Projektinterview: Best-Practice-Erfahrungen aus Planungsprojekten von Smart Buildings
05.04.23 / mit Dr. Andreas Kaup sprach Christiane Zweipfennig
aus dem Netzwerk Insider April 2023
Der Markt für Smart Buildings erlebt derzeit ein großes Wachstum. Intelligente Gebäude nutzten moderne Technologien aus unterschiedlichen Bereichen, um Immobilien effizienter und nachhaltiger zu machen. Durch die Mehrung an Netzwerkkommunikationen in intelligenten Gebäuden steigen auch die IT-Security-Anforderungen im Gebäude. Ist ein Smart Building von Anfang an vorausschauend geplant und werden alle relevanten Gewerke von vornherein mit in die Planung einbezogen, spart man Zeit und verhindert nachhaltig unnötige Ausgaben und Planungsänderungen.
Dr. Andreas Kaup hat an der RWTH Aachen sein Masterstudium in Bauingenieurwesen abgeschlossen. Für seine Doktorarbeit forschte er in Kooperation mit der Tsinghua University in Peking im Erdbebeningenieurwesen und beschäftigte sich mit dem Einsatz von Smart Materials als Erdbebendämpfer. Nach seiner Promotion verlagerte sich sein Interesse auf die Energieeffizienz von Gebäuden sowie deren umweltschonenden Betrieb und so stieg er in die Smart-Building-Thematik ein. Seit 2022 ist er als Berater für Smart Technologies und Smart Buildings bei ComConsult tätig. In diesem Interview berichtet er darüber, welche Vorgehensweise sich bei der Planung von Smart Buildings in den Projekten von ComConsult bewährt hat.
Das Competence Center Smart Buildings ist ein relativ junger Unternehmensbereich bei ComConsult. Das Thema Smart Building gewinnt zunehmend an Bedeutung. Was sind die Treiber und die Beweggründe der wachsenden Gebäudedigitalisierung?
Die Treiber für die zunehmende Digitalisierung von Gebäuden sind vielschichtig. Zum einen ist in den letzten Jahren durch die Pandemie die Homeoffice-Thematik in den Fokus geraten. In dieser Zeit standen viele Büroflächen leer, doch gab es durch die laufenden Kosten keine Einsparungen. Den Gebäudeinhabern wurde bewusst, dass sie kaum Daten darüber hatten, wie viele Personen sich wann in ihren Räumen aufgehalten haben. Es entstand der Wunsch nach Belegungsstatistiken und Flächenauswertungen mit der Motivation, die Gebäude auf dieser Grundlage energie- und kosteneffizienter zu nutzen. Ein weiterer Beweggrund war und ist, den Mitarbeitern durch die Gebäudedigitalisierung einen Anreiz zu schaffen, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. Ein Wellbeing-Faktor ist zum Beispiel, dass durch Messungen der Raumluftqualität über Multisensoren für optimale CO2-Werte und eine konstante Raumtemperatur oder Luftfeuchtigkeit gesorgt werden kann. Die Hauptmotivation für die zunehmende Smartifizierung von Gebäuden liegt jedoch aus meiner Sicht ganz klar darin, Energie einzusparen. Ohne eine intelligente Gebäudeautomation ist es kaum möglich, gesetzliche Anforderungen zur Energieeffizienz und die ESG-Gebäudevorgaben zu erfüllen. ESG steht für Environmental, Social, Governance und fasst alle Aspekte für Nachhaltigkeit zusammen. Es gibt viele Systeme, mit denen man durch die gesammelten Daten Gebäude smart machen und auf teilweise recht einfachem Weg den Endenergieverbrauch um zwanzig bis vierzig Prozent verbessern kann und so sein CO2-Ziel erreicht.
Wieso ist es wichtig, sich direkt zu Beginn des Bauprojekts für ein Smart Building zu entscheiden?
In den letzten Jahren gab es einige Projekte, bei denen sich erst während deren Verlauf dazu entschieden wurde, smarte Komponenten einzubeziehen. Je nach Anforderung hat das natürlich u.a. Auswirkungen auf die Planung der Verkabelung, die Anzahl der Serverschränke und den Technikraumbedarf. Wenn die Anforderungen an die IT-Infrastruktur am Anfang des Projekts noch nicht spezifiziert sind, kann es sein, dass es in einem Technikraum in den Racks zu wenig Platz gibt, um die gesamte Technik für die IT-Sicherheit sowie die Medientechnik, Operational-Technology-(OT-)Elemente etc. so unterzubringen, dass sie sinnvoll voneinander in die einzelnen Gewerke getrennt werden können.
Die Smart-Building-Planung muss auch schon in den frühen HOAI-Leistungsphasen berücksichtigt werden, wenn Entwurfsentscheidungen noch nicht abgeschlossen sind. Geschieht dies zu spät, so ist dann zwar noch nichts gebaut worden, doch müssen nachträglich in den Zeichnungen die Räume geändert werden. Das ist unter Umständen nicht so einfach, denn der Bauherr hat seinen sogenannten Return on Investment (ROI) ja schon ermittelt, und wenn zum Beispiel im Nachhinein ein paar Quadratmeter Bürofläche wegfallen, weil mehr Platz für die Technik benötigt wird, geht seine Rechnung vielleicht schon nicht mehr auf.
Was ist der erste wichtige Schritt, wenn man an die Planung eines Smart Building herangeht?
Wir setzen uns mit dem Kunden, der ein Smart Building planen möchte, zusammen und stellen ihm in einem Workshop erst einmal generell die Vor- und Nachteile, die Best Practices, die Herausforderungen, die Chancen und auch Gefahrenszenarien eines Smart Building vor. Wir zeigen dem Kunden die große Palette an Anwendungsmöglichkeiten auf, die ein Smart Building bietet, damit dieser sich ein Bild davon machen kann, was technisch alles möglich ist und wo wir die Trends sehen. So fragen wir ihn, ob er beispielsweise eine Smart-Building-App beziehungsweise eine Smart-Building-Plattform haben möchte, mit der sein Mitarbeiter seinen Parkplatz, einen Besprechungsraum, seinen Arbeitsplatz und dort die Lichteinstellung und die Raumtemperatur buchen kann. Ein weiterer Digitalisierungsbaustein ist das sogenannte „Building Operating System“, welches das Brain des Gebäudes darstellt, das die gesamte Gebäudeautomation intelligent steuert.
Was sind klassische Use Cases für ein Smart Building?
Ein typisches Beispiel ist die Arbeitsplatzbuchung für New-Work-Konzepte. Mitarbeiter können ihre Office-Zeiten flexibel gestalten, indem sie sich ihren Arbeitsplatz buchen. Die Büroflächen müssen dafür über die nötige Ausstattung von Sensoren verfügen. Flächenauswertungen können Aufschluss darüber geben, welche Bereiche im Gebäude stark und welche wenig genutzt wurden. Wurde ein Besprechungsraum in einer Woche wenig genutzt, kann ein Blick in den Kalender zeigen, dass hier beispielsweise eine Dauerbuchung vorlag, die vergessen wurde zu stornieren. Dass so etwas vorkommt, kann man dadurch verhindern, dass Sensoren in den Decken oder den Lampen an den Office-Kalender melden, dass der Raum nicht genutzt wird. Der entsprechende Mitarbeiter erhält dann über den Kalender eine Aufforderung zu prüfen, ob er den Raum wieder freigeben möchte. So ist im Krankenhausbereich der Use Case „Asset Tracking“ sehr interessant. Hier kann man den Status und die Lage bestimmter Gegenstände genau nachverfolgen. Denkt man an die Belegung von Intensivbetten, die ja sehr teuer sind, kann sich die Investition in eine Smart-Building-Management-Plattform sehr schnell rentieren.
Was sind typische Digitalisierungsbausteine für ein smartes Büro?
Um unseren Kunden zu verdeutlichen, welche vielfältigen Möglichkeiten ein Smart Building bietet, stellen wir ihnen im Workshop sogenannte „User Journeys“ vor. Ein Tag eines Mitarbeiters im intelligenten Bürogebäude könnte so aussehen: Über die Smart-Building-App oder -Plattform bucht sich der Mitarbeiter am Vortag seinen Arbeitsplatz. Seinen Tiefgaragenplatz und seinen E-Ladeplatz bucht er gleich mit. Wenn er am nächsten Tag mit seinem Wagen in der Tiefgarage ankommt, kann er sie über die automatische Kennzeichenkontrolle sofort befahren. Nachdem er geparkt hat, kann er über die Gebäude-App auf dem Handy den Aufzug rufen. Da der Aufzug eine Zielortsteuerung hat, erkennt er, für welche Bereiche der Mitarbeiter eine Zugangsberechtigung hat. Auf dem Weg zum Büroraum liest der Mitarbeiter auf digitalen Infoboards aktuelle Mitteilungen für den Tag. Zum Beispiel kündigen die Techniker an, dass ein Aufzug wegen Wartung am nächsten Tag nicht zur Verfügung stehen wird. Am Arbeitsplatz angekommen kann der Mitarbeiter über sein Handy Änderungen an der Lichteinstellung und der Raumtemperatur vornehmen. Im Großraumbüro geht das natürlich nur in einem gewissen Maße. Es gibt noch jede Menge weitere Bausteine, aber die Beispiele sollten an dieser Stelle reichen.
Was passiert, wenn ein Mitarbeiter am Morgen vor Arbeitsbeginn sein Handy verloren hat und auf die Gebäude-App nicht zugreifen kann?
Die App auf dem Handy ist ein zusätzlicher Komfort. Der Mitarbeiter hat parallel als weiteres Zugangskontrollmedium immer noch seinen Chip, Transponder oder seine Karte. Es gibt ein smartes Gebäude in Köln, das ComConsult vor meiner Zeit mit geplant hat, das komplett ohne physische Schalter gebaut wurde. Doch das ist ein Extrembeispiel. Grundsätzlich ist die Handy-App als Add-on zu sehen. Die Software kann genauso über einen Browser auf einem Laptop oder iPad bedient werden.
Wenn die Digitalisierungsbausteine für das Bauprojekt feststehen, werden im zweiten Schritt die technischen Anforderungen an die Use Cases festgehalten.
Richtig. Wir entwickeln mit dem Kunden eine Liste mit den gewünschten Bausteinen und ermitteln dann, welche aktiven Komponenten der IT für die Umsetzung benötigt werden. Dazu gehört auch, welche Netzwerkkommunikation, LAN, WLAN, LoRaWAN und so weiter die einzelnen Digitalisierungsbausteine, wie etwa die Sensoren, benötigen. In dem Netzwerkplan können dann verschiedene physisch getrennte Netze geplant werden, z.B. ein IT-Netz mit der Office-IT, ein OT-Netz, ein Medientechnik-Netz und ein Sicherheits-Netz, das die Zutrittskontrolle beinhaltet. Eigentlich sind das physisch voneinander getrennte Netze. Für die Netzwerkplanung muss man sich dann mit den Fragen beschäftigen, welchen Netzen man die einzelnen Komponenten zuordnen kann und wie die Netze untereinander kommunizieren müssen. So muss im Bereich des Besuchermanagements bei der eben erwähnten Kennzeichenerkennung die Kamera Kommunikationen zwischen dem IT-Netz und dem Sicherheits-Netz ermöglichen. Wir empfehlen also, nach dem Top-to-down-Prinzip vorzugehen: Zunächst sollte feststehen, welche Digitalisierungsbausteine man umsetzen möchte, dann sollte man sich über die Netzanforderungen Gedanken machen und wo die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Netzen liegen. Und im Anschluss kann man die Verkabelung planen. Wenn zum Beispiel an jedem Besprechungsraum ein digitales Türschild erwünscht ist, wird an jedem Türrahmen ein LAN-Port benötigt, damit das Türschild mit Power over Ethernet versorgt werden kann.
Wird die Netzwerkplanung von ComConsult durchgeführt?
Meine Aufgabe ist es, den Kunden bis zum Punkt der Netzwerkplanung zu beraten und zu begleiten. Die konkrete Netzwerk- und Verkabelungsplanung übernehmen dann meine Kollegen aus den jeweils dafür zuständigen ComConsult-Competence-Centern.
Welche verschiedenen Gewerke sollten bei der Planung eines Smart Building zusammenarbeiten?
An einem Smart-Building-Projekt sollten die Fachplaner aus den Bereichen Medientechnik, Gebäudeautomation, TGA, IT, Elektrotechnik, Sicherheitstechnik und Raumplanung beteiligt sein. Wir fungieren hier als eine Art Schnittstellenmanager, der dafür sorgt, dass alle Gewerke in einer übergeordneten Smart-Building-Management-Plattform zusammengefasst werden. Bleiben wir beim Beispiel digitales Türschild. Das Türschild selbst kommt vom Medientechnik-Planer, das benötigte LAN-Kabel kommt vom IT- beziehungsweise Verkabelungsplaner und der Strom vom ELT-Planer.
Ist bei den Planern eines Smart Building mittlerweile angekommen, dass eine sichere und gut geplante IT-Infrastruktur die maßgebende Grundlage für einen guten und effizienten Smart-Building-Betrieb bietet?
In dem HOAI-Leistungsphasen-Bauprozess ist das leider noch gar nicht angekommen. Wenn man nach diesem Prozess vorgehen würde, käme vieles viel zu spät. Wir haben gute Erfahrung damit gemacht, zu Beginn eines Bauprojektes Awareness dafür zu schaffen, die IT von Anfang an mit einzubinden. Das Bewusstsein dafür kann man in den Projekten, an denen ich bisher beteiligt war, bei den jeweiligen Fachplanern durchaus spüren.
Ein Smart Building Demonstrator dient der Abbildung der Komplexität aller für die Planung wichtigen Komponenten eines Smart Building und kann schon während der Bauphase die Einrichtung der smarten Komponenten unterstützen. Was kann man sich darunter vorstellen?
Der Smart Building Demonstrator ist eine Art Miniaturdarstellung des geplanten Smart Building mit sämtlichen Hard- und Softwarekomponenten und kann von Gebäudeentwicklern und -betreibern getestet und weiterentwickelt werden. Wir von ComConsult nutzen den Smart Building Demonstrator des Centers Smart Commercial Building an der RWTH Aachen. Beispielsweise ist unten ein Rack mit der Technik für die Gebäudeautomation angebracht, an der Seite steht ein Serverschrank, an den Wänden befinden sich intelligente Lichtschalter, verschiedene Steuerungsmodule für den Aufzug und Zutrittskontrollsysteme wie etwa Schließzylinder, die man über Funk mit der App oder einem Transponder bedienen kann. Es ist möglich, über die App zu testen, wie man ein Rollo bedient, das an der Wand hängt oder zu simulieren, wie man sein Auto an eine E-Ladesäule anschließt. Im Grunde kann man die ganze „User Journey“, von der ich vorhin erzählt habe, durchspielen. So ist es möglich, sich an einem Terminal als Besucher mit seinem Personalausweis zu registrieren, woraufhin man seinen Besucherausweis oder eine App-Einladung bekommt. Man kann sich auch die Backend-Daten ansehen, die gesammelt werden und die Daten auswerten. Zum Beispiel kann man sich Belegungskurven von einem Raum anschauen oder wie hoch der CO2-Wert über den Tag verteilt lag, wie hoch der Stromverbrauch in einem Raum oder einer Etage war oder welche Abteilung im Gebäude welche E-Ladesäule am meisten frequentierte.
Wir empfehlen unseren Kunden, ihr smartes Bauvorhaben mit einem Demonstrator abzubilden. Sind alle geplanten Digitalisierungsbausteine implementiert, so können sämtliche Funktionalitäten untereinander getestet und evaluiert werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass nicht immer alle Geräte miteinander kompatibel sind. Und wenn ein Problem schon „im Kleinen“ auftaucht, wird es „im Großen“ schon gar nicht funktionieren. So ist es auch für spätere Tests von Softwareupdates von Vorteil, einen Demonstrator im Gebäude zu haben.
Es gibt verschiedene Gebäudezertifizierungen. Welche sind das und worin liegen die Vorteile?
Es gibt u.a. die zwei Gebäudezertifizierungen WiredScore und SmartScore. WiredScore ist eine weltweit anerkannte Gebäudezertifizierung und fokussiert auf die Gebäudekonnektivität. Hier geht es im Wesentlichen darum, dass das Gebäude ein hochverfügbares Netz mit hoher Qualität hat, das ausfallsicher und redundant ist. Bei der SmartScore-Zertifizierung geht es darüber hinaus darum, ein digitales Nutzererlebnis zu schaffen, von dem sowohl der Immobilienbesitzer, die Inhaber als auch jeder einzelne Mitarbeiter profitieren. Anforderungskriterien können Dokumentation und Auswertung von Gebäudedaten, New-Work-Konzepte, Steigerung von Mitarbeiterwohlbefinden, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sowie Cybersecurity und Datenschutz sein. Je nachdem, welche Anforderungen erfüllt sind, erhält das Gebäude eine Silber-, Gold- oder Platin-Zertifizierung. Möchte ein Immobilieninhaber seine Büroflächen an Unternehmen vermieten, liegt es auf der Hand, dass mit einer solchen Zertifizierung das Renommee und die Attraktivität des Gebäudes steigen, was erwiesenermaßen eine geringere Leerstandsquote, doch auch eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit und bessere Chancen im „War for Talents“ zur Folge hat. Ich bin seit Kurzem SmartScore AP (Accredited Professional) und unterstütze jetzt auch als offiziell anerkannter Experte auf dem Gebiet der smarten Gebäudetechnologien unsere Kunden bei der Planung von vernetzten und smarten Gebäuden.