aus dem Netzwerk Insider Januar 2021
Noch vor wenigen Jahren war es als Unternehmen oder Behörde eine Selbstverständlichkeit, ein Telefonsystem sein Eigen zu nennen. Die Zeiten haben sich jedoch geändert.
Zuerst schleichend, und in letzter Zeit explosionsartig, hat sich der Markt in Richtung cloudba-sierter Services verschoben. UCaaS ist daher eines der Schlagwörter des aktuellen und zu-künftigen Marktgeschehens. Wie konnte das passieren?
Waren die Ansätze der Telefonie aus den letzten 150 Jahren alle falsch? Woher der plötzliche Sinneswandel, weg vom Eigenbetrieb hin zum „hosted“ oder „managed“ Service oder gar der Public Cloud? Nun, die Gründe sind wie immer vielschichtig, und manchmal benötigt man nur den berühmten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Die Gründe
Es gab bislang gute wie auch vorgeschobene Gründe, um an der altbewährten Methode des TK-Betriebs festzuhalten:
- die vollständige Kontrolle über die Kommunikation,
- die Verfügbarkeit im Falle von Netzstörungen,
- eine Vielzahl von Leistungsmerkmalen, ohne die man vermeintlich nicht auskommt,
- die Integration der TK in weitere Anwendungen wie Contact Center oder CTI-Lösungen und
- die Einbeziehung in bestehende Geschäftsprozesse.
Jedoch erweisen sich viele dieser Punkte zunehmend als Illusion – und genau dies möchte ich Ihnen darlegen.
Fangen wir mit dem ersten Punkt meiner Auflistung an.
Kontrolle über die Kommunikation
Inwieweit haben wir eigentlich noch die vollständige Kontrolle über die genutzten Kommunikationskanäle?
Im Rahmen unserer UCC-Tage 2020 hat mein Kollege Nils Wantia eine kurze Bestandsaufnahme zum Thema Einsatz von Messengerdiensten in Unternehmen und Behörden vorgestellt. Grundtenor seiner Analyse war: Falls man sich dem Einsatz solcher Werkzeuge entgegenstellt, suchen sich die Mitarbeiter eigene Wege, und zwar auch abseits der Empfehlungen der IT-Security.
Dieser Faktor ist in Zeiten des allgegenwärtigen Internets auch nicht zu verhindern. Natürlich können Sie den Zugriff auf solche Dienste über das Firmennetzwerk unterbinden, indem intelligente Firewalls die unerwünschten Verkehrsströme blockieren, aber der Nutzer hat ja noch sein eigenes Endgerät.
Und dieses hat heute in aller Regel, über LTE oder 5G, einen direkten Zugang zum Internet und somit auch zu nicht kontrollierbaren Kommunikationsplattformen. Allein der Blick auf WhatsApp reicht aus, um zu verstehen, dass man Kommunikation kaum noch steuern kann. Mitarbeiter nutzen private Gruppen, in denen ohne große Schwierigkeiten Text- und Sprachnachrichten ausgetauscht werden. Selbst Videokonferenzen und Punkt-zu-Punkt-Videotelefonie sind hier kein Problem.
Dazu gesellt sich der Umstand, dass viele Enterprise-VoIP-Lösungen schon lange nicht mehr eigenverantwortlich betrieben werden. Eine große Anzahl von Kunden lässt die eigenen Telefonanlagen von etablierten Partnern betreiben, da die Komplexität von modernen UC-Infrastrukturen die einer klassischen Telekommunikationslösung bei weitem übersteigt. Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch auch, dass man nicht die alleinige Kontrolle über seine Systeme hat und damit auch die Gefahr besteht, dass Daten und Informationen abfließen können.
Beide Faktoren zeigen daher ganz eindeutig, dass die Vorstellung von der Datensouveränität oftmals eine Illusion ist.
Wenden wir uns dem zweiten Punkt meiner Aufzählung zu – dem Thema Verfügbarkeit.
Die Verfügbarkeit
Ein wichtiger Grund, der immer noch mit dem Betrieb von lokalen TK-Lösungen verbunden ist, ist die Angst, den Zugang zur Vermittlungsplattform und der damit verbundenen Kommunikationsfähigkeit zu verlieren.
VoIP hat historisch betrachtet einen schlechten Ruf, was Qualität und Zuverlässigkeit anbelangt. Dabei verkennt der Betrachter jedoch die generelle Entwicklung der Telefonie.
In ihrer Anfangszeit, um 1875, waren Telefondienste eine neue und junge Technologie mit vielen Unzulänglichkeiten. In dieser Tradition, in der neue Entwicklungen unzureichend entwickelt auf den Markt gebracht werden, stehen natürlich auch die VoIP-Dienste, die seit Anfang der 2000er Jahre den Markt erobert haben.
Da wir als Beobachter jedoch nicht die Anfangstage der Telefonie persönlich kennengelernt haben, sondern nur das ausgereifte und annähernd perfekte Produkt Telefonie nutzen, vergleichen wir dieses gerne mit den ersten Gehversuchen der IP-Telefonie. Dabei kommen wir naturgemäß zu der Erkenntnis, dass diese neue Technologie erhebliche Defizite gegenüber der althergebrachten Lösung aufweist.
Diese Sicht der Dinge, dass einmal gemachte Erfahrungen sich immer wieder bestätigen, muss jedoch überwunden werden. Wer heutige VoIP-basierte Kommunikationsdienste nutzt, wird diese nicht mit den Anfängen von 2000 vergleichen können. Zu groß sind die gemachten Fortschritte, zu vielfältig die gebotenen technologischen Möglichkeiten bei der Nutzung der diversen Kommunikationskanäle.
Dort, wo eine TDM-basierte Lösung nur einen Audiokanal anbieten konnte, nutzen wir heute
- Sprache,
- Video,
- Textnachrichten und
- die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten.
Und dies nicht nur in einem lokal begrenzten Bereich, sondern auch über Unternehmensgrenzen hinweg.
Diese Betrachtung gilt auch, wenn wir uns den neuen Dienstleistungen aus der Cloud annähern. Die hier zu Beginn gemachten Erfahrungen, dass ein Softswitch in der Cloud keine gute Plattform für die Unternehmenskommunikation darstellt, gehen auf die Zeit vor 2016 zurück.
Jedoch war das genau das ein Wendejahr, welches ganz neue Wege und Möglichkeiten aufzeigte.
Zum einen wurde vielen schlagartig bewusst, dass mit der Ankündigung der Deutschen Telekom, den ISDN-Dienst im öffentlichen Netz abzuschalten, die gute alte Zeit der Kanal- bzw. Leitungsvermittlung einen plötzlichen Tod erfahren und die Zukunft SIP und den paketvermittelnden Datendiensten gehören würde.
Ein weiterer wichtiger Einschnitt war die Einführung von Microsoft Teams als Nachfolger von „Skype for Business“. Erstmals wagte es ein Anbieter mit einem Cloud-Produkt, damals noch Skype for Business Online, die Sinnhaftigkeit von lokalen Telefondiensten in Zweifel zu ziehen.
Was hat Microsoft veranlasst, diesen radikalen Schritt zu vollziehen?
Zum einen haben sich seit 2016 die technischen Voraussetzungen dramatisch verändert.
Durch die Ankündigung der Telefonprovider, ISDN abzuschalten und in Richtung All-IP zu migrieren, wurden die Weichen für einen massiven Ausbau der Netzinfrastruktur gestellt.
Plötzlich wurde vonseiten der Industrie, wie auch der Politik, ein schneller Ausbau der Glasfasernetze gefordert und forciert. Damit einher ging eine massive Steigerung der verfügbaren Netzkapazität in vielen Teilen der Welt. Internetanbindungen von 100Mbit/s und mehr waren plötzlich zu vertretbaren Kosten möglich, und dies sogar im Consumer-Segment:
- Alte DSL-Anschlüsse können heute schon oft durch VDSL+ ersetzt werden.
- Symmetrische Anschlüsse bis 1Gbit/s stehen überall dort zur Verfügung, wo das schnelle Glasfasernetz schon verfügbar ist.
- Im Bereich der Breitbandnetze wurde durch die rasche Implementierung neuer Standards die Bandbreite für den Kunden bis in den Gigabit-Bereich ausgebaut.
All diese technischen Neuerungen lassen es auf einmal denkbar erscheinen, dass ein eigenes Datennetz, sei es LAN, MAN oder WAN, überhaupt keine Vorteile mehr bietet, wenn man auf die reine verfügbare Leistung im Internet schaut.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Es gibt immer noch Szenarien mit hohen Anforderungen an die Datensouveränität, in denen eine dedizierte Infrastruktur von Vorteil sein kann, aber viele der Einwände, insbesondere im Bereich der Sicherheit, lassen sich heute schon effizient entkräften.
Nehmen wir nur das Thema Verschlüsselung. Moderne Cloud-Plattformen unterstützen natürlich Protokolle wie SIPS (SIP/TLS) oder SRTP für die sichere Übertragung der Medienströme.
Und auch der Betrieb der Cloud-Infrastruktur geschieht nicht in einem rechtsfreien Raum. Viele Anbieter sind BSI- und ISO-zertifiziert und richten ihren Betrieb selbstverständlich nach den Vorgaben der DSGVO aus.
Dies bringt uns wieder zurück zu meiner Aussage, was die gemachten Erfahrungen vor 2016 anbelangt.
Vieles, was heute aufgrund des massiven Ausbaus machbar erscheint, war vor vier Jahren so nicht denkbar.
Ein Teilnehmer, dessen DSL-Anbindung im Homeoffice unzureichend war, konnte nicht effizient von dort aus arbeiten, so er denn Zugriff auf IT-Ressourcen seines Arbeitgebers benötigte.
Zumal die Anbindung der zentralen IT nicht auf diese Art des Zugangs ausgerichtet war:
- Zu gering die Bandbreiten in Richtung Internet, um Mitarbeiter ins Home-Office zu schicken
- Zu hoch die Kosten für eine Ausweitung dieses Arbeitsplatzkonzeptes
- Zu komplex, um große VPN-Szenarien zu implementieren
Die neue Ausgangssituation ist jedoch eine andere:
- Viele Mitarbeiter verfügen über schnelle Internetzugänge.
- Unternehmen verlagern IT-Ressourcen in die Cloud und schaffen somit die Voraussetzung für neue Arbeitsmodelle.
- Durch die Bereitstellung von Infrastrukturen in der Cloud ist das Unternehmen nicht mehr gezwungen, komplexe Infrastrukturen für den Remote-Zugriff zu implementieren.
All dies haben die Anbieter von VoIP-basierten Kommunikationslösungen frühzeitig erkannt und mehr oder weniger konsequent in ihr Produktportfolio einfließen lassen.
Somit finden wir heute einen Markt im UC-Segment vor, der sich hinsichtlich seiner Entwicklung ganz klar auf die Cloud fokussiert hat.
Selbst Marktanalysten wie Gartner bewerten den UC-Markt nur noch nach den Kriterien für Cloud-Produkte. Die Entwicklungen für lokale TK-Systeme finden kaum noch Beachtung.
Von daher ist es nicht verwunderlich, wenn sich im Markt eine gewisse Verunsicherung breit-macht, was den Fortbestand von Produkten und Herstellern anbelangt.
Denn der Markt für UCaaS wird von ganz anderen Marktteilnehmern dominiert als die der klassischen TK.
Oder wer von Ihnen hat schon praktische Erfahrungen mit
- RingCentral
- 8×8
- Fuze und
- Vonage
gesammelt? Ein Blick auf das Angebot dieser Dienstleister lohnt sich.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Frage nach Verfügbarkeit des Dienstes und der Zukunftssicherheit der aktuell genutzten lokalen Telefonanlage in einem ganz neuen Licht.
Hiermit möchte ich dann auch schon auf einen weiteren Punkt meiner Liste überleiten – die Nutzung einer Vielzahl von Leistungsmerkmalen.
Eine Vielzahl von Leistungsmerkmalen
Eines der meist genannten Argumente, welches ins Feld geführt wird, um die vermeintliche Überlegenheit einer lokalen TK- oder UC-Lösung zu dokumentieren, ist der Hinweis auf die scheinbar riesige Anzahl von Leistungs- oder Dienstmerkmalen. Oftmals speziell für einen Kunden und eine spezielle Anwendungssituation implementiert, ein Unikat mit besonderen Anforderungen an den Betrieb. Speziell Änderungen bieten eine besondere Herausforderung.
Im Gegensatz dazu scheint das Leistungsportfolio einer Cloud-Lösung teilweise winzig. Allerdings verkennt man hier oft das Entwicklungspotential. Aktuell befinden wir uns in einer sehr frühen Phase, in der UCaaS-Produkte für große Organisationen in den Markt hineindrängen.
Viele der bisher verfügbaren Public-Cloud-Lösungen orientieren sich oftmals am Bedarf von kleinen bis mittleren Unternehmen oder Teilnehmerzahlen. Im Gegensatz dazu werden in großen Umgebungen oft individuelle Lösungen gefordert, was ein Problem darstellt, da UCaaS-Lösungen in erster Linie hochstandardisierte Lösungen für den einfachen und kostenoptimierten Betrieb bereitstellen.
Und genau hier liegt oft der Schlüssel zum Erfolg. Zunehmend wird hinterfragt, ob tatsächlich eine stark individualisierte Lösung, mit den damit verbundenen hohen Kosten, zum Einsatz kommen muss.
Gerade Cloud-Lösungen bieten durch ihren automatisierten Betrieb und ihre schier unbegrenzte Skalierbarkeit riesige Kostenvorteile, die auch an den Kunden weitergegeben werden.
Doch nicht nur die Kosten sind ein Hebel, um traditionelle Lösungen abzulösen, denn auch hinsichtlich der Dienstmerkmale können moderne UCaaS-Lösungen punkten.
Welcher Typ lokaler TK-Anlage bietet heute schon die Möglichkeiten, die benötigt werden, um Homeoffice-Lösungen effizient und kostengünstig umzusetzen? Hierzu ein kleines Beispiel:
Auf unseren UCC-Tagen 2020 haben wir im Laufe des Vortrags von Herrn Tombült und Herrn Borgwardt von Colt Technologies Services erfahren, dass der Sprachdatenverkehr im Rahmen der Pandemie um 86% und die Bandbreitennutzung im Colt NGN um über 100% angestiegen ist.
Der Grund hierfür liegt auf der Hand. Um einen Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken, muss eine Rufumleitung für seine Durchwahlnummer auf seinen privaten Telefonanschluss oder sein Smartphone eingerichtet werden. Statt einer Leitung für ein Telefongespräch werden jetzt zwei benötigt. Einmal für das eingehende Gespräch und eine zweite für die Rufumleitung.
Mit einer Cloud-Lösung wird überhaupt keine Rufumleitung benötigt. Der Grund hierfür:
Der Teilnehmer verbindet sich aus seinem Homeoffice oder mobilen Arbeitsplatz mit der zentralen UCaaS-Plattform und alle eingehenden Gespräche können aufgrund der IP-Konnektivität direkt an seinen Internetzugang vermittelt werden.
Mit anderen Worten, moderne Cloud-Lösungen finden sehr oft für alte Leistungsmerkmale neue Lösungen, die am Ende zu ähnlichen Ergebnissen führen. Nur sind sie kostengünstiger.
Zusätzlich angereichert wird das Ganze durch Funktionen, die es in der klassischen Telefonie überhaupt nicht gibt:
- Punkt-zu-Punkt Video
- Videokonferenzen mit bis zu 100 Teilnehmern und mehr
- Eine gemeinsame Dokumentenablage
- Persistent Chat für Arbeitsgruppen und Projektteams
- Präsenzinformationen
- Kalender- und/oder Groupware-Integration
- Desktop-Freigabe
- uvm.
Funktionen also, die gerade bei der Arbeit an unterschiedlichen Orten von enormer Bedeutung sind und die sich mit einem klassischen Ansatz kaum umsetzen lassen.
Nebenbei werden jedoch auch die benötigten Funktionen für die normale Telefonie nicht vernachlässigt.
Die Bereitstellung aller für die Bürokommunikation notwendigen Leistungsmerkmale wird ebenfalls angeboten:
- Voicemail
- Fax
- Ansagen, IVR und DTMF-Übertragung
- Anrufübernahmegruppen
- Rezeptionistenplätze
und ebenso grundlegende Funktionen rund um die Anzeige von Rufnummern oder von Weiterleitungs- oder Vermittlungsoptionen.
Nicht verschweigen möchte ich an dieser Stelle die Einschränkungen, die mit einer solchen Lösung einhergehen.
Einen hohen Grad an Individualisierung schließen alle UCaaS-Lösungen naturgemäß aus. Wer zum Beispiel auf der Suche nach einer ausgefallenen ChefSek-Funktionalität ist, wird bei diesen Produkten enttäuscht werden. Für all diejenigen, die mit einer hohen Standardisierung kein Problem haben, tun sich jedoch neue Möglichkeiten auf. Sei es auf der Kosten- oder aber auch auf der funktionalen Seite.
Ergänzend zu diesem Kapitel möchte ich daher im Folgenden erweiterte Funktionalitäten ins Auge fassen.
Kombination der TK mit weiteren Anwendungen
Kommunikation endet für gewöhnlich nicht an Unternehmensgrenzen. Oftmals werden zusätzliche Funktionen für Kunden und Partner benötigt, die mit der internen Telefonie eng verzahnt werden müssen. Hier kommt dann in aller Regel ein Contact Center zum Einsatz.
Aber gerade diese Contact Center unterliegen aktuell mehreren Strömungen, welche die zukünftige technologische Ausrichtung bestimmen werden:
- Zum einen wäre da die Erweiterung der Kommunikationskanäle um Text und Video.
- Eine weitere Strömung ist die Verknüpfung mit KI und Big Data.
- Und nicht zuletzt ist da die Verlagerung der Software in die Cloud.
Diese Prozesse sind nicht voneinander losgelöst, sondern bedingen sich sogar zum Teil.
So verlagert sich die Außendarstellung vieler Organisationen immer mehr in Richtung Web und Social Media. Diese Präsenz führt in der Regel dazu, dass neue bzw. andere Kundenschichten angesprochen werden, die ein gänzlich anderes Kommunikationsverhalten zeigen.
Und diese Veränderungen lassen sich auch belegen. Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. (VATM) und DIALOG CONSULT geben jedes Jahr eine TK-Marktanalyse für Deutschland heraus. In dieser Studie kann man erkennen, dass die Anzahl der Telefonminuten in ihrer Gesamtheit seit Jahren stagniert und innerhalb dieser Zahlen sich die Verhältnisse immer mehr vom Festnetz weg und hin zu Over-the-Top-Anbietern (OTT) wie Microsoft, Google oder Facebook verlagern.
Diese Situation lässt die Frage aufkommen, ob reine Call Center, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen, überhaupt noch zeitgemäß sind.
Müssen die Hersteller solcher Lösungen nicht zu der Erkenntnis kommen, dass die Verlagerung der Kommunikation weg von der Festnetztelefonie nicht auch zwangläufig eine Hinwendung zu anderen Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit sich bringen muss?
Und wenn die neuen Kunden schon in der Cloud sind, muss dann nicht auch der Anbieter dort hingehen, um die Anforderungen dieser Menschen zu befriedigen?
Und genau diese Hinwendung geschieht. Immer mehr Anbieter präsentieren Lösungen für Contact Center, die auf reinen Cloud-Lösungen basieren. Der große Vorteil dieser Lösungen ist, dass diese wiederum auf KI-Infrastrukturen zurückgreifen können, die Betreiber des Servicemodells PaaS (Platform as a Service) wie Amazon, Google oder Microsoft bereitstellen. Wenn dann auch noch die Contact-Center-Software (CCaaS) auf Basis der PaaS-Lösungen einer dieser Provider entwickelt wurde, steht einer nahtlosen Integration all dieser Dienste nichts im Wege.
Gerade das Thema KI ist ohne die Cloud und die damit verbundenen Algorithmen, die eine große Datenmenge erfordern, nicht möglich. Denn nur durch den Big-Data-Ansatz ist es den KI-Anbietern möglich, ihre Dienste immer weiter zu entwickeln, da sie im Kern auf einem beständigen Lernprozess beruhen, der einen ungehemmten Datenhunger mit sich bringt.
Wie man erkennen kann, greifen alle drei Strömungen, die eingangs aufgezeigt wurden, hier ineinander.
Wer in Zukunft eine leistungsstarke Contact-Center-Plattform benötigt, die alle Arten von Kommunikation unterstützt und gleichzeitig ein hohes Maß an Automatisierung vorweist, kommt um die Cloud nicht herum. Somit stellen sich folgende Fragen:
- Warum ein komplexes Gebilde aus lokaler VoIP-Lösung und externem Contact Center betreiben?
- Warum Teile des Betriebs in die Cloud auslagern und andere Bereiche der Kommunikation selber betreiben?
- Wäre es da nicht besser, sich für ein Modell zu entschieden?
Letztlich bleibt den meisten wohl auch keine wirkliche Wahl oder Alternative. Das Geschäftsmodell der Lösungsanbieter verschiebt sich immer mehr zu Mietmodellen, die regelmäßige und gut kalkulierbare Einnahmen versprechen. Wer da als Kunde an einem CAPEX-Modell festhält, gerät immer mehr unter Druck bzw. wird feststellen, dass die Auswahl an möglichen Produktalternativen immer kleiner wird.
Was uns zum letzten Punkt meiner Liste bringt.
Die Einbeziehung der Kommunikation in bestehende Geschäftsprozesse
Auch hier hat in den letzten Jahren sehr viel Bewegung stattgefunden.
Enterprise Resource Planning (ERP) oder Customer Relationship Management (CRM) sind Werkzeuge, die fast jede Organisation einsetzt.
Und diese Bausteine, die als zentrale Pfeiler der Betriebsprozesse gelten und immer Teil der selbstverwalteten Unternehmens-IT waren, unterliegen ebenfalls einem raschen Wandel in Richtung Cloud.
Anders wäre der rasante Aufstieg von Firmen wie Salesforce nicht zu erklären.
Selbst etablierte Softwarehäuser wie SAP, die über Jahre hinweg komplexe Lösungen bei ihren Kunden implementiert haben, wandeln sich zu Cloud-Anbietern, wie das Beispiel SAP S4/HANA zeigt.
Dabei legen genau diese Firmen einen immer größeren Fokus auf die Ergänzung ihrer Produkte durch Kommunikationslösungen. Erst Anfang Dezember 2020 wurde bekannt, dass Salesforce den Collaboration-Anbieter Slack für fast 28 Mrd $ erworben hat. Dies hat allerdings tiefergehende Gründe.
Slack ist dank seines modularen Grundgedankens der ideale Knotenpunkt, um die Softwareprodukte von Salesforce mit Plattformen wie Zoom, WebEx oder RingCentral zu verbinden. Zukünftig kann aus einer Benutzeroberfläche heraus sowohl die Steuerung von Betriebsprozessen als auch die Unternehmenskommunikation erfolgen, inklusive Telefon, Video und was man sonst noch alles benötigt.
Ein Tischtelefon oder ein dedizierter Softclient für gewöhnliche Kommunikationsaufgaben wird nicht mehr gebraucht. Selbst die Einbindung von Contact-Center-Agenten kann nun innerhalb eines Betriebsprozesses erfolgen, der keine aufwändige Anpassung der verschiedenen Anwendungen erfordert.
Wer jetzt glaubt, dies sei eine Ausnahme am Markt, der sollte dringend einmal mit den Herstellern von VoIP-Systemen reden. In einem der letzten Consultant-Gespräche mit Herrn Hickisch von Atos Unify wurde uns ganz klar aufgezeigt, dass man hier einen der größten Märkte für die Zukunft sieht.
Es geht um die Integration der eigenen Atos-Unify-Produkte in Lösungen jedweder Art, deren Kern keine Berührungspunkte mit allgemeiner Kommunikation hat. Die Lösung Kommunikation verschwindet komplett hinter der Oberfläche anderer Software wie CRM oder ERP.
Kommunikation wird, als Hard- oder Software eines Herstellers, seitens des Benutzers nicht mehr wahrgenommen. Sie ist einfach Teil der zentralen Betriebsprozesse und bedarf keiner eigenen Schnittstellen wie Endgeräte oder Clients.
Fazit
Die Cloud als Lösungsansatz für Unternehmensprozesse ist da und umfasst damit auch die Kommunikation:
- Im ersten Schritt werden wir die Migration zu cloudbasierten UC- und Contact-Center-Diensten sehen, getrieben durch die Faktoren Kostensenkung und Umstellung der Geschäftsmodelle der Lösungsanbieter auf Mietmodelle.
- Im zweiten Schritt erfolgt dann die Migration der Kommunikation in Softwarelösungen, die, oberflächlich betrachtet, mit diesen Diensten nichts gemein haben.
- Dies wird begünstigt durch die Schaffung neuer Arbeitswelten, deren Anforderungen sich mit der lokalen Bereitstellung von UC-Systemen nur schlecht vereinbaren lassen.
- Flankiert wird dieser Prozess durch die allgemeine und breite Verfügbarkeit von Cloud-Lösungen und den rasanten Ausbau der Kapazitäten im Internet.
Sie sehen, die Cloud ist tatsächlich da und sie wird auch bleiben.
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