aus dem Netzwerk Insider Oktober 2021
Neulich wurde ich gefragt, was sich denn hinter „Wi-Fi Mesh“ verberge und was das Besondere daran sei. Neuerdings böten Hersteller aus dem Consumer-Bereich Geräte mit diesem Feature an. Dazu musste ich dann tatsächlich erst einmal recherchieren, kannte ich doch bisher nur das Mesh-WLAN, wie es im IEEE-Standard definiert ist. Bei der Recherche stieß ich auf den Artikel in [1], dessen Überschrift mir so gut gefiel, dass ich mich ihrer bedient habe.
Lassen Sie uns also zunächst in den IEEE-Standard für Mesh-WLAN hineinschauen. Er wurde als Anhang („Amendment“) IEEE 802.11s vor ziemlich genau 10 Jahren veröffentlicht.
Das Amendment beschreibt, wie sich WLAN Access Points (APs) untereinander vernetzen bzw. vermaschen können, daher der Begriff „Mesh“. APs sind nicht mit Kabeln verbunden, sondern über die Luftschnittstelle. Innerhalb des Mesh können (Layer-2)-Pakete von jedem AP zu einem beliebigen anderen AP übertragen werden. Sofern keine direkte Verbindung zwischen den kommunizierenden APs besteht, übernehmen dazwischenliegende APs die Vermittlerrolle. Anders ausgedrückt ist das Mesh eine Wolke von WLAN-APs.
Das Routing, die Wegewahl durch diese Wolke, erfolgt mithilfe eines eigens dafür spezifizierten Routing-Protokolls. Das Hybrid Wireless Mesh Protocol (HWMP) basiert auf dem Ad-Hoc On-demand Distance Vector Protocol (AODV) gemäß RFC 3561, das auf die Verwendung von MAC-Adressen anstelle von IP-Adressen angepasst wurde.
IEEE 802.11s sieht überdies eine Absicherung der Kommunikation innerhalb des Mesh vor. Hierfür wurde Simultaneous Authentication of Equals (SAE) spezifiziert. Dieses Verfahren kennen Sie vielleicht von WPA3, wo es als Ersatz für die eher unsicheren Pre-shared Keys eingesetzt wird.
Wozu nun das Ganze? Letztlich stellt das Mesh ein alternatives Trägermedium zum Aufbau einer WLAN-Infrastruktur dar. Access Points vermaschen sich über diesen sogenannten „Backhaul“ untereinander und strahlen über ein zweites Radio ein WLAN für mobile Endgeräte ab. Die Anbindung des vermaschten Backhaul an die drahtgebundene Welt übernehmen APs am Rande, die sogenannten „Mesh Gates“.
Letztlich bieten alle Hersteller von Enterprise WLAN ebenfalls die Möglichkeit zum Aufbau eines Mesh an. Das Management der Mesh-APs erfolgt über dieselben Werkzeuge wie die der drahtgebundenen, also in der Regel über einen WLAN-Controller oder ein Cloud Management. Inwieweit die Hersteller im Backhaul tatsächlich das in IEEE 802.11s vorgeschlagene HWMP umsetzen oder stattdessen proprietäre Verfahren verwenden, entzieht sich meiner Kenntnis. Dasselbe gilt für die Absicherung mittels SAE.
Sie sehen: Mesh ist eigentlich ein alter Hut. Meine Kollegen und ich haben es verschiedentlich für Kunden, etwa zur Versorgung großer Freiflächen, konfiguriert,. Eigentlich gibt es das auch für den eigenen Haushalt schon lange. Hier hat man es allerdings weniger hochtrabend als „WLAN Repeater“ bezeichnet. Der Repeater empfängt die Pakete des Benutzer-WLANs und sendet sie auf demselben Kanal wieder aus. Einen separaten Backhaul gibt es mit Repeatern nicht. Ebenso ist die Vermaschung mehrerer Repeater meist nicht vorgesehen.
Was nun ist „Wi-Fi Mesh“? Die Hersteller von Enterprise Equipment sehen es wie das IEEE. Im Consumer-Bereich findet man vor allem Hochglanzfotos. Weitere Informationen sind oft nur indirekt zu finden. Ein guter Startpunkt war mir der Artikel in [1] aus dem Jahr 2017, dessen Überschrift ich zitiert habe. Weitere Informationen ließen sich durch Studium von Anleitungen und FAQ-Sammlungen der Hersteller erhalten. Hier einige meiner Erkenntnisse:
- Hersteller bewerben das eigentlich selbstverständliche Feature, dass alle APs im Mesh denselben SSID abstrahlen, damit ein Handover für Endgeräte möglich wird.
- Es gibt sogar die Variante, dass alle APs auf demselben Kanal arbeiten, wodurch ein Handover für den Client transparent wird.
- Es wird in der Regel ein zentrales Management für alle Komponenten im Mesh angeboten. Dies ist entweder eine Web-Oberfläche oder eine Smartphone-App. Am besten gefiel mir der Werbespruch eines Herstellers: „Sie sind vielleicht kein Tech-Guru, aber die Soundso-App wird Ihnen das Gefühl geben, einer zu sein“.
- Der Backhaul wird im 5- oder gar im 6-GHz-Band mit hoher Bitrate realisiert. Einige Hersteller bieten dafür inzwischen 3-Band-APs an.
- Das Handover wird oft durch Radio Resource Management (IEEE 802.11k) in Verbindung mit Assisted Roaming (IEEE 802.11v) unterstützt.
- Das Routing im Mesh-Backhaul findet meist dynamisch statt. Ob hierfür HWMP implementiert wurde, war nicht herauszufinden.
- Komponenten unterschiedlicher Hersteller sind nicht kompatibel zueinander.
- Der Backhaul lässt sich ebenfalls mittels Power Line Communication, d.h. über die Stromversorgung realisieren. Auch eine Ethernet-Anbindung mehrerer APs an einen Switch wird gern als Backhaul bezeichnet.
Fazit
Mesh-WLAN ist inzwischen im Consumer-Umfeld angekommen. Es wird als einfache Lösung zur Verbesserung der WLAN-Ausleuchtung angepriesen. Eines versuchen aber alle Anbieter unter den Tisch zu kehren: Mesh-WLAN hat grundsätzlich ein Performance-Problem! Mit einem „Hop“ ist die Sache noch erträglich. Sobald aber die Verbindung des Mesh-AP zum Mesh-Gate über weitere Mesh-APs führt, wird es erfahrungsgemäß schlecht.
Es bleibt dabei: Am besten ist es, Sie verlegen Ethernet-Kabel zu allen Ihren APs!
Verweis
[1]: https://www.ip-insider.de/ist-wifi-mesh-besser-als-wlan-a-633074/