Der Titel dieses Beitrags ist die wörtliche Übersetzung eines Artikels in der Ausgabe April 2023 des Magazins IEEE Spectrum. Diese Zeitschrift versteht sich als Sprachrohr von über 400.000 IEEE-Mitgliedern in mehr als 190 Ländern, die wie ich meistens Elektroingenieure sind. Solche Menschen neigen in der Regel dazu, die größte Umstellung seit der Erfindung von Automobilen zu begrüßen – die Umstellung auf Elektromobilität. Diese Umstellung macht die Elektrotechnik und Elektronik noch wichtiger als sie ohnehin schon ist. Wenn also eine Fachzeitschrift für Elektrotechnik und Elektronik titelt, dass der Wechsel zu Electric Vehicles (EV) schwerer sei als alle denken, kann sie keineswegs als unglaubwürdig abgetan werden.
Der Untertitel des Beitrags liest sich auch ernüchternd: „Ahnungslose Politiker, skeptische Verbraucher, gierige Autohersteller – und auch noch eine Technik, die nicht ganz fertig ist“.
Dabei ist der Spectrum-Artikel gar nicht einseitig. Er zitiert den Volvo-Chef mit der Prognose, dass EVs bis 2025 so preiswert werden wie die Verbrenner (Autos mit Internal Combustion Engines, ICE). Doch wird diese Aussage gleich den gegenteiligen Zitaten des CTO von Mercedes und des CEO von Renault gegenübergestellt.
Die International Energy Agency (IEA) prognostiziert, dass bis 2030 der EV-Anteil an der Zahl der verkauften Autos 60% erreichen wird. Auch diese Aussage wird bezweifelt. Bergbauanalysten schätzen, dass dafür ca. 300 neue Bergewerke für Lithium, Kobalt und andere Mineralien und die dazugehörigen Raffinerien in Betrieb gehen müssen, was schier unmöglich erscheint.
Selbst die weitverbreitete Ansicht, nächtliches Laden von EVs sei anzustreben, wird von Experten bezweifelt, die das Laden am Tag bevorzugen. Spectrum setzt die Liste von widersprüchlichen Aussagen fort: EVs bringen das Netz zum Kollaps oder nicht. EVs führen zu massiver Arbeitslosigkeit oder nicht. EVs verursachen mehr Schadstoffausstöße als sie eliminieren, oder eben nicht.
Der Autor, Robert N. Charette, hat nach eigener Aussage in 2021 damit begonnen, zum Teil widersprüchlichen Aussagen in Bezug auf EVs auf den Grund zu gehen. Das Ergebnis ist eine Sammlung von 12 Artikeln und ein E-Book namens „The EV Transition Explained“. Für die Beiträge darin hat der Autor zahlreiche Manager und Experten der Auto- und Energiebranche wie auch Politikbeobachter, Forscher, Marktanalysten, Historiker und EV-Nutzer interviewt. Ferner hat der Autor hunderte Berichte, Untersuchungen und Bücher über Elektroautos und Stromnetze studiert. Was er herausgefunden hat, ist ein Gestrüpp von Komplexität und Unsicherheit, wie er schreibt. Sein Fazit: Die EV-Umstellung wird chaotischer, teurer und viel länger sein als die Politiker uns glauben machen wollen. Dabei stellt Charette klar, dass er die EV-Umstellung als den Schlüssel zur Bekämpfung des Klimawandels einstuft. Er sieht jedoch Probleme, Risiken und unvorhergesehene Folgen, die erkannt werden müssen, damit man gegensteuern kann. Probleme von der Massenproduktion über das Aufladen bis zu Reparaturen sind noch zu lösen. Im Januar 2023 machten in den USA die verkauften Elektroautos, selbst unter Einbezug der Plug-In-Hybriden, weniger als 8% der ca. einer Million neuer Light-Duty-Fahrzeuge (d.h. PKWs) aus, die im selben Monat verkauft wurden. In derselben Zeit wurden drei Millionen Gebraucht-PKWs mit Verbrennungsmotoren in den USA gekauft.
Der Autor weist darauf hin, dass Autohersteller parallel zur Umstellung auf Elektroautos versuchen, die letzten Gewinne aus dem Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotoren zu erwirtschaften.
Als Beleg dafür, dass die EV-Umstellung nicht nur eine Sache der Technik ist und der „Markt“ nicht automatisch für die Umstellung sorgen wird, führt Charette an, dass in den USA die Politiker die Elektromobilität als ein Feld betrachten, wo wesentlich Protektionismus betrieben wird. Dazu zählen Verbote von Verbrennungsmotoren. Viele Länder, darunter auch US-Bundesstaaten, wollen solche Verbote in ungefähr 10 Jahren durchsetzen. Die Elektromobilität ist längst zu einem Schlachtfeld eines Wirtschaftskrieges geworden, an dem sich hauptsächlich die USA, China, Europa und Japan beteiligen. Dabei wird mächtig subventioniert.
Charette stellt klar, dass die EV-Umstellung nicht zum Erreichen der Klimaziele reichen wird. Sie muss flankiert werden von einem grundlegenden Wandel im Leben von Menschen: weniger Auto fahren und fliegen, mehr gehen, Fahrrad fahren und öffentliche Transportmittel nutzen. Ob Menschen dafür gewonnen werden können, ist entscheidend.