aus dem Netzwerk Insider Mai 2024
Die meisten modernen wie aber auch älteren Tertiärverkabelungen haben eine Leistungsfähigkeit, welche die Anforderungen der auf diesen Strecken eingesetzten Endgeräten bei weitem erfüllen. Ein Bedarf nach wesentlichen Verbesserungen für diesen Teil der anwendungsneutralen Kommunikationsverkabelung oder auch Änderungen der Konzepte oder Planungen ist derzeit nicht notwendig. Jede neue Gebäudeverkabelung, die eine Klasse-EA-Qualität sicherstellt, liefert am Arbeitsplatz „Rechenzentrumsqualität“ und sollte somit mehr als ausreichend sein. Insbesondere die in Deutschland meist vorzufindende Kombination von Kategorie-7/7A-Installationskabel und Kategorie-6A-Anschlusstechnik stellt eine Möglichkeit dar, ein einfaches „Upgrade“ der Verkabelung auf Klasse F/FA durchzuführen, ohne dass man von einer kompletten Neuverkabelung ausgehen muss. Jedem ist klar, dass heute dieses Upgrade nichts bringt, denn es gibt aktuell keine Anwendung oder kein Übertragungsverfahren, welches eine solche Verkabelungsqualität erforderlich machen würde.
Die meisten modernen wie aber auch älteren Tertiärverkabelungen haben eine Leistungsfähigkeit, welche die Anforderungen der auf diesen Strecken eingesetzten Endgeräten bei weitem erfüllen. Ein Bedarf nach wesentlichen Verbesserungen für diesen Teil der anwendungsneutralen Kommunikationsverkabelung oder auch Änderungen der Konzepte oder Planungen ist derzeit nicht notwendig. Jede neue Gebäudeverkabelung, die eine Klasse-EA-Qualität sicherstellt, liefert am Arbeitsplatz „Rechenzentrumsqualität“ und sollte somit mehr als ausreichend sein. Insbesondere die in Deutschland meist vorzufindende Kombination von Kategorie-7/7A-Installationskabel und Kategorie-6A-Anschlusstechnik stellt eine Möglichkeit dar, ein einfaches „Upgrade“ der Verkabelung auf Klasse F/FA durchzuführen, ohne dass man von einer kompletten Neuverkabelung ausgehen muss. Jedem ist klar, dass heute dieses Upgrade nichts bringt, denn es gibt aktuell keine Anwendung oder kein Übertragungsverfahren, welches eine solche Verkabelungsqualität erforderlich machen würde.
Auch die nächste Generation der Klasse I und II, welche eine Datenrate von bis zu 40 Gbit/s sicherstellen soll, wird wohl kaum im Tertiärbereich sinnvoll Einzug halten, denn dazu sind die Kabellängen mit nicht einmal 30 m (nach Standard) wohl viel zu gering.
Der Zeitpunkt, wo funkbasierende Übertragungstechniken eine Tertiärverkabelung vollkommen ablösen werden, ist noch nicht erkennbar, deshalb werden auch weiterhin in neuen Bürogebäuden Planungen von Tertiärverkabelungen als Grundbestandteil einer IT-Infrastruktur notwendig sein.
Ist das Thema „Tertiärverkabelung“ also so uninteressant, dass es sich nicht lohnt darüber zu schreiben? Mitnichten! Die Herausforderungen liegen in der Umsetzung der Konzepte. Diesen Punkten wird sich der nachfolgende Artikel widmen.
Konzeptionelle Erneuerungen
Der Autor hat sich dem Thema „Arbeitsplatzverkabelung“ in einer ganzheitlichen Form zum letzten Mal vor 10 Jahren in einem entsprechenden Insider-Artikel gewidmet. Wie bereits gesagt, konzeptionell hat sich nicht viel geändert, aber es hat sich auch nicht „gar nichts“ verändert.
Lassen Sie uns kurz die Änderungen oder „Neuheiten“ der bereits auch schon in die Jahre gekommenen Verkabelungsnorm EN 50173-1 anschauen. Die letzte Aktualisierung dieser so wichtigen Norm war Ende 2018 (Version davor: 2011). Seitdem ist nichts mehr Neues passiert. Schließen wir die Nutzbarkeit der Kategorie 8-Komponenten und der Übertragungsklasse I/II im Tertiärbereich aus, gibt es eigentlich nichts, was die Norm von 2018 eingeführt hat und was sich wesentlich auf die Planungskonzepte auswirkt. Weiterhin wird
- eine eher konservative Längenplanung mit maximal 90 m vorgenommen,
- bei den meisten kein Bedarf nach Datenraten von mehr als 1 Gbit/s als notwendige Grundausstattung an jedem Arbeitsplatz gesehen, der Sammelpunkt eher selten eingesetzt (Tendenz jedoch zunehmend),
- die Kombination von Kabel der Kategorie 7/7A mit RJ45-Anschlusstechnik in Kategorie 6A bevorzugt, die klassische Handheld-Scanner-Messtechnik fast genauso wie vor 15 Jahren genutzt, bei den meisten Planungen wenigstens die Anzahl von 2 Kommunikationsanschlüssen pro Arbeitsplatz vorgesehen.
Die Erfahrungen zeigen, dass folgende Themen in den Vordergrund gerückt sind und dies auch in den Normen betrachtet wird:
- Reicht vielleicht 1 Kommunikationsanschluss pro Arbeitsplatz aus?
- Wie sieht die Planung von Non-Office-Datenanschlüssen aus, insbesondere die Festlegung der Anzahl von Anschlüssen von IT-Geräten der Gebäudetechnik?
- Was macht man am besten mit Bestandsverkabelungen?
- Power over Ethernet und deren (befürchtete) Wirkungen auf die Verkabelung.
- Richtiger Umgang mit Schirmung und Erdung.
Wo sind wie viele Kommunikationsanschlüsse zu planen?
Die aus mehreren Teilen bestehende EN 50173 macht deutlich, dass je nach Nutzungsart des Gebäudes oder der Etage ein spezieller Teil der EN 50173 zu verwenden ist, deutlich wird das durch das Schemabild der Normenreihe in Abbildung 1.
Um das Grundprinzip der vielen Teile zu verstehen, schauen wir uns zunächst die Abbildung 2 an. Erkennbar wird, dass die Primär- und Sekundärverkabelung nach dem Grundgedanken der Norm für alle Gebäudetypen gleich ist (diese ist definiert im Teil 1), erst ab der 3. Ebene erfolgt eine Unterscheidung, spezifiziert in Form der Teile 2 bis 6.
Diese 3. Ebene der Verkabelung, die zwischen Endgerät und Verteiler zu verlegen ist, wird nicht grundsätzlich in allen Teilen „Tertiärverkabelung“ genannt, dieser Begriff ist normativ exklusiv für diese Verkabelungsebene im Büroumfeld gedacht. Z. B. heißt sie bei der EN 50173-6 „Diensteverteilungsverkabelung“ oder im Rechenzentrum „Bereichsverteilungsverkabelung“. Im vorliegenden Artikel wird dennoch der Einfachheit diese Differenzierung nicht vorgenommen, dieses letzte Stück der Verkabelung wird einheitlich „Tertiärverkabelung“ genannt (siehe Abbildung 2).
Auf der Suche nach Hilfestellungen der Normen bezüglich der Anschlussanzahl können folgende Richtlinien festgehalten werden.
EN 50173-2: Jeder Arbeitsplatz muss von mindestens einem Teilnehmeranschluss TA (= Port) versorgt werden.
EN 50173-3: Hier ist das Regelwerk etwas komplizierter. Beispiele: Jedes Betriebsmittelnetz und jeder EE-Standort (EE = Endeinrichtung oder Endgerät) muss von mindestens einem TA versorgt werden. Unklar bleibt in der Norm, was ein Betriebsmittelnetz ist.
EN 50173-4 und -5: Die Normen für Wohnungen und Rechenzentren werden im Artikel nicht betrachtet.
EN 50173-6: Hier wird es sehr abstrakt. Jeder einzelne „Dienstebereich“ muss von wenigstens einem Anschluss (DA = Diensteanschluss = Port) versorgt werden. Der Dienstebereich ist ein Raum oder eine Fläche, in dem ein anwenderunspezifisches Gerät (im Prinzip ein IT-Gerät) untergebracht wird. Im Anhang B2 der Norm gibt es sehr eindeutige Empfehlungen, wie viele Anschlüsse vorzusehen sind, ein Bespiel: „Über jeder Tür im Gebäude sollte (mindestens) ein DA platziert werden, um die Kommunikation mit Zugangskontrollsystemen zu ermöglichen. Der DA sollte innerhalb des Raums (also auf der sicheren Seite des Zugangskontrollsystems) angebracht werden.“
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Normen durchaus Hilfestellungen leisten, aber sind diese Empfehlungen noch zeitgemäß?
Im Büroumfeld werden weiterhin in vielen Projekten mehr als 2 Anschlüsse pro Arbeitsplatz vorgesehen, teilweise bis zu 4 (was aus Sicht des Autors nicht ganz nachvollziehbar ist). Tendenziell nimmt das ab, immer häufiger wird eine flächendeckende und hoch performante WLAN-Infrastruktur kombiniert mit einem einzigen festen Anschluss pro Arbeitsplatz plus optional einem „freien“ Anschluss pro Raum. WLAN-only ist noch selten anzutreffen.
Weiterhin nicht so richtig angekommen ist der Gedanke, ein Gebäude wirklich „smart“ zu machen. In einem smarten Gebäude sollte eine ausreichende Anzahl von Anschlüssen flächendeckend im Deckenbereich vorgesehen werden (Idee des „Digital Ceiling“). Dies kann man z. B. dadurch erreichen, dass grundsätzlich jeder Anschluss für Access Points als Doppeldose ausgelegt wird (einer für Access Points und einer für „anderes“). Plant man dann pro Raum eine solche Kombination, so kann auf eine minimale Basisverkabelung zugegriffen werden, die den digitalen Umstieg der Gebäudetechnik einfacher macht.
Im Prinzip entsteht durch die Reduzierung der Anschlüsse im Arbeitsplatzumfeld und die Erhöhung der Anschlüsse im „Überkopfbereich“ eine Umverlagerung, bei der sich die Masse der geplanten Datenanschlüsse von unten nach oben bewegt.
Ist man unsicher, wie viele Anschlüsse im Deckenbereich wohin kommen sollen, kann das Sammelpunktprinzip (Consolidation Point) sehr hilfreich sein, setzt aber ganz konkrete infrastrukturelle Rahmenbedingungen voraus (insbesondere Zugänglichkeit der Decken, ausreichend Platz für Sammelpunkte).
Bestandsverkabelungen
In den 90er- und den 2000er-Jahren wurde – zumindest in Deutschland – eine IT-Verkabelung geplant und installiert, deren Qualität die tatsächlichen Anforderungen damals und auch heute weit überstieg, insbesondere das Kabel selber entsprach fast immer der Qualität Kategorie 7 (meist AWG23) oder Kategorie 7A (meist AWG22). Da Alterungseffekte von 15-20 Jahre alten Kupferverkabelungen kaum bekannt sind könnte man diese Kabel, selbst wenn die Steckertechnik ausgetauscht werden müsste, vermutlich weitere 10-15 Jahre verwenden. Ein Tausch der Kabel ist somit kaum notwendig. Am häufigsten taucht in den ComConsult-Projekten stattdessen auf, dass die installierte Anzahl nicht ausreichend ist. Nicht wenige Verkabelungskonzepte setzten auf die Nutzung von Cable Sharing, und daraus resultierte dann eine Unterversorgung mit gigabittauglichen Datenanschlüssen.
Ergänzungen der Verkabelung wurden also notwendig (insbesondere bei unzureichender WLAN-Infrastruktur), und im Rahmen dieser Maßnahme erfolgt dann oft gleichzeitig ein Tausch der Bestandanschlüsse (Klassiker: EC7/Tera raus und RJ45-Keystone rein, ACO raus und RJ45-Keystone rein), Ziel war dabei die Einheitlichkeit der Anschlüsse.
Eine Nebenbemerkung an dieser Stelle zu Kabel der Kategorie 8: Gerne neigt man dazu, Kategorie 7 statt Kategorie 6 zu nehmen, weil die höhere Zahl einen besseren Kabeltyp versprach, was auch stimmte. Ähnliches erwartet man von Kategorie 8 zu Kategorie 7 oder 7A. Doch Vorsicht: Nicht jedes Kategorie-8-Kabel ist zwangläufig besser als ein gutes Kategorie 7/7A-Kabel, der Autor empfiehlt immer einen vergleichenden Blick ins Datenblatt.
Beispiel bei einem Hersteller:
Dämpfung Kategorie 8-Kabel auf 100 m bei 100 MHz: 17,5 dB
Dämpfung Kategorie 7A-Kabel auf 100 m bei 100 MHz: 16,7 dB
(Zum Vergleich Werte nach Norm: 17,5 dB (Kategorie 8) und 18,5 dB (Kategorie 7A))
Immerhin hat dieser Unterschied von 0,8 dB zugunsten des Kategorie-7A-Kabels einen Längenvorteil von ca. 5 m Vorteil zur Folge.
PoE-Konzepte
Aktuell bildet die Nutzbarkeit von PoE die größte Herausforderung an die Planung und Installation der Tertiärverkabelung, und gleichzeitig geht sie auch einher mit der größten Unsicherheit, ob und wie sich die Probleme auswirken können. Glücklicherweise gibt es jede Menge Informationen im Internet mit vielen Empfehlungen, aber trotzdem bleiben sowohl in den Gesprächen mit Kunden wie auch bei Seminaren der ComConsult viele Fragen offen, vor allem die Frage nach dem „wie plane ich jetzt?“.
Anders als vor ein paar Jahren ist jedem Fachplaner mittlerweile klar, dass die durch PoE entstehende Wärme ein Problem für die Datenübertragung sein kann, nicht für die Fernspeisung selber. Denn eine Erhöhung der Wärme in der unmittelbaren Umgebung des Kabels verändert die Übertragungseigenschaften des Kabels und kann je nach Temperatur zu einer Verkürzung der nutzbaren Kabellänge führen. Hätte man z. B. ein Kabel mit einer realisierten Länge von 90 m, so könnte es sein, dass dieses Kabel bei massivem Einsatz von PoE im Kabelbündel zu lang wäre.
Es gibt viele Internet-Quellen (u. a. Tests der Firma Dätwyler, Siemon), die das Problem der Temperaturerhöhung an konkreten Versuchen darstellen. Ableiten kann man ein paar allgemeine, einfache Regeln:
So weit wie möglich sollten die Längen konservativ geplant werden, also maximale Länge der festen Kabelstrecken 90 m und Versorgungsradius der Dose beschränkt auf maximal 5 m Anschlussschnurlänge. Ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass deutlich längere Anschlussschnüre benötigt werden (z. B. bei Access Point-Dosen in Hallenbereichen) oder dass Sammelpunkte zu planen sind, müssen deutlich kürzere Installationskabel geplant werden. Tatsächlich gibt es in den EN 50173-Normen dazu Berechnungstabellen.
- Statt wenige dicke Kabelbündel wird in der EN 50174 empfohlen, mehrere kleinere Kabelbündel (Richtgröße 25 Kabel pro Bündel) vorzusehen, Ziel ist die Vergrößerung der thermischen Abstrahlfläche. Untersuchungen haben ergeben, dass ein Abstand von 15 mm zwischen den Bündeln die Wechselwirkung so reduziert, dass die Temperatur so hoch ist wie in einem isoliertem Bündel.
- Zur Vermeidung von hohen Temperaturen wird der Einsatz von offenen Kabelführungssystemen, im Idealfall Gitterrinnen empfohlen. Doch gerade für den Fall von größeren Bündelungen sind Gitterinnen wegen der mechanischen Belastung auf den runden Gitterstäben nicht optimal geeignet und werden deshalb als Verlegesysteme für Installationskabel selten eingesetzt.
Reicht die Beachtung dieser Regeln aus? In der Zwischenzeit häufen sich in den Fachpublikationen Zweifel, die aber – zumindest für den Autor – wenig auf Erfahrungen basieren. ComConsult sind bisher keine Einschränkungen oder Reduzierungen der Datenrate bekannt, die durch die Temperaturerhöhung bei PoE bewirkt worden sind, ohne Zweifel liegt das natürlich auch an der geringen Verbreitung von PoE++ (höchste Leistungsklasse nach IEEE802.bt).
Will man dennoch absolut sicher sein, so bleibt dem Planer nichts übrig als die Empfehlung bzw. Richtlinien der EN 50174-2 zu erfüllen. Diese Norm führt auf mehreren Seiten ausführliche Tabellen und Formeln zum Thema Fernspeisung und den Einfluss der Temperatur. Wem dies zu kompliziert ist und wem die Norm nicht vorliegt, der kann auf mehrere frei zugängliche Berechnungstools zugreifen, neben der frei zugänglichen EXCEL-basierende Tabelle der Amev (siehe ) gibt es noch eine ebenfalls EXCEL-basierende Tabelle des Herstellers Reichle de Masari (Verweis des Autors auf einen Blog der ComConsult vom 27.7.2023 „PoE-geeignete Verkabelung: Planungshilfen“).
Die Anwendung der Norm oder Tools gibt aus Sicht des Autors jedoch nicht die Sicherheit, dass die Verkabelung garantiert PoE-tauglich sein wird, sie stellt „nur“ sicher, dass die Anforderungen der Normen „irgendwie“ berücksichtigt wurden. Nichtsdestotrotz weist insbesondere das Tool von Reichle de Masari (bzw. auch deren White Paper) auf einen Sachverhalt hin, der so vermutlich den wenigsten bekannt sein wird. Es geht darum, dass über eine vorhandene Tertiärverkabelung nur unter bestimmten Voraussetzungen eine beliebige Anzahl von PoE-Endgeräten mit beliebig hohen Leistungen versorgt werden darf.
PoE-Kategorien und die Konsequenzen
Grundsätzlich geht man davon aus, dass eine „gute“ Klasse EA-Verkabelung mit „guten“ AWG22-Kabeln vorbereitet ist für alles, was da an PoE kommen könnte. Also Idee aus Sicht der Netzwerk-Nutzer oder Netzwerk-Planer: Ich komme zu einem Verteilerschrank, baue meine Switches ein und aktiviere nach Belieben die Strecken mit PoE. Im Laufe der Jahre kommen immer mehr PoE-Anwendungen dazu, das ist kein Problem und ist erlaubt. Stimmt das?
Dazu ein Vergleich mit der „230-Volt-Welt“: Niemand käme auf die Idee, in seiner Wohnung an einem Stromkreis 10 kleine Heizlüfter anzuschließen, weil jeder weiß, dass dies bei den meisten den Stromkreis überlasten und die Gefahr eines Leitungsbrands mit sich bringen würde. Das kann in der Praxis nicht passieren, eine Sicherung verhindert das.
So ähnlich ist das auch bei PoE: Allerdings geht es nicht um das Risiko eines brennenden Kabels, sondern es geht darum, dass zu viele PoE-Anwendungen die Temperatur in einem Kabelbündel so stark erhöhen, dass dann z. B. kein 1000BaseT mehr möglich ist. Aus diesem Grunde kategorisiert man IT-Verkabelungen mit Hilfe von sogenannten Remote-Power-Kategorien (Definiert in der EN 50174-1). Bei der hochwertigsten Kategorie RP3 könnte man über die Verkabelung ALLE Leitungen mit maximaler PoE-Leistung nutzen. Bei der schlechtesten und mittleren Kategorie RP1 und RP2 muss der Nutzer (= NW-Planer oder der IT-Verantwortliche) bei jeder Hinzunahme von einem PoE-Device berechnen, ob das zulässig ist. Damit aber der Techniker, der die Switches einbaut, weiß, welche RP-Klasse die Tertiärverkabelung an diesem Rack hat, muss nach Norm am Schrank sichtbar sein, welcher RP-Klasse die Verkabelung hat. Die EN 50174-1 führt dazu Beispiele für Etiketten auf (siehe Abbildung 3).
Der elektrotechnische Unterschied der RP-Kategorien liegt im Wesentlichen in der maximal zulässigen Stromstärke pro Ader begründet; nachfolgend eine sehr einfache Erklärung der Unterschiede (Hinweis: bei ernsthafter Beachtung dieser Norm sind unbedingt die genauen Erläuterungen zu verstehen und die Berechnungsmethoden der Norm anzuwenden!).
RP1: Der durchschnittliche Strom pro Ader (Achtung: nicht pro Adernpaar) bei allen im Verteiler angeschlossenen TP-Kabeln beträgt 212 mA. Konsequenz dieser Limitierung bei der PoE-Inbetriebnahme: Es muss der durchschnittliche Strom bei allen PoE-Verbindungen ermittelt werden, und dieser darf nicht größer als 212 mA pro Ader sein. Dabei darf nicht einfach eine Mittelwertbildung durchgeführt werden, stattdessen ist eine ganz bestimmte Formel zur Ermittlung des Ic-average anzuwenden. Vorteil: Eine Kategorisierung nach RP1 erfordert keine besondere Beachtung von Planungs- und Installationspraktiken.
RP2: Hier muss die durchschnittliche Stromstärke pro Ader zwischen 212 mA und 500 mA liegen, diese ist bei jeder PoE-Inbetriebnahme ebenfalls zu berechnen. Eine Kategorisierung nach RP2 erfordert allerdings eine besondere Beachtung von Planungs- und Installationspraktiken (konkret: EN 51074-2).
RP3: Hier darf die Stromstärke max. 500 mA betragen (dies ist ohnehin die höchste aktuell denkbare Stromstärke bei PoE), die entscheidende Differenzierung ist die, dass eine Berechnung der durchschnittlichen Stromstärke bei der Inbetriebnahme nicht erforderlich ist, nur bei der Erweiterung der Verkabelung.
Sofern man also die Normen EN 50174-1 und -2 ernst nimmt, hat das äußerst unangenehme Konsequenzen:
- Die Mehrzahl der (vor allem älteren) Bestandsinstallationen wurden nicht nach den Vorgaben der EN 50174-2 geplant oder installiert, diese werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nur RP1 sein. Dies erfordert dann „jedoch Dokumentation und verwaltungstechnische Steuerungsmöglichkeiten, sowohl während des Anschließens der Betriebsmittel für die Fernspeisung als auch bei späteren Erweiterungen der Verkabelung“ (Zitat aus EN 50174-1).
- Auch Installationen, die nachgewiesen RP2 entsprechen (also die EN 51074-2 erfüllen) erfordern genau das gleiche wie RP1: bei jeder PoE-Inbetriebnahme und jeder Änderung der Verkabelung sind besondere Maßnahmen zu treffen.
- Bei nachgewiesener Planung und Installationen einer Verkabelung nach Kategorie RP3 kann auf die „Dokumentation und verwaltungstechnischen Steuerungsmöglichkeiten“ verzichtet werden, diese sind „nur“ bei Änderung der Verkabelung vorzusehen.
Was bedeuten denn „Dokumentation und verwaltungstechnische Steuerungsmöglichkeiten“? Da gibt es leider gar keine Hinweise in der EN 50174, was sich darunter vorzustellen ist. Somit obliegt es jedem Netzwerk-Betreiber selbst, dies zu definieren, das kann nur die Spezifikation eines Prozesses sein, wie die Inbetriebnahme von PoE-Geräten in einer bestehenden Tertiärverkabelung vorzunehmen sein wird.
Dem Autor entzieht sich das Vorstellungsvermögen,
- dass diese Vorgaben so von den meisten Planern berücksichtigt werden,
- dass dieses bei der Planung ohne Zusatzhonorar kostendeckend machbar ist (ggf. als besondere Leistung der HOAI), denn der Planer muss die Kategorisierung zusammen mit dem Installateur vornehmen,
und vor allem, dass das Netzwerk-Betriebspersonal diesen Vorgaben bei RP1 und RP2 auch nur annähernd so folgen wird, auch bei der Erweiterung der Verkabelung wird niemand mehr eine neue Kategorisierung vornehmen.
Sollten sich die Vermutungen des Autors bewahrheiten, so wird man vielleicht im Laufe der nächsten Jahre bei flächendeckenden Erhöhungen der Datenraten in Kombination mit der Erhöhung der Anzahl von PoE-Verbrauchern mit verstärkten Bitfehlerraten in den Datenverbindungen rechnen, aber auch das ist aktuell nichts anderes als Spekulation.
Schirmung und Erdung
Das Thema „Schirmung und Erdung“ ist eigentlich kein in den Medien präsentes oder intensiv diskutiertes Thema mehr. In Deutschland liegt jeder Fachplanung die Vorgabe des Einsatzes einer geschirmten Verkabelung zugrunde, Alternativen gibt es nicht. Dieser Ansatz wird nie hinterfragt, Fragen tauchen erst auf bei der Umsetzung bzw. bei der Installation selbst. Auch im vorliegenden Artikel soll keine Grundsatzdiskussion „UTP versus STP“ geführt werden, aber ein paar interessante technische Aspekte können und müssen beleuchtet werden, gerade in Anbetracht einer vielleicht anstehenden Einführung von Datenraten „jenseits“ der 1 Gbit/s.
Beginnen wir mit dem „Warum“. Die Grundidee besteht darin, dass die Schirmungselemente die datenübertragenden Kupferleiter gegen elektromagnetische Wellen schützen, denn diese Wellen können je nach Stärke zu Bitfehlern führen können. Bitfehler sind nicht grundsätzlich ein Problem, denn die Korrekturmechanismen der Übertragungsprotokolle (Prüfsummen-Mechanismen, TCP-Korrekturen, u.ä.) werden das bis zu einem bestimmten Maß kompensieren können. Aber das Wiederholen von Paketen geht ab einem bestimmten Maß zu Lasten der nutzbaren Netzwerk-Kapazität.
Man kann das Problem vereinfacht auf zwei nennenswerte Störquellentypen reduzieren: Alle Geräte, die elektromagnetische Wellen erzeugen (z. B. Handy, IT-Geräte selbst, Starter in älteren Leuchtstoffröhren) und die benachbarten Datenkabel selbst. Schaut man zurück auf 30 Jahre Datenübertragung über Twisted Pair-Kabel, so ist der Anteil an bekanntgewordenen Fällen von elektromagnetischen Störungen vernachlässigbar. Das Gleiche gilt auch für Störungen von geschirmten Datenkabeln untereinander, auch hier gilt, dass so gut wie niemand weiß, ob zwischen geschirmten Datenkabeln irgendwelche nennenswerte Bitfehlerraten durch elektromagnetische Interferenzen entstanden sind. Anmerkung des Autors: Eine nicht unerhebliche Anzahl von Netzwerk-Betreibern weiß noch nicht einmal, dass sie Bitfehler auf ihren Leitungen haben.
Spricht das jetzt also für die ausgezeichnete Qualität der nationalen geschirmten Verkabelungen? Leider kann diese Schlussfolgerung nicht gezogen werden. Wie im Kasten „Basiswissen in einfachen Worten: So funktioniert die Schirmung“ erläutert setzt eine funktionierende geschirmte Verkabelung voraus, dass beide Enden der geschirmten Verkabelungsstrecke eine niederimpedante Verbindung zum Erdpotenzial haben. Im Verteilerschrank sorgt die handwerkliche Ausführung für diese Verbindungen. Am Arbeitsplatz/Endgerät sorgt die Schirmweiterleitung
- über die Dose,
- über die geschirmte Anschlussschnur,
- über den geschirmten RJ45-Anschluss am Endgerät
- über die Verbindung des RJ45-Anschlusses mit dem Erdungspotenzial des Endgerätes,
- über die Erdverbindung des Stromkabels (gelb-grüner Leiter)
für diese Erdungsverbindung des Schirmes (siehe Abbildung 4).
Jetzt kommt das erste Problem: Damit diese doppelte Erdung zulässig ist, muss die im Gebäude existierende Potentialausgleichsanlage der Norm EN 50310 „Telekommunikationstechnische Potentialausgleichsanlagen für Gebäude und andere Strukturen“ entsprechen (siehe Abbildung 1). Nur dann ist sichergestellt, dass diese Erdungspunkte zwischen Verteiler und Arbeitsplatz auf demselben Erdpotenzial liegen und keine unerwünschten Ausgleichsströme zwischen den Punkten über den Kabelschirm fließen. Kann man davon ausgehen, dass in Neubauten seit Einführung der Norm dies auch bei der Elektroplanung berücksichtigt worden ist, so muss das je nach Alter des Gebäudes bei Altbauten in Frage gestellt werden. Die Konsequenz wäre: eine geschirmte Verkabelung darf nicht installiert werden, ohne dass zumindest die Rahmenbedingungen überprüft werden.
Und jetzt kommt das zweite Problem (Annahme: Erdungsanlage erfüllt die Anforderungen der EN 50310): Bei einer großen Anzahl der mit Twisted Pair verbundenen Endgeräte fehlt eines der oben aufgelisteten Elemente, Beispiele:
Viele eingesetzte IT-Geräte (vor allem Geräte für den amerikanischen Markt) haben gar keinen geschirmten RJ45-Anschluss, und somit fehlt Element 3.
- Fast jedes VoIP-Telefon wird mit PoE versorgt, hat also kein Netzteil und somit fehlt Element 5.
- IT-Geräte wie Zugangskontrollterminals, Displays mit Netzwerkanschluss, IP-Kameras o.ä. haben ebenfalls kein Netzteil, also fehlt Element 5.
- Notebooks haben sehr oft ein Netzteil mit einem 2-poligen flachen Stecker, also keinen Erdungsanschluss. Damit fehlt auch bei diesen Element 5.
Schlussfolgerungen:
- Viele geschirmte Installationen dürften mit der im Gebäude existierenden Erdungsanlage überhaupt nicht betrieben werden, sie werden es aber trotzdem.
- Sehr viele geschirmte Installationen in Deutschland arbeiten mit ineffektiven Schirmungsmechanismen (und keiner weiß es). Je mehr IT-Geräte mit PoE-Anschluss dazukommen, umso mehr Strecken werden „halb“ ungeschirmt betrieben. Und trotzdem ist der Anteil an problematischen Strecken anscheinend sehr gering.
Keine Frage, solange auf den meisten Strecken „nur“ 10BaseT, 100BaseT oder 1000BaseT läuft (was vermutlich für den Großteil der Strecken so zutrifft) wird man die vielleicht mangelhafte Schirmung kaum feststellen. Es könnte aber sein, dass mit Wechsel auf 10GBaseT oder höhere Datenraten die problematischen Strecken zunehmen werden, aber das ist aktuell auch nur Spekulation bzw. basiert nicht auf Erfahrungswerten „aus dem Feld“.
Was also anders bzw. besser machen? Nichts. Es gibt im Prinzip keine Möglichkeit, bei der Planung oder Installation etwas anders zu machen. Dem Autor sind zwar Planungen bekannt, bei denen man die Erdung des Schirmes am IT-Endgerät mit Hilfe von niederimpedanten Anschlüssen der Dose realisiert hat, damit man völlig unabhängig von der Erdung des IT-Endgerätes bleibt (siehe Abbildung 6). Dies erfordert jedoch ein anspruchsvolles Potentialanlagenkonzept, welches umgesetzt werden muss, um überhaupt eine Dose niederimpedant zu erden, ist äußerst aufwendig und scheitert dann meistens an der fehlenden Infrastruktur. Lösungen mit Sammelpunkten machen es hier etwas einfacher, denn eine niederimpedante Anbindung eines ganzen Sammelpunktes mit mehreren RJ45-Anschlüssen ist deutlich einfacher zu realisieren.
Immer wieder taucht die Frage auf, ob es nicht sinnvoller ist, von vorneherein auf die 2. Erdung des Schirmes – also außerhalb des Verteilers – ganz zu verzichten, das würde ja ggf. auch die Probleme durch Potenzialverschleppungen und damit die Gefahr von Kriechströmen auf dem Schirm zwischen 2 Erdungspunkten vermeiden. Ja, das könnte eine Lösung sein. Denn sollte die Erdung in einem Gebäude so schlecht ausgeführt worden sein, dass zwischen 2 Erdungspunkten eine unzulässige hohe Potentialdifferenz entsteht und diese zum Problem der beidseitig angeschlossenen Schirmung wird, bleibt ggf. nichts anderes übrig als das 2. Ende der Strecke nicht aufzulegen – oft wird das dann mit Hilfe eines ungeschirmten Patchkabels gemacht.
All das sind keine technisch sauberen Lösungen, und wie bereits erläutert funktioniert in diesem Fall die Schirmung der Strecke nicht vollständig, und das gesamte Baukastenprinzip der EN 50173 für die geschirmte Technik kann nicht angewendet werden. Vermutlich weiß niemand, ob die Längenrestriktionen von 90 m für solche „halb geschirmten“ Strecken für 10GBaseT überhaupt gültig sind, oder ob der reduzierte Wert von 55 m für ungeschirmte Strecken anzunehmen ist. Auch weiß niemand, ob dann nicht doch z. B. eine aufwendige Alien-Crosstalk-Messung wie bei UTP-Strecken gemacht erforderlich wäre.
Fazit
Die Planung von Tertiärverkabelung mit dem Medium Twisted Pair in Standardumgebungen wie z.B. in Bürogebäuden scheint leichter denn je zu sein, die be
nötigte Portanzahl reduziert sich, extrem hohe Datenraten (mehr als 10 Gbit/s) werden so gut wie nicht gebraucht, PoE scheint mit entsprechend dicken Adern kein Problem zu sein und die gute alte geschirmte Technik schützt doch sowieso. Denkt man so. Aber leider wird mit der Einführung von „Hochleistungs-PoE“ ein Weg beschritten, bei dem niemand richtig abschätzen kann, welche Konsequenzen eine massive Zunahme von PoE-Verbrauchern für die Qualität der Datenverbindungen und die nutzbaren Leitungslängen haben wird. Dem versuchen die Normen mit extrem restriktiven und kaum verständlichen Regelwerken entgegenzutreten, bei denen von vorneherein klar ist, dass sie weder vollständig umgesetzt werden, noch dass sie im Laufe eines Nutzbarkeitszeitraumes von 10-15 Jahren „gelebt“ werden können. Theoretisch könnte man bei kompletten Neuverkabelungen den Richtlinien folgen und hoffen, dass es keine Einschränkungen im Betrieb geben wird. Alle bisherigen Bestandsverkabelungen, die im Prinzip zum Zeitpunkt der Planung und Installation allerhöchsten Qualitätsansprüchen genügten, müssen jedoch bei genauer Betrachtung unter der Annahme einer geplanten massiven PoE-Einführung als minderwertig eingestuft werden – ob gerechtfertigt oder nicht, wird die Zeit zeigen.
Abkürzungen
ACO AMP Outlet Connector
AWG American Wire Gauge
DA Diensteanschluss
EE Endeinrichtung
EN Europäische Norm
EMV Elektromagnetische Verträglichkeit
TA Teilnehmeranschluss
PoE Power over Ethernet
RP Remote Power