Viele von Ihnen kennen meine Leidenschaft für altes Elektronik-Equipment, insbesondere Messtechnik. Dazu passend fiel mir kürzlich ein altes Oszilloskop in die Hände, das im Keller der ComConsult verstaubte. Ein Gerät aus der Anfangszeit des Unternehmens, den 80ern. Tektronix 2465A, damals allererste Sahne. Grenzfrequenz 350 MHz! Analoge Anzeige auf einer herkömmlichen Bildröhre, aber bereits computergesteuert und mit digitaler Einblendung von Einstell- und Messwerten.
Ich konnte es nicht lassen, habe es an den heimischen Stelltrafo angeschlossen und die Spannung langsam hochgefahren. Und siehe da, es erwachte, zeigte sogar sinnvolle Werte an. Nach 10 Minuten dann: Zisch! Qualm! Stink – oh je…
Also habe ich das Gerät geöffnet und erst einmal das Netzteil ausgebaut. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie verbaut man so ein Gerät konstruieren kann: Wo gerade Platz ist, kommt noch schnell eine Platine hin und wird dann irgendwo verschraubt, wo gerade ein Loch ist. Steckverbinder von allen Seiten, Flachbandkabel an Platinen vorbeigequetscht, Kraut und Rüben (Anmerkung: Das konnten die meisten europäischen Ingenieure jener Zeit besser).
Auf der Netzeil-Platine bot sich mir dann der Anblick der Abbildung 1 dar. Ich wusste gar nicht, dass es die sogenannten RIFA-Knallfrösche bis in die USA geschafft haben. Man findet sie gerne in Unterhaltungselektronik der 70er, vornehmlich aus dem Schwarzwald (z.B. Dual). Immerhin haben die amerikanischen Ingenieure einen Widerstand davorgesetzt, so konnte es nicht knallen, nur qualmen.
Die Reparatur war ruckzuck erledigt. Abbildung 2 zeigt die Reste, Abbildung 3 das Ergebnis. Derlei Entstörkondensatoren sollte man in der Bastelkiste haben; heute sind sie zum Glück nicht mehr von RIFA.
Was lehrt uns diese Aktion? Elektronische Geräte lassen sich über das projektierte Lebensende hinaus betreiben. Auch nach 35 Jahren ist dieses Gerät nicht obsolet. Es kann sich immer noch mit aktuellen Oszilloskopen messen lassen. Sicher, es wiegt etwa 10mal so viel wie mein modernes Oszi aus chinesischer Fertigung, und zudem stehen noch Wartungsarbeiten an, wie z.B. der Austausch der Speicher-Batterie oder ein Neuabgleich.
Leider wirkt diese Erkenntnis den Interessen der Hersteller entgegen. Die „Obsoleszenz“ scheint inzwischen ein wichtiges Mittel zur Vermarktung neuer Produkte zu sein.
Damals war das offensichtlich noch anders: Die Firma Tektronix bietet heute – nach 35 Jahren – auf seiner Website ein vollständiges Service Manual inkl. Abgleichanleitung und Schaltplänen (!) zum Download an. Für meinen ca. 15 Jahre jüngeren Spektrum-Analysator von Rohde & Schwarz gibt es so etwas schon nicht mehr. Auf meine Anfrage teilte man mir mit, Reparaturen führe man nur noch mittels Tauschs von Baugruppen durch (welch eine Verschwendung von Ressourcen!). Die für einen Abgleich benötigte Software wolle man mir nicht aushändigen, sie existiere bei R&S nicht mehr (?!).
Sie kennen das Prinzip von IT-Komponenten. Irgendwann verkündet der Hersteller ein „End of Life“ (EoL) und macht uns glauben, dass mit Ablauf dieses Datums die Geräte ihren Betrieb einstellen werden. Und so sind wir gewohnt, immer rechtzeitig neue Komponenten zu bestellen. Sicher, bei vielen Geräten ist das nötig, weil regelmäßige Software-Updates eine Voraussetzung für sichere IT sind. Aber gilt das wirklich für alle Komponenten? Und hängt es nicht vielmehr auch von Einsatzort und -art einer Komponente ab?