aus dem Netzwerk Insider Dezember 2021
Im Februar 2017, hat mein Kollege Dr. Dams im Netzwerk-Insider über die WLAN-Variante gem. IEEE 802.11ah berichtet. Er kündigte an, dass die Wi-Fi Alli-ance eine entsprechende Zertifizierung herausbringen wolle. Das ist jetzt nach “nur” vier Jahren Wartezeit geschehen: Am 2. November erblickte „Wi-Fi CERTIFIED HaLow“ das Licht der Welt.
Ich fasse kurz zusammen, was sich hinter Wi-Fi HaLow verbirgt: Es handelt sich um WLAN für den Frequenzbereich unterhalb von 1 GHz (Sub 1 GHz, S1G). In Europa ist das der Bereich von 863 bis 868 MHz.
Sie erkennen sofort, dass diese 5 MHz etwas zu wenig sind für einen „normalen“ WLAN-Kanal mit 20 MHz Bandbreite. Wi-Fi HaLow belegt in Europa dagegen nur 1 bzw. 2 MHz Bandbreite. Hier stehen entweder 5 Kanäle mit 1 MHz Abstand auf den Frequenzen 863,5 bis 867,5 MHz oder zwei Kanäle auf 864,0 und 866,0 MHz zur Verfügung. Die maximale effektive Strahlungsleistung beträgt 25 mW.
Wi-Fi Halow nutzt wie sonst bei WLAN üblich OFDM [2]. Es stehen jedoch nur 23 Unterträger bei 1 MHz bzw. 54 Unterträger bei 2 MHz Bandbreite zur Verfügung. Die mit 23 Unterträgern und MCS0 [3] erzielbare Bitrate beträgt 300 kbit/s. Es gibt sogar einen Modus mit nur 150 kbit/s, bei dem jeder MCS0-Frame zweimal ausgesandt wird.
Die geringe Bitrate in Kombination mit der niedrigen Frequenz führt dazu, dass der Funkkanal eine um 20 dB höhere Dämpfung aufweisen kann, als auf 2,4 GHz. Die Reichweite von Wi-Fi HaLow ist dadurch bis zu 10-mal so groß wie beim 2,4-GHz-WLAN. Sie können im Freien mit mehr als einem Kilometer Reichweite rechnen.
Geringe Bitrate und Sendeleistung bei großer Reichweite riecht nach einer Funktechnik für das Internet der Dinge (IoT). In der Tat, das ist das Ziel von HaLow. Die Wi-Fi Alliance stellt dies in einem Whitepaper [4] heraus und bewirbt die Vorteile von HaLow gegenüber anderen IoT-Funktechniken. Werfen wir einen Blick auf vergleichbare Techniken:
Der Mobilfunk bietet gleich mehrere IoT-Funktechniken. Neben den heute bereits verfügbaren Techniken NB-IoT [5] und LTE-M [6] wirbt 5G mit der Spielart mMTC [7]. Die Leistungsdaten sind beeindruckend: bis zu 50.000 Devices in einer Mobilfunkzelle und zig Kilometer Reichweite bei geringstem Stromverbrauch. Allerdings müssen Sie Stand heute für jedes dieser Devices eine SIM-Karte erwerben. Und Sie sind auf die Infrastruktur eines Providers angewiesen, so Sie nicht selbst komplexe 5G-Technik aufbauen und betreiben wollen. Grundsätzlich kommunizieren die IoT-Devices mittels IP/UDP über das Internet. Es sind jedoch auch Varianten denkbar, bei denen die Daten vom Provider direkt in Ihre Netze geleitet werden, z.B. über „Pri-vate APN“. Um Übertragungskapazität zu sparen, kann in solchen Fällen auf IP bzw. UDP ver-zichtet werden; IoT-Devices schicken dann SMS.
Ein weiterer Provider, jedoch mit anderer Technik, ist Sigfox [8]. Sigfox betreibt in zahlreichen europäischen Ländern eine eigene Infrastruktur im 868-MHz-Band. Die IoT-Devices senden mit ca. 50 bit/s und belegen weniger als 100 Hz Bandbreite. Dementsprechend sind hohe Reichweiten zu erzielen, die denen von NB-IoT gleichkommen. Die geringen Datenmengen lassen eine IP-Übertragung jedoch nicht zu. Stattdessen muss jedes Device in der Sigfox Cloud bekannt gemacht und mit einer Anwendung verknüpft werden. Die Daten werden von Sigfox zu den entsprechenden Servern weitergeleitet.
Wer gerne seine eigene IoT-Infrastruktur betreiben möchte, beispielsweise um einen ausgedehnten Campus zu versorgen, kann auf LoRaWAN zurückgreifen. Auch diese Funktechnik arbeitet im 868-MHz-Band und setzt eine ähnlich effiziente Modulation wie Sigfox ein. Die Übertragungsbandbreite beträgt zwar 125 kHz, jedoch dient das eher der Unterdrückung schmalbandiger Störungen als einer hohen Datenrate.
Neben der reinen Funktechnik gehört zu LoRaWAN ein Ökosystem, das aus verschiedenen Server-Rollen besteht. Wie bei Sigfox ist das IoT-Device kein IP-Knoten. Einmal am Ökosystem angemeldet, kann es dem zugeordneten Applikations-Server Daten liefern oder von ihm erhalten. Entsprechende Dienste können Sie von Providern beziehen. Es ist allerdings auch möglich, derlei Infrastruktur selber zu betreiben. Bekannte Open-Source-Quellen sind Chi-rpstack [9] oder TheThingsNetwork [10]. Einige unserer Kunden sind bereits auf den LoRa-WAN-Zug aufgesprungen und decken mit wenigen Gateways ganze Industriegelände ab.
Welche Rolle wird also Wi-Fi HaLow spielen? Ehrlich, ich weiß es nicht. Zunächst einmal braucht man dafür Produkte. Am 14. November waren auf der Website der Wi-Fi Alliance ganze sechs zertifizierte Produkte zu finden, unter anderem ein Hersteller entsprechender Ein-Chip-Computer (System-on-Chip, SoC). Man wird sehen, was im kommenden Jahr hinzukommt.
Auf der anderen Seite adressiert HaLow einen etwas anderen Anwendungsfall. IoT-Devices besitzen hier eine IP-Adresse und sind darüber mit – im Vergleich zu den anderen genannten Techniken – hohen Bitraten verbunden. IoT-Devices können auch wie beim „normalen“ WLAN untereinander kommunizieren. Man wird also mit HaLow intelligentere Geräte in einem Campus-Netz adressieren wollen anstatt Daten über eine Cloud abzufragen. Dafür nimmt man eine aufwendigere Infrastruktur in Kauf als etwa bei LoRaWAN. Auch der Stromverbrauch solcher Geräte wird höher sein, als es das Whitepaper der Wi-Fi Alliance [4] nahelegt.
Ich bin gespannt, wie diese Techniken angenommen werden. LoRaWAN und Sigfox gibt es schon. Wi-Fi HaLow und 5G kommen erst. Viele weitere, z.T. proprietäre Techniken habe ich nicht erwähnt. Wie auch immer, der Wettbewerb um das IoT-Device hat begonnen.
Verweise
[1] https://www.wi-fi.org/news-events/newsroom/wi-fi-certified-halow-delivers-long-range-low-power-wi-fi
[2] OFDM = Orthogonal Frequency Division Multiplex
[3] MCS = Modulation and Coding Scheme
[4] https://www.wi-fi.org/downloads-registered-guest/Wi-Fi_CERTIFIED_HaLow_paper_20211102.pdf
[5] NB-IoT = Narrow-band IoT
[6] LTE-M = LTE Machine Type Communications
[7] mMTC = massive Machine Type Communications
[8] https://www.sigfox.com
[9] https://www.chirpstack.io/
[10] https://github.com/thethingsnetwork/lorawan-stack