aus dem Netzwerk Insider März 2022
Der Sommer 2021 war geprägt von starken Regenfällen. Mitte Juli wurden unter anderem in Nordrhein-Westfalen aus kleinen Flüssen und Bächen reißende Ströme, die ganze Ortschaften und die Existenz von vielen Menschen zerstörten.
Vielerorts waren auch öffentliche Einrichtungen betroffen. Thomas Lothar, Senior-Berater mit langjähriger Erfahrung in der Installation von lokalen Netzen bei ComConsult, war nach der Flutkatastrophe vor Ort.
Du bist eines der Urgesteine von ComConsult. Wie lange bist du schon im Unternehmen und was sind deine Beschäftigungsfelder?
Ich hatte Anfang des Jahres dreißigjähriges Jubiläum, ich gehöre also quasi zum Inventar (lacht). Zu Beginn habe ich die Abteilung Netzwerkdokumentation mit aufgebaut. Dann bin ich in den Planungsbereich gewechselt. Dort befasse ich mich mit der Planung von Datennetzen und Rechenzentren sowie dem Betrieb von Netzwerken.
30 Jahre bei ComConsult. Da kommen jede Menge Projekte zusammen.
Ja. Wir haben beispielsweise für ein großes Logistikunternehmen den Neubau der Zentrale geplant und über zehn Jahre mit bis zu acht Kollegen den kompletten Netzwerkbetrieb für die alte Zentrale und fünfzehn Außenlokationen erbracht. Danach war Frankfurt nahezu meine zweite Heimat, wo ich fast zwölf Jahre das Netzwerk für den Neubau und zwei weitere Hochhäuser einer Bank mit geplant und umgesetzt habe. Das Rechenzentrum hat eine Fläche von 1.500 Quadratmetern und wir haben nur in dem Neubau zwei Millionen Meter Kupferdatenkabel verlegt und 35.000 Endgeräteanschlüsse realisiert.
Im Moment planen wir für das Rechenzentrum eines mittelständischen Produktionsunternehmens eine ausfallsichere Stromversorgung. In diesem Unternehmen, das europaweit tätig ist, war die Stromversorgung in einem Serverraum ausgefallen und das hatte Auswirkungen auf alle Standorte.
Als Mitte Juli bei uns im Aachener Raum das Wasser über die Ufer stieg, wurde ComConsult in Kooperation mit Drees & Sommer damit beauftragt, mehrere öffentliche Einrichtungen im Stadtgebiet Eschweiler zu begehen und den entstandenen Schaden zu begutachten. Wie war die Situation vor Ort?
Wir waren an der Schadenserhebung von sieben Gebäuden beteiligt. Bei einigen hatte das Erdgeschoss kurze Zeit bis zu vierzig Zentimeter und das Untergeschoss tagelang komplett unter Wasser gestanden. Wir wurden zwei Wochen nach der Katastrophe zur Schadensaufnahme gerufen. Da war das Wasser schon abgepumpt worden, die Aufräumarbeiten im Gange, viele Räume schon leer und draußen vor den Gebäuden lagen riesige Müllhalden mit nicht mehr brauchbaren Möbeln, Isolierungen, aufgeweichten Ordnern und so weiter.
Wie waren die Aufgaben verteilt?
Drees & Sommer hat die Schadensaufnahme für die Bausubstanz, die Gefahrenstoffe und die Gebäudetechnik, also die Bereiche Heizung, Lüftung, Klima, Sanitär, vorgenommen. ComConsult war für die Überprüfung der Datenverkabelung, also für den Bereich IT und Netzwerk zuständig.
Welches Bild bot sich bei der Begehung der Räumlichkeiten?
Bei einem besonders stark betroffenen Gebäude war das Untergeschoss völlig verschlammt. Ich musste mich sehr vorsichtig fortbewegen, der Boden war rutschig wie auf einer Schlittschuhbahn. Überall waren Hilfskräfte damit beschäftigt, Isolierungen von Rohren zu entfernen, vom Wasserdruck eingedrückte Türen abzureißen und andere zerstörte Gegenstände wegzuschaffen. Wir hatten im Vorfeld mit dem Auftraggeber abgesprochen, dass die Entsorgungsunternehmen die Technik stehen lassen sollten.
Wie bist du bei der Schadensaufnahme vorgegangen?
Wir haben die Technik in Augenschein genommen und im Detail fotografiert. Darüber wurde dann ein Bericht geschrieben. Darin wurde beschrieben, welche Komponenten eventuell noch nutzbar sind und welche direkt entsorgt werden konnten. Beispielsweise lagen in einem Gebäudebereich die Kabel ganz unten im Doppelboden eines Untergeschosses seit drei Wochen im Wasser. Diese Kabel konnten sofort abgerissen und entsorgt werden.
Welche Sofortmaßnahmen hast du empfohlen?
Ich habe dem Auftraggeber empfohlen, zunächst die vorhandene Technik, also die Switches, die Verschaltung und die Patchungen zu den Endgeräten in den Räumen, genau zu dokumentieren. Wir haben vorgeschlagen, im nächsten Schritt die Rangierungen zurückzubauen, die von den Switchen zu den Rangierfeldern gehen. Unsere Empfehlung war, alle aktive Technik zu demontieren und alle passiven Komponenten, die nur ein oder zwei Tage dem Wasser ausgesetzt waren, gründlich zu reinigen und zu trocknen, weil Kabel, die nicht permanent unter Wasser stehen, eventuell weiterverwendet werden können. Dazu sollten die getrockneten Kabelstrecken gemessen werden. Wenn die Messung gute Ergebnisse zeigte, sollten die Geräte wieder in Betrieb genommen werden. Es wurde weiterhin empfohlen, diese Messungen nach drei bis vier Monaten zu wiederholen, um festzustellen, ob Langzeitschäden aufgetreten waren. Waren die Ergebnisse dann wieder im grünen Bereich, konnte man davon ausgehen, dass die Kabel noch funktionierten und weiter eingesetzt werden konnten.
Ist es nicht effektiver, die Komponenten neu zu kaufen, statt sie aufwändig zu trocknen und zu reinigen?
Man muss abwägen, ob eine Neubeschaffung oder der Aufwand der Reinigung und die späteren Messungen teurer sind. Hätte man in nur einer Einrichtung alle Anschlüsse erneuert, wäre man bei einem geschätzten Preis von 350 Euro pro Anschluss bei 1.000 Endgeräteanschlüssen schnell auf Wiederbeschaffungskosten von 350.000 Euro kommen. Dazu kommt, dass die Erneuerung einer Verkabelung viel Zeit in Anspruch nimmt, was zusätzlich Kosten verursacht. Ziel ist es auch, so schnell wie möglich wieder in Betrieb zu gehen. Wenn sich dann bei den späteren Messungen herausstellt, dass Langzeitschäden auftreten, kann man sukzessive Teilbereiche erneuern, ohne den laufenden Betrieb zu unterbrechen.
Der Versuch, so viel Technik wie möglich zu retten, lohnt sich also auf jeden Fall. Wenn beispielsweise die Messung einer Kabelstrecke schlechte Ergebnisse gebracht hat und man im Verteilerschrank eine Kabelreserve von ein bis zwei Metern hat, sollte man das Kabel zunächst kürzen, denn das Wasser ist vermutlich von vorne über die Buchse in das Kabel eingedrungen und im besten Fall ist nur das erste Stück des Kabels betroffen. Eine weitere Messung zeigt dann, ob das gekürzte Kabel wieder funktioniert.
Kannst du eine Empfehlung aussprechen, wie Schäden an der IT-Technik bei zukünftigen Hochwasserkatastrophen verhindert werden können?
Bei Neubauten in hochwassergefährdeten Gebieten sollten die Verteilerstandorte so geplant werden, dass die Räume oberhalb der höchsten anzunehmenden Hochwasserlinie liegen, wenn dies möglich ist. Eines der von uns begutachteten Gebäude hatte Glück im Unglück: Der Technikraum befand sich im ersten Obergeschoss und das Wasser stand im Erdgeschoss zwanzig Zentimeter hoch, doch die Kanäle und Datenanschlüsse waren so hoch verlegt worden, dass daran kein Schaden entstanden war.