Wie viele andere orientieren wir uns im Rahmen von Planungen und Ausschreibungen gerne an offiziellen Standards, Best Practices und Empfehlungen. Insbesondere in Bezug auf Anforderungen ist dies ganz klar immer dann zu empfehlen, wenn keine speziellen und vor allem konkreten Anforderungen, z.B. auf Basis der genutzten Anwendungen, definiert werden können. Immer dann, wenn eine allgemeine Zukunftsfähigkeit gefordert ist und die Entwicklung im eigenen Unternehmen noch nicht genau genug absehbar ist, kann man sich lediglich an entsprechenden Standards orientieren.
Für IPv6 ist eines der etablierten Standarddokumente bzgl. der Anforderungen an die IPv6-Fähigkeit von Endgeräten, Switches, Routern und weiteren Netzkomponenten die RIPE-Veröffentlichung 554 vom Juni 2012 [1] bzw. die bereits seit längerem obsolete Veröffentlichung ripe-501 vom November 2010 [2].
Für dieses häufig herangezogene Dokument gibt es nun seit dem 14. Dezember 2021 ein Update mit der Referenznummer ripe-772 [3]. Insbesondere wurden die Verweise auf die neuesten RFCs aktualisiert und die Forderungen entsprechend erneuert. Tatsächlich weist das Dokument nur wenige wirklich ausschlaggebende Anpassungen und Neuerungen auf.
Eine wesentliche Änderung in der neuen Version ist beispielsweise, dass mobile Endgeräte nicht mehr gesondert erfasst werden. Damit empfiehlt die RIPE nun die gleichen Anforderungen wie bei anderen (drahtgebundenen) Hosts. Somit wurden auch Mobility-bezogene Funktionen bei Endgeräten nur noch als optional bewertet (z.B. Mobile IPv6 bzw. “MIPv6” gemäß RFC6275 und RFC5555) oder gar nicht mehr erfasst (z.B. Forderungen der 3GPP für Mobilfunk). Einige wenige andere Anforderungen werden abweichend von der bisherigen ripe-554 als optional oder entsprechend als verpflichtend bewertet. Ein Beispiel hierfür ist, dass DHCPv6 nun nicht mehr grundsätzlich als optional eingeordnet wird. Vielmehr gelten die entsprechenden RFCs jetzt als verpflichtend, wenn DHCPv6 benötigt wird. Dies ist auf den ersten Blick zwar nur eine Spitzfindigkeit, scheint jedoch die Bedeutung von DHCPv6 zu betonen. Weitere Änderungen betreffen Sicherheitsfeatures (z.B. DHCPv6-Shield) und eine deutliche Entschlackung der Softwarekategorie.
Im Endeffekt wird man für eine Ausschreibung die einzelnen Kriterien ohnehin nochmals bewerten und beurteilen müssen, ob diese im eigenen Netz relevant sind. Daher möchte ich hier auf eine lange Analyse verzichten. Entsprechende Ausschreibungsunterlagen, die bisher auf ripe-554 aufbauten, sollten nun aber aktualisiert werden.
Für eine Anforderungsermittlung in Bezug auf die IPv6-Unterstützung lohnt sich daher ein Blick in das neue Dokument, um sicherzustellen, dass die zu beschaffenden Komponenten entsprechende IPv6-Features mitbringen. Das neue Update bietet somit eine aktuelle Leitlinie, der für die Bestimmung der Anforderungen gefolgt werden kann.
Verweise
[1] RIPE IPv6 WG (04.06.2012). RIPE-554. Requirements For IPv6 in ICT Equipment. https://www.ripe.net/publications/docs/ripe-554
[2] RIPE IPv6 WG (20.11.2010). RIPE-501. Requirements For IPv6 in ICT Equipment. https://www.ripe.net/publications/docs/ripe-501
[3] RIPE IPv6 WG (14.12.2021). RIPE-772. Requirements For IPv6 in ICT Equipment. https://www.ripe.net/publications/docs/ripe-772