Sie erinnern sich an Microsoft Cloud Germany bzw. Cloud Deutschland? Das Projekt entstand in einer Frühphase von Office 365 und sollte den Datenschutzbedenken deutscher Unternehmen und Behörden entgegenwirken. Die Verunsicherung darüber, ob Daten unabhängig vom Speicherort einem US-amerikanischen Unternehmen anvertraut werden dürfen, war sehr groß: Edward Snowden hatte Praktiken der NSA zur Wirtschaftsspionage offengelegt, und das Safe-Harbor-Abkommen mit den USA war gerade vom Europäischen Gerichtshof für ungültig erklärt worden.
Die Idee von „Cloud Germany“ war damals so neu wie ungewöhnlich: Ein deutscher „Daten-Treuhänder“, in diesem Fall die Deutsche Telekom, sollte den Zugriff auf Kundendaten in eigenen, in Deutschland liegenden Rechenzentren kontrollieren, während Microsoft dort seine Cloud-Produkte wie Office 365 und die dazugehörige Infrastruktur betrieb. Das Versprechen war, dass die Deutsche Telekom, die als deutsches Unternehmen dem deutschen und dem europäischen Recht unterliegt, dieses Recht auch durchsetzen könne und dass Microsoft von der Last US-amerikanischer Vorschriften wie dem Patriot Act oder später dem Cloud Act befreit werde.
Wir müssen an dieser Stelle gar nicht mehr auf das Für und Wider dieser Konstruktion eingehen. Das Projekt war bereits wenige Jahre später gescheitert – nicht zuletzt auch aus kommerziellen Gründen: Es hatten sich zu wenige Kunden dafür entschieden, waren doch die angebotenen Produkte nie auf dem aktuellen Stand. Auch hier galt: Viele Köche verderben den Brei.
Bereits im August 2018 kündigte Microsoft eine veränderte Strategie an: Neben den drei großen globalen Regionen der Microsoft-Cloud (EMEA, Asien-Pazifik und Amerika) wurden damals schon eine Reihe nationaler Regionen betrieben, und jetzt sollte nach dem Aufbau zweier deutscher Rechenzentren auch eine Office-365-Region „Deutschland“ hinzukommen.
Mittlerweile sind die beiden neuen georedundanten Cloud-Standorte in Frankfurt und Berlin in Betrieb, und seit Mitte April 2020 werden deutsche Neukunden statt zur Region EMEA der neuen Region „Deutschland“ zugeordnet.
Laut Microsoft erfolgt die Speicherung der Kundendaten von Mandanten in der Region Deutschland
- ausschließlich in Deutschland für Exchange Online, SharePoint Online und OneDrive for Business (das sind alle Daten aus Outlook, Office Online, Delve, Exchange Online Protection, Advanced Threat Protection, MyAnalytics und Teams),
- in der Europäischen Union für Anwendungsdaten aus Azure Active Directory, Planner, Forms und Yammer
- und in den USA für Anwendungsdaten aus Workplace Analytics und Sway.
Die Migration von Microsoft Cloud Germany (Microsoft Cloud Deutschland) zu Office-365-Diensten in der neuen Region kann ab sofort bei Microsoft beauftragt werden und soll noch in diesem Jahr durchgeführt werden können.
Nach der Migration stehen den Kunden alle Funktionen einer „normalen“ Office-365-Region zur Verfügung. Dazu gehört einerseits die komplette Funktionalität von Office 365. Die Funktionen der Cloud Germany waren eingeschränkt und seit 2018 quasi eingefroren: Es sind seitdem keine neuen Funktionen mehr hinzugekommen, und es werden auch zukünftig außer Sicherheitsupdates keine neuen Dienste mehr zur Verfügung gestellt. Zu diesen fehlenden Diensten gehören unter anderem: Microsoft Teams, Cloud PBX (Phone System, PSTN-Anrufe etc.), Planner, Stream.
Andererseits ist damit aber der „Schutzwall“ um die Cloud-Anwendungen der Cloud Germany aufgehoben: Es gibt keinen Treuhänder mehr und die neue Region Deutschland ist nicht länger von den anderen Cloud-Regionen der Microsoft Cloud isoliert. Letzteres hat durchaus auch Vorteile: So ist jetzt eine mandantenübergreifende Zusammenarbeit mit Mandanten in anderen Regionen möglich, und ein international aufgestelltes Unternehmen kann im Rahmen von Multi-Geo neben der Region Deutschland Mitarbeiterdaten in anderen Regionen hosten.
Eine Migration deutscher Kunden, die derzeit der Region EMEA zugeordnet sind (und das dürften die meisten sein), ist momentan nicht möglich, aber laut Microsoft geplant: „We plan to offer migration from Europe to Germany for German customers in the future.“