In den letzten 30 Jahren haben wir uns an die Koexistenz von Multimode- und Singlemode-Fasern gewöhnt. Multimode-Technologie kann mit preiswerteren Transceivern genutzt werden. Mit Singlemode können wesentlich größere Distanzen überbrückt werden. Das begrenzte Bandbreiten-Länge-Produkt jeder Multimode-Faser bedeutet, dass mit zunehmender Bitrate die Reichweite von Multimode sinkt. Haben wir einen Punkt erreicht, an dem die kurze Reichweite die Sinnfälligkeit von Multimode-Fasern infrage stellt?
Multimode ist nicht gleich Multimode
Zunächst ist der Hinweis notwendig, dass Multimode nicht gleich Multimode ist. In den letzten Jahrzehnten haben Hersteller die übertragungstechnische Qualität von Multimode(MM)-Fasern verbessert. Standards unterscheiden zwischen verschiedenen Kategorien von MM-Fasern. Zu erkennen sind die verschiedenen Kategorien anhand der OM-Klassifizierung. Zum Beispiel hat die Schnittstelle 100GBASE-SR10, mit der 100Gigabit Ethernet über 20 parallele MM-Fasern genutzt werden kann, eine Reichweite von 100 m bei OM3 und 150 m bei OM4.
Zwei- versus mehrfaserig
20 parallele Fasern? Über Jahrzehnte haben wir Duplex-LWL-Strecken genutzt, eine Faser pro Übertragungsrichtung, Transmit und Receive. Einige Generationen von optischen Duplex-Steckverbindungen sind gekommen und teilweise wieder gegangen. Aktuell wird zum Beispiel die LC-Steckverbindung am häufigsten genutzt. Sind LWL-Verbindungen mit 20 parallelen Fasern praktikabel? Die Antwort ist nur dann ja, wenn es sich um fertig konfektionierte Kabel handelt, die zum Beispiel an beiden Enden mit MPO-Steckern oder sogar mit Transceivern bestückt sind. Die Handhabung von Zwischenrangierungen mit mehr als zwei Fasern pro Steckverbindung ist schwierig. Solche Konstellationen können sich als Quelle häufiger Fehler erweisen und sind am besten zu vermeiden.
Grenzen von Multimode
Wenn wir also die Verwendung von fertig konfektionierten Kabeln als Sonderfall betrachten und entscheiden wollen, ob sich fest installierte MM-Verkabelung lohnt, müssen wir zwangsläufig untersuchen, welche Übertragungsraten zu unterstützen sind. Im Rechenzentrum (RZ) ist die Entscheidung relativ einfach: Hier steuern wir auf 100 Gbit/s und mehr zu. Dafür wäre eine fest installierte, zweifaserige MM-Verkabelung nicht brauchbar. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre der Einsatz von Singlemode kein Problem. Der „Straßenpreis“ eines Transceivers des Typs 100G-CWDM4-S liegt bei ca. 150 €. Dieser Transceiver passt zu QSFP28-Steckplätzen. Er hat zur Verkabelung hin die LC-Schnittstelle. Die Reichweite des Signals über Singlemode beträgt 2 km. Warum sollte man sich also mehrfaserige MM-Verkabelung antun?
Jedoch wird 100Gigabit Ethernet nicht überall benötigt. Im Campus reicht meistens 10Gigabit Ethernet. Die Schnittstelle 10GBase-S unterstützt bei OM4 die Reichweite 400 m. Dazu passende Transceiver sind für 16 € erhältlich (wenn man nicht die hohen Listenpreise der Switch-Hersteller zum Maßstab nimmt). Für nur 6 € mehr bekommt man den 10GBase-LR-Transceiver mit 10 km Reichweite. Damit stellt sich auch hier die Frage nach der Sinnfälligkeit von fest installierter Multimode-Verkabelung.