VMware on Hyperscaler – Vertraute Umgebung bei den großen Cloud-Providern
01.06.22 / Dr. Markus Ermes
aus dem Netzwerk Insider Juni 2022
Die Cloud: Immer mehr Unternehmen sehen sie als unverzichtbar an und wollen mehr und mehr ihrer Services und Anwendungen in „der Cloud“ laufen lassen. Dabei können die verfügbaren Dienste und Funktionen der großen Cloud-Anbieter durchaus interessant sein und die Entwicklung und Umsetzung neuer Anwendungsarchitekturen vereinfachen und beschleunigen. Doch nicht jedes Unternehmen kann, will oder darf die neuesten Technologien einsetzen. Außerdem bedeuten diese sehr Anbieter-spezifischen Services eine starke Hersteller-Bindung; eine einfache Migration zu einem anderen Anbieter ist dann kaum noch möglich. Viele Unternehmen, gerade im Bereich der kritischen Infrastruktur oder in anderen sicherheitskritischen Bereichen, können die spezifischen Dienste der großen Cloud-Anbieter auch aus regulatorischen oder Sicherheitsgründen nicht nutzen. Hinzu kommt, dass etliche Unternehmen Anwendungen einsetzen, die noch auf klassischen Architekturen basieren und typischerweise in Form von virtuellen Maschinen (VMs) bereitgestellt werden.
Solche „klassischen“ VMs werden oft auf VMware-basierten Virtualisierungsclustern eingesetzt. Auch die meisten Kunden der ComConsult setzen VMware ein und durch die langjährige Nutzung existieren in vielen Umgebungen mittlerweile einige VMware-spezifische Aspekte: Die Mitarbeiter haben eine Menge Know-how zu VMware angesammelt und zudem ist die Infrastruktur oft stark auf diese Virtualisierungstechnologie ausgelegt. Dadurch ergeben sich viele technische und betriebliche Bereiche, die darauf ausgerichtet sind. Das kann von manuellen Prozessen und Handbüchern über angebundene Ticket-Systeme bis hin zu kompletten Automatisierungslösungen reichen, die vollständig auf die vorhandenen Komponenten fokussiert sind. In so einem Falle ist die Nutzung komplett neuer Technologien aus der Cloud weniger attraktiv.
Damit könnte man auf die verrückte Idee kommen, VMware aus der Cloud zu beziehen. Doch ist das mit der Idee der Cloud kompatibel? Das aktuelle Angebot diverser Cloud-Anbieter sagt: Ja, das ist es! Zumindest kompatibel genug, um es auf Bitten vieler Kunden anzubieten.
Und anscheinend ist es ein so attraktives Betätigungsfeld, dass nicht nur „die Großen Drei“, also Amazon, Microsoft und Google, VMware-Lösungen in ihrer Cloud anbieten, sondern auch andere Anbieter wie z.B. IONOS oder OVHCloud.
Doch was bedeutet VMware in der Cloud? Dazu sollen in diesem Artikel folgende Aspekte genauer erläutert werden:
- Was ist die grundlegende Idee dahinter?
- Was bekommt man in jedem Fall für sein Geld?
- Was bieten die Großen Drei an besonderen Funktionen?
- Wofür kann man es nutzen?
- Wo liegen die Herausforderungen?
Die grundlegende Idee – vSphere in der Cloud
Die grundlegende Idee ist bei allen Cloud-Anbietern mit VMware-Lösung die gleiche: Man möchte den Kunden die vertraute VMware-Umgebung zur Verfügung zu stellen und dabei die wichtigsten Vorzüge der Public Cloud bieten:
- Keine Sorge um die Anschaffung und den Betrieb der Hardware:
Beschaffung, Einbau, Konfiguration und Wartung der Hardware sind nicht ohne ihre Tücken. Gerade in der momentanen Situation mit langen Lieferzeiten kann das ein enormer Vorteil sein. Hinzu kommt, dass man sich nicht um den Austausch defekter Hardware oder das Update von Firmware kümmern muss. - Automatische Updates aller beteiligten Software-Produkte:
Auch das Software-Update eines Virtualisierungsclusters ist nicht immer problemlos möglich. Besondere Zeitfresser sind die richtige Reihenfolge der Updates sowie die in einer eigenen Umgebung notwendigen Tests vor Update der Produktivumgebung. Die Cloud-Anbieter haben standardisierte Hardware- und Software-Kombinationen, die bei allen Kunden identisch sind. Somit entfallen einige Tests für einzelne Kunden. - Nutzungsbasierte Bezahlung:
Dieser Punkt wird immer wieder gerne als Argument für die Cloud-Nutzung angebracht: Man zahlt nur für die Ressourcen, die man verbraucht. Das ist allerdings für einen in der Cloud betriebenen VMware-Cluster nicht unbedingt relevant. Ein solch komplexes System wird man selten stundenweise betreiben. Daher kann man zwar pro Stunde bezahlen, doch wird die Umgebung in den meisten Fällen 24 Stunden pro Tag benötigen. - Zugriff von überall:
Bei einer VMware-Lösung in der Cloud ist es theoretisch von überall aus möglich, auf das Management-Interface zuzugreifen. Dies ist meistens eher ein Marketing-Argument als etwas, das im realen Betrieb eine Rolle spielt. In der Mehrheit der Unternehmen ist auch so schon der Zugriff auf die lokalen Virtualisierungscluster von überall aus möglich – per VPN und ggf. über Terminal-Server oder VDI-Umgebungen.
Jenseits dieser Vorteile gibt es noch einen eher untypischen Aspekt der Nutzung von VMware bei einem Hyperscaler: Man erhält all diese Funktionen in einer dedizierten Umgebung mit eigenen physischen Hosts. Das bedeutet, man hat nicht nur Zugriff auf virtuelle Maschinen in einer mit anderen Kunden geteilten Umgebung!
Und auf dieser Basis bieten zumindest die Großen Drei einen sehr ähnlichen Funktionsumfang:
Gemeinsamkeiten der Großen Drei
Auch wenn jeder Cloud-Anbieter seine VMware-Lösung als die tollste und beste bewirbt, einige Grundfunktionen haben alle. Dazu gehören:
- Wie schon erwähnt: Eine (für die Public Cloud eher untypische) dedizierte Hardware
- Die wichtigsten Lizenzen für die VMware-Umgebung sind enthalten. Das umfasst immer die Lizenzen für vSphere und den vCenter Server. Bei den Großen Drei (Microsoft Azure, Amazon AWS und Google Cloud Platform) ist dies die Enterprise-Version.
- Zusätzlich sind bei den großen Anbietern auch erweiterte Funktionen und die entsprechenden Lizenzen dabei.
- Da die VMware-Lösungen der Anbieter immer als gute Lösung für den Betrieb einer Hybrid Cloud angepriesen werden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die eigene Umgebung an die entsprechende Cloud anzubinden. Welche Technologie dabei genau zum Einsatz kommt, hängt mit von der lokalen Umgebung beim Kunden ab.
Die oben erwähnten erweiterten Funktionen zielen vor allem auf die Speicheranbindung sowie die Netzwerk-Virtualisierung ab. Im Detail umfasst dies die folgenden VMware-Produkte:
- VMware VSAN für die Speichervirtualisierung:
Damit werden die in den dedizierten Hosts verbauten NVMe-SSDs zu einem gemeinsamen Pool zusammengeführt, der als Datastore dienen kann, also zur Ablage von VM-Images. Durch die ausschließliche Nutzung von SSDs erhält man sogar zusätzliche Funktionen wie zum Beispiel Storage-QoS. Details zur Funktionsweise dieser Technologie wurden bereits im Netzwerk Insider beschrieben - VMware NSX für die Netzwerk-Virtualisierung:
Die Netzwerk-Virtualisierung ist ebenfalls in einer cloudbasierten VMware-Lösung enthalten. Damit lassen sich virtuelle Maschinen auf mehr als nur IP-Ebene voneinander trennen. Diese Mikrosegmentierung bietet eine deutliche Erweiterung der Netzwerk-Trennung, wie man sie mit einer klassischen Firewall erreichen würde. Über diese Technologie wurde schon zu einem früheren Zeitpunkt in einem Artikel des Netzwerk Insiders berichtet. - VMware HCX für die Migration von virtuellen Maschinen zwischen lokalem VMware-Cluster und cloudbasierter VMware-Umgebung: Im Gegensatz zu der in vielen Rechenzentren im laufenden Betrieb verwendeten vMotion wird hier allerdings nur die Cold Migration, also die Migration im ausgeschalteten Zustand, unterstützt.
Gerade für den letzten Punkt ist es natürlich notwendig, die eigene Umgebung an die Cloud-Umgebung anzubinden. Dazu sind im einfachsten Falle VPN-Tunnel geeignet. Bei sehr starker Mobilität zwischen eigenem Rechenzentrum und der Cloud empfehlen jedoch alle Cloud-Anbieter, dedizierte Leitungen einzusetzen. Damit ist einerseits eine klar definierte Leistung verfügbar, andererseits wird sonstiger Internet-Traffic nicht durch die Migration von virtuellen Maschinen beeinflusst und umgekehrt. Die grundlegende Architektur für diese Anbindung ist schematisch in Abbildung 1 dargestellt.
Hinzu kommt, dass für die cloudbasierte VMware-Umgebung die Dienste und Plattformen des jeweiligen Cloud-Anbieters einfach und performant erreichbar sind. Dazu können beispielsweise Datenbanken oder Container-Umgebungen gehören. Sollte schon eine Cloud anderweitig genutzt werden, ergibt sich an dieser Stelle bereits ein guter Kandidat für die cloudbasierte VMware-Umgebung.
Optional kann man auf einige weitere VMware-Produkte zurückgreifen, die in dieser oder in sehr ähnlicher Form auch On-Premises genutzt werden können, darunter:
- vRealize Automation zur Automatisierung und zum Lifecycle-Management
- Tanzu für den Betrieb eines Container-Clusters auf Kubernetes-Basis
- Horizon für die Bereitstellung virtueller Desktops
- vRealize Network Insight für die Fehleranalyse in virtuellen Netzen
- Site Recovery Manager für eine mögliche Disaster Recovery in die jeweilige Cloud
Details zu den jeweiligen Funktionen und deren Möglichkeiten sollen in diesem Artikel nicht näher betrachtet werden, denn eine solche Betrachtung ergibt insbesondere durch die schnelle Entwicklung von Cloud-Angeboten und dem dementsprechend schnell wachsenden Funktionsumfang wenig Sinn. Zwischen Fertigstellung des Artikels und der Veröffentlichung können sich schon wieder viele Details ändern. Sollten Sie diesen Artikel erst zu einem späteren Zeitpunkt lesen, gilt dieser Aspekt noch stärker.
Doch nicht nur auf Software-Ebene, sondern auch auf Hardware-Ebene gibt es Gemeinsamkeiten: Die dedizierte Hardware ist in der grundlegenden Ausbaustufe bei Microsoft, AWS und Google sehr ähnlich. Alle Systeme verfügen über die folgenden Leistungsmerkmale:
- 36 physische / 72 logische CPU-Kerne
- Zwischen 500 und 600 GB RAM
- All-Flash-Storage (NVMe)
Leichte Unterschiede ergeben sich in der Menge des Arbeitsspeichers sowie in der Kapazität des Storage.
Eine Einschränkung gegenüber einer lokalen VMware-Umgebung gibt es allerdings: Pro Cluster sind nur maximal 16 Hosts möglich – in der eigenen Umgebung sind es 64.
Doch so sehr sich die Umgebungen ähneln, so existieren auch Unterschiede und Alleinstellungsmerkmale. Diese sollen für AWS, Azure und Google nun genauer beleuchtet werden.
Besondere Eigenschaften – VMware on AWS
Amazon bietet bei VMware on AWS einige interessante Alleinstellungsmerkmale. Dazu gehören insbesondere:
- Eine grundlegende Tanzu-Installation (Essentials) ist Teil des Angebots. Die erweiterten Funktionen einer Tanzu-Standard-Edition müssen allerdings zum aktuellen Zeitpunkt noch zusätzlich lizenziert werden.
- Sollten Sie AWS Outposts im Einsatz haben, ist auch dort die Nutzung von VMware möglich.
- Als einziger der Großen Drei bietet Amazon nicht nur eine, sondern zwei Systemgrößen an. Die zweite ist dabei mit 48 physischen (96 logischen) CPUs, 768 GB RAM und 45,8 TB NVMe-Storage deutlich größer dimensioniert. Damit lohnen sich diese Instanzen vor allem für sehr Storage-intensive Umgebungen.
- Für Tests ist die entgegengesetzte Richtung möglich: Eine Umgebung, die auf einem einzelnen Host basiert. Hier entfallen zwar viele Redundanz-Mechanismen, und es entsteht ein ganz klarer Single Point of Failure (SPoF), doch kann man sich mit der Umgebung vertraut machen, ohne direkt eine große Umgebung betreuen und bezahlen zu müssen.
- Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: Man kann den cloudbasierten VMware-Cluster über die eigenen vCenter-Server administrieren, und zwar indem der Cluster entsprechend eingebunden wird. Dazu muss die eigene Umgebung allerdings einige Mindestanforderungen erfüllen. Darüber ist auch eine Migration von VMs im eingeschalteten Zustand – also eine klassische vMotion – möglich.
Besondere Eigenschaften – VMware Lösungen in Azure
Setzt man VMware-Lösungen bei Azure ein, müssen ebenfalls ein paar Punkte beachtet werden:
- Die in der Lösung verfügbare HCX-Komponente ist (aktuell) nicht standardmäßig installiert, d.h. ihr Einsatz und die Migration von VMs zwischen lokaler und Cloud-Umgebung ist mit einem Mehraufwand verbunden.
- Eine zentrale Verwaltung sowohl lokaler als auch cloudbasierter VMware-Systeme aus einer Oberfläche ist (aktuell) nicht möglich.
- Für die Nutzung der Azure-VMware-Lösung müssen mindestens drei Hosts genutzt werden. Eine Test-Umgebung mit einem einzelnen Host ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht verfügbar.
Besondere Eigenschaften – Google Cloud VMware Engine
Jenseits der oben genannten Standard-Funktionen bietet Google – ähnlich wie AWS – eine auf einem Host basierende Test-Umgebung.
Bei all diesen Funktionen und auch deren Einschränkungen gegenüber einer lokalen Umgebung stellt sich natürlich die Frage, wo eine cloudbasierte VMware-Lösung Vorteile bringen kann. Dazu sollen im Folgenden ein paar beispielhafte Szenarien beleuchtet werden.
Beispielhafte Use Cases – Hybrid Cloud
Ein immer wieder angebrachtes Argument gegen die Nutzung der Public Cloud ist das Thema Datenschutz und Datenhoheit. Nicht jedes Unternehmen kann, will oder darf beliebig Daten in die Cloud schieben und dort verarbeiten. Das heißt, man braucht eine Möglichkeit, Cloud-Dienste mit lokalen Systemen zu koppeln. Natürlich ist das mit den nativen Angeboten (IaaS, PaaS) der Cloud-Anbieter möglich. Doch muss man einen oder sogar mehrere zusätzliche Technologie-Stacks beherrschen und verwalten, was einen erheblichen Mehraufwand bedeuten kann. Hier bietet sich eher ein einheitlicher Stack an, insbesondere wenn man ihn schon aus der eigenen Umgebung kennt. Da auf beiden Seiten sehr ähnliche Netzwerk-Funktionen bereitstehen, kann eine Kopplung deutlich einfacher bewerkstelligt werden. Natürlich muss man in diesem Szenario, wie bei jedem Hybrid-Cloud-Szenario, darauf achten, dass die Übertragungskapazität und die Latenz zwischen eigenem Rechenzentrum und der cloudbasierten Infrastruktur die Anforderungen der jeweiligen Anwendungen erfüllen. Ebenso ist es erforderlich, die angestrebte Datenhoheit durch geeignete Prozesse und Dokumentation umzusetzen.
Beispielhafte Use Cases – schnelle Skalierung
Ein weiterer, mit einem einzelnen Technologie-Stack deutlich leichter zu betreibender Use Case ist die schnelle Skalierung von Diensten. Im Gegensatz zu einer lokalen Umgebung hört hier die Skalierung bei den VMs nicht auf.
In der lokalen Umgebung kann man immer nur so weit skalieren, wie die eigene Hardware es erlaubt. Irgendwann sind alle CPUs ausgelastet und aller Arbeitsspeicher belegt. Dann müssen neue Systeme beschafft werden, und das kann, insbesondere bei den aktuellen Lieferzeiten, eine ganze Weile dauern. Selbst wenn die Server morgen ankommen, so müssen sie aufgebaut, installiert und konfiguriert werden.
Hier bietet die Cloud ebenfalls Vorteile. Die cloudbasierte Umgebung kann im schlimmsten Fall innerhalb weniger Stunden erweitert werden. Es ist allerdings auf die oben genannte Höchstanzahl von Hosts pro Cluster (16) zu achten. Außerdem gilt hier, wie auch bei „klassischen“ Cloud-VMs, dass eine Skalierung prinzipiell schnell möglich ist, und dies wohl nur in einem gewissen Rahmen: Ein oder zwei zusätzliche Hosts lassen sich schnell einbinden. Sollten Sie jedoch plötzlich 10 Cluster mit je 16 Maschinen in einer einzelnen Region bestellen, kann auch ein großer Cloud-Anbieter an seine Grenzen stoßen – immerhin handelt es sich um für Sie dediziert bereitgestellte Hardware!
Beispielhafte Use Cases – Test und Entwicklung
Cloudbasierte Umgebungen können für die Entwicklung von Anwendungen oder den Testbetrieb ebenfalls sinnvoll sein. Natürlich sind hier hippe, neue Architekturen auf Basis von Cloud-nativen Diensten in der Presse deutlich sichtbarer und für Start-Ups sehr attraktiv. Doch seien wir ehrlich: Es gibt immer noch viele Bereiche, in denen klassische, monolithische Anwendungen ihre Daseinsberechtigung haben und so schnell nicht abgelöst werden können. Das war ja eingangs als einer der Hauptgründe für die Nutzung von VMware in der Cloud genannt worden!
Und da solche Anwendungen und Dienste in sehr vielen Fällen in „klassischen“ Virtualisierungslösungen betrieben werden, ist es sinnvoll, die Anwendungen in einer möglichst kundennahen Umgebung zu testen. Und kundennah heißt in diesem Fall häufig: in einem VMware-Cluster. Allerdings sind solche vollständigen Tests nicht jeden Tag notwendig, sodass man die gesamte, entsprechend groß zu dimensionierende Test-Infrastruktur nur bei Bedarf benötigt. Und bei den Worten „bei Bedarf“ denkt man natürlich unweigerlich daran, dass man nicht alles in Eigenregie betreiben will. Dazu passt die Cloud wunderbar, doch nur, wenn auch hier die klassische VMware-Umgebung verfügbar ist. Und das ist sie, wie wir gesehen haben!
Auf der anderen Seite profitiert der Kunde, der eine solche Software vor der Produktivschaltung noch einmal testen möchte oder aus regulatorischen Gründen testen muss, ebenfalls von einer cloudbasierten Umgebung. Besonders attraktiv ist hier die Migration von virtuellen Maschinen zwischen Cloud und eigenem Rechenzentrum ohne eine eventuelle Konversion auf einen anderen Technologie-Stack.
Beispielhafte Use Cases – Disaster Recovery
Als letzter Use Case soll etwas betrachtet werden, das wir alle niemals erleben wollen und das ich Ihnen auch niemals wünschen würde, und zwar den Anlauf einer neuen Infrastruktur für den Fall, dass der primäre Standort vollständig ausfällt. Mit anderen Worten: Disaster Recovery.
Dadurch, dass der Site Recovery Manager bei den Großen Drei Teil der cloudbasierten VMware-Umgebung ist, ist dieses Szenario theoretisch denkbar. Ein wichtiger Punkt dabei: Der Site Recovery Manager ist leider auf virtuelle Systeme beschränkt. Zwar können andere Disaster-Recovery-Lösungen ebenfalls über Skripte angesprochen werden, doch ist deren Nutzung in der jeweiligen Cloud nicht immer möglich. Das heißt, eine Disaster Recovery in die jeweilige Cloud kann nur gelingen, wenn alle kritischen Dienste rein virtuell betrieben werden oder betrieben werden können.
Dann ist es möglich, in der cloudbasierten Umgebung alle kritischen Dienste hochzufahren, wie man es mit dem Site Recovery Manager auch an einem zweiten Standort tun würde.
Ein Aspekt, der dabei in jedem Fall berücksichtigt werden muss: Sämtliche VMs, die in einem solchen Fall benötigt werden, müssen regelmäßig in die Cloud kopiert werden, um ein akzeptables RPO (Recovery Point Objective) zu gewährleisten. Eine laufende Umgebung mit Monate alten Daten ist in vielen Fällen nicht ausreichend.
Und hier sieht man schon deutlich, dass sich bei einer solchen Nutzung ebenso eine Reihe von Herausforderungen ergeben.
Herausforderungen beim Einsatz cloudbasierter VMware-Umgebungen
Wie man an einigen der aufgeführten Beispiele sehen kann, bietet eine VMware-Umgebung in der Cloud einige interessante Möglichkeiten und Vorteile. Allerdings wird schnell ersichtlich, dass es Herausforderungen gibt, die man in jedem Fall berücksichtigen muss. Diese sind sowohl technischer als auch nicht-technischer Natur.
Die nicht-technischen Herausforderungen umfassen insbesondere regulatorische Anforderungen für die Datenübertragung in die Cloud. Darf ich die VMs überhaupt in die Cloud migrieren? Worauf muss ich dabei achten? Diese Fragen können und sollen im Rahmen dieses Artikels nicht detaillierter betrachtet werden, da sie den Rahmen sprengen würden.
Ansonsten stellt sich noch die – je nach Anbieter – Dopplung der Management-Umgebung als Herausforderung dar. Hier müssen Prozesse dazu entworfen und dokumentiert werden, wer, wie und wann in welcher Umgebung was umsetzen darf.
Auf der technischen Ebene ist die Kopplung zwischen lokaler Umgebung und der Cloud die größte Herausforderung. Sollte ausschließlich eine cloudbasierte VMware-Lösung eingesetzt oder keine Kopplung zwischen lokaler und Cloud-Umgebung benötigt werden, entfällt diese Herausforderung.
Ansonsten gibt es, wie oben bereits erwähnt, die Möglichkeit, VPN-Tunnel einzusetzen oder dedizierte Verbindungen einzurichten. Ersteres ist dabei durch die Bitrate der eigenen Internet-Leitung begrenzt. Eine dedizierte Leitung ist jedoch sehr kostspielig und für viele Unternehmen keine optimale Lösung. Eine dritte Option sind noch Co-Location-Anbieter, die eine direkte Leitung zur jeweiligen Cloud schalten können. Doch soll hier die genaue Umsetzung einer solchen Leitung nicht weiter betrachtet werden, da das ebenfalls den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.
Ohne dedizierte Leitungen mit einer Bandbreite von 10 Gbit/s oder mehr kommt man schnell an die Grenzen der Leitung, zumindest bei der initialen „Betankung“ der Cloud aus dem eigenen Rechenzentrum. Und nur für eine sporadische Übertragung großer Datenmengen das Geld für eine dedizierte Anbindung in die Hand zu nehmen ist eventuell unwirtschaftlich. In diesem Fall kann die Nutzung von Diensten wie AWS Snowball Edge oder Azure Data Box eine Alternative für den Versand von Daten per Post sein – immerhin sind hier Datenspeicher bis in den Petabyte-Bereich verfügbar!
Egal wie man die Kopplung oder die Datenübertragung realisiert, man muss in jedem Fall seine IP-Adress-Konzepte, die DNS-Konfiguration sowie das Routing anpassen. Das ist in jedem Hybrid-Cloud-Szenario eine Notwendigkeit und ändert sich auch dann nicht signifikant, wenn VMware-Lösungen aus der Cloud eingesetzt werden.
Fazit
VMware-Lösungen sind bei Cloud-Anbietern mittlerweile durchaus verbreitet und bieten einen großen Funktionsumfang. Sollten Sie sehr tief im VMware-Kosmos verwurzelt sein, kann eine solche Umgebung einen guten Einstieg in die Cloud oder eine sinnvolle Ergänzung der eigenen Cloud-Nutzung sein. Denn nicht immer kann oder will man die spezifischen Cloud-Dienste eines Anbieters nutzen. Besonders die Migration zu einem anderen Anbieter ist oftmals nicht einfach. Hier sind die verbreiteten VMware-Mechanismen durchaus von Vorteil.
Welchen Cloud-Anbieter man dabei wählt, hängt von mehreren Faktoren ab. Braucht man nur die grundlegenden Funktionen sowie vSAN, NSX und die Cold Migration zwischen eigener Umgebung und der Cloud, liefern die Großen Drei nahezu identische Angebote zu vergleichbaren Preisen. Sollte man schon die Dienste eines Anbieters nutzen, ist auch die Nutzung der VMware-Lösung bei diesem Anbieter attraktiv.
Es gibt allerdings auch Alleinstellungsmerkmale, insbesondere für kleinere Test-Umgebungen auf einem einzelnen Host (Google, AWS) sowie bei der Kopplung zwischen eigener und Cloud-Umgebung (AWS).
Welche Umgebung nun für Sie die richtige ist, lässt sich hier nicht abschließend sagen. Es gilt, wie in so vielen komplexen Umgebungen: Es kommt darauf an…