Gamechanger KI und die digitale Transformation – 13 Mythen und Fallstricke
02.10.2024 / Darav Taha | Co-Autor: Dr. Marcus Disselkamp
aus dem Netzwerk Insider Oktober 2024
In einer Welt, die von rasantem technologischem Wandel geprägt ist, stolpern wir nicht selten über Mythen und Fallstricke, die unseren Weg in die digitale Zukunft erschweren. Dieser Artikel beleuchtet kritisch einige der hartnäckigen Irrtümer und Hindernisse, die uns auf dem Weg zur digitalen Transformation begegnen. Von den Klassenräumen unserer Schulen bis in die Vorstandsetagen großer Unternehmen, von der Art, wie wir Wissen vermitteln, bis hin zu den vermeintlichen Grenzen der Künstlichen Intelligenz (KI) – wir werfen einen unverblümten Blick auf die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen.
In einer Welt, die von rasantem technologischem Wandel geprägt ist, stolpern wir nicht selten über Mythen und Fallstricke, die unseren Weg in die digitale Zukunft erschweren. Dieser Artikel beleuchtet kritisch einige der hartnäckigen Irrtümer und Hindernisse, die uns auf dem Weg zur digitalen Transformation begegnen. Von den Klassenräumen unserer Schulen bis in die Vorstandsetagen großer Unternehmen, von der Art, wie wir Wissen vermitteln, bis hin zu den vermeintlichen Grenzen der Künstlichen Intelligenz (KI) – wir werfen einen unverblümten Blick auf die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen.
Dabei scheuen wir uns nicht, auch heikle Themen anzusprechen: Sei es die beklagte Rückständigkeit unseres Bildungssystems, die Betriebsblindheit etablierter Unternehmen oder der ewige Kampf zwischen Innovation und Datenschutz. Ja, wir wagen es sogar, den Datenschutzbeauftragten – Schreckgespenst so manchen ungeduldigen Innovators – unter die Lupe zu nehmen.
Vielleicht werden Sie Ihre eine oder andere Annahme infrage stellen, Ihre Perspektiven erweitern und hoffentlich den einen oder anderen Aha-Moment erfahren. Denn nur wenn wir die Mythen entlarven und Fehlleitungen erkennen, können wir sie erfolgreich umschiffen und den Weg für echte Transformation ebnen.
Firmen rennen blind in Use Cases, ohne wirklich zu reflektieren
In der Euphorie um KI und digitale Transformation tappen viele Unternehmen in gefährliche Fallstricke. Getrieben von der Angst, den Anschluss zu verlieren, stürzen sie sich oft kopfüber in KI-Initiativen, ohne eine durchdachte Strategie zu entwickeln. Diese blinde Implementierung von Use Cases kann fatale Folgen haben. Unternehmen integrieren KI-Technologien häufig unüberlegt in ihre Produkte oder Prozesse, dabei werden die spezifischen Anforderungen und Herausforderungen nicht immer gründlich analysiert, was nicht selten zu ineffizienten Implementierungen und enttäuschenden Ergebnissen führt.
Ein weiterer kritischer Fehler ist der Mangel an einer umfassenden Strategie, die KI-Initiativen in den Kontext der gesamten Unternehmensziele einbettet. Stattdessen werden isolierte Use Cases verfolgt, die keine nachhaltige Integration in das Geschäftsmodell ermöglichen. Fehlt eine langfristige Vision und ein strategischer Plan, bleiben die Potenziale von KI oft ungenutzt. Zudem mangelt es vielen Unternehmen an einer durchdachten Scorecard mit klaren Erfolgskriterien und Metriken zur Bewertung des Fortschritts und der Auswirkungen von KI-Projekten. Ohne diese Bewertungsmaßstäbe verlieren Unternehmen leicht den Überblick über den tatsächlichen Nutzen und die Leistungsfähigkeit ihrer KI-Lösungen.
Die vorherrschende „FOMO“-Mentalität (Fear of Missing Out) und eine destruktive Fehlerkultur verschärfen die Problematik weiter. Der Druck, mit dem technologischen Fortschritt Schritt zu halten, verdrängt zumeist rationale Überlegungen und strategische Planung. Dies kann nicht nur zu ineffizienten Projekten führen, sondern auch die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in KI-Technologien innerhalb der Organisation untergraben.
Trotz solcher Herausforderungen gibt es Grund zur Hoffnung. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Nutzung des eigenen Domänenwissens und der spezifischen Datenbestände eines Unternehmens. Während frei zugängliche Daten zunehmend ausgeschöpft werden, gewinnen domänenspezifische Daten an unschätzbarem Wert. Die Daten, die aus jahrelanger Geschäftstätigkeit in spezialisierten Bereichen stammen, bieten Unternehmen die Möglichkeit, hochspezialisierte KI-Modelle zu entwickeln.
Im Gegensatz zu generischen KI-Lösungen sind auf Domänenwissen basierende Modelle häufig leistungsfähiger in spezifischen Nischen und schwerer von Wettbewerbern zu replizieren. Sie ermöglichen es Unternehmen, KI-Lösungen zu entwickeln, die präzise auf ihre individuellen Herausforderungen und Chancen zugeschnitten sind. Zudem sind diese spezialisierten Modelle weniger anfällig für das sogenannte „Habsburger Problem“ – die Gefahr, dass KI-Systeme durch übermäßiges Training auf recycelten KI-Ausgaben zu „gezüchteten Mutanten“ mit verzerrten Eigenschaften werden.
Um Irrtümer zu vermeiden und das volle Potenzial von KI zu nutzen, müssen Unternehmen einen strategischen Ansatz verfolgen. Das bedeutet, eine klare KI-Strategie zu entwickeln, die eng mit den übergeordneten Geschäftszielen verknüpft ist, sorgfältig definierte Use Cases mit messbaren Zielen zu erstellen und kontinuierlich den Fortschritt sowie die Auswirkungen zu überwachen. Indem Unternehmen ihr einzigartiges Domänenwissen als Wettbewerbsvorteil nutzen, können sie nicht nur die gängigen Fallstricke der KI-Implementierung umgehen, sondern auch nachhaltige und wertschöpfende KI-Lösungen entwickeln, die echte Innovationen und Wettbewerbsvorteile bieten.
Data Literacy ist auf der Führungsebene nicht gegeben
In der heutigen datengetriebenen Geschäftswelt wird zumeist angenommen, dass Führungskräfte automatisch über die notwendige Data Literacy verfügen. Die Uni Jena definiert Data Literacy wie folgt: Data Literacy [Datenkompetenz] ist die Fähigkeit, planvoll mit Daten umzugehen und sie im jeweiligen Kontext bewusst einsetzen und hinterfragen zu können. Dazu gehören die Kompetenzen, Daten zu erfassen, erkunden, managen, kuratieren, analysieren, visualisieren, interpretieren, kontextualisieren, beurteilen und anzuwenden.
Die Realität sieht jedoch nicht immer gleich aus. Viele Entscheidungsträger haben Schwierigkeiten, mit der rasanten Entwicklung im Bereich der Datenanalyse und KI Schritt zu halten. Die mangelnde Data Literacy auf Führungsebene zeigt sich in verschiedenen Aspekten des Managementalltags. Führungskräfte interpretieren Daten falsch, indem sie wichtige Nuancen übersehen oder voreilige Schlüsse ziehen, was zu kostspieligen Fehlentscheidungen führen kann. Trotz der Verfügbarkeit aussagekräftiger Daten verlassen sich viele Manager weiterhin primär auf ihr Bauchgefühl, was darauf hindeutet, dass sie entweder die Bedeutung von Daten unterschätzen oder nicht wissen, wie man sie effektiv nutzt.
Ein weiteres Indiz für mangelnde Data Literacy ist das unzureichende Verständnis für die Potenziale und Grenzen von KI-Technologien. Dies führt entweder zu überzogenen Erwartungen oder zur Vernachlässigung wichtiger Innovationschancen. Dieser Mangel zeigt sich ebenso bei Investitionsentscheidungen: Notwendige Investitionen in Datenmanagement-Systeme und Analysewerkzeuge werden häufig verzögert oder unterlassen, was auf ein fehlendes Verständnis für deren strategische Bedeutung schließen lässt.
Schließlich offenbart sich die unzureichende Data Literacy auch in der Kommunikation zwischen Führungskräften und Datenexperten. Oft existiert eine Kluft, bei der Manager die Erkenntnisse der Analysten nicht richtig einordnen oder deren Empfehlungen nicht effektiv in Strategien umsetzen können. Diese Kommunikationsprobleme beeinträchtigen die effektive Nutzung von Daten für strategische Entscheidungen, wie etwa die Entwicklung datengetriebener Innovationen und deren Monetarisierung.
Unsere Vorschläge zur Verbesserung der Data Literacy auf Führungsebene:
- Maßgeschneiderte Schulungsprogramme
Entwicklung von speziellen Data-Literacy-Kursen für Führungskräfte, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse und Zeitpläne zugeschnitten sind. Diese Programme sollten über theoretisches Wissen hinausgehen und praktische Anwendungen sowie Fallstudien aus der jeweiligen Branche beinhalten. Besonders effektiv können interaktive Workshops sein, in denen Führungskräfte mit realen Datensätzen arbeiten und Entscheidungsszenarien durchspielen. Zusätzlich könnten regelmäßige „Data Literacy Lunch & Learn“-Sessions eingeführt werden, bei denen in informeller Atmosphäre aktuelle Datentrends und Best Practices diskutiert werden. - Mentoring und Reverse Mentoring
Etablierung von Mentoring-Programmen, bei denen erfahrene Data Scientists Führungskräfte begleiten. Diese 1:1-Beziehungen ermöglichen es den Führungskräften, spezifische Fragen zu stellen und tiefere Einblicke in Datenanalyse-Methoden zu gewinnen. Gleichzeitig sollten Unternehmen „Reverse Mentoring“ fördern, bei dem jüngere, technisch versierte Mitarbeiter als Mentoren für Führungskräfte fungieren. Dies kann besonders wertvoll sein, um Managern neue Technologien und Datentrends näherzubringen. Um den Erfolg solcher Programme zu sichern, sollten klare Ziele gesetzt und regelmäßige Check-ins durchgeführt werden, um den Fortschritt zu überwachen und die Inhalte bei Bedarf anzupassen. - Integration von Datenanalyse in Entscheidungsprozesse
Implementierung von einer datengetriebenen Unternehmenskultur und Strukturen, die Führungskräfte dazu ermutigen, datenbasierte Erkenntnisse in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen. Das könnte durch die Einführung von „Data Review Meetings“ vor wichtigen strategischen Entscheidungen geschehen, in denen Datenexperten ihre Analysen präsentieren und die Ergebnisse mit dem Management diskutieren. Um dies effektiv umzusetzen, sollten Unternehmen standardisierte Formate für Datenberichte entwickeln, die sowohl detaillierte Analysen als auch leicht verständliche Zusammenfassungen enthalten. Zusätzlich könnte ein „Data First“-Ansatz in der Unternehmenskultur verankert werden, bei dem jede wichtige Entscheidung durch relevante Daten untermauert werden muss. Dies ließe sich durch die Einführung von Daten-Champions in jeder Abteilung erreichen, die als Bindeglied zwischen Datenteams und Entscheidungsträgern fungieren.
Wir nutzen auch bei uns KI! ChatGPT!
In der heutigen Geschäftswelt ist es üblich, dass Unternehmen stolz verkünden: „Wir nutzen auch bei uns KI! Wir haben ChatGPT (bzw. Copilot von Microsoft) eingeführt.“ Doch die bloße Bereitstellung eines KI-Chatbots für Mitarbeiter bedeutet keineswegs, dass ein Unternehmen KI wirklich nutzt oder ihre transformative Kraft ausschöpft. Die wahre Integration von KI geht weit über die Nutzung eines einzelnen Tools hinaus. Sie ist ein tiefgreifender Prozess, der das gesamte Geschäftsmodell, die Arbeitsabläufe und die Unternehmenskultur durchdringt und verändert.
Eine echte KI-Integration verändert zunächst die Arbeitsweise der Mitarbeiter. Anstatt nur Routineaufgaben zu automatisieren, ermöglicht sie es ihnen, sich auf kreativere und strategischere Arbeiten zu konzentrieren. KI-Systeme können komplexe Datenanalysen durchführen, Muster erkennen und Vorhersagen treffen, die menschliche Fähigkeiten ergänzen und erweitern. Für Führungskräfte bedeutet die echte Nutzung von KI eine fundamentale Veränderung in der Entscheidungsfindung. KI-gestützte Prognosemodelle und Szenarioanalysen ermöglichen Entscheidungen auf Basis umfassender Daten und präziser Vorhersagen, was weit über die bloße Nutzung eines Chatbots für Informationssuche hinausgeht.
Darüber hinaus führt die tiefgreifende Integration von KI häufig zur Entwicklung völlig neuer Produkte und Dienstleistungen. Unternehmen, die KI effektiv nutzen, schaffen innovative Angebote, die auf KI-gestützter Personalisierung, Vorhersage oder Optimierung basieren. Dies kann zu einer Neupositionierung am Markt und einem erheblichen Wettbewerbsvorteil führen.
Die oberflächliche Nutzung von ChatGPT mag ein erster Schritt sein, aber Unternehmen, die wirklich von KI profitieren wollen, müssen bereit sein, ihre gesamte Organisation zu transformieren und KI in den Kern ihrer Geschäftsprozesse zu integrieren. Laut McKinsey können bis 2030 knapp 30 % der Arbeitsstunden automatisiert werden (McKinsey Global Institute: A new future of work:The race to deploy AI and raise skills in Europe and beyond, May 2024).
Wer agil ist, kann einfach KI einführen!
Es ist ein weit verbreiteter Trugschluss anzunehmen, dass eine agile Organisation automatisch auch KI in ihre Strategie und operative Arbeit integriert. Dieser Mythos übersieht wesentliche Aspekte und birgt potenzielle Fallstricke.
Zunächst fokussiert sich Agilität primär auf Flexibilität, schnelle Anpassungsfähigkeit und iterative Prozesse, während KI-Integration tiefgreifendes technisches Verständnis, spezifische Infrastruktur und oft erhebliche Investitionen erfordert. Viele agile Organisationen mögen zwar offen für neue Technologien sein, verfügen jedoch nicht notwendigerweise über die Ressourcen oder das Know-how für eine effektive KI-Implementierung. Ein weiterer Denkfehler liegt in der Annahme, dass die kulturellen Voraussetzungen für Agilität und KI-Adoption deckungsgleich sind. Während agile Kulturen Experimentierfreudigkeit und Fehlertoleranz fördern, erfordert KI-Integration zumeist eine stärker datengetriebene und analytische Herangehensweise, die nicht automatisch in agilen Umgebungen vorhanden ist. Zudem wird häufig die ethische Dimension der KI-Nutzung unterschätzt. Agile Werte wie Transparenz und Kundenorientierung müssen mit den Herausforderungen von Datenschutz und Fairness in Einklang gebracht werden – ein Aspekt, der in vielen agilen Frameworks nicht explizit adressiert wird.
Schließlich vernachlässigt der Mythos die Tatsache, dass nicht jede agile Organisation KI benötigt oder davon profitieren würde. Die unreflektierte Einführung von KI-Technologien ohne klaren Businessnutzen kann von wichtigeren agilen Transformationsprozessen ablenken und Ressourcen ineffizient binden.
Wir projizieren aus vergangenen Entwicklungen in die Zukunft
In unserer sich rasant wandelnden technologischen Welt tappen wir nicht selten in eine gefährliche Falle: Wir projizieren die Zukunft anhand linearer Extrapolationen der Vergangenheit. Während diese Methode bei gleichmäßigen Entwicklungen ihre Berechtigung hat, versagt sie bei exponentiellen Wachstumskurven – ein Phänomen, das insbesondere in der Technologiebranche und im Bereich der künstlichen Intelligenz häufig anzutreffen ist.
Eine alte indische Legende illustriert eindrucksvoll die Tücken exponentiellen Wachstums: Ein weiser Mann bittet seinen König um eine scheinbar bescheidene Belohnung – ein Reiskorn auf dem ersten Feld eines Schachbretts, zwei auf dem zweiten, vier auf dem dritten und so weiter, wobei sich die Anzahl auf jedem Feld verdoppelt. Der König, die exponentielle Natur dieser Bitte unterschätzend, stimmt zu, nur um später festzustellen, dass die Gesamtmenge des Reises alle Vorräte der Welt bei Weitem übersteigen würde.
In der Technologiewelt beobachten wir ähnliche Muster. Das Mooresche Gesetz (Moore’s law), das die Verdoppelung der Transistorendichte alle zwei Jahre vorhersagt, ist ein klassisches Beispiel für exponentielles Wachstum. Doch heute erleben wir nicht nur eine, sondern mehrere sich überlappende Exponentialkurven in Bereichen wie Rechenleistung, Datenspeicherung und Netzwerkgeschwindigkeit. Der Trugschluss liegt darin, dass am Anfang einer exponentiellen Kurve die Fortschritte unscheinbar erscheinen. In dieser Phase neigen wir dazu, das langfristige Potenzial zu unterschätzen. Erst wenn die Kurve steil ansteigt, wird das wahre Ausmaß der Entwicklung offensichtlich – oft zu spät für diejenigen, die die frühen Anzeichen ignorierten. Diese Fehleinschätzung hat weitreichende Konsequenzen: Unternehmen, die das exponentielle Wachstum von Technologien wie KI unterschätzen, riskieren, von innovativeren Wettbewerbern überholt zu werden. Entscheidungsträger, die sich auf lineare Prognosen verlassen, könnten von den gesellschaftlichen Auswirkungen rapider technologischer Veränderungen überrascht werden.
Um in einer Welt exponentieller Entwicklungen erfolgreich zu navigieren, müssen wir unsere Denkweise grundlegend anpassen. Statt uns auf lineare Extrapolationen zu verlassen, sollten wir die Potenziale exponentiellen Wachstums erkennen und in unsere Strategien einbeziehen.
Unsere Schule und Uni haben uns nicht auf die KI vorbereitet
Eine etwas philosophische Kultur- und Systemkritik: Es wird angesichts der digitalen Transformation und der durch die KI beschleunigten Entwicklungen deutlich, dass das traditionelle deutsche Bildungssystem möglicherweise nicht optimal auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet ist. Die Diskrepanz zwischen den in Schulen und Universitäten vermittelten Fähigkeiten und den Anforderungen der digitalen Transformation wird immer offensichtlicher.
Perfektionismus vs. iteratives Denken & Fehlerkultur
Das deutsche Bildungssystem ist traditionell auf Perfektion und Fehlerfreiheit ausgerichtet. Schüler und Studenten werden dazu erzogen, möglichst fehlerfreie Leistungen zu erbringen und einem strikten Lehrplan zu folgen. Diese Herangehensweise steht jedoch im Widerspruch zur Natur der Digitalisierung und der KI-Entwicklung, die sich durch ständige Iteration und Verbesserung auszeichnet. In der Tech-Welt sind Konzepte wie die „Beta-Phase“ und “Fail Fast” weit verbreitet – Zustände, in denen Produkte oder Dienstleistungen kontinuierlich getestet und verbessert werden. Diese Denkweise des ständigen Lernens und Anpassens wird im aktuellen Bildungssystem selten ausreichend gefördert.
Die Art und Weise, wie mit Fehlern umgegangen wird, ist ein weiterer kritischer Aspekt. In vielen Bildungseinrichtungen werden Fehler bestraft oder negativ bewertet, ohne zu berücksichtigen, dass Fehler auch das Ergebnis von Mut und Experimentierfreudigkeit sein können. Diese Herangehensweise kann dazu führen, dass Schüler und Studenten risikoavers werden und innovative Ideen aus Angst vor Fehlern nicht verfolgen. In der KI- und Tech-Branche hingegen werden Fehler oft als wertvolle Lernmöglichkeiten betrachtet.
Verwaltung vs. Innovation
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Tendenz des Bildungssystems, Business-Administratoren heranzuziehen – Personen, die gut darin sind, bestehende Systeme zu verwalten, doch möglicherweise weniger darauf vorbereitet sind, innovativ zu denken und neue Lösungen zu entwickeln. In einer Ära, in der KI und Digitalisierung ständig neue Herausforderungen und Möglichkeiten schaffen, ist die Fähigkeit zur Innovation jedoch von entscheidender Bedeutung.
Wir sind effizient genug – wir brauchen KI nicht
In vielen Unternehmen herrscht der Trugschluss vor: „Wir sind effizient genug – wir brauchen KI nicht.“ Diese Annahme basiert oftmals auf einem blinden Fleck in der Wahrnehmung von Führungskräften, die ihr Unternehmen als gut geölte Maschine betrachten und dabei potenzielle Verbesserungsmöglichkeiten übersehen.
Führungskräfte sowie Experten entwickeln häufig eine Art „Betriebsblindheit“. Sie gewöhnen sich an bestehende Prozesse und Arbeitsweisen und übersehen dabei mögliche Ineffizienzen. Was auf den ersten Blick reibungslos funktioniert, könnte in Wirklichkeit erhebliches Optimierungspotenzial bergen. KI-Technologien bieten hier eine einzigartige Chance: Sie können nicht nur offensichtliche Ineffizienzen aufdecken, sondern auch verborgene Optimierungsmöglichkeiten identifizieren, die dem menschlichen Auge entgehen. Durch die Analyse großer Datenmengen und komplexer Zusammenhänge kann KI Muster erkennen und Verbesserungsvorschläge machen, die weit über das hinausgehen, was selbst erfahrene Mitarbeiter wahrnehmen können.
Der Einsatz von KI in einem Unternehmensbereich kann überraschende Ergebnisse liefern. Selbst in Organisationen, die sich für hocheffizient halten, deckt KI häufig ungeahnte Optimierungspotenziale auf. Dies kann von der Straffung von Verwaltungsprozessen über die Verbesserung der Ressourcenallokation bis hin zur Identifikation neuer Geschäftsmöglichkeiten reichen. Zudem schafft die Einführung von KI oft „Netto-Kapazitäten“. Indem sie repetitive und zeitaufwändige Aufgaben übernimmt, werden wertvolle menschliche Ressourcen für kreativere und strategischere Aufgaben frei. Dies führt nicht nur zu einer Effizienzsteigerung, sondern auch zu einer Aufwertung der Arbeit und potenziell zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit. Ein externer Blick kann in diesem Kontext äußerst wertvoll sein. Berater oder KI-Experten von außen bringen frische Perspektiven mit, die intern übersehen werden, und helfen dabei, das volle Potenzial von KI-Lösungen zu erkennen und zu nutzen.
Unternehmen sollten daher ihre vermeintliche Effizienz kritisch hinterfragen und offen für die Möglichkeiten sein, die KI bietet. Ein Pilotprojekt oder eine begrenzte Einführung von KI in einem Bereich kann als Augenöffner dienen und den Weg für eine umfassendere digitale Transformation ebnen. Letztendlich geht es nicht darum, ob ein Unternehmen bereits effizient ist, sondern wie es noch effizienter und innovativer werden kann – und dabei ist KI ein mächtiges Werkzeug, das es zu nutzen gilt.
Um KI-Anwendungen zu bauen, müssen wir programmieren können
Eine weit verbreitete Fehlinterpretation in der Welt der künstlichen Intelligenz lautet: „Um KI-Anwendungen zu bauen, müssen wir programmieren können.“ Diese Annahme übersieht die rasante Entwicklung von No-Code- und Low-Code-Tools, die es auch Nicht-Programmierern ermöglichen, leistungsfähige KI-Anwendungen zu erstellen. Der Trend zu „Citizen Developers“ gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dabei handelt es sich um Fachexperten ohne formale IT-Ausbildung, die mithilfe benutzerfreundlicher Tools eigene Anwendungen entwickeln können. Diese Entwicklung wird durch drei wesentliche Technologietrends vorangetrieben:
- No-Code-Tools: Diese Plattformen ermöglichen es Benutzern, Anwendungen ganz ohne Programmiercode zu erstellen. Stattdessen nutzen sie visuelle Interfaces und vorgefertigte Komponenten.
- Low-Code-Plattformen: Diese bieten eine Mischung aus visueller Entwicklung und der Möglichkeit, bei Bedarf Code hinzuzufügen. Sie ermöglichen es Entwicklern, schnell Anwendungen zu erstellen und gleichzeitig die Flexibilität zu behalten, spezifische Funktionen zu programmieren.
- Domänenspezifische KI-Tools: Zunehmend entstehen spezialisierte Tools, die auf bestimmte Branchen oder Anwendungsfälle zugeschnitten sind. Diese Tools integrieren oftmals KI-Funktionen, die von Fachexperten ohne tiefgreifende KI-Kenntnisse genutzt werden können.
Diese Entwicklungen demokratisieren den Zugang zu KI-Technologien. Fachbereiche können nun mit geringem Einarbeitungsaufwand eigene KI-gestützte Lösungen entwickeln, die genau auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Das reduziert die Abhängigkeit von IT-Abteilungen und beschleunigt Innovationsprozesse. Microsoft Power Apps z. B. ermöglicht es Benutzern, ohne tiefgreifende Programmierkenntnisse komplexe Geschäftsanwendungen zu konzipieren. Mit integrierten KI-Funktionen können Nutzer Bilderkennungsalgorithmen implementieren, Textanalysen durchführen oder einfache Vorhersagemodelle erstellen – alles ohne eine einzige Zeile Code zu schreiben.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Tools UI-Designer und Entwickler nicht überflüssig machen. Vielmehr ergänzen sie deren Arbeit, indem sie Routineaufgaben automatisieren und es professionellen Entwicklern ermöglichen, sich auf komplexere Herausforderungen zu konzentrieren. Der Irrtum, dass KI-Entwicklung ausschließlich Programmierexperten vorbehalten ist, hindert Unternehmen nicht selten daran, das volle Potenzial ihrer Fachabteilungen auszuschöpfen. Durch die Nutzung von No-Code- und Low-Code-Tools können Unternehmen ihre Innovationskraft steigern, indem sie das domänenspezifische Wissen ihrer Mitarbeiter direkt in die Entwicklung von KI-Lösungen einfließen lassen.
LLMs sind nicht datenschutzkonform
In der öffentlichen Debatte um KI hält sich der Mythos, dass KI-Systeme grundsätzlich nicht datenschutzkonform sein können. Doch aktuelle Erkenntnisse, insbesondere im Bereich der großen Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs), zeichnen ein differenzierteres Bild. Eine bahnbrechende Analyse des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit liefert überzeugende Argumente dafür, dass LLMs tatsächlich keine personenbezogenen Daten enthalten – eine Erkenntnis, die den vermeintlichen Konflikt zwischen KI und Datenschutz in einem neuen Licht erscheinen lässt (Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Diskussionspapier: Large Language Models und personenbezogene Daten).
Um diese Erkenntnisse zu verstehen, ist es wichtig, die Struktur von KI-Systemen genauer zu betrachten. Ein KI-System wie ChatGPT besteht nicht nur aus einem LLM, sondern aus mehreren Komponenten, darunter Benutzerschnittstellen sowie Eingangs- und Ausgangsfilter. Das LLM verarbeitet Informationen durch einen Prozess namens Tokenisierung, bei dem Texte in kleinere Einheiten, sogenannte Tokens, zerlegt werden. Diese Tokens sind keine vollständigen Wörter, sondern Fragmente, die allein keine persönlichen Informationen erhalten.
Ein entscheidender Punkt ist, dass LLMs Trainingsdaten nicht in ihrer Originalform speichern. Stattdessen werden hochgradig abstrahierte und aggregierte Datenpunkte und deren Beziehungen zueinander gespeichert, ohne konkrete Bezüge zu natürlichen Personen. Zum Beispiel der Name „Mia Müller“ wird in einzelne Tokens wie „M“, „ia“, „Mü“, „ller“ zerlegt, die für sich genommen keine Bedeutung haben. Die Häufigkeit, mit der bestimmte Tokens zusammen auftreten, gibt lediglich Auskunft über sprachliche Funktionen, nicht über konkrete Personen. Diese Art der Datenverarbeitung führt dazu, dass in LLMs der für personenbezogene Daten notwendige Identifikator fehlt, der eine gezielte Zuordnung von Informationen zu einer Person ermöglichen würde. Es ist daher unmöglich, aus einem LLM den gesamten Trainingsdatensatz zu rekonstruieren oder spezifische Informationen über Einzelpersonen abzurufen.
Diese Erkenntnisse haben weitreichende Konsequenzen für den Datenschutz im Kontext von KI. Da LLMs keine personenbezogenen Daten enthalten, können sich Betroffenenrechte wie Auskunft oder Löschung nicht direkt auf das LLM beziehen. Stattdessen müssen sich diese Rechte auf das umgebende KI-System konzentrieren, insbesondere auf dessen Ein- und Ausgaben. Das bedeutet jedoch nicht, dass KI-Systeme ohne datenschutzrechtliche Überlegungen auskommen. Im Gegenteil: Der Fokus muss auf dem gesamten KI-System liegen, nicht nur auf dem LLM als isolierte Komponente. Bei richtigem Verständnis und angemessener Implementierung können KI-Systeme durchaus im Einklang mit Datenschutzprinzipien entwickelt und eingesetzt werden.
Diese neue Perspektive eröffnet spannende Möglichkeiten für eine verantwortungsvolle Nutzung von KI-Technologien in verschiedensten Bereichen. Sie zeigt, dass der vermeintliche Widerspruch zwischen KI und Datenschutz überwindbar ist. Statt KI pauschal als Bedrohung für den Datenschutz zu sehen, sollten wir uns darauf konzentrieren, wie wir diese leistungsfähige Technologie so gestalten und einsetzen können, dass sie unsere Datenschutzstandards respektiert und sogar verbessert.
Die Erkenntnis, dass LLMs keine personenbezogenen Daten enthalten, ist ein wichtiger Fortschritt in der Debatte über KI und Datenschutz. Sie unterstreicht die Notwendigkeit, technische Details zu verstehen, bevor wir vorschnelle Schlüsse ziehen. Gleichzeitig mahnt sie zur Wachsamkeit bei der Gestaltung der Systeme, in die LLMs eingebettet sind. Diese Entwicklung zeigt, dass Innovation und Datenschutz nicht im Widerspruch zueinander stehen müssen. Mit dem richtigen Ansatz können wir die Vorteile von KI nutzen, ohne den Schutz persönlicher Daten zu gefährden. Es liegt an uns, dieses Potenzial verantwortungsvoll zu nutzen und dabei eine Balance zwischen technologischem Fortschritt und dem Schutz der Privatsphäre zu wahren.
KI ist teuer und nur für High-Tech-Bereiche relevant
Diese Annahme verkennt jedoch die rasante Entwicklung und Demokratisierung von KI-Technologien in den letzten Jahren. Tatsächlich sinken die Kosten für KI-Lösungen kontinuierlich, während ihre Anwendbarkeit in verschiedenen Branchen stetig zunimmt.
Entgegen der landläufigen Meinung wird KI bereits in vielen traditionellen Sektoren angewendet, darunter Landwirtschaft, Gesundheitswesen und Einzelhandel. Im Gesundheitswesen etwa können KI-Systeme mit relativ geringem Aufwand integriert werden, um sehr gute Ergebnisse zu erzielen. Hier scheitern sie eher an anderen Themen:
- Bildanalyse in der Radiologie: KI-gestützte Systeme wie die Software von Zebra Medical Vision können Röntgenbilder, CTs und MRTs analysieren, um Ärzte bei der Diagnose zu unterstützen. Diese Tools sind oft cloudbasiert und können in bestehende PACS-Systeme (Picture Archiving and Communication System) integriert werden, ohne dass teure Hardware-Upgrades erforderlich sind.
- Patientenüberwachung: Unternehmen wie Current Health bieten tragbare Geräte an, die mit KI-Algorithmen arbeiten, um Vitalzeichen kontinuierlich zu überwachen und frühzeitig auf potenzielle Gesundheitsrisiken hinzuweisen. Diese Systeme lassen sich einfach in bestehende Krankenhausinformationssysteme integrieren und erfordern nur minimale Schulung des Personals.
- Medikamentenentwicklung: Plattformen wie Atomwise nutzen KI, um den Prozess der Medikamentenentwicklung zu beschleunigen. Auch kleinere Pharmaunternehmen und Forschungseinrichtungen können diese Dienste nutzen, oft auf Pay-per-Use-Basis, was die Einstiegshürden erheblich senkt.
In der Landwirtschaft sehen wir ähnliche Entwicklungen:
- Präzisionslandwirtschaft: Unternehmen wie Taranis bieten KI-gestützte Bildanalyse-Lösungen an, die mit Drohnen oder Smartphones erfasste Bilder analysieren, um Schädlingsbefall oder Nährstoffmangel frühzeitig zu erkennen. Die genannten Systeme sind oftmals als Software-as-a-Service verfügbar und erfordern keine umfangreichen IT-Kenntnisse zur Implementierung.
- Erntevorhersage: Plattformen wie Agrimetrics nutzen KI und Big Data, um präzise Erntevorhersagen zu treffen. Landwirte können diese Dienste über benutzerfreundliche Web-Interfaces oder mobile Apps nutzen, ohne in teure Hardware investieren zu müssen.
- Automatisierte Bewässerung: Systeme wie CropX verwenden Bodensensoren und KI-Algorithmen, um die optimale Bewässerung zu bestimmen. Solche Lösungen sind modular aufgebaut und können schrittweise implementiert werden, was sie auch für kleinere Betriebe erschwinglich macht.
Diese Beispiele zeigen, dass KI keineswegs auf High-Tech-Bereiche beschränkt oder prohibitiv teuer ist. Viele KI-Lösungen sind heute als Cloud-Dienste oder Software-as-a-Service-Modelle verfügbar, was die Einstiegskosten erheblich senkt. Zudem ermöglichen No-Code- und Low-Code-Plattformen es auch Nicht-Experten, KI-Funktionen in bestehende Systeme zu integrieren.
Das KI-Rennen ist für uns schon gelaufen!
Viele Unternehmen, insbesondere in Europa, glauben fälschlicherweise, dass die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley das Rennen um KI bereits gewonnen haben. Sie sehen sich nur noch als passive Konsumenten von KI-Tools oder bestenfalls als Datenlieferanten für die großen Plattformen. Doch diese Sichtweise übersieht entscheidende Chancen und Stärken, die europäische Unternehmen im Bereich KI haben (s. folgende Absätze).
Die Erschöpfung frei zugänglicher Daten
Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Villalobos et al. (2024) zeigt, dass die Menge an frei zugänglichen, menschlich generierten Textdaten im Internet bald erschöpft sein könnte. Die Forscher prognostizieren, dass zwischen 2026 und 2032 die größten KI-Modelle Datensätze verwenden werden, die in etwa der Größe des gesamten verfügbaren Bestands an öffentlichen, menschlich generierten Textdaten entsprechen.
Diese Entwicklung führt zu einem Phänomen, das als “Habsburger Problem“ bezeichnet wird: KI-Systeme, die so stark auf den Ausgaben anderer generativer KIs trainiert wurden, dass sie zu „gezüchteten Mutanten“ mit übertriebenen, grotesken Merkmalen werden. Dies unterstreicht die Notwendigkeit für Unternehmen, neue und einzigartige Datenquellen zu erschließen.
Der Wert von Domänendaten
In diesem Kontext werden domänenspezifische Daten zu einem unschätzbaren Asset. Die Daten, die aus jahrelanger Geschäftstätigkeit in spezialisierten Bereichen stammen, bieten eine einzigartige Chance für die Entwicklung hochspezialisierter KI-Modelle. Im Gegensatz zu den allgemeinen, öffentlich verfügbaren Daten sind Domänendaten:
- einzigartig und schwer zu replizieren,
- häufig von höherer Qualität und Relevanz für spezifische Anwendungsfälle und
- weniger anfällig für das “Habsburger Problem“, da sie nicht auf recycelten KI-Ausgaben basieren.
Unternehmen sollten erkennen, dass ihre Branchenkenntnisse und -daten ein wesentlicher Vorteil gegenüber den generalistischen Ansätzen der Tech-Giganten sein können. Diese spezifischen Daten ermöglichen die Entwicklung von KI-Modellen, die in bestimmten Nischen deutlich leistungsfähiger sind als allgemeine Modelle.
KI erfordert riesige Datenmengen, um effektiv zu sein
Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass KI stets riesige Datenmengen benötigt, um effektiv zu funktionieren. Der Mythos stammt aus der Zeit der ersten Deep-Learning-Durchbrüche, als Modelle tatsächlich mit enormen Datensätzen trainiert wurden. Die Realität sieht heute jedoch deutlich differenzierter aus: Moderne KI-Techniken haben dieses Paradigma grundlegend verändert.
Eine Schlüsseltechnologie in diesem Kontext ist das Few-Shot Learning (FSL). Die Methode ermöglicht es KI-Modellen, neue Aufgaben mit nur wenigen Trainingsbeispielen zu meistern. Anstatt Tausende oder Millionen von Datenpunkten zu benötigen, kann ein gut konzipiertes Few-Shot-Modell mit einer Handvoll Beispielen erstaunlich genaue Vorhersagen treffen. Die Fähigkeit basiert auf dem Prinzip des Transfers: Das Modell nutzt bereits gelerntes Wissen aus verwandten Aufgaben, um neue Herausforderungen effizient zu bewältigen. Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist das Zero-Shot Learning (ZSL). Hier geht die KI sogar noch weiter und kann Aufgaben ohne spezifisches Training lösen, indem sie Zusammenhänge aus ihrem vorhandenen Wissen ableitet. Dies zeigt eindrucksvoll, wie KI-Systeme generalisieren und Wissen übertragen können, ohne massenhaft neue Daten zu benötigen.
Auch im Bereich des unüberwachten Lernens gibt es bemerkenswerte Fortschritte. Techniken wie Self-Supervised Learning ermöglichen es Modellen, wertvolle Erkenntnisse aus unstrukturierten Daten zu gewinnen, ohne auf aufwändig annotierte Datensätze angewiesen zu sein. Dies öffnet Türen für KI-Anwendungen in Bereichen, in denen große, gelabelte Datensätze nicht verfügbar sind. Die Entwicklung von Meta-Learning-Algorithmen hat ebenfalls dazu beigetragen, den Datenhunger von KI-Systemen zu reduzieren. Diese lernenden Lerner optimieren ihren eigenen Lernprozess und können so schneller und effizienter neue Aufgaben bewältigen, oft mit deutlich weniger Trainingsdaten als herkömmliche Methoden.
Diese Fortschritte bedeuten nicht, dass große Datensätze obsolet geworden sind. Sie bleiben insbesondere bei komplexen Aufgaben oder in Bereichen, in denen höchste Präzision gefordert ist, von zentraler Bedeutung. Doch die Vielfalt moderner KI-Techniken ermöglicht auch in datenknappen Umgebungen die Entwicklung leistungsfähiger Systeme. Moderne KI ist flexibel und kann sich an verschiedene Datenszenarien anpassen. Diese Entwicklung eröffnet neue Möglichkeiten für KI-Anwendungen in Bereichen, die aufgrund von Datenmangel bisher als unzugänglich galten, und unterstreicht die beeindruckende Anpassungsfähigkeit künstlicher Intelligenz.
Während wir die Reise durch die Mythen und Irrtümer der digitalen Transformation beenden, wird deutlich, dass der Weg in eine technologisch fortschrittliche Zukunft nicht geradlinig verläuft. Von unseren Bildungssystemen bis hin zu Unternehmensstrategien, von der Wahrnehmung von KI bis zum Datenschutz – überall lauern Missverständnisse und Hindernisse. Doch indem wir diese erkennen und hinterfragen, öffnen wir Türen für echte Innovation und Fortschritt. Die Herausforderung besteht darin, agil zu bleiben, kontinuierlich zu lernen und unsere Ansätze anzupassen. Mit kritischem Denken, Offenheit für Veränderungen und dem Mut, etablierte Vorstellungen zu überdenken, können wir die Chancen der digitalen Ära voll ausschöpfen. Letztendlich liegt es an uns allen – Pädagogen, Führungskräften, Innovatoren und ja, auch Datenschutzbeauftragten – gemeinsam eine Zukunft zu gestalten, in der Technologie unser Leben bereichert, ohne unsere Werte zu kompromittieren. Die digitale Transformation ist keine Bedrohung, sondern eine Einladung, die Welt neu zu denken und zu gestalten. Nehmen wir diese Herausforderung an!