aus Netzwerk Insider Ausgabe November 2018
Das Smartphone und seine Nutzungsformen sollten neu überdacht werden. Die These hier zur Einleitung ist:
- Unternehmen sollten erwägen, das Smartphone zu einem Standard-Endgerät für jeden Mitarbeiter zu machen
- Das konkrete Gerät sollte strikt am Unternehmensbedarf orientiert werden und für die Nutzung der im Unternehmen eingesetzten Apps optimiert sein. Dies betrifft zum Beispiel die Nutzung des Smartphone als Kollaborations-Endpunkt, seinen Einsatz bei Multifaktor-Authentifizierung oder zur Nutzung von Gebäude-/Büro-bezogenen Apps für den Zugang, die Lichtsteuerung, die Heizungs- und Lüftungssteuerung etc.
- Die Nutzung des Smartphones sollte in ein generelles Mobility-Konzept mit einem starken Security-Anteil integriert sein, wenn dies nicht sowieso schon der Fall ist
- Damit stirbt BYOD für diese Geräteklasse, die Interessen des individuellen Nutzers und der Bedarf des Unternehmens entwickeln sich schlicht auseinander
- Wirtschaftlichkeit wird bei dieser Entwicklung ein entscheidender Faktor sein. Dies betrifft aber nicht nur die Kosten für den Kauf und den Betrieb. Hier steht eine ziemliche Spannbreite von Preis und Leistung zur Auswahl. Es betrifft auch die mit der generellen Nutzung des Smartphones verbundenen Einsparpotenziale
Eine flächendeckende Ausrollung von Smartphones hat eine Reihe interessanter Konsequenzen:
- Es wird das zentrale Kommunikationsgerät und integriert alle genutzten Kommunikationsformen in einem Gerät
- Das Tischtelefon ist damit tot
- Die Frage der Headset-Nutzung für mobile Mitarbeiter kann neu durchdacht werden, hier ist ein erhebliches Sparpotenzial gegegeben
- Prozess-Optimierungen lassen sich je nach Prozess und Umgebung leichter flächendeckend ausrollen
Was ist aber mit etablierten Gewohnheiten oder Technologien wie der Chef-/Sekretärinnen-Funktion? Genauer betrachtet ist das ein Relikt aus der Vergangenheit, das deutlich bessere Lösungen effizienter Kommunikation blockiert. Wer dafür bezahlen will, dem sei es gegönnt. Aber auch Chefs sind Teil von Teams. Und Arbeitsabläufe in Teams lassen sich heutzutage viel dynamischer und effizienter steuern als mit einer historischen und veralteten Technik. Aber natürlich könnte man das ohne Probleme parallel zueinander nutzen.
Ein denkbares Beispiel für einen modernen Workflow: es gibt eine signifikante Störung im Unternehmen, die zu erheblichen Problemen führt. Um diese Störung zu bearbeiten wird in einem Kollaborationstool (WebEx Teams, Microsoft Teams, Unify Circuit …) vollautomatisch ein neues Team gestartet. Mitglieder werden ebenfalls automatisch alle betroffenen Personen und die notwendigen Entscheider. Alle auflaufenden Information aus dem Internet of Things oder Industrie 4.0 oder wo immer auch her (System-Management) werden direkt diesem Team zugeordnet und hier als temporäres Dashboard angezeigt. Alle betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte haben alle notwendigen Informationen. Entscheidungen können direkt auf der Teamebene koordiniert werden. Nach Behebung der Störung wird das Team archiviert. Wir werden in Zukunft viele solcher neuen Workflows sehen. Sie betreffen auch stark den gesamten Call-Center-Bereich und eine effizientere Nutzung dieses Call-Centers mit kürzeren Reaktionszeiten und deutlich niedrigeren Kosten. Voraussetzung dafür sind eine verstärkte Vernetzung von Information und eine lückenlose Abdeckung von Mitarbeitern mit geeigneten Endgeräten.
Wir werden diese einleitende These sowohl auf den Technologietagen 2018 als auch auf dem UC-Forum diskutieren. Speziell auf dem UC-Forum wird dieser Part eine gewisse Bedeutung haben, da er direkt mit einer veränderten Meeting-Kultur und einer Neupositionierung von Videokonferenztechnik im Zusammenhang steht.
Beginnen wir von vorne. Wie kommt diese einleitende These zustande?
Mitarbeiter werden immer mobiler. Und mit ihnen müssen IT-Infrastrukturen mobiler werden. Dies ist ein seit Jahren zunehmender Trend, der inzwischen eine signifikante Größe erreicht hat. Er kann u.a. an folgenden Entwicklungen nachvollzogen werden:
- New Work: das Design eines modernen Arbeitsumfeld mit unterschiedlichen Zonen für verschiedene Typen von Arbeit: von der Rückzugs- oder Privatzone über den Kreativbereich bin hin zu Team-Räumen. Was zuerst bei wenigen großen Unternehmen wie Bloomberg und Google begann und sich dabei auf den sogenannten Knowledge-Worker konzentrierte, ist inzwischen eine Massen-Bewegung, der mehr und mehr das Design von Büroflächen prägt.
- Team-Kollaboration über Unternehmensgrenzen hinaus: an jedem Ort, mit jedem Gerät und zu jeder Zeit. Die Ausrichtung am Team entscheidet. Hier liegen gleichzeitig unendliche Workflow-Potentiale vergraben. Die Ausrichtung am Team zusammen mit der automatischen Gestaltung von Abläufen wird in den nächsten Jahren völlig neue Lösungen schaffen.
Damit entsteht die Frage nach dem besten Endgerät für einen mobilen Mitarbeiter neu. Wir haben bereits seit Jahren einen Trend hin zum Laptop, ggf. in Form eines modularen Geräte-Designs mit externen Speicher-Elementen, Grafik-Karten und vielen denkbaren Ausprägungen je nach Bedarf.
Aber bei den aktuellen Fähigkeiten von neuen Smartphones im Tech-tober (fast alle großen Hersteller kündigen ihre neuen Geräte im Oktober an) entsteht wieder einmal die Frage, welche Rolle diesen immer stärker werdenden Geräten in Zukunft zukommt. Reicht ein Smartphone nicht generell aus? Bisher haben Smartphones noch die Schwäche, dass sie in einem modularen Gerätedesign und in der Ansteuerung eines externen Monitors zum Beispiel nicht überzeugen. Hier hat Apple aber gerade bei der Ankündigung des neuen iPads mit der integrierten USB-C Schnittstelle das Fenster in die Zukunft geöffnet. Zum ersten Mal können hochauflösende Monitore mit einem iPad verbunden werden. AirPlay konnte da bisher nicht wirklich überzeugen. Apples Schwachstelle ist aber immer noch die fehlende Kombinierbarkeit mit einem externen mobilen Speicher, zum Beispiel einem externen SATA-SSD-Laufwerk. Das Sandbox-Konzept unterbindet ein offenes Speicher-Management im IOS. Trotzdem könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass USB-C auch bei Apple zur Universal-Schnittstelle wird. Bei Android sehen wir dieselbe Entwicklung und dort haben wir ein integriertes Management eines externen Speichers.
Die Frage ist hier, ob die simple Orientierung an der Hardware-Leistung der Geräte, sei es von Apple oder Google oder Samsung, der richtige Ansatz ist. Wir brauchen mehr als das, um die Investition in teure Smartphones mit begrenzter Nutzungsdauer rechtfertigen zu können.
Was kann also die Zukunft des Smartphones prägen? An dieser Stelle folgende Argumente zum Nachdenken:
- Ablösung des Tischtelefons durch Smartphones. Schon mittelgute Tischtelefone kosten heute jenseits von 300 Euro. Passable Smartphones wie das OnePlus 6T starten aber schon unter 600 Euro. Auch das ja noch immer verfügbare iPhone 7 ist ein guter Start für eine Massennutzung.
- Ein möglicher Verzicht auf Bluetooth-Headsets für Mobilarbeiter ist die nächste Stufe. Die Preise gehen hier inzwischen auch über 300 Euro, vereinzelt noch weit höher. Kombiniert man die Kosten eines Tischtelefons und eines Bluetooth-Headsets, dann liegt man bereits über den Kosten eines OnePlus 6T oder iPhone7
- Smartphones sind durchaus als vollständige mobile Kollaborationsgeräte geeignet. Sie leisten herausragende Videokonferenzen und können gleichzeitig als Basis für Präsentationen dienen. Eine ganze Reihe von Konferenzlösungen erlaubt heute das Screen-Sharing vom Smartphone. Damit kann ein mobiler Mitarbeiter immer und an jeder Stelle in Konferenzen eingebunden werden. Für diese Art der Nutzung sollte das Smartphone aber sorgfältig ausgewählt werden. So sollte es ein gutes Mikrofone, gute Lautsprecher und eine gute Frontkamera haben (das neue Pixel 3 von Google hat mit der zweiten Frontkamera eine interessante Perspektive aufgemacht, leider ist das Mikro weniger überzeugend).
Aus meiner Sicht führt dies zu einem einfachen Denkmodell: Smartphone + Laptop bieten eine perfekte Kombination für die Arbeitsplatzausstattung der nächsten Jahre. Eine Reduzierung auf das Smartphone alleine macht Im Moment noch keinen Sinn, kann aber natürlich kommen. Allerdings vermutlich eher in der Android-Welt, da das Sandboxing von IOS mit dem stark limitierten Speichermanagement hier doch zu hinderlich ist.
Dies bedeutet:
- Das Ende des Tischtelefons
- Alle Mitarbeiter erhalten als Grundausstattung ein Smartphone
- Dies ist dann auch die Basis für Multifaktor-Authentifizierung
- Damit entsteht die perfekte Basis für Unternehmens-Apps auf dem Smartphone
- Das Smartphone ist zentraler Bestandteil der Kollaborations-Lösung
- Ein Bedarf für teure Headsets kann auf wirkliche Vieltelefonierer reduziert werden
Was bedeutet das für Bring Your Own Device BYOD? Je mehr wir aus Unternehmenssicht mit dem Smartphone machen wollen, je mehr Apps wir dort als Grundausstattung sehen, desto weniger kommt BYOD in Frage. Die Entwicklung des Smartphones zum strategischen Endgerät für alle ist wohl das vorläufige Ende von BYOD. Wenn wir ein flächendeckendes Massengerät erhalten, kann der Betrieb nur funktionieren, wenn er absolut optimiert ist. Ein wildes Durcheinander von BYOD-Endgeräten stört hier.
Was meinen Sie dazu? Im Moment ist es ein Denkanstoß. Haben Sie andere Sichtweisen dazu? Ich stehe zu einer offenen und kontroversen Diskussion auf dem UC-Forum zur Verfügung.
Ihr
Dr. Jürgen Suppan
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