
Situation in anderen Ländern
Laut dem Bericht der GSA [3] (Global Mobile Suppliers Association) wurden weltweit zum Zeitpunkt Dezember 2023 bereits 56 2G- und 3G-Netze abgeschaltet. Weitere 113 Abschaltungen sind in Planung bzw. derzeit in Bearbeitung. 60% hiervon betreffen Europa.
Fazit
Die Abschaltung des 2G-Netzes ist ein logischer nächster Schritt für viele Provider weltweit. Der Nutzen des 2G-Netzes ist mit der Zeit immer geringer geworden, an Bedeutung verloren hat das Netz jedoch auf keinen Fall.
Die Auswirkungen sind bereits jetzt heiß diskutiert, die wahren Auswirkungen werden vielen jedoch erst bei der Abschaltung bewusst: Alarmanalgen funktionieren nicht mehr, Fahrzeuge sind nicht mehr per Online-Funktion erreichbar und der Funktionsumfang schrumpft erheblich, IoT-Geräte funktionieren nicht mehr und einiges mehr.
Die in der Überschrift gestellte Frage beantworte ich mit einem klaren „sowohl als auch“. Die Abschaltung von 2G ist geplante Obsoleszenz im Sinne des Fortschritts. Oder anders ausgedrückt ist Kompatibilität immer auch der Hemmschuh des Fortschritts. Machen wir also das Beste daraus!
Verweise
[1] https://www.telekom.com/de/medien/medieninformationen/detail/mehr-speed-auf-alten-frequenzen-2g-abschaltung-sorgt-fuer-besseres-netz-1081802
[2] https://gigabitgrundbuch.bund.de/GIGA/DE/MobilfunkMonitoring/Downloads/Auswertung_Bund_Zusammenfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=3
[3] https://gsacom.com/paper/2g-3g-switch-off-december-2023-summary/