aus dem Netzwerk Insider Juni 2021
Ein neues Rechenzentrum bzw. ein neuer Serverraum wurde gebaut und steht zur Nutzung bereit. In vielen Fällen geht es nicht um eine sukzessive Besiedelung der Flächen mit völlig neuem Equipment, sondern darum, dass die Server und Switches aus einem bestehenden Rechenzentrum in die neue Serverfläche „wandern“, d.h. in die neuen Racks. Der Großteil der Elektronik muss im alten Serverraum demontiert, dann transportiert und im neuen Serverraum eingebaut und in Betrieb genommen werden. Selbst für den Fall, dass ein komplettes weiteres RZ mit einer Spiegelung als Redundanz existiert, wird der Umzug nichts sein, bei dem man sich Zeit lassen kann. Eine genaue Planung und Hand-in-Hand-Durchführung sind gefragt.
Federführend wird dieses durch eine Organisationseinheit / Abteilung durchgeführt, die für den Betrieb des Serverraums verantwortlich ist. Der nachfolgende Artikel gibt allgemeingültige Erfahrungen wieder, die im Rahmen der Fachplanung solcher Umzüge bei kleineren bis mittleren Rechenzentren gewonnen wurden. Er geht insbesondere auf die Vorbereitung ein, die wesentlich zu einem erfolgreichen Umzug beiträgt.
Dabei liegt der Schwerpunkt auf Tätigkeiten, die bis zur physikalischen Verschaltung der Komponenten (daten- und elektrotechnisch) notwendig sind – Konfiguration und Tests der Komponenten bleiben unberücksichtigt.
Konkret betrachtet der Artikel drei Haupttätigkeiten in Zusammenhang mit dem Umzug:
- Aus- und Einbau von elektronischer Hardware
- Stecken von IT-Anschlüssen
- Stecken der elektrischen Anschlüsse
1. Voraussetzungen zur Vorbereitung der Umzugsplanung
Die beschriebenen Erfahrungen basieren immer auf der Annahme, dass eine normkonforme, passive IT-Infrastruktur realisiert wurde und bereitsteht. Bereitstehen heißt dabei nicht nur, dass sie vorhanden ist, sondern auch, dass sie dokumentiert wurde.
Im Einzelnen bedeutet dies:
Alle Racks stehen und sind befestigt, eine etwaige Kalt- oder Warmgangeinhausung wurde montiert und im Rahmen eines Tests überprüft. Bedingt durch diesen Test muss in vielen Fällen davon ausgegangen werden, dass die gesamte 19“-Einbaufläche des Ganges verschlossen wurde und demzufolge erst wieder vor Einbau der Komponenten geöffnet werden muss. Im besten Fall ist diese Fläche mit modularen Blindplatten in unterschiedlichen Höheneinheiten verschlossen. Häufig erfolgt dies mithilfe von großen Plattenelementen, ggf. sogar mit großen, kostengünstigen Plexiglasplatten. Für den Umzug müssen ausreichende kleinere Blindplattenelemente bereitliegen, die im Laufe des Komponenteneinbaus die entstehenden Öffnungen passgenau schließen können.
Selbstverständlich wurden alle Racks – inklusive der Kabelführungssysteme – in Form eines „Floor Layout“ und die 19“-Bestückung in Form eines „Rack Layout“ im Grundriss dokumentiert. Das Floor Layout liegt im Idealfall maßstabsgerecht in CAD-Form vor, ein einfaches Schema wird für den Umzug aber auch ausreichen. Insbesondere die schematische Darstellung gibt die Möglichkeit, die wichtigsten Rack-Typen farblich zu kennzeichnen und Versorgungsbereiche von Bereichsverteilern hervorzuheben (im Bild unten: Middle-of-Row-Racks). Eine solche Information schnell ablesen zu können, kann beim Umzug hilfreich sein. (siehe Abbildung 1)
Die Server- und Netzracks wurden mit einer ausreichenden Kommunikationsverkabelung ausgestattet, deren Ziel die Vermeidung einer schrank- oder gar reihenübergreifenden Verkabelung mit Patchkabeln ist. Die Erfahrung zeigt, dass eine 100%-ige Vermeidung nie möglich ist und man immer mit Patchkabeln rechnen muss, die aus einem Rack herauszuführen sind.
Von großem Vorteil ist es, wenn unterschiedliche Kabelführungssysteme für festinstallierte Kabel und Patchkabel geplant wurden. Eine einzige Trasse für beide Kabelarten sowie eine geschlossene Standardtrasse zur Verlegung von Patchkabeln sind äußerst ungünstig. Das Ein- und Ausfädeln der Kabel wäre nur möglich, wenn zuvor entsprechende Formstücke verwendet wurden. Alternativ dazu sind Gitterrinnen oder Kabelführungssysteme besser, die speziell für eine Überkopfkabelverlegung in Rechenzentren entwickelt wurden (z.B. Fiberrunner von Panduit).
Die Kommunikationsverkabelung wurde installiert, eingemessen, beschriftet und dokumentiert – mindestens in Form einer Kabelspinne oder eines Strangschemas. Nur so können Patchlisten, die zu den zentralen Umzugsdokumenten gehören, erstellt werden. (siehe Abbildung 2)
Eine zentrale Rolle sowohl bei der Installation als auch bei der Nutzung der Verkabelung übernimmt ein durchdachtes Beschriftungskonzept. Wurde ein solches nicht konsequent und einheitlich „zu Ende“ gedacht und nicht einfach und verständlich aufgebaut, so ist mit einem vermehrten Auftreten von Fehlpatchungen zu rechnen. Die Beschriftung an den Komponenten – insbesondere an den Rangierfeldern – muss deutlich lesbar sein und alle wichtigen Informationen enthalten. Im nachfolgenden Beispiel wurde ein sehr gut lesbares Schild am Rangierfeld montiert, welches die kompletten Informationen zum Einbauplatz des Rangierfeldes beinhaltet und Platz für weitere Zusatzinformationen bietet (im Beispiel: Information zur Lage des Ziel-Rangierfeldes). Damit liegen dem Umzugsteam die wichtigsten Informationen an jedem Rangierfeld vor, ohne umständlich in eine weitere Bestandsdokumentation schauen zu müssen. (siehe Abbildung 3)
Neben der Kabelführung außerhalb der Schränke spielt die Führung der Patchkabel innerhalb der Schränke zur Sicherstellung einer aufgeräumten und fehlerfreien Verschaltung der Komponenten eine große Rolle. Sind hier keine geeigneten Elemente wie horizontale 19“-Kabelführung, seitliche Kabelkämme oder auch Rangierösen zur vertikalen Kabelführung vorhanden, wird man nach einem Umzug von einer vorzeigbaren Beschaltung weit entfernt sein. (siehe Abbildung 4)
Eine ausreichende Stromversorgung in Form von PDUs (Steckdosenleisten) mit unterschiedlichen Anschlusstypen steht bereit.
Da alle genannten Dokumentationsbestandteile Ergebnis der Revisionsdokumentation sind, die vom Installationsunternehmen vorgelegt wird, sind zunächst keine Angaben zur Lage bzw. zum Montageort der einzubauenden Server, Switches o.ä. enthalten. Diese Angaben müssen in der nächsten Planungsphase gemacht werden.
2. Vorbereitung
Die Vorbereitung des Umzugs kann man auf sechs Fragen fokussieren:
- Was muss umziehen?
- Wo befindet sich die Komponente jetzt?
- Wohin muss die Komponente?
- Was brauche ich zum Umzug und zur Inbetriebnahme?
- Wann erfolgt der Umzug der Komponenten?
- Welches Risiko muss ich wie einkalkulieren?
Es bietet sich an, die Vorbereitung in zwei Haupttätigkeiten aufzuteilen:
- Eine planende Vorbereitung, die in Form einer klassischen Planung durch die Beteiligten mittels Workshops und Kommunikation ablaufen kann und bei der als Ergebnis ein Umzugskonzept steht.
- Eine durchführende Vorbereitung, die eine hohe Vor-Ort-Präsenz am Alt- und Neu-RZ sowie Aufgabenzuweisungen und Erledigungen unterschiedlicher Art erfordert. Dazu gehören zum Beispiel Informationsbeschaffungen in den Serverräumen, Besichtigungen der Transportwege, Beauftragung eines Umzugsunternehmens, Bestellung von Material wie Patchkabel, Montagekomponenten o.Ä.
Die gesamte Vorbereitung muss am Ende in Form eines Umzugskonzeptes dokumentiert werden und alle zu berücksichtigenden Punkte beinhalten. Dieses Dokument wird an die „betroffenen“ IT-Abteilungen bzw. Nutzer der Serverfläche verteilt, aber auch – zumindest in Teilen – an ein potenziell erforderliches Umzugsunternehmen. Die Fertigstellung des Dokumentes inklusive eines sehr wichtigen Freigabeprozesses muss weit vor dem eigentlichen Umzugstermin erfolgen.
Klassische Kapitel / Teile eines Umzugskonzeptes sind:
- Zweck des Dokumentes
- Beschreibung des Ist-Zustands und der Ausgangssituation
- Grundsätzliches zur neuen Serverraumfläche
- Vorgehen im Detail (Drehbuch)
- Umzugslogistik
- Testabläufe
- Zeitplanung
Dazu eine Erläuterung an Beispielen:
Im „Drehbuch“ muss u.a. exakt beschrieben werden, wie das neue Netz im neuen Serverraum bereitgestellt wird. Es muss dargelegt werden, ob der Aufbau mit neuen Komponenten erfolgt oder ob Bestandskomponenten weiterverwendet werden müssen. Letzteres erfordert eine viel genauere Planung, da z.B. die Bestandsswitches erst umgebaut werden können, wenn die dort angeschlossenen Server deaktiviert worden sind – die aber wiederum bis zum erneuten Einbau der Switches keinen Netzanschluss haben werden.
Um neue oder vorhandene Serverkomponenten umziehen (lassen) zu können, müssen die personellen Zuständigkeiten abgestimmt werden. Das klingt trivial, aber wer kennt nicht den Fall, dass es eine Altlast im Serverraum gibt, für die sich niemand mehr zuständig fühlt? Nur die für die umzuziehende Komponente zuständigen Mitarbeiter können beispielsweise Informationen darüber liefern, ob und wie redundante Anschlüsse vorzusehen sind oder ob es Erschwernisse beim Transport gibt – z.B. vorgeschriebene Ruhezeiten vor einer Inbetriebnahme.
Sehr häufig ist es personell oder logistisch nicht möglich, den physikalischen Umzug der Geräte durch eigenes Personal durchführen zu lassen. Deshalb bietet es sich an, diese Tätigkeiten, für die kein IT-Expertenwissen erforderlich ist, an ein Umzugsunternehmen zu delegieren. Dies beschränkt sich nicht „nur“ auf Anweisungen von mechanischen Tätigkeiten wie Anschrauben der Komponenten oder des Zusatzmaterials (Montageschienen), auch die Einschätzung und Vorbereitung der Transportwege kann von professionellen Umzugsunternehmen deutlich effektiver vorgenommen werden (erforderliche Rampen, Türverbreiterungen, Aufzugnutzung, benötigte Metallplatten zur Verstärkung eines Doppelbodens, besondere Hebegeräte für schwere Komponenten etc.). Wenn ein Transport unzureichend geplant wurde, ist beim Umzug garantiert mit erhöhtem Stressfaktor zu rechnen. Unbedingt sind bei der Hinzunahme von Dritten zwecks Transport – auch auf öffentlichen Straßen – haftungstechnische Fragen zu klären und genaue Übergabeprozesse zu definieren. Im nachfolgenden Beispielauszug eines Transportbelegs ist die Unterschriftenkette erkennbar, die notwendig ist, um Haftungsfragen klar abzugrenzen:
Der Systemverantwortliche (SV) hakt ab, wenn das System stromlos ist und demontiert werden darf. Danach übernimmt eine weitere Umzugseinheit die Entkabelung der Strom- und Datenanschlüsse. Dies schafft die Voraussetzung dafür, dass das Umzugsunternehmen übernehmen und transportieren kann. Am Zielort wird die Ankunft bestätigt und an die einbauenden Monteure übergeben usw. (siehe Abbildung 5)
Es wird erkennbar, dass es im Rahmen des Umzugs Tätigkeiten mit unterschiedlich gefordertem Know-how und Fähigkeiten gibt. Um einen Umzug so effektiv wie möglich durchzuführen, müssen die Tätigkeiten, die kein besonderes IT-Expertenwissen erfordern, an Personen delegiert werden, die nicht zum engen Kreis der IT-Verantwortlichen gehören. Die IT-Experten-Gruppe sollte sich im Idealfall nicht mit Aus- und Einbau von Hardware, Patcharbeiten, Dokumentation des Einbaus bzw. der Patchungen und dem Einstecken von Stromanschlüssen beschäftigen müssen. Vielmehr muss diese Gruppe für Konfigurationen, Tests und Troubleshooting ausreichend Zeit haben. Das führt dazu, dass für folgende Haupttätigkeiten klare Handlungsanweisungen spezifiziert werden müssen, die an Externe weiterzugeben sind:
- Anweisungen zum Aus- und Einbau der Elektronik sowie
- Anweisungen zur Durchführung der Patchungen.
3. Inventarisierung und Montageplanung
Vor der eigentlichen Planung der Montage am Zielort (Planung des Einbaus) muss eine Inventarisierung des umzuziehenden Bestands erfolgen. Dies ist wichtig für die „Besitzer“ der Systeme, d.h. die Systemverantwortlichen, den Umzugsplaner, das Umzugsunternehmen und natürlich auch für die Spezifikation der Transportversicherung. Die wichtigsten Bestandteile der Inventarisierung sind die Namen und Kontaktdaten der Systemverantwortlichen und die relevanten technischen Kenndaten des Systems. Dazu gehören u.a. geometrische, mechanische und elektrische Kenndaten, netztechnische Kenndaten wie beispielsweise die MAC-Adresse, IP-Adresse oder VLAN-Zugehörigkeit. Für das Umzugsunternehmen muss die Einbauposition im Alt-RZ bekannt sein. Macht man sich Gedanken zum Einbau am Zielort, so sollten in der Inventarliste das mit dem System verbundene wichtige Zubehör wie die benötigten Stromanschlusstypen (C13, Schuko, redundante Anschlüsse etc.) oder zusätzliches Montagematerial bereits bei der Inventarisierung dokumentiert werden.
Es hat sich bewährt, schon in dieser Phase für jeden Server oder Switch eine eindeutige Objekt- bzw. Inventarisierungs-ID einzuführen, mit deren Hilfe auch die weiteren Umzugsdetails einem Objekt genau zugewiesen werden können. Eine reine Verwendung von Systemnamen oder IP-Adressen ist zur schnellen Sortierung von erfassten Objekten eher unhandlich.
Verfügt man nicht über aktuell gepflegte Inventardaten oder eine Datenbank, so muss diese Inventarisierung sehr früh erfolgen, denn die Planung dessen, was mit den Komponenten am Ziel geschehen soll, ist erheblich abhängig von einer abgestimmten Inventarliste.
Die Inventarisierung wird in drei Zuständigkeitsblöcke aufgeteilt. Jeder dieser drei Gruppen ist für einen konkreten Teil der Inventarisierung und Inventarplanung verantwortlich; eine „Kreuzverantwortlichkeit“ muss vermieden werden. (siehe Abbildung 6)
Die Aufgaben sehen wie folgt aus:
Die Nutzer der Systeme (Server, Storage, Tape etc.), also die Systemverantwortlichen, erfassen in erster Linie die Ist-Kenndaten. Teilweise können bereits Wunschtermine zum Umzug und auch Zielpositionen im neuen RZ genannt werden. Es zeigt sich, dass die Erfassung der Ist-Kenndaten sehr zeitaufwendig ist und hiermit frühzeitig begonnen werden muss.
Die Gruppe / Abteilung, die für den eigentlichen Umzug verantwortlich ist („interne“ RZ-Planung) übernimmt die Daten der Systemverantwortlichen und damit auch die Weiterverarbeitung. Diese umfasst im Wesentlichen die Festlegung von Planungsdaten wie z.B. des genauen Umzugstermins (Tag und ggf. Uhrzeit oder Schicht). Das kann und darf nicht der einzelne Systemverantwortliche machen, denn dazu ist eine Gesamtübersicht notwendig, die nur die RZ-Planung haben wird. Gleiches gilt auch für die Festlegung der finalen Zielposition wie Rack und Höheneinheit – auch das kann nicht alleine vom Systemverantwortlichen vorgenommen werden. Die Festlegung der zu benutzenden elektrischen Anschlüsse an den PDUs muss in vielen Fällen vorgegeben werden, ansonsten besteht die Gefahr, dass die durch die PDUs angebotenen Steckplätze falsch benutzt werden und keine Anschlussmöglichkeiten mehr für später nachrückende Systeme vorhanden sind.
Im Folgenden ist der Auszug aus einer sehr großen Tabelle dargestellt, in der bei einem Projekt auf EXCEL-Basis all diese Informationen gesammelt worden sind. (siehe Abbildung 7)
Da diese Liste im Umzug sehr gut weiterverwendet werden kann, um den Status des Umzugs zu dokumentieren, ergänzt der Umzugskoordinator – die dritte Zuständigkeit – eine solche Tabelle mit entsprechenden Spalten als Checkliste und erfasst damit den Status jeder mit einer eindeutigen ID erfassten Komponente während des Umzugs.
Wie bereits angesprochen zeigt sich, dass eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten sinnvoll ist, um sowohl bei der Vorbereitung als auch beim Umzug effektiv vorgehen zu können.
4. Patch-Planung
Das zweite wesentliche Standbein der Umzugsplanung, bei dem in einem besonderen Maße die Systemverantwortlichen bzw. die gesamte RZ-Abteilung beteiligt sind, stellt die Patchliste dar. Es ist sinnvoll, Patch-Tätigkeiten an Dritte, also Nicht-IT-Experten, zu delegieren. Dies setzt voraus, dass klare Patchanweisungen vorliegen. Sind diese nicht präzise und eindeutig genug, so wird bei einer eventuell folgenden Fehlersuche extrem viel Zeit durch IT-Experten in die Nachvollziehung der Patchung sowie in die Plausibilitätsprüfung der eigenen Patchanweisung gesteckt. Gerade bei Patchungen, die schrank- oder gar reihenübergreifend sind, ist das sehr mühselig.
Für wen sind die Patchlisten wichtig? Da sind die Systemverantwortlichen, die festlegen müssen, bei welchem System welcher LAN-Port zu benutzen ist und mit welchem „Gegenstück“ dieser zu verbinden ist. Dabei spielt es aus Sicht der Systemverantwortlichen zunächst keine Rolle, über welche Patchpanel die Verbindung aufzubauen ist, er denkt in „Ende-zu-Ende-Beziehungen“. Die übergreifende Umzugsplanung (= „interne“ RZ-Planung) muss dagegen das Wissen besitzen, wie die Festverkabelung zwischen den verschiedenen Racks aussieht, auf welchem Rangierfeld welche Ports genutzt werden können, welche Leistungsfähigkeit ein Port hat etc. Damit zeichnen sich zwei Zuständigkeitsblöcke ab (siehe Abbildung 8):
Auch hier hat sich bewährt: keine Vermischung der Zuständigkeiten.
Dies führt zu einer Kette von Abhängigkeiten, derer man sich frühzeitig bewusst sein muss. Sie ist extrem wichtig für eine Terminplanung. Denn ohne die vollständig und final geplante Inventarliste kann es keine Patchliste geben, und ohne eine der beiden Listen kann man keinen Umzug angehen. Eine Montageplanung und Patchplanung „on the fly“ wird während eines Umzugs nicht funktionieren. (siehe Abbildung 9)
Gerade das Zusammenstellen der Daten von vielen Systemverantwortlichen und Nutzern dauert erfahrungsgemäß sehr lange und kann bei fehlender hartnäckiger Nachfrage durch die RZ-Planung zu einer Gefährdung des Umzugstermins führen.
Die Erstellung und Pflege der Patchliste ist der aufwendigste Teil der Planung und fordert eine klare, zentrale Verantwortlichkeit bei einer Person oder einem sehr eingeschränkten Kreis. Sie bedarf bei ihrer Erstellung einer extrem hohen Konzentration und immer wieder gründlichen Plausibilitätsprüfungen. Selbst mit einfachen EXCEL-Tabellen lassen sich über entsprechende Kombinationen von Filtern z.B. Doppelbelegungen zügig erkennen oder Server bestimmen, die überhaupt nicht berücksichtigt wurden. Mit einer gewissenhaft gepflegten Patchliste können solche Doppelbelegungen vermieden werden, die meistens sehr schwierig zu klären sind und schnell mal 15 bis 30 Minuten Zeit in Anspruch nehmen können. In diesem Zeitraum werden sowohl die Ressourcen der IT-Experten als auch Folgepatchungen am selben Rangierfeld blockiert.
Ein sehr wichtiges Nebenprodukt der Patchliste stellt die Liste der bereitzustellenden und ggf. neu zu bestellenden Patchkabel dar. Bei den wenigsten Umzügen wird man die schon in die Jahre gekommenen Bestandspatchkabel weiterverwenden. Folgendes spricht dagegen:
- Es besteht ein erhöhtes Risiko bei Glasfaser-Patchkabel, wenn Kabel mit verschmutzen Ferrulen verwendet werden.
- Moderne Glasfaser-Patchkabel sind dank einer sogenannten Uni-Boot-Technik viel dünner als ältere Typen, haben deutlich bessere Biegeradien und passen besser in die zum Teil sehr vollen Kabelführungen.
- Die Farbkodierungen der LWL-Kabel und Stecker passen nicht mehr zu den neuen Rangierfeldern.
- Es besteht Unklarheit darüber, ob die Qualität für die geforderte Datenrate ausreicht, zum Beispiel kann man amRJ45-Stecker oftmals nicht die Kategorie erkennen.
Eine fehlende Beschriftung der Patchkabel hat sich als sehr negativ erwiesen. Häufig bedauert man im Rahmen des Umzugs die Verwendung von nicht beschrifteten Kabeln. Ohne eine solche Beschriftung können falsche Rangierungen nicht lokalisiert werden. Daher gilt die Empfehlung, vor Ort Beschriftungsschilder vorzuhalten, die das nachträgliche Beschriften möglich machen.
Werden neue Kabel bestellt oder Bestandskabel übernommen, so ist es hilfreich, diese vorsortiert und deutlich gekennzeichnet im Rechenzentrum bereitzustellen (temporäres Regal mit Beschriftung der Lagerfelder oder der Kartons). Ein paar Erfahrungen dazu:
- Das jeweilige Aufnehmen von Patchkabel aus einem Karton und anschließende „Austüfteln“, was das für ein Patchkabel sein könnte, ist viel zu zeitaufwendig. Im besten Fall sollte das Kabel in einer eigenständigen Verpackung geliefert werden, auf der diese wichtigen Informationen dokumentiert sind.
- Ein aus dem Vorrat entnommenes Kabel wird verwendet, jedoch stellt man fest, dass dieses zu kurz ist. Es passiert Folgendes: Sie werden einfach wieder zusammengerollt und irgendwo hingelegt und zwar unverpackt und nicht dort, wo man sie hergeholt hat. Diese „benutzten“ Kabel werden mit hoher Sicherheit nicht wieder benutzt, weil sich niemand die Zeit nehmen wird, die Stecker zu prüfen, die Länge abzumessen oder den Typ (z.B. OM4, OS2) zu bestimmen.
- Gerne nimmt das Patchteam eher die etwas längeren Patchkabel, denn damit entgeht man dem Risiko, zu kurze Kabel wieder aufwendig entpatchen zu müssen. Dies führte in einem Projekt dazu, dass die kurzen, aber eher passenden Kabel nicht gebraucht wurden und dafür bereits in einer frühen Phase des Umzugs die längeren Kabel aufgebraucht waren und hektisch nachbestellt werden mussten.
- Bei Glasfaserkabeln ist es im aufgerollten Zustand sehr schwer, die Länge abzuschätzen, sodass man sich häufig ein nicht passendes Exemplar greift, was dann zu den beiden o.g. Problemen führt.
- Patchkabel mit einer Länge von weniger als 2 m bleiben unbenutzt im Karton liegen.
Häufig nimmt man viel zu lange Patchkabel und schiebt dann die Überlänge irgendwohin, was bei ein paar wenigen Kabeln kein Problem darstellt. Jedoch kommt es bei einer großen Menge von solchen Überlängenschlaufen sehr schnell zu Kabelknäueln, die kaum zu entwirren sind. Bei schrankreihenübergreifenden Patchungen ist es sehr schwer, die benötigte Länge genau vorherzusagen. Eine eventuell größere Überlänge muss in Kauf genommen werden. Die Erfahrung zeigt, dass Überlängenschlaufen weder im Rack noch als „Kabelkringel“ auf dem Kabelführungssystem unterzubringen sind. Viel besser ist es, die Überlänge in Form einer großen, offen Schlaufe auf der Trasse / Rinne abzulegen. So lässt sich leichter etwas nachziehen und man vermeidet irrtümliche Einfädelungen von anderen Patchkabeln.
Weiter zeigt sich, dass der Platzbedarf von Patchkabeln bei der horizontalen Kabelführung im 19“-Bereich gerade bei Twisted-Pair-Kabel schnell unterschätzt wird. Ein 1HE-Rangierfeld mit 24 RJ45-Ports kann sehr gut mit einer einzigen 19“-Patchkabelführung kombiniert werden, aber bei einem 1HE-Switch mit 48 Ports ist eine einzige Kabelführung viel zu wenig. Man presst dann die Kabel rein, kann aber weder ihre Beschriftung lesen noch eine manuelle Kabelrückverfolgung zuverlässig durchführen. Somit lautet die dringende Empfehlung: ausreichende Anzahl von Kabelführungsplatten vorsehen.
Ein winziges Element darf in Zusammenhang mit dem Austausch der Patchkabel nicht vergessen werden, ansonsten droht der Umzugsstopp: Die bestehenden GBICs / SFPs müssen natürlich nicht automatisch zu den neuen Patchkabeln passen. Demzufolge ist frühzeitig zu planen, welche neue Elektronik notwendig und auch frühzeitig zu bestellen ist.
5. Fazit
Die Planung eines RZ-Umzugs ist mit Sicherheit „kein Hexenwerk“. Sie erfordert jedoch ein umfangreiches Sammeln von Informationen, deren Bedeutung zunächst nicht ersichtlich ist, die später aber von entscheidender Bedeutung sein können. Selbst mit einfachsten Mitteln wie grafischen Darstellungen und Excel-Listen lassen sich ausreichend gute Vorplanungen durchführen. Grundsätzlich ist es empfehlenswert, wie bei einem Film-Drehbuch jede Tätigkeit des Umzugs Schritt für Schritt im Kopf durchzugehen, zu erfassen, was dazu wann notwendig ist und dies in Form eines Konzeptes festzuhalten. Die Übersicht behält man am besten, wenn die verschiedenen Planungsschritte und Tätigkeiten von unterschiedlichen Personen übernommen werden. Bei einer Reduzierung auf eine oder sehr wenige Personen ist die Gefahr der Überlastung der Person zu groß, und schnell werden kleine, aber wichtige Details übersehen, die im Extremfall einen Umzug für eine längere Zeitspanne unterbrechen können.