Wie kann das sein?
Nun, erst einmal muss die Frage gestellt werden, welche Rolle Office 365 für bestehende Nutzer von Microsoft Office in Zukunft haben wird. Wir von ComConsult Research gehen davon aus, dass die absolute Mehrheit aller Microsoft Office-Nutzer in den nächsten fünf Jahren Office 365 einführen wird. Dies wird auch durch die aktuelle Projektlage bestätigt. Selbst Kunden, die noch vor ein oder zwei Jahren vehement die Cloud abgelehnt haben, orientieren sich in Richtung Office 365.
Die Gründe für einen Wechsel von der Standard-Office-Lizenzierung hin zu Office 365 sind dabei in der Regel:
- Nutzung der Kollaborations-Funktionen innerhalb von Office-Anwendungen, dies geht nur zusammen mit Office 365
- Vermeidung funktionaler Nachteile und Verbesserung des Update-Prozesses für Microsoft Office-Anwendungen (Word, Excel, PowerPoint, Outlook/Exchange)
- Nutzung von Cloud-Applikationen, die nur über Office 365 Lizenzen genutzt werden können und nicht in anderer Form angeboten werden
Theoretisch kann ein Unternehmen Office 365 so nutzen, dass es nur als Lizenzierungsmodell für Office-Anwendungen eingesetzt und der gesamte Cloud-Bereich weitestgehend ignoriert wird. Aber das wäre eine sehr unrealistische Annahme. Microsoft steckt sehr viel Zeit und Geld in die Entwicklung neuer Cloud-Applikationen als Teil von Office 365. Und die zentrale Frage ist, ob sich Unternehmen diese im Preis inbegriffenen Applikationen wirklich entgehen lassen.
Die zentrale Applikation, auf die man im Moment dabei achten muss, ist Microsoft Teams. Noch nie wurde aus unserer Sicht eine derartige Applikation mit einer solchen Vehemenz in den Markt gedrückt. Betrachtet man die funktionale Entwicklung seit der Einführung zu Beginn des Jahres 2017 bis heute, dann ist das schon ungewöhnlich. Aber mindestens ebenso beeindruckend ist die vorliegende Roadmap für die nächsten 12 Monate. Aus unserer Sicht ist Teams das Trojanische Pferd Microsofts zum Angriff auf Cisco, Unify und die anderen etablierten UC-Anbieter.
Microsoft hat angekündigt, dass Teams in eine Komplette UC-Plattform ausgebaut wird. In diesem Fall würde man von UC as a Service UCaaS sprechen. In diesem Zusammenhang hört man häufig die Formulierung, dass Teams zum Client für Skype for Business wird. Dies ist falsch. Teams wird in eine eigenständige vollwertige UC-Lösung ausgebaut und wird als solche Skype for Business ablösen. Gilt das nur für die Online Version? Im Moment ist klar, dass Microsoft noch einen S4B On-Premise Server 2019 bringen wird und diesen auch fünf Jahre mit Updates begleiten wird. Aber die Aussagen von Microsoft gehen klar in die Richtung, dass dies die letzte On-Premise-Version sein wird und dass auch eine funktionale Fortentwicklung eher mager aussehen wird. Microsoft unterstreicht zumindest im Moment sehr vehement, dass die gesamte Richtung einer vollwertigen UCaaS-Lösung als Teil von Teams gehen wird. Und das Gnadenbrot für S4B On-Premise für fünf Jahre macht durchaus Sinn. Wir gehen davon aus, dass der UC-Markt sich weltweit in dieser Zeit zu einem Hybrid-Markt aus On-Premise und UCaaS entwickeln wird. Dies ist auch bei Cisco und Unify zu beobachten, die beide klar diesen Trend in Richtung einer hybriden Architektur inklusive des Aufbaus eines UCaaS-Parts unterstreichen. Microsoft geht dann einen Schritt weiter und fokussiert seine Lösung komplett auf UCaaS. Dies wird vermutlich einhergehen mit irgendwie gearteten Gateways, um bestehende UC On-Premise-Welten integrieren zu können (weiterhin wird man Media-Gateways für analoge Anschlüsse, DECT etc benötigen).
Für alle Microsoft Office Kunden ist damit die zentrale Frage, wie sie zur zukünftigen Nutzung von Microsoft Teams stehen. Aus unserer Sicht wird es für einen erheblichen Teil der Office 365 Kunden so sein, dass Teams zum Einsatz kommen wird. Es ist ein gut positioniertes UCC-Kollaborationsprodukt, das zwar Mängel im Detail hat, die aber speziell auch unter Berücksichtigung der schnellen Weiterentwicklung dieses Produkts keinen wirklichen Hinderungsgrund darstellen. Der einzige wirklich akzeptable Grund zur Nicht-Nutzung wäre, dass die UCC-Produkte anderer Hersteller, und dabei speziell von Cisco und Unify, so viel besser sind, dass man diese Nachteile nicht akzeptieren würde. Dies ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil liegt Teams funktional im Moment vorne und baut seine Führung kontinuierlich weiter aus. Cisco und Unify werden sich in den nächsten 12 Monaten sehr anstrengen müssen, wenn dieser Vorsprung seitens Microsoft wieder verkleinert werden soll. Denkbar ist das natürlich. Sowohl Cisco als auch Unify haben funktionale Erweiterungen angekündigt (Unify arbeitet mit 24 Sprints pro Jahr im Rahmen seiner Scrum-basierten Entwicklung). Im Moment könnte nur ein kombinierter Einsatz verschiedener Cloud-Lösungen als besser eingestuft werden als Microsoft Teams. Also zum Beispiel eine Kombination aus Slack, G-Drive, Zoom und Trello.
Wenn es aber so ist, dass eine große Zahl von Kunden mit dem Einsatz von Office 365 auch Microsoft Teams einsetzen wird, dann haben wir genau hier ein Problem für den UC-Markt. Microsoft Teams wird zu einem vollwertigen UC-System ausgebaut. Und es ist durchaus unklar, wie dies zu bestehenden UC-Installationen anderer Hersteller passen wird. Hinzu kommt, dass wir mit der Ablösung von ISDN im Markt ein funktionales Vakuum haben. Es fehlen schlicht offene und akzeptierte Standards für eine neue Kommunikations-Welt über Unternehmens-Grenzen hinaus. Und die Zeiten, in denen E-Mail und Telefon als ausreichend angesehen werden konnten, sind lange vorbei. Federationen oder ähnliche Lösungen zur Verbindung der Kommunikations-Lösungen verschiedener Hersteller sind auf Dauer eine Krücke. Wir sehen das so, dass Microsoft hier versucht, einen defacto-Standard zu etablieren und Teams zur zukünftigen Kommunikations-Plattform für den gesamten Markt ausbauen will.
Wie reagieren Cisco und Unify auf diese sehr ernst zu nehmende Bedrohung? Cisco hat angekündigt, dass es seine UC-Lösung in Form von WebEx Teams so weiter entwickeln wird, dass es Microsoft Teams dabei ersetzen kann. Der Kunde hat dabei dann die Wahl, ob er WebEx Teams oder Microsoft Teams in einer Office 365 Architektur einsetzt. Aber hier liegen die Tücken im Detail. Microsoft nutzt eine Microservice-Architektur innerhalb von Office 365 und hat die verschiedenen Module von Office 365 auf dieser Basis sehr eng miteinander verzahnt. Teams ist auf dieser Basis mit den anderen Office 365 Services verbunden. Diese Microservice-Architektur ist nicht offengelegt. Cisco kann zwar die bestehenden APIs benutzen, aber ob diese einen vergleichbaren Funktions- und Performance-Umfang umsetzen können, müssen wir abwarten. Unify hat entsprechend eine Kooperation mit Google angekündigt. Die macht inhaltlich auch viel Sinn, ist aber für Kunden auf der Microsoft-Office Schiene nicht unbedingt hilfreich. Allerdings nimmt die Nutzung von Google G-Suite international stark zu. Die Strategie seitens Unify, sich hier als sinnvolle Ergänzung zu Google anzubieten, macht durchaus Sinn. Naturgemäß gibt es dabei funktionale Überschneidungen mit Google Hangouts, aber damit könnte man leben.
Diese Entwicklung hat das Potenzial, den gesamten UC-Markt innerhalb der nächsten 12 bis 36 Monate stark zu verändern. Gleiches gilt generell für den Trend hin zu UCaaS und damit verbundenen möglichen Hybrid-Szenarien. Auch die Positionierung von ACD und ähnlichen Mehrwert-Funktionen, die aus einer UC-Lösung eine aktive Prozessunterstützung ableiten, wird von ganz entscheidender Bedeutung sein. Entsprechend ist ACDaaS ein begleitender Trend, der auch zum Beispiel von Unify so unterstützt wird.
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