aus dem Netzwerk Insider Dezember 2023
Am Wochenende habe ich mich seit längerer Zeit mal wieder mit der Konfiguration meiner TETRA-Handfunkgeräte beschäftigt. TETRA – Sie erinnern sich – steht für „Terrestrial Trunked Radio“ und wird in Deutschland vor allen bei den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) genutzt, doch auch in verschiedenen anderen Organisationen. Funkamateure beschäftigen sich ebenfalls mit dieser Technik; ich gehöre dazu. TETRA wurde in den 90ern spezifiziert. Es ist erkennbar an den 2G-Mobilfunk angelehnt, der bekanntlich auch aus dieser Zeit stammt.
Mobilfunk-typisch handelt es sich um ein komplexes Verfahren. Alleine die Konfiguration eines einfachen Handfunkgeräts ist ohne Spezialwissen nicht zu bewerkstelligen. Die Customer Programming Software (CPS) enthält hunderte Parameter, die sich modifizieren lassen. Dank einer illustrierten Anleitung aus Amateurfunkkreisen konnte ich die ca. 20 Parameter finden, die tatsächlich anzupassen waren. Hätte ich an der falschen Stelle etwas geändert, wäre das Funkgerät vielleicht zu einem Stein geworden; neudeutsch: ich hätte es „gebrickt“.
Warum erzähle ich Ihnen das? Zum einen sollten Sie sich eine einfachere Funktechnik aussuchen, wenn Sie je digitalen Betriebsfunk einführen wollen. Schauen Sie sich z.B. Digital Mobile Radio (DMR) an, das ist einfacher zu verstehen, und überdies in einiger Hinsicht besser. Zum anderen könnten Sie in dasselbe Problem laufen, wenn Sie jemals ihr eigenes 5G-Mobilfunknetz aufbauen und betreiben wollen.
Wie bereits gesagt steckt hinter dem Mobilfunk eine komplexe Technik. Bisher war dies die Domäne der großen Provider. Diese Unternehmen haben jahrzehntelang Personal mit Erfahrung aufgebaut, wie man Mobilfunknetze plant, aufbaut und betreibt. Entsprechende Management Tools waren auf die Bedürfnisse der Spezialisten angepasst, die sie bedienten.
Mit privaten 5G-Mobilfunknetzen öffnet sich die Technik nun einem Massenmarkt. Zugegeben, dieser Begriff scheint in diesem Zusammenhang ein wenig übertrieben zu sein. Dennoch sehen wir bei unseren Kunden die Herausforderungen des Massenmarkts: Auch weniger erfahrenes Personal ist in die Lage zu versetzen, eine komplexe Technik zu beherrschen. Damit kommt den Management Tools eine zusätzliche Aufgabe zu. Sie müssen zwischen komplexer Technik und menschlichen Anwendern vermitteln.
Beim Massenmarkt WLAN kennen wir das schon lange. Sogar Ihr Chef schafft es, seinen heimischen WLAN-Router innerhalb von Minuten zum Laufen zu bringen – der „Einrichtungs-Assistent“ weiß, wie´s geht. Ihre großen WLAN-Managementsysteme unterstützen Sie in ähnlicher Weise. Verschiedenste Templates geben sinnvolle Werte vor. Sie brauchen sich in der Regel nicht um Details des Radio Resource Management zu kümmern; Access Points fassen Sie in Gruppen zusammen und wenden darauf eine einheitliche Konfiguration an. Es werden Ihnen noch mehr Beispiele dazu einfallen.
Inzwischen verkaufen Ihnen die Hersteller sogar Management Tools mit künstlicher Intelligenz (als wenn Ihre natürliche Intelligenz zu deren Bedienung nicht ausreichte). Ich habe mich gefragt, was KI in diesem Zusammenhang bedeutet. Unsere WLAN-Planungssoftware beispielsweise trägt in der aktuellen Version den Zusatz „KI“ im Namen. Mit KI soll das automatische Platzieren von Access Points im Rahmen der WLAN-Simulation verbessert werden. Und ehrlich, ich erkenne den Unterschied nicht. Mag sein, dass im Hintergrund ein neuer Algorithmus werkelt, der zuvor mit zigtausenden erfolgreichen WLAN-Simulationen angelernt wurde. Das Ergebnis ist leider ebenso verbesserungswürdig, wie beim alten Algorithmus ohne KI.
Zu diesem Thema konnte ich dieser Tage mit Vertretern eines WLAN-Ausrüsters diskutieren, der eine cloudbasierte Lösung zum WLAN-Management bewirbt. Die Cloud kennt naturgemäß die Betriebsdaten aller WLANs seiner Mandanten. Auf dieser Basis haben sie eine KI entwickelt. Ich wollte wissen, welche Elemente der Konfiguration und Betrieb davon im Einzelnen profitieren. Leider wussten die Herren dazu nicht allzu viel zu sagen. Am Ende waren wir uns jedoch darüber einig, dass KI mindestens bei der Klassifizierung von Incidents helfen könnte.
Erkennt das WLAN-Management eine Unregelmäßigkeit, erzeugt es eine Meldung und weist dieser einen Schweregrad zu. Woher will nun dessen KI wissen, wie schwer der Ausfall eines APs in meiner Umgebung wiegt? Einerseits hängt es von den Eigenheiten der WLAN-Infrastruktur ab, die das WLAN-Management kennt. Andererseits hängt es davon ab, was ich mit dem WLAN mache, und das weiß das Management nicht. Ich könnte die KI also dadurch trainieren, dass ich bei jedem gemeldeten Incident den vorgeschlagenen Schweregrad berichtige. Nach und nach stellt die KI sich auf meine spezifische Umgebung ein.
So ähnlich könnte es auch bei der sogenannten Root Cause Analysis gehen. Auch dabei ist das Wissen um die Umgebung wichtig. Eine KI könnte letztlich einen Teil des Customizing der Management-Lösung übernehmen, dessen Aufwand bekanntlich um ein Vielfaches höher ist als die Beschaffung der Lösung.
Zurück zum Mobilfunk. Dort beginnt man gerade erst, sich über die Bedeutung der Management Tools bewusst zu werden. Bei einigen Herstellern fanden wir bereits erste Beispiele für Templates und Assistenten. Vor allem die kleineren Hersteller, die eher den Enterprise-Markt im Blick haben als die Provider, stimmen hoffnungsvoll.
Behalten Sie also die Management Tools im Blick, wenn Sie sich für den Einsatz neuer und komplexer Technik entscheiden!