aus dem Netzwerk Insider September 2023
In Deutschlands Büros herrscht gähnende Leere, die Arbeitsplätze sind verwaist, die Besprechungsräume ungenutzt. Schuld ist der Wandel in der Arbeitswelt nach der Corona-Pandemie: Der Leerstand von Büroflächen nimmt zu, weil immer mehr Menschen mobil arbeiten und dafür seltener ins Büro kommen. Die sinkende Nachfrage drückt auf die Mieten. Gleichzeitig verändert New Work die Anforderungen an die Büroflächen.
Hartmut Kell ist Leiter des ComConsult Competence Centers IT-Infrastrukturen. Er wurde von einem Versicherungsunternehmen damit beauftragt, die IT-Verkabelung seines in Zukunft größtenteils leer stehenden Bürogebäudes zwecks Vermietung zu prüfen.
Aus welchen Gründen brauchen Unternehmensgebäude eine neue IT-Verkabelung?
Bei einem Neubau wird in der Regel eine neue Verkabelung gebraucht. Manchmal gibt es den Wunsch nach einer kabellosen Infrastruktur, doch selbst dann müssen mit Kabeln Access Points angebunden werden. Ganz ohne Kabel geht es also nie. Bei Bestandsgebäuden mit vorhandener IT-Verkabelung wird zum einen eine neue Verkabelung benötigt, wenn man zu wenige Datenanschlüsse hat. Neben diesem quantitativen Aspekt kann ein weiterer Grund für eine neue Verkabelung sein, dass die Qualität der vorhandenen Datenanschlüsse nicht mehr ausreicht und eine höhere Datenrate gebraucht wird (häufig: Verkabelung der Klasse D vorhanden, benötigt wird Klasse EA). Man tauscht dann entweder die alten Kabel gegen neue aus oder nimmt neue Kabel hinzu, die leistungsfähiger sind.
Ein Kunde wollte Teile seiner Büroflächen neu vermieten. Was war euer Auftrag?
Der Kunde hat ein großes Gebäude und sah sich nach der Corona-Pandemie mit der Situation konfrontiert, dass viele Mitarbeiter nicht mehr im Büro, sondern im Homeoffice arbeiteten und über rund dreißig Etagen viele Räume leer standen. Der Kunde entschied sich, einen Teil seiner leer stehenden Bürofläche anders kommerziell zu nutzen und sie deshalb zu vermieten. Unsere Aufgabe war es, zu prüfen, inwieweit die teilweise schon jahrzehntealte Verkabelung sowohl qualitativ als auch quantitativ den Ansprüchen der Mieter noch gerecht werden konnte und Lösungsvorschläge auszuarbeiten, wie mit dieser Verkabelung weiter zu verfahren ist. Dabei ging es sowohl um den kompletten Austausch als auch um eine Ergänzung.
Zuerst hat einmal eine Begehung stattgefunden. Zu welchem Zweck?
Wir wollten wissen, ob die aktuellen Technikräume nutzbar sind, um dort mehrere Mieter unterzubringen; ggf. mit eigenen Netzwerkkomponenten in eigenen Technikschränken. Zentrale Fragen, die wir uns dabei gestellt haben, waren: Ist genügend Platz in den Räumen vorhanden, um mehrere große, abschließbare Schränke aufzustellen? Ist die vorhandene Datenverkabelung von der Menge her ausreichend oder müssen wir gegebenenfalls zusätzliche Kabel verlegen? Wie kann die bisherige Sekundärverkabelung genutzt werden, wenn ein Mieter z. B. mehrere Etagen nutzen wird und „seine“ Netzwerkkomponenten in unterschiedlichen Technikräumen platziert werden?
Wird es im Gebäude des Kunden eine neue Verkabelung geben?
In diesem Projekt haben wir uns viele Gedanken dazu gemacht, ob wir die alte Verkabelung belassen und modernisieren oder die Verkabelung ganz neu planen. Wir haben dem Kunden vorgeschlagen, dass er entweder die Flächen mit der vorhandenen Verkabelung vermietet oder die Verkabelung modernisiert, indem man sie komplett austauscht oder nachrüstet und dies in einer höheren Miete umrechnet. Der Kunde hat sich dazu entschieden, die Stromverkabelung und die Datenverkabelung erst einmal so zu lassen, wie sie ist. Die Mieter, die einziehen werden, haben jetzt nicht die aktuell mögliche und übliche höchste Qualität, doch sie ist als Basisinfrastruktur völlig ausreichend. Und wenn die Mieter mehr haben wollen, müssen sie in Eigenregie nachverkabeln. Wir sind noch im laufenden Projekt und es ist noch in der Schwebe, ob die Verkabelung nicht später doch noch ausgetauscht wird.
Aber es entstehen neue Technikräume, die eine neue IT-Verkabelung brauchen?
Ja. In den Technikräumen des Gebäudes war bislang nur das Equipment des Gebäudebesitzers, in dem Fall unseres Kunden, untergebracht. Alle verlegten LWL-Kabel endeten in einem zentralen Gebäude, das dem Vermieter gehörte. Da zu erwarten ist, dass die Mieter ihre eigenen Netzwerkkomponenten mitbringen, müssen diese ebenfalls in einem Technikraum untergebracht werden. Und da der Vermieter den Mietern natürlich keinen Zugang zu seinen Räumlichkeiten gewähren möchte, mussten wir eine LWL-Verkabelung in Räume legen, die von den Mietern genutzt werden dürfen. Lassen sich keine neuen Verteilerräume finden und es werden mehrere Mieter auf einer Etage untergebracht, werden wir die Datenverkabelung auf mehrere Schränke im selben Verteilerraum auflegen, damit jeder Mieter seinen eigenen Bereich hat.
Welche Aspekte sind bei der Planung der Glasfaserstrecken wichtig?
Wir haben in den Gebäudeplänen geschaut, wo die Glasfaserstrecken verlaufen müssen und wie viele Glasfasern die Mieter benötigen. Wenn zum Beispiel in einem Verteilerraum auf einer Etage drei Mietparteien untergebracht werden sollen, braucht man eine höhere Anzahl an Glasfasern, die vom Gebäudeverteiler aus in den Etagenverteiler verlegt sein müssen. Auch die Überlegung, welche Datenrate auf dem Kabel möglich sein muss, spielt eine Rolle. Dabei ist immer wieder die zentrale Frage: Multimode oder Singlemode? Für Multimode sprechen die kostengünstigeren aktiven Komponenten, für Singlemode die deutlich höheren Kabellängen. Gerade bei vermieteten Objekten spielt allerdings auch eine große Rolle, ob der Mieter durch die Vorgaben des jeweiligen Internet-Anbieters sogar Singlemode-Fasern in seinem Verteilerbereich haben muss. Wir mussten uns deshalb entscheiden, ob wir Multimode- oder Singlemode-Fasern einsetzen. Wir haben die Singlemode-Faser gewählt, weil sie die zukunftsorientiertere Faser ist. Die Tatsache, dass man die Singlemode-Fasern auch noch in zehn bis fünfzehn Jahren gut nutzen kann und dem Mieter maximale Freiheit bei der Internet-Anbindung ermöglicht, hat in diesem Projekt den Ausschlag gegeben.
Hat ComConsult die Ausschreibung begleitet?
Ja. Wir haben ein Leistungsverzeichnis erstellt, in dem wir die Leistungen mit den zu erwartenden Kosten zusammengefasst haben. Es handelte sich nicht um eine öffentliche Ausschreibung, sodass nur wenige ausgesuchte Anbieter gezielt vom Kunden angefragt wurden. Wir haben die Angebote, die der Kunde eingeholt hatte, ausgewertet und der Kunde hat anschließend eine Firma mit der Ausführung beauftragt.
Inwieweit ist ComConsult bei der Umsetzung der Verkabelung beteiligt?
Nach der Auftragserteilung haben wir der beauftragten Firma eine Ausführungsplanung zur Verfügung gestellt. Dort ist genau beschrieben, wie die Schränke aufzubauen und die Kabel zu verlegen sind. Dazu gibt es Grundrisse, in die wir den Kabelverlauf eingezeichnet haben, damit zu erkennen ist, wie und wo genau die Kabel verlaufen sollen. Auf der Basis dieser Planung wird die beauftragte Firma nun die Verkabelung durchführen. Wahrscheinlich werden wir abschließend noch eine Qualitätssicherung durchführen (Mitwirkung bei der Abnahme oder Ähnliches).
Was unterscheidet dieses Projekt von anderen?
Es ist äußerst ungewöhnlich, dass eine Tertiärverkabelung oder die Etagenverteiler von mehreren Nutzern genutzt werden sollen. Klassisch gibt es genau einen Nutzer, in der Regel die IT-Abteilung des Gebäudebesitzers. Dieser Nutzer verwendet die Verkabelung im besten Falle über mindestens zehn Jahre hinweg ohne Veränderungen. Stellt man sich dann aber vor, dass es im Laufe weniger Jahre zu mehreren Mieterwechseln kommen kann und jeder Mieter unterschiedliche Ansprüche an Qualität und Quantität hat, muss die gesamte Datenverkabelung extrem flexibel und anpassungsfähig sein.
Was ist deiner Meinung nach der Grund für die Entscheidung des Kunden, die IT-Verkabelung nicht zu modernisieren?
Es ist unsicher, ob sich die Investition in eine neue oder erweiterte IT-Verkabelung über die zu erwartenden Mieteinnahmen amortisiert. Es kann ja auch sein, dass die zukünftigen Mieter mit der vorhandenen Verkabelung zufrieden sind und sich die Büroflächen mit einer niedrigeren Miete besser vermieten lassen als eine Bürofläche mit einer extrem hochwertigen Verkabelung, die der Mieter absehbar nicht braucht.
Stellst du auch in anderen Projekten fest, dass Unternehmen in ihren Gebäuden Leerstände ihrer Büroflächen verzeichnen?
Ja, absolut. Seit der Corona-Pandemie hat sich die Situation in den Büros stark verändert, weil die Mitarbeiter viel von zu Hause aus arbeiten. Wir haben eine Reihe Kunden, die sagen, dass sie eine hundertprozentige Belegung ihrer Büros nie mehr erreichen werden. Ein Mitarbeiter eines deutschen Konzerns, für den wir tätig sind, hat mir erzählt, dass er seinen Arbeitsplatz, also seinen Schreibtisch im Büro, verloren hat, weil er nur noch im Homeoffice arbeitet. Bei einem anderen sehr großen Versicherungsunternehmen mit einem entsprechend riesigen Gebäude, bei dem ich das letzte Mal vor ungefähr drei Monaten vor Ort war, lag die Belegung der Büroflächen nur noch bei dreißig Prozent.
Wie siehst du die zukünftige Entwicklung der IT-Gebäudeverkabelung?
Unternehmen stehen bei der Vermietung ihrer Gebäudeflächen unter starkem Konkurrenzdruck. Das Thema Smart Technologies gewinnt zunehmend an Bedeutung, denn Gebäude mit hohem Digitalisierungsgrad sind die attraktiveren Mietobjekte. Wenn nur die Arbeitsplätze in den Büros einen Datenanschluss haben, ist die Immobilie weniger interessant. Immer mehr erwartet man so eine Erhöhung des Komforts. Beispiele sind z. B. durch den Nutzer digital einstellbare Raumbedingungen (Licht, Temperatur, Fensterverdunklung) oder flexibel einrichtbare Gruppen- oder Projekträume. Die Bedeutung von Besprechungsräumen hat wieder zugenommen. Reichte in den Zeiten vor den Online-Konferenzen ein Flipchart, müssen diese Räume heute viel mehr hergeben, weil zum Beispiel die Medientechnik eine immer größere Rolle spielt (z. B. Smartboards oder einfach und individuell einrichtbare Videokonferenzsysteme). Ich habe das Gefühl, dass es eine Verlagerung geben wird: Die Anzahl der Datenports an den Arbeitsplätzen selber reduziert sich, dafür wird die Nachfrage nach funkbasierten oder drahtgebundenen LAN-Anschlüssen zum Beispiel in den Decken für intelligente Lampen, die erfassen können, wie viele Personen sich in dem Raum befinden, steigen. Die IT-Infrastruktur befindet sich im Wandel und wir sehen es in unseren Projekten, dass wir – was die Verkabelung betrifft – umdenken müssen. Viele Unternehmen werden in Zukunft ihre Gebäude dahingehend untersuchen lassen, ob sie für eine Digitalisierung geeignet sind. Hier wird es noch ein großes Potential an Nachverkabelung geben.