Online-Wahlen in Deutschland: Sicherheit und Vertrauen als Hürden
18.03.2025 / Ben Grünbauer
In einer Welt, in der wir bereits vieles online erledigen – von Bankgeschäften bis hin zur Steuererklärung – stellt sich unweigerlich die Frage: Warum wählen wir in Deutschland nicht einfach digital? Länder wie Estland haben seit Jahren erfolgreich Online-Wahlen eingeführt, doch Deutschland bleibt der traditionellen Papierwahl treu. Obwohl die Vorteile der Digitalisierung in vielen Bereichen offensichtlich sind, zeigen sich bei den Wahlen besonders sicherheits- und verfassungsrechtliche Bedenken, die eine digitale Wahldurchführung verhindern.
Sicherheitsbedenken: Manipulation, Cyberangriffe und die Angst vor Bots
Es gibt einige Gründe, warum viele in Deutschland vor einer Online-Wahl zurückschrecken: das Risiko von Cyberangriffen und Wahlmanipulation. Angesichts der realen Bedrohung durch Hacker oder gar feindliche Staaten stellt sich die Frage, wie ein sicheres Online-Wahlsystem überhaupt realisiert und aufrechterhalten werden kann.
Doch was passiert, wenn diese Bedrohung nicht nur auf Hacker oder Staaten beschränkt bleibt? Was, wenn bald auch noch behauptet wird, dass Bots Wahlen beeinflussen könnten? In einem Klima, in dem bereits wildeste Fakes über die Briefwahl kursieren, könnte dies das Vertrauen in die Demokratie weiter erschüttern. IT-Sicherheitsforscher haben schon mehrfach die Schwächen bestehender Wahlsoftware aufgedeckt – ein Beispiel hierfür ist die Untersuchung des Chaos Computer Clubs (CCC) zu den bayerischen Kommunalwahlen 2020 [3]. Diese entdeckten erhebliche Manipulationslücken, die die Glaubwürdigkeit der Wahlergebnisse infrage stellten.
Verfassungsrechtliche Hürden und der Aufstieg der Zweifel
Das deutsche Wahlrecht fordert maximale Transparenz und Nachvollziehbarkeit – und gerade hier liegt das Problem mit digitalen Wahlen. Der Einsatz elektronischer Wahlverfahren wurde 2009 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt [1], da die Stimmauszählung nicht öffentlich nachvollziehbar war. Online-Wahlen müssten ähnliche Anforderungen erfüllen: Wahlgeheimnis und gleichzeitige Nachvollziehbarkeit der Stimmen müssen garantiert sein. Doch wie soll das in einer digitalen Welt funktionieren, in der niemand mehr wirklich den Überblick behält? Was passiert, wenn die Ergebnisse nicht nur schwer nachvollziehbar, sondern von immer mehr Menschen als unglaubwürdig angesehen werden?
Vertrauen in das Wahlsystem – die schleichende Entfremdung
Das Vertrauen in den Wahlprozess steht und fällt mit der Transparenz und der Sicherheit, die er vermittelt. Einfache Lösungen wie die Papierwahl haben sich im Laufe der Jahrzehnte bewährt, weil sie im Vergleich zu einem Online-Wahlsystem überschaubar und nachvollziehbar sind. Ein digitales System würde hingegen die öffentliche Wahrnehmung der Sicherheit und Verlässlichkeit fundamental verändern.
Zusätzlich zur Skepsis der Bevölkerung könnten in einer solchen Debatte immer wieder Behauptungen laut werden, dass Wahlbetrug und Fehler die Folge von technischen Mängeln sind – und das Vertrauen in das Ergebnis weiter senken. Der Aufschrei könnte noch lauter werden, wenn die digitale Wahl dann nicht nur als fehleranfällig gilt, sondern auch als Werkzeug der Manipulation. Was passiert also, wenn Bots und Fake News eine Wahl manipulieren oder ihr Vertrauen untergraben?
Digitale Barrieren und die Generationenfrage
Ein weiteres ungelöstes Problem liegt in der Frage, wie die ältere Wählerschaft mit einer digitalen Wahl umgehen sollen. Besonders die Generation 60+ ist oftmals weniger versiert im Umgang mit digitalen Technologien [2]. Ein reines Online-Wahlsystem wäre hier eine weitere Hürde, die viele Menschen vom Wahlrecht ausschließt. Dadurch entstünde der Eindruck, dass eine digitale Wahl weniger inklusiv ist, was das Vertrauen in das Wahlsystem weiter schwächen könnte.
Hybride Lösungen – eine Brücke zwischen Tradition und Zukunft?
Es gibt ebenso Überlegungen, hybride Modelle zu entwickeln, die das Beste aus beiden Welten verbinden. Wähler könnten ihre Stimme online abgeben, aber die Stimme würde physisch ausgedruckt und gezählt werden. Solche Hybridlösungen könnten eine schrittweise Einführung von Online-Wahlen ermöglichen und dabei sowohl die traditionellen Stärken der Papierwahl als auch die praktischen Vorteile des digitalen Zeitalters kombinieren. Doch sind wir bereit, mit solchen Kompromissen zu leben, oder wird auch dieser Ansatz von denjenigen, die an der Integrität der Wahlen zweifeln, als ungenügend abgetan?
Die Frage der Finanzierung: Wer trägt die Verantwortung?
Die Einführung eines Online-Wahlsystems ist nicht nur ein technologisches, sondern auch ein finanzielles Abenteuer [4]. Wie teuer würde es sein, ein sicheres und verlässliches Online-Wahlsystem zu entwickeln und zu pflegen? Wer sollte für diese enorme Investition aufkommen? Wäre es überhaupt möglich, ein solches System auf lange Sicht zu finanzieren, ohne dass die Sicherheit zu einem lukrativen Geschäftsmodell für einige wenige wird?
Digitalisierung in anderen Bereichen – ein Argument für oder gegen Online-Wahlen?
Bevor wir über digitale Wahlen sprechen, sollten wir uns fragen, wie gut die Digitalisierung in weitaus kritischeren Bereichen funktioniert – etwa im Gesundheitswesen oder in der Bildung [1]. Wenn wir hier immer wieder mit Problemen zu kämpfen haben, wie können wir dann sicherstellen, dass digitale Wahlen tatsächlich zuverlässig sind? Vielleicht wäre es klüger, die Digitalisierung in diesen Bereichen zuerst erfolgreich zu meistern, bevor wir uns an die Wahlen wagen.
Online-Wahlen – eine Zukunft, die uns noch nicht passt?
Solange es keine rechtssicheren und verfassungsrechtlich einwandfreien Lösungen gibt, wird Deutschland noch lange an der Papierwahl festhalten. Der technische und rechtliche Aufwand ist enorm, und das Vertrauen der Bevölkerung in ein digitales Wahlsystem ist fragil. Noch drängt niemand mit voller Kraft darauf, eine digitale Wahl einzuführen, und das Vertrauen in das Wahlsystem könnte durch neue Technologien oder gar durch die Bedrohung von manipulierten Bots weiter erschüttert werden. Die Entscheidung, wie wir in Zukunft wählen, wird auch davon abhängen, wie die Gesellschaft neue Technologien und die damit verbundenen Herausforderungen annehmen wird.
Verweise
[1] Golem.de (02.2025) Von https://www.golem.de/news/digitalisierung-warum-wir-in-deutschland-nicht-online-waehlen-werden-2502-193338.html abgerufen
[2] Zeit Online (06.2022) www.zeit.de/2022/26/online-wahlen-frankreich-estland-deutschland abgerufen
[3] SWR (2020) Von www.swr.de/was-wir-wissen/chaos-computer-club-online-wahlen abgerufen
[4] Bundestag.de (04.2022) Von www.bundestag.de/dokumente/e-voting-bundestagswahl abgerufen