aus dem Netzwerk Insider August 2023
5G-Campusnetze können mithilfe der 5G-Technologie und der Verwendung spezieller Frequenzen höchste Anforderungen an die Dienstqualität hinsichtlich Latenz, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Kommunikationsnetze erfüllen. Dies macht 5G-Campusnetze für Anwendungen in verschiedenen Industriebereichen attraktiv.
Um die erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0 in Deutschland voranzutreiben, können Unternehmen seit Ende 2019 ihre eigenen 5G-Lizenzen bei der Bundesnetzagentur beantragen und so selbst zum Netzbetreiber werden. Die Implementierung eines 5G-Campusnetzes erfordert eine sorgfältige Planung und Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Institutionen und Telekommunikationsanbietern.
David Feuser ist vor 9 Jahren als Student bei ComConsult eingestiegen. Nach seiner Festanstellung hat er im Netzwerkteam und später in der Security-Abteilung gearbeitet. Vor drei Jahren hat er das Competence Center Funknetze mitgegründet, das er heute leitet.
In diesem Interview berichtet er davon, wie ComConsult eine groß angelegte Marktanfrage startete, um die Einführung eines privaten 5G-Netzes für einen internationalen Großkonzern vorzubereiten.
Womit beschäftigt sich das Competence Center Funknetze?
Unsere Abteilung widmet sich allen Aspekten der drahtlosen Kommunikation. Wir arbeiten in den Projekten eng mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus den anderen ComConsult Competence Centern zusammen. Beim Thema WLAN sind wir beispielsweise im engen Austausch mit dem Team Netze. Das Competence Center Smart Technologies kommt auf uns zu, wenn es in einem Smart-Building-Projekt um die Verbindung von Sensoren geht. In dem Zusammenhang ist zum Beispiel LoRaWAN momentan ein großes Thema. Mein Hauptthema ist der Mobilfunk. Hier gibt es zwei große Bereiche. Zum einen beschäftigen wir uns damit, wie wir den öffentlichen Mobilfunk in ein Gebäude bringen. Der andere Bereich ist das Planen von privaten 5G-Campusnetzen, die seit 2019 von privaten Unternehmen betrieben werden dürfen.
ComConsult begleitet für einen großen internationalen Konzern die Vorbereitungen für die Einführung eines privaten 5G-Netzes.
Ja, der Konzern möchte auf absehbare Zeit ein eigenes 5G-Campusnetz über alle Standorte weltweit aufbauen und betreiben. Das Augenmerk liegt zunächst auf den Standorten in Deutschland, denn in Deutschland haben Unternehmen seit rund drei Jahren das Privileg, lokale 5G-Campusnetze beantragen zu können. Wir unterstützen die Vorbereitungen schon seit ungefähr zwei Jahren und sind noch im laufenden Projekt.
Wie ist eure Vorgehensweise?
Wir haben zunächst mit den verschiedenen Bereichen des Konzerns Workshops durchgeführt und Informationen über die vorhandene Infrastruktur eingeholt. In Zusammenarbeit mit dem zuständigen IT-Architekten vor Ort haben wir ein Anforderungsdokument erstellt, in dem alle Kriterien für das zukünftige Campusnetz detailliert beschrieben sind. Es dient dazu, Informationen von Anbietern über ihre Produkte und Dienstleistungen einzuholen, einem sogenannten Request for Information, kurz RFI. Man erhält über diese Marktanfrage einen Überblick über die verfügbaren Lösungen und kann diese miteinander vergleichen. Diese Informationsanfrage ist nicht zu verwechseln mit einer Angebotsanfrage, einem Request for Proposal (RFP), die im Rahmen einer Ausschreibung eingeholt wird.
Was sind typische Anforderungen, die an das künftige 5G-Netz des Kunden gestellt werden?
Der Kunde möchte das 5G-Netz komplett in seine bestehende Infrastruktur integrieren und das System selbstständig betreiben. Es gibt A- und B-Kriterien, also Anforderungen, die unbedingt erfüllt werden müssen und solche, die „nice-to-have“, jedoch nicht zwingend erforderlich sind. Ein A-Kriterium beispielsweise ist, dass das System redundant aufgebaut werden muss, da es zukünftig für produktiv relevante Anwendungen genutzt werden soll. Angefangen beim Kernnetz, dem Core Network, muss auch eine entsprechende Verfügbarkeit im Radio Access Network (RAN), das den Zugang zu jedem Endgerät steuert und verifiziert, vorhanden sein. Hier gibt es unterschiedliche Optionen, die wir in das Anforderungsdokument aufgenommen haben. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Hardware. Zum Beispiel ist eine redundante Stromversorgung erforderlich. Die zentrale Verwaltung des administrativen Zugangs über einen RADIUS-Server ist ebenfalls ein Muss-Kriterium. Die Frage der Skalierbarkeit ist ein B-Kriterium.
Wo gibt es zurzeit noch Probleme?
Die Integration des Managements der IP-Adressen funktioniert noch nicht so, wie wir uns das vorstellen. Mit der Bedienbarkeit sind wir auch noch nicht zufrieden. Momentan kann man entweder sehr wenig oder alles einstellen. Unser Ziel ist ein Mittelweg. Es sollen über Templates unterschiedliche Funktionen aktiviert werden können. Daran arbeiten wir noch.
Das Anforderungsdokument wird also kontinuierlich bearbeitet?
Ja. Wir haben unser Anforderungsdokument zunächst an zwei Hersteller geschickt. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr dazu. Mittlerweile sind es acht Anbieter, mit denen wir in Kontakt stehen. Mit den Anbietern führen wir Workshops durch, in denen wir die Anforderungen spezifizieren. Wir besprechen Themen wie die IP-Integration, die Integration des Managementsystems oder die Bedienbarkeit. Dabei geht es nicht darum, dass der Anbieter zu diesem Zeitpunkt unbedingt allen Ansprüchen gerecht werden muss, sondern wir wollen ihn für den Bedarf sensibilisieren. Aus den Gesprächen werden neue Erkenntnisse gewonnen, aus denen sich neue Anforderungen kristallisieren und bestehende geschärft werden, welche wiederum in das Dokument einfließen. Der Prozess der Schärfung dauert bis heute an. Wir überarbeiten das Anforderungsdokument fortdauernd. Momentan arbeiten wir an einer neuen Version, welche wir wieder mit den Anbietern teilen werden. Ziel ist es, dass am Ende ein Anforderungsdokument vorliegt, das als Grundlage für eine Ausschreibung, also für einen Request for Proposal, genutzt werden kann.
Welche Vorteile ergeben sich aus der Marktanfrage für die Anbieter?
Die in unserem Dokument formulierten Anforderungen spiegeln den Bedarf der Industrie wider und sind somit für die Anbieter eine nützliche Information darüber, wo sie mit ihrer Lösung stehen und wo sie gegebenenfalls Nachbesserungen, Erweiterungen oder Änderungen vornehmen sollten. Zum Zeitpunkt der Ausschreibung kennt der Hersteller dann bereits die Anforderungen des Kunden und hat sie bestenfalls schon implementiert. Für den Anbieter ist es ein großer Vorteil, dass es sich bei den meisten Maßgaben nicht um individuelle, sondern um generelle Kriterien handelt, die auch für andere Unternehmen gelten.
Wird ComConsult die Marktanalyse auch für zukünftige Projekte nutzen können?
Auf jeden Fall. Wir haben mit unserer Untersuchung umfassende Informationen darüber gesammelt, welche Anforderungen an ein typisches 5G-Campusnetz gestellt werden und darüber hinaus eine sehr umfangreiche und aktuelle Übersicht darüber zusammengestellt, welche Produkte und Lösungen derzeit auf dem Markt verfügbar sind. Von diesen wertvollen Informationen werden die Kunden unserer kommenden Projekte profitieren können.