Daneben gibt es aber noch eine ganz andere Kategorie von Kommunikationsplattformen, die sich ebenfalls in neue Bereiche weiterentwickelt: sogenannte Meeting Solutions. Ursprünglich waren das mal die Applikationen der Video- und Webkonferenzen. Inzwischen überschneiden sich die Anwendungsbereiche von UC und Meeting Solutions längst, und einige Produkte kann man durchaus zu beiden Welten zählen. Nichtsdestotrotz entdecken wir in den meisten Unternehmen noch immer beide Kategorien nebeneinander. Aber warum ist das so und was könnte man stattdessen tun? Diesen Fragen wollen wir in dem Artikel nachgehen.
UC
Doch gehen wir zunächst einen Schritt zurück und fragen uns, was Unified Communications eigentlich bedeuten soll. Eine offizielle Definition dazu gibt es nicht, aber wir beschreiben es meist wie folgt: Unified Communications beschreibt eine Kommunikationslösung, welche alle Kommunikationsdienste an allen denkbaren Orten und beliebigen Endgeräten zur Verfügung stellt. Ob es auf diesem Planeten brauchbare Lösungen gibt, die diesem Idealbild gerecht werden, sei mal dahingestellt (welcher UC-Client bietet schon eine konsequente Integration von E-Mail?). Aber UC war immer ein schönes Idealbild, nach dem man bei der Konzeption von Lösungen streben konnte.
Und wie sieht es heute aus? Ist UC nicht immer noch ein gutes Ziel für eine moderne Kommunikationslösung? Naja, es gibt mindestens zwei große Probleme beim klassischen UC-Ansatz:
- Die Kommunikation endet in den meisten Fällen an der Unternehmensgrenze. Ja, es gibt oftmals die Option, eine Federation einzurichten, und der Basisdienst Telefonie ist als Teil von UC der kleinste gemeinsame Nenner der übergreifenden Kommunikation schlechthin. Aber wenn es mehr sein soll (Erreichbarkeitsstatus, Instant Messaging, Video etc.) wird es aufwendig und träge, und die Möglichkeiten sind trotzdem begrenzt.
- UC fokussiert sich auf den individuellen Anwender: Grundsätzlich steht die 1-zu-1-Kommunikation im Vordergrund. Zwar gibt es bei vielen Clients auch die Möglichkeit zu Gruppen-Chats und Audio- oder Videokonferenzen, aber diese stehen, sofern sie überhaupt möglich sind, in keinem thematischen Kontext, wie das bei Team-orientierten Produkten der Fall ist.
Aber warum ist der zweite Punkt überhaupt ein Problem? Vor einigen Jahren hat das doch auch noch niemanden gestört.
UCC
Inzwischen sieht der Markt aber anders aus. Seit dem riesigen Erfolg von Slack im US-Markt sind Produkte mit Team-Fokus der letzte Schrei, und jeder große UC-Hersteller ist mit viel Schwung auf den Hype-Zug aufgesprungen und hat ein grundsätzlich ähnliches Produkt entwickelt:
- Alcatel Lucent Rainbow
- Avaya Spaces
- Cisco Webex Teams
- Microsoft Teams
- Mitel MiTeam
- Slack
- Unify Circuit
Daneben gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Produkte von anderen kleinen und großen Herstellern und mit dem Matrix-Protokoll und dem darauf aufbauenden Riot.im-Client auch eine Open-Source-Lösung, die zumindest technisch sehr interessant ist.
Abbildung 1: Grundsätzlicher Aufbau aller Desktop-Clients von UCC-Anwendungen: Teams (und Kontakte) können aus einer Liste ausgewählt werden. Die dazugehörigen Inhalte werden in dem großen zentralen Bereich dargestellt. Am linken Rand kann häufig eine bestimmte Anwendung ausgewählt werden, zum Beispiel die Telefonie oder ein Kalender mit Besprechungen.
Die Basis aller Produkte ist ein (persistenter) Gruppenchat. Der Aufbau der Clients wird in Abbildung 1 dargestellt. Technisch ist das keine bahnbrechende Neuerung und wäre bereits vor Jahrzehnten möglich gewesen. Wichtiger ist dagegen der (Arbeits-)kulturelle Ansatz dahinter. Denn statt des individuellen Nutzers steht nun das Team im Vordergrund. Das ist durchaus sinnvoll und spiegelt die Entwicklungen in der modernen Arbeitswelt wider. Denn die Zusammenarbeit und Kommunikation im Unternehmen wird zunehmend von flachen Hierarchien und dynamischer Teambildung im Rahmen von Projekten geprägt. Insofern entstehen durch den neuen Fokus auf das Team auch Möglichkeiten, um Dokumente in dem geeigneten Kontext abzulegen und dementsprechend gemeinsam bearbeiten zu können.
Dazu passt die Integration von Office-Anwendungen und allen möglichen Produktivitätstools in diese Produkte, inklusive neuer Anwendungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. Gerade hier werden wir in naher Zukunft eine ganze Fülle neuer Funktionen finden (mehr dazu später).
Wenn in verteilten Teams produktiv gearbeitet wird, besteht Bedarf an einer ganzen Reihe von Kommunikationsdiensten: Die Grundlage ist immer der (persistente) Gruppenchat. Darüber beginnt der Großteil der Diskussion in der Gruppe. Bei akutem Kommunikationsbedarf oder geplanten Meetings kann die Diskussion zu einer synchronen Unterhaltung wechseln. Dann werden Themen in Audio und/oder Video geklärt und Inhalte präsentiert. An dieser Stelle kommen virtuelle Konferenzen ins Spiel.
Huddle
Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich auch schon klar, weshalb wir einen gesteigerten Bedarf an Video- und Webkonferenzen sehen. Doch das ist noch nicht alles. Es gibt noch einen weiteren Trend (natürlich ebenfalls aus den Vereinigten Staaten): Sogenannte Huddle Rooms.
Huddle Rooms bzw. Huddle-Räume sind kleine (echte) Besprechungsräume für etwa zwei bis sechs Personen. Dort werden kreative, teilweise spontane Meetings abgehalten, in denen Inhalte typischerweise nicht per Frontalpräsentation gezeigt, sondern agil und im Team erarbeitet werden. Dazu passt auch die Herkunft des Huddle-Begriffs: Der stammt aus dem Teamsport, wo die Mitglieder einer Mannschaft in der Unterbrechung ihre Köpfe zusammenstecken und die Taktik für die folgenden Minuten besprechen. Das passiert alles spontan und agil. Dementsprechend sind diese Räume häufig nicht buchbar, sondern stehen nur spontan und für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung. Ein Beispiel für einen Huddle-Raum wird in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung 2: Beispiel für einen Huddle-Raum
Unterstützt wird diese Arbeitsweise durch die technische Ausstattung: Einfache Projektoren und Flipcharts sind aus der Mode geraten. Digitale Whiteboards zur kreativen Zusammenarbeit liegen dagegen voll im Trend. Hier gibt es schöne neue Boards wie das Samsung Flip oder das Google Jamboard: Große 55-Zoll-Touchscreens, auf denen mit dem Finger oder einem Stift gemalt oder Inhalte von einem Client geteilt werden. Die Inhalte werden anschließend über die Cloud oder zumindest per E-Mail verteilt.
Aber was wenn, im Sinne der modernen Kommunikation, auch mobile Kollegen teilnehmen wollen, zum Beispiel von einem anderen Standort, aus dem Home Office oder von unterwegs? Natürlich gibt es auch hier eine käufliche Antwort, bzw. sogar ziemlich viele: Kleine Hardware-Peripheriepakete, die ein gewöhnliches Display, wie es in vielen Räumen bereits vorhanden ist, in einen konferenzfähigen Videoendpunkt transformieren. Das ist preislich attraktiv und füllt eine große Lücke zwischen den klassischen Besprechungsräumen mit Videokonferenztechnik und den Einzelnutzern an ihren Desktop-Arbeitsplätzen oder mobilen Endgeräten.
Wer mehr Geld zur Verfügung hat, kann Whiteboard und Videokonferenztechnik in einem Gerät kaufen. Hier gibt es beispielsweise die Surface-Hub-Reihe von Microsoft oder die Webex Boards von Cisco (siehe Abbildung 3). Das sind große Touch-Displays mit schickem Design und Whiteboard-Funktionalität.
Interessant sind die verschiedenen Ansätze, die die Technik im Besprechungsraum in die Videokonferenzlösung integrieren. Im einfachsten Fall verbindet sich ein Benutzer mit seinem mobilen Endgerät mit einem (smartem oder einfachem) Display oder Projektor und nutzt das Endgerät zur Konferenzsteuerung. Dazu können entweder drahtlose oder kabelgebundene Verbindungen genutzt werden. Wichtig ist allerdings, dass nicht zu viel Wissen für die Bedienung notwendig ist, damit auch ein unbedarfter Anwender nicht überfordert wird.
Im Meeting-Bereich ist alles, was über das Drücken eines großen leuchtenden Knopfes hinausgeht, bereits grenzwertig. Die Suche nach Input-Kanälen oder das Durchprobieren mehrerer Kabel ist dagegen bereits unzumutbar. Ernsthaft. Denn viele Anwender setzen sich mit dieser Technik nur gelegentlich auseinander. Und wenn sie dann nicht funktioniert, sind die Folgen umso gravierender. Jemand erscheint nicht zu seinem eigenen virtuellen Meeting, weil er mit seiner Videokonferenzlösung nicht zurechtkommt? Das macht keinen guten Eindruck.
Deshalb gibt es inzwischen die Möglichkeit, den Besprechungsraum bzw. dessen Konferenztechnik in eine Besprechung einzuladen oder anzurufen. Oder die Anwendungen auf den persönlichen Clients erkennen die Technik in ihrer Umgebung und können die Geräte ohne aufwendige Kopplung direkt ansteuern. Doch welcher Ansatz auch immer gewählt wird, er muss kompatibel zum System sein. Medientechnik und Kommunikationslösung können nicht einfach unabhängig voneinander beschafft werden.
Abbildung 3: Videokonferenz-Endpunkte mit Touch-Display. Links: Cisco Webex Board. Rechts: Microsoft Surface Hub 2.
Besprechungsräume
Huddle-Räume sind keineswegs als Ersatz für klassische und größere Besprechungsräume gedacht. Stattdessen sollten sie eher als Ergänzung gesehen und zusätzlich eingeplant werden. Denn insgesamt werden heute eindeutig mehr räumliche Kapazitäten und mehr Flexibilität bei Besprechungsräumen benötigt.
Ein konsequent umgesetztes Open-Space-Konzept spart Fläche an den Desktop-Arbeitsplätzen und zielt dafür grob auf ein gleiches Verhältnis Schreibtischplätzen und Ausweichplätzen. Das heißt theoretisch könnte jeder Mitarbeiter anwesend sein und arbeiten, ohne dass jemand an seinem Schreibtisch sitzt! Und zu diesen Ausweichplätzen gehören neben einfachen Sitzgelegenheiten, Town-Hall-Bereiche, Think Tanks etc. eben auch Besprechungs- und Huddle-Räume.
Es mag zunächst paradox klingen, aber eine Erhöhung der Verfügbarkeit und der Vielfalt von (naturgemäß stationären) Besprechungsräumen hilft bei der Verbesserung der Mobilität für die Mitarbeiter. Denn die Möglichkeit zu haben, seinen Arbeitsplatz in einen Besprechungs- oder gar Huddle-Raum zu verlagern, schafft Optionen und erlaubt Arbeit von unterschiedlichen Orten aus insbesondere, wenn durch Konferenztechnik weitere entfernte Kommunikationspartner hinzugezogen werden können.
Das mag in dieser Form nicht für jeden umsetzbar sein, aber es unterstreicht eine Entwicklung, die Kommunikation und Teamarbeit in den Fokus stellt. Und in der Praxis sehen wir, dass ein Großteil der Mitarbeiter diese Ziele unterstützt oder sogar fordert.
Meeting Solutions
Eine wichtige Kategorie von Videokonferenzlösungen fehlt bislang noch: Die sogenannten Meeting Solutions. Zu den Meeting Solutions zählen Produkte, die in den meisten Fällen aus dem Video- bzw. Webkonferenzbereich entstanden sind. Dementsprechend stehen auch heute noch Audio- Videokonferenzen sowie das Teilen von Inhalten im Vordergrund. In diesem Bereich gibt es schon seit längerer Zeit eine Vielzahl von Lösungen. Hier nur einige Beispiele:
- BlueJeans
- Cisco Webex Meetings
- LogMeIn GoToMeeting
- Microsoft Skype for Business
- Zoom
Im Gegensatz zu den UCC- bzw. Team-Kollaborations-Produkten, die das Problem des Fokus auf das Individuum bei UC-Produkten beheben, adressieren Meeting Solutions in erster Linie das andere klassische UC-Problem: Die eingeschränkte unternehmensübergreifende Kommunikation.
Aus diesem Grund werden sie bereits seit geraumer Zeit mit klassischen TK-Anlagen oder UC-Lösungen in Kombination verwendet. Dass es sich dabei fast immer um Lösungen aus der Cloud handelt, stört dabei interessanterweise selbst den einen oder anderen Cloud-Skeptiker nicht. Das mag daran liegen, dass es diese Kategorie bereits gab, als man noch vom Web sprach und kaum jemand den Begriff Cloud kannte.
Aber wie auch immer man es nennen mag, Cloud-Technologien ergeben in diesem Fall durchaus Sinn. Schließlich geht es um die möglichst flexible Verbindung von verteilten Kommunikationspartnern durch einen zentralen Dienst. Natürlich kann man das auch mit einer selbst gehosteten Infrastruktur abbilden, aber dafür braucht es ungleich mehr Wissen, Hardware und Aufwand.
Das Gleiche gilt nebenbei bemerkt auch für die Produkte aus dem Bereich der Team-Kollaboration. Diese ermöglichen zwar immerhin meist noch eine hybride Infrastruktur, die Kernfunktionalität liegt aber auch hier in der Cloud (und hier nennt man das Kind auch bei seinem Namen).
Der typische Anwendungsfall von Meeting Solutions ist das per Outlook-Termin geplante Meeting, das über ein spezielles Plugin durch Einwahldaten ergänzt wird. Zwar gibt es auch hier immer wieder Schwierigkeiten, wenn Browser nicht kompatibel sind, Anwendungen oder Plugins nicht installiert werden dürfen oder Meetings nicht zustande kommen. Als Fallback-Lösung gibt es jedoch immer die klassische Einwahlnummer, über die man mit seinem Telefonie-Client am Meeting zumindest per Audio teilnehmen kann und dies für gewöhnlich auch funktioniert.
Das ist zwar im Zweifel nur ein schwacher Trost, aber es schafft Vertrauen beim Nutzer. Und Vertrauen in die Funktionalität einer Lösung ist neben der Bedienbarkeit der Nutzerschnittstelle entscheidend für die Akzeptanz durch die Anwender. Und gerade im Bereich der Konferenztechnik läuft ohne diese Akzeptanz überhaupt nichts.
Lösungsansätze
Fassen wir also noch einmal unsere groben Lösungskategorien zusammen:
- Unified Communications (und klassische Telefonanlagen)
- Team-Kollaboration
- Meeting Solutions
Gerne kombiniert werden dabei insbesondere TK- und UC-Anlagen mit Meeting Solutions. Zwar fehlt bei diesem Ansatz der Fokus auf das Team. Allerdings können damit 1-zu-1- und interne Kommunikation mit unternehmensübergreifenden Video-Konferenzen ergänzt werden und damit eine solide Basis zur Kommunikation bilden.
Lösungen aus dem Bereich der Team-Kollaboration greifen dagegen weniger häufig auf die Unterstützung der Meeting Solutions zurück. Hier könnte beispielsweise Slack für einen besseren Videodienst durch Zoom unterstützt werden, oder Microsoft Teams wird mit BlueJeans kombiniert, um eine Interoperabilität zu anderen Videoplattformen zu erreichen.
Zwar können Produkte aus dem Bereich der Team-Kollaboration ebenfalls mit TK- und UC-Anlagen kombiniert werden, aber dies führt oftmals zu unschönen Überschneidungen, da UCC-Produkte den Anspruch erheben, sämtliche UC-Funktionen ebenfalls mit abzudecken.
So sieht es zum Beispiel auch Microsoft und hat dementsprechend konsequenterweise das Produkt Skype for Business (sowohl in der Online- als auch in der Servervariante) zugunsten von Microsoft Teams abgekündigt. Teams für alle lautet hier die Devise.
Aber ist das wirklich sinnvoll? Braucht jeder Mitarbeiter eine vollständige Kollaborationsumgebung mit Zugriff auf Office-Dokumente und Team-Kommunikation? Für einen Anwender, der lediglich kommunizieren möchte und für den eigentlich eine klassische UC-Lösung optimal wäre, ist solch ein Client eine Zumutung: Überladen mit unnötigen Funktionen, unübersichtlich und nur im Vollbildmodus zu verwenden.
Aber selbst für interessierte Anwender, die die neuen Funktionen tatsächlich gebrauchen können, ist eine erfolgreiche Umstellung bei weitem kein Selbstläufer. Denn sämtliche Team-Anwendungen bringen eine enorme Fülle von Features in einem Client unter. Dadurch entsteht eine Art von Client, der, ähnlich wie ein Browser oder gar ein Betriebssystem, das Frontend für eine Vielzahl von Anwendungen und Diensten darstellt. Allerdings verfügen diese Team-Anwendungen nicht über die Mechanismen von Browsern und Betriebssystemen, die die gleichzeitige Nutzung von vielen Diensten vereinfachen (Fenster, Tabs etc.). Das kann selbst für den willigen Anwender zu einer echten Herausforderung werden.
Wer also aktuell darüber nachdenkt, den gewohnten UC-Client seiner Nutzer durch eine Team-Kollaborations-Anwendung zu ersetzen, der sollte dies auf gar keinen Fall ohne sorgfältige Vorbereitung tun. Change Management lautet hier das Zauberwort.