Wenn man wissen will, wohin die Reise geht, ist es immer wichtig zu wissen, woher man kommt. Es wird deshalb im Folgenden erst die bisherige Entwicklung beschrieben und dann auf die relevanten Bereiche eingegangen, die die neuen Entwicklungen maßgeblich beeinflussen.
Diese umfassen sowohl neue Dienste sowie neue Techniken auf der Basis von WLAN in Verbindung mit Sensoren und Aktoren, die massiv zunehmen werden. Das Internet of Things (IoT) hält Einzug in moderne Gebäude und immer mehr Geräte kommunizieren miteinander auf unterschiedlichen Wegen. Es entwickeln sich neue Anwendungen wie Indoor-Navigation, Asset-Tracking und Präsenzmeldesysteme. Auch die Stromversorgung mittels Power-over-Ethernet (PoE) oder Funkdienste jenseits von klassischem WLAN begegnen uns bei der Planung moderner Gebäude immer öfter. Die technischen Anforderungen an einen modernen Arbeitsplatz verändern sich. Was dies für die IT-Infrastruktur grundsätzlich bedeutet, wird erläutert. Der Aspekt der Cyber-Security wird beleuchtet. Abschließend wird ein Fazit auf Grundlage der bisher gewonnenen Erfahrungen gezogen.
Historie und aktuelle Situation
Die Anforderungen an die IT-Infrastruktur eines Gebäudes sind in den letzten 30 Jahren stetig gewachsen. Rückblickend waren die Anforderungen an das Netz vor 30 Jahren verschwindend gering. Einige MegaByte an Traffic, verursacht durch eine Handvoll E-Mails und einige Druckaufträge und Faxe waren die Hauptlast, die ein Netz in den 90ern bewältigen musste. Im neuen Jahrtausend wuchs die Anforderung an das Netz drastisch und es wurde vermehrt kommuniziert, die ersten Collaboration-Tools wie SharePoint kamen auf und auch die Produktionsumgebungen stellten vermehrt Anforderungen an das Netz. Auch die Telefonie wurde vielerorts auf IP umgestellt. Das Datenvolumen wuchs in kurzer Zeit auf viele GigaByte pro Tag an.
Wenn man sich heute die Anforderungen an ein modernes Gebäudenetz anschaut, sind die Ansprüche noch einmal drastisch gewachsen. Es drängen viele Technologien ins Netz, die man vor ein paar Jahren noch für unvorstellbar gehalten hat. Wer hätte damit gerechnet, dass der Teppich eine IP-Adresse benötigt? Ebenso wird die Kaffeemaschine in das Netz integriert. Das ist heute Realität und entsprechende Produkte wie Luminous-Carpets sind am Markt. Dies erfordert neue Organisationsstrukturen, denn wer ist denn für den elektronischen Teppich zuständig? Ist das ein Aufgabenbereich der IT oder der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA)? Wer kontrolliert die Sicherheit der Kaffeemaschine mit den entsprechenden Abrechnungen, da man den Kaffee direkt mit dem Gehalt verrechnet? Egal wer dafür zuständig ist: Man muss sich darauf gefasst machen, dass man gefragt wird, ob denn das neueste Update für den Teppich schon installiert wurde und was die Kamera der Kaffeemaschine aufnimmt (Hallo Hans, möchtest Du wie immer einen Espresso?). Auch die Anforderungen der Medientechnik an das IT-Netz des Hauses steigen ständig. Die Anforderung ein 4k-Display per Funkdienst anzusprechen kommt immer häufiger in aktuellen Planungen vor. Es muss allen Beteiligten klar werden, dass die Medientechnik ein wesentlicher integraler Bestandteil der Planung einer Gebäudeinfrastruktur ist. Die hieraus resultierenden Anforderungen sind gravierend.
Viele neue Dienste für ein Gebäude werden zukünftig aus der Cloud bezogen werden (siehe Abbildung 1). Auch wenn hier die Auffassung des Begriffs „Cloud“ oft unterschiedlich interpretiert wird, stellt dies aber auch zusätzliche Anforderungen an die Infrastruktur und die Internetanbindung, die von der IT berücksichtigt werden müssen. Wetterberichte zur Steuerung der Temperatur, Aufzugsdienste, Management des Parkraums, Buchung von Arbeitsplätzen, Catering usw. sind Dienstleistungen von externen Dienstleistern, die alle über externe Rechenzentren in das Gebäude eingesteuert werden. Entsprechend sind die notwendigen Schnittstellen herzustellen und abzusichern.
Abbildung 1: Entwicklung von lokalen Netzen in einem modernen Gebäude
Aktuell definiert die DIN EN ISO 16484-2 drei Ebenen der Gebäudeautomation. Dies sind die Leitebene, die Automationsebene und die Feldebene. Und insbesondere in letzterer kann man aktuell viele Neuerungen beobachten. Fast täglich erscheinen neue Sensoren oder Aktoren auf dem Markt (und verschwinden auch wieder), so dass man nur schwer einen Überblick behalten kann. Aber auch in der Automationsebene ist Bewegung. Immer mehr DDCs werden mit lokaler „Intelligenz“ ausgestattet, die eine Konfiguration oder Vorverarbeitung der Sensordaten ermöglichen soll. Die digitale Transformation der Immobilienbranche hat gerade erst begonnen und hat im direkten Vergleich zur IT eine Menge aufzuholen. Die zunehmende Digitalisierung der Gebäude ermöglicht die virtuelle Abbildung, den sogenannten „Digitalen Zwilling“ des Gebäudes, der den Betreiber in die Lage versetzt den Status der einzelnen Komponenten in Echtzeit zu analysieren und zeitnah darauf zu reagieren. Bei Neubauten kann dies schon ab der Planungsphase durch Building Information Modeling (BIM) unterstützt werden. Die Vision ist, dass man das Gebäude vor der Fertigstellung virtuell in Betrieb nehmen kann und auch während der Nutzung Änderungen an Komponenten am virtuellen Modell testet, bevor man sie im realen Gebäude ausrollt.
Investoren sagen der Property Technology (PropTech)-Branche gewaltige Wachstumschancen voraus. Aus diesem Grund sprießen aktuell PropTech-Startups wie Pilze aus dem Boden. Man versucht neue Nutzungs- und Bewirtschaftungskonzepte zu finden und die alten Geschäftsmodelle zu modernisieren.
Wir schaffen einen ersten Einblick in die kommenden Anforderungen dieser Technologien an das Netz der Gebäude der Zukunft. Denn eins ist sicher, alle diese Technologien beruhen darauf, dass sie untereinander kommunizieren. Ohne eine durchgängige Kommunikation ist Alles Nichts.
Indoor-Navigation, Asset-Tracking und Präsenzmelder
Eine immer häufiger gestellte Anforderung an ein neues Gebäude stellt die Indoor-Navigation oder das Asset-Tracking dar (siehe Abbildung 2). Dies hat den einfachen Grund, dass der Nutzen leicht nachvollziehbar ist und die Einrichtung verhältnismäßig günstig ist. Es lässt sich je nach Technologie auch einfach in Bestandsbauten realisieren. Bei Office-Standorten ist auch oftmals die Kombination mit einem System zur Präsenzmeldung sinnvoll. Die gängigsten Methoden zur Indoor-Navigation basieren auf Bluetooth-Beacons (Lesen Sie hierzu auch den Artikel „Bluetooth-Beacons nutzen und planen“ aus dem Netzwerk Insider August 2018) oder WLAN bzw. einer Kombination der beiden Technologien.
Abbildung 2: Grundlegende Funktion der Indoor-Navigation und des Asset-Trackings
Bei der Indoor-Navigation orientiert sich der Client an den Funksignalen aus der Umgebung. Dabei muss der Sender nicht einmal wissen, ob das Signal überhaupt empfangen wird. Der Client kennt die Position der Sender (z.B.: Beacons) und kann mittels Trilateration die eigene Position bestimmen. Clients nutzen hierzu oft noch weitere Sensordaten, meist Daten des Gyroskop Sensors aus dem mobilen Endgerät.
Beim Asset-Tracking befindet sich der Sensor an dem zu verfolgenden Gerät. Hierzu gibt es eine Vielzahl kleiner, batteriegestützter Sender. Auch hier gilt wiederum, dass der Sender nicht weiß, ob er empfangen wurde. Ein typisches Szenario ist beispielsweise das Verfolgen von Betten und OP-Wagen in einem Krankenhaus oder Packstücke in der Logistik. Hierzu muss die Infrastruktur der Umgebung in der Lage sein das Signal zu empfangen und zu verarbeiten. Diese Möglichkeit bieten bereits viele WLAN-Hersteller. Meist sind auch die Access-Point in der Lage Bluetooth Low Energie (BLE) zu senden und zu empfangen.
Für den einzelnen Nutzer kann auch die Kombination von Tracking und Navigation interessant sein, beispielsweise bei einer interaktiven Museumsführung oder einem Messebesuch. Das System kann dem Nutzer Informationen zum aktuellen Standort liefern und gleichzeitig die Route zur nächsten Station planen.
Ergänzend hierzu wird die Verwendung von Präsenzmeldern immer häufiger zum Thema. Bei vielen modernen Bürokonzepten hat der Mitarbeiter nicht mehr einen festen Arbeitsplatz, sondern arbeitet je nach Thema oder persönlicher Präferenz an unterschiedlichen Plätzen. Gerade in Shared-Desk-Umgebungen werden daher Präsenzmelder zunehmend häufiger eingesetzt. Auch ein reservierter Meetingraum, kann so bei Nichtbenutzung wieder freigegeben werden. Und ein Meetingraum der nicht genutzt wurde, muss auch nicht gereinigt werden. Dies sind wertvolle Informationen, die dem Betreiber Auskunft darüber geben können wie das Gebäude überhaupt genutzt wird. Er kann so erkennen, wo Flächen oder Ressourcen anderweitig eingesetzt werden können.
Hiervon verspricht man sich eine höhere Rendite bei der Nutzung eines modernen Bürogebäudes, da man erwartet, durch digitale Dienste höhere Mieteinnahmen und geringere Betriebskosten zu erzielen.
Als Resultat kann man festhalten, dass durch einfache Ergänzung der bisher üblichen Ausrüstung eine Vielzahl von neuen Anwendungen erdacht werden können. Es ist aber zunächst notwendig, die erforderliche Basisinfrastruktur in das Gebäude einzubringen.
Arbeitsplatz der Zukunft
Die Anforderungen an einen modernen Arbeitsplatz haben sich in den letzten 20 Jahren stark gewandelt. Heute gibt es oftmals wenige bis keine festen Geräte am Arbeitsplatz. Der Anwender nutzt meist ein Laptop mit Dockingstation und kann auch einen anderen Schreibtisch damit nutzen. Es gibt flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Regelungen. Da im Büroumfeld nahezu ausschließlich digital gearbeitet wird, ist dies auch sinnvoll und beeinträchtigt nicht die Arbeitsleistung. Dank des technologischen Fortschritts sind virtuelle Meetings heute in einer sehr guten Qualität von nahezu jedem Ort aus möglich und die eingesparte Zeit und Reisekosten wiegen in den allermeisten Fällen die Vorteile des persönlichen Meetings auf. Natürlich kann man nicht vollständig auf echte Meetings verzichten, aber sie lassen sich durch eine gute Infrastruktur stark reduzieren.
Generell ist die Frage zu stellen, ob man in Zukunft noch einen richtigen Computer mit hoher Rechenleistung benötigt, oder nicht vielleicht das Smartphone zum „Superdevice“ wird, dass alle Anforderungen erfüllt. Natürlich kann man nicht an dem kleinen Bildschirm eines Smartphones arbeiten, aber die Rechenleistung eines modernen Telefons reicht auch heute schon für nahezu alle Bürotätigkeiten aus. Die ersten Geräte dazu sind bereits im Handel, kranken aber noch an schlechter Softwareunterstützung.
Ein anderer Weg, den wir bei einigen unserer Projekte sehen, ist die komplette Virtualisierung der Arbeitsumgebung und ein „Streaming“ des Arbeitsplatzes. Damit ist man nicht mehr vom Endgerät abhängig, sondern benötigt nur noch einen Browser und eine ausreichende Internet-anbindung. Vor zehn Jahren erschien die Idee, das Fernsehprogramm komplett über das Internet zu beziehen, noch wie Science-Fiction. Heute kann man selbst in den ländlichen Gegenden Video-on-Demand-Dienste wie Netflix in sehr guter Qualität mit 4k-HDR-Videostream und Dolby-Atmos-Tonspur konsumieren.
Jetzt mag man einwenden, dass ein linearer Videostream etwas anderes als ein interaktiver Arbeitsplatz ist. Das stimmt, aber auch anspruchsvolle Inhalte lassen sich mittlerweile extern berechnen und mit erträglicher Latenz zum Endanwender bringen. Nvidia bietet den Dienst Geforce Now [1] als Beta-Version an. Dabei werden anspruchsvolle 3D-Spiele im Nvidia-Rechenzentrum berechnet und zum Endkunden übertragen. Der Client überträgt wiederum die Eingaben des Nutzers an das Rechenzentrum. Ein ähnliches Produkt bietet auch Sony mit Playstation Now [2], das es ermöglicht, hunderte von Spielen auf die heimische Playstation 4 zu streamen. Die Aufgabe, dass ein anspruchsvoller Arbeitsplatz in ausreichender Qualität als Videostream nutzbar ist, scheint also möglich und wird vielerorts bereits genutzt.
Dies führt direkt zur nächsten Frage: Wie sollte ein solcher Arbeitsplatz IT-technisch angebunden sein? Kabellos über schnelles WLAN? Oder vielleicht über Kabel und Power-over-Ethernet?
Power-over-Ethernet
Dank des neuen Standards IEEE 802.3bt [3] stehen, demnächst mehr als 70 Watt über das Ethernet-Kabel zur Verfügung. Dies sollte für einen Büro-PC samt Bildschirm ausreichend sein. Der Laptop, an dem dieser Artikel geschrieben wird, verfügt über ein 45 Watt-Netzteil, das vermutlich etwas überdimensioniert ist. Ein moderner LED-Monitor mit 27 Zoll-Bildschirmdiagonale kommt schon jetzt mit weniger als 30 Watt aus. Somit sollten 70 Watt für die überwiegende Zahl der Arbeitsplätze ausreichen. Selbstverständlich benötigt man den klassischen 230V-Anschluss im Druckerraum oder in regelmäßigen Abständen Service-Steckdosen, denn der PoE Drucker oder Staubsauger wird noch etwas auf sich warten lassen. Access-Points, IP-Telefone, Video-Kameras, Lesegeräte für den Zugang und Anzeige-Geräte an den Besprechungsräumen sind auch heute schon fast ausschließlich über PoE angebunden. Eine Technologie, die sich hier bereits bewährt hat.
Dennoch hat der vermehrte Einsatz von PoE-Komponenten Auswirkungen auf die passive und aktive Infrastrukturplanung. Die Differenz zwischen Einspeise- und Entnahmeleistung kann nahezu 20 Watt pro Kabel betragen (siehe Tabelle 1). Dieser Verlust führt zu einer nicht zu vernachlässigenden Erwärmung der Kabel, sofern diese nicht die entsprechende Qualität betragen.
Tabelle 1: Übersicht über die unterschiedlichen PoE Klassen [5]
Die Metz Connect GmbH hat unterschiedliche Kabelqualitäten im Hunderterbündel untersucht [4] und festgestellt, dass zwischen einem Bündel Cat 7a AWG22 und Cat 5 der Temperaturanstieg um bis zu 25°C Differenz betragen kann. Dabei erreicht der Temperaturanstieg im Cat 5-Kabel bis zu 40°C über Umgebungstemperatur. Somit sind Kerntemperaturen von über 70°C im Sommer möglich. Dies ist natürlich der ungünstigste Fall, der theoretisch eintreten kann. In der Praxis wird es wohl keinen Fall geben, bei dem auf allen Kabeln die maximale Leistung anfällt. Dennoch können solche Kabelbündel die Brandlast erhöhen und sollten bei der Planung berücksichtigt werden.
Aber neben den Kabeln gibt es weitere Randbedingungen für die flächendeckende Nutzung von PoE. Trotz eines guten Wirkungsgrads der Switch-Netzteile fällt in den Etagenverteilern mehr Abwärme an, die abgeführt werden muss. Dies ist in Bestandsbauten teilweise nicht realisierbar, da eine Nachrüstung der Klimatisierung mit umfangreichen Umbauten verbunden ist, deren Kosten den Nutzen übersteigen.
In einigen Projekten wurde in der Vergangenheit auch Beleuchtung über PoE realisiert. Die Hersteller bringen zurzeit eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungen auf den Markt. Dabei geht es aber nicht nur um die Beleuchtung, sondern auch um weitere Sensorik, die in den Lampen verbaut ist und dem Betreiber Rückmeldung über den Status der Räumlichkeiten gibt. So kann bei steigendem CO2-Gehalt die Belüftung gesteigert werden oder bei einem leeren Raum das Licht automatisch abgeschaltet werden. Ein CAD Arbeitsplatz, der nach DIN EN 12464-1 mit 500 Lux zu beleuchten ist, kann mithilfe der verbauten Sensoren diese Beleuchtungsstärke in Abhängigkeit von der Umgebungsbeleuchtung erreichen. Dies geht auch mit bisherigen Lösungen über externe Sensoren und Dimmer, aber PoE-Beleuchtungen sind für den Endanwender in der Regel einfacher zu konfigurieren. Der Bereich „Smart-Lighting“ kommt gerade erst auf und verspricht die Beleuchtung in Office-Umgebungen stark zu verändern.