Das Projektinterview: Herausforderungen bei der technischen Konzeption und Betreuung einer virtuellen Konferenz
04.04.22 / Nils Wantia
aus dem Netzwerk Insider April 2022
Digitale Messen, virtuelle Konferenzen, Remote-Seminare – diese Begriffe sind spätestens seit dem Frühjahr 2020 in der Eventbranche nicht mehr wegzudenken. Damals häufig aus der Not heraus entstanden, erkennen Unternehmen heute zunehmend das Potential, das der virtuelle Raum für Veranstaltungen unterschiedlicher Art bietet.
Nils Wantia leitet bei ComConsult das Competence Center Kommunikationslösungen und erzählt in diesem Interview, wie er mit seinem Team am Anfang der Pandemie eine der ersten großen virtuellen Konferenzen technisch umgesetzt und begleitet hatte.
Im Sommer 2020 wurde ComConsult mit Beratungs- und Unterstützungsleistungen zur technischen Konzeption und Betreuung einer virtuellen Konferenz beauftragt. Um welche Konferenz handelte es sich?
Es ging um eine internationale Konferenz, die immer als Präsenzveranstaltung stattgefunden hatte und nun erstmalig virtuell durchgeführt werden sollte. Die meisten der ungefähr einhundertzwanzig Teilnehmer waren „Stammgäste“ – über mehr als vierzig Länder weltweit verteilt – die sich seit ungefähr zwanzig Jahren regelmäßig auf der Konferenz getroffen haben, um sich untereinander auszutauschen und Fachvorträge zu hören. Der Großteil der Teilnehmer kam aus Nichtregierungsorganisationen, aus Deutschland waren auch Gäste von Behörden dabei. Wir wurden von einer kleinen Berliner Agentur beauftragt, die die Gesamtkoordination der Konferenz verantwortete.
Wie sah das Programm des Kongresses aus?
Die Konferenz war nicht öffentlich, die Teilnehmer wurden einzeln persönlich per E-Mail eingeladen. Der Kongress ging über zwei Tage. Der Ablauf hatte ungefähr dreißig Programmpunkte. Es gab jeden Tag zuerst ein Kaffee-Meeting zur Begrüßung, danach Instruktionen der Moderatoren und die Keynote. Danach fanden mehrmals große Gruppensessions statt, aus denen sich die Teilnehmer in eine von sechs parallel stattfindenden Breakout-Gruppen einwählen konnten. In diesen Untergruppen konnten die Teilnehmer dann miteinander reden und nach Bedarf wieder in die große oder eine andere kleine Gruppe wechseln. Am Ende der Veranstaltung fand eine sogenannte Fishbowl-Session statt, bei der eine kleine Gruppe von Teilnehmern in einer Art Podiumsdiskussion ein Thema diskutierte, während die anderen Teilnehmer zuhören und sich dynamisch in die Diskussion einschalten konnten.
Wer hat durch die Veranstaltung geführt?
Für die Veranstaltung war es wichtig, einen organisatorischen Mittelpunkt zu haben. Deshalb hatte die Agentur ein Filmstudio beauftragt, in dem professionelle Moderatorinnen von einem Podium aus die Veranstaltung von Anfang bis Ende begleiteten.
Welche Konferenzplattformen standen zur Auswahl und für welche wurde sich entschieden?
Es standen die Plattformen Cisco Webex und Microsoft Teams zur Diskussion und es wurde beschlossen, Webex einzusetzen. Gründe dafür waren, dass Webex bereits freigegeben war und es weniger Security-Bedenken gab und sich Webex für die Durchführung von Seminaren und Kongressen besser eignete als Microsoft Teams, bei dem der Business-Meeting-Aspekt mehr im Fokus steht. Zwar hat Teams auch eine Event-Funktion, die wir bei ComConsult zum Beispiel für das Webinar der Woche nutzen, doch für diesen Kongress wäre sie ungeeignet gewesen, weil die Teilnehmer bei Teams Live Events nicht mitsprechen, sondern nur chatten können.
Wie habt ihr die organisatorischen Anforderungen technisch umgesetzt?
Alle Beteiligten waren mit dem inhaltlichen Ablauf des Kongresses bestens vertraut und sehr routiniert, weil sie ihn über viele Jahre als klassische Präsenzveranstaltung mitorganisiert hatten. Die Durchführung eines Online-Kongresses war für sie allerdings komplettes Neuland.
Weil davon auszugehen war, dass in dem multikulturellen Teilnehmerkreis nicht überall gleich gute technische Möglichkeiten herrschten und man Vertrautheit mit der Technik und den Lösungen nicht voraussetzen konnte, mussten wir das technische Niveau möglichst niedrig halten und alles sollte simpel funktionieren.
Wir haben über mehrere Wochen in vielen Besprechungen eine Gesamtlösung entwickelt. Es waren drei Baustellen vorhanden, an denen wir arbeiten mussten. Zum einen gab es eine Webseite, die das Zentrum der Veranstaltung war. Dort wurden zum Beispiel große Streams für alle Teilnehmer zur Verfügung gestellt. Als zweites gab es das Studio mit seiner technischen Ausrüstung, das sich einerseits an die Webseite und andererseits in unsere Webex-Sessions ankoppeln musste. Und der dritte wichtige Punkt war die Integration der Teilnehmer. Wir mussten u.a. klären, wie die Teilnehmer Fragen stellen konnten und wie der Chat auf der Webseite abgebildet und mit dem Studio und der Breakout- beziehungsweise der großen Fishbowl-Session in Webex verknüpft werden konnte.
Wir sind mit den Moderatorinnen genau durchgegangen, was sie wann ansagen sollten. Obwohl wir eine Anleitung geschrieben und zur Verfügung gestellt hatten, war es notwendig, dass anmoderiert wurde, was die Teilnehmer zu tun hatten, denn wir mussten damit rechnen, dass nicht jeder vor dem Start der Konferenz unsere Hinweise gelesen hatte.
Im Vorfeld fanden Trainings mit allen Beteiligten statt. Wie lief das ab?
Die Vorbereitungsmeetings mit bis zu einem Dutzend Mitwirkenden waren sehr umfangreich. Es fanden mehrere Übungen statt. Es existierten die sechs Arbeitsgruppen, die wir nicht alle technisch betreuen konnten, weil sie ja parallel liefen. Deshalb gab es in jeder Gruppe neben einem Moderator für den inhaltlichen Teil auch einen technischen Ansprechpartner. Für die Verantwortlichen der Technik haben wir Anleitungen und Dokumentationen geschrieben. Wir haben mit ihnen in mehreren Sessions trainiert, was zu tun ist, damit innerhalb der Gruppensitzungen die Teilnehmer zum Beispiel mit einem Whiteboard arbeiten und untereinander chatten konnten. Und mit der Agentur und den Moderatorinnen im Studio haben wir jedes Detail vom Ablauf durchgesprochen.
Hat es eine Generalprobe gegeben?
Weil das Programm die ganze Zeit in Bewegung war, konnten wir erst zwei Tage vor der Veranstaltung einen kompletten Durchlauf proben. In diesem größeren Rahmen tauchten plötzlich Probleme mit Lizenzen auf, die es bei einzelnen Tests nicht gegeben hatte, doch das hatten wir schnell im Griff.
Wie sah der Support von ComConsult während der Konferenz aus?
Es gab immer wieder Teilnehmer, die unsere technische Anleitung nicht gelesen hatten und die wir per E-Mail und Chat supportet haben, damit sie an den Sessions teilnehmen konnten. Besonders zu bestimmten Zeiten, wenn die Teilnehmer von einer größeren Runde in eine kleinere wechseln wollten oder andersherum, brauchten einige Benutzer unsere Unterstützung. Insgesamt jedoch ist der Kongress unproblematisch abgelaufen.
Wie unterscheiden sich die technischen Möglichkeiten von heute zum Stand von 2020?
Inzwischen wurden die technischen Möglichkeiten der Plattformen stark erweitert. Gerade im Seminar- und Eventbereich haben die großen Lösungen wie Zoom und Webex, doch auch die eigentlich eher Meeting-orientierten Plattformen viele neue Funktionen hinzugefügt, die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung dieser Veranstaltungen nativ unterstützen. Gleichzeitig sind etliche neue Plattformen hinzugekommen, sodass wir inzwischen aus einem großen Angebot von Anbietern auswählen können und deutlich mehr Spielraum bei der Planung der Formate haben.
Worauf ist für den reibungslosen Ablauf einer virtuellen Konferenz besonders zu achten?
Die meisten Anbieter legen schon seit Langem erhöhten Fokus auf die Bedienbarkeit ihrer Lösungen. Wer schon einmal erlebt hat, wie ein Organisator an seiner Technik gescheitert ist, weiß warum. Jedoch lässt sich bei einem wachsenden Funktionsumfang eine gewisse Komplexität für den Anwender nicht vermeiden.
Je komplexer der organisatorische Aufbau einer Veranstaltung ist, umso fehleranfälliger sind die Technik und der Ablauf und umso höher ist die Notwendigkeit, dass die Anwender und Veranstalter ein Gefühl für die Möglichkeiten und Grenzen und die Bedienung der Technik bekommen. Deshalb ist es absolut wichtig, eine ausreichende Anzahl an Proben durchzuführen und sie auch frühzeitig zu planen. Es gibt immer Aspekte, die man nicht bedacht hat. Ich kann nur sagen, dass keine der vielen Proben, die wir gemacht haben, überflüssig gewesen wäre.