Je nach Quelle ist Windows 7 auf gut 25 % aller Desktops weltweit in Betrieb. Deutschland steht mit einem Anteil von rund 16 % nur unwesentlich besser da (siehe Abbildung 1). Und außer für Unternehmenskunden, die einen kostenpflichtigen Supportvertrag für weitere Sicherheitsupdates (ESU – Extended Security Updates) abgeschlossen haben, gibt es für Windows 7 überhaupt keine Updates mehr! Für ein 10 Jahre altes Betriebssystem, bei dem wie bei einer alten rostigen Fregatte in letzter Zeit immer mehr Sicherheitslücken geschlossen werden mussten, allein im letzten Jahr über 250! Niemand kann behaupten, er habe das nicht gewusst. Das Presseecho der letzten Tage war groß genug.
Tickende Zeitbomben
Aber das ist ja noch nicht alles! Nach wie vor gibt es signifikante Anteile von Rechnern mit Windows XP, Windows Vista und Windows 8, alles Betriebssysteme, für die es seit Jahren keine Updates mehr gibt. Und Microsoft hat nicht nur den Support für Windows 7 eingestellt, sondern auch für alle Versionen des Windows Server 2008. Ende Januar wird auch der Internet Explorer 10 zu Grabe getragen. Das Sicherheitsunternehmen Kaspersky hatte bereits im August 2019 vor einer „tickenden Cyber-Zeitbombe“ in diesem Zusammenhang gewarnt . Das Unternehmen ESET hat diese Bezeichnung Anfang Januar wiederholt . Seitdem wird die Metapher von der Zeitbombe in allen Pressemeldungen zum Supportende von Windows 7 genutzt. Ist das übertrieben?
Abbildung 1: Anteile der Windows-Desktop-Betriebssysteme weltweit
Nein! Die Risiken gerade für die Unternehmen, die uralte Betriebssysteme betreiben, sind hoch. Wenn Sicherheitslücken nicht mehr geschlossen werden, können Angriffe auf solche Systeme nicht mehr verhindert werden! In der Folge müssen Sie mit Daten-Leaks oder Datenverlust rechnen. Da nutzen auch Firewalls und Virenscanner nicht mehr viel. Kaspersky und Mitbewerber werben diesbezüglich tatsächlich nicht für eigene Produkte, sondern empfehlen dringend ein Upgrade auf ein aktuelles Betriebssystem.
Finanzielle Risiken
ESET verweist in seiner Presseerklärung außerdem auf die DSGVO und auf die gerade im privaten Umfeld beliebten Versicherungen gegen Online-Schäden und Cyberkriminalität. Die Versicherungsbedingungen wie auch die DSGVO setzen Umgebungen voraus, die dem Stand der Technik entsprechen! Wenn Sie mit Windows 7 ins Internet gehen, gefährden Sie Ihren Versicherungsschutz, und wenn Sie mit Windows 7 personenbezogene Daten verarbeiten, verstoßen Sie gegen die DSGVO.
Darüber hinaus gefährden solche Altlasten nicht nur die eigene Umgebung, sondern in hohem Maße auch andere. Gerade solche nicht mehr gepflegten Systeme werden bevorzugt von sogenannten Botnetzen übernommen und dienen als Angriffsknoten in DDoS-Attacken (Distributed Denial of Service). Und nebenbei bemerkt, auch in diesem Fall drohen unter Umständen hohe Schadenersatzforderungen.
Argumente der “Impfgegner”
Vor diesem Hintergrund ist es schwer nachzuvollziehen, dass sich Unternehmen auf das Abenteuer „Weiterbetrieb von Windows 7“ einlassen. Die finanziellen Risiken sind allemal höher als die Kosten für ein Upgrade. Nichtsdestotrotz werden als Gründe für ein Festhalten an Windows 7 genannt:
- Es müsse weiterhin Software betrieben werden, die mit neueren Betriebssystemen inkompatibel ist (also Software, die noch älter als Windows 7 ist).
- Die Kosten für ein Upgrade auf Windows 10 seien zu hoch. (Bis Ende Juli 2016 war das Upgrade kostenlos, aber wenn die verwendete Hardware ebenfalls 10 Jahre alt ist, muss man tatsächlich über Neuinvestitionen nachdenken.)
- Die mit Windows 10 verbundene neue Update-Policy mit zwei Funktionsupdates pro Jahr könne im Unternehmen nicht umgesetzt werden.
Microsoft-Verschulden
Windows 7 ist tot, es lebe Windows 10. So einfach ist es leider nicht.
Gerade die neue Update-Policy von Microsoft hat für viel Verunsicherung im Markt gesorgt. Bislang war es durchaus üblich eine Windows-Version im Unternehmen einzuführen, diese 10 Jahre lang zu betreiben, den direkten Nachfolger zu überspringen und erst auf die übernächste Version zu wechseln. Mit anderen Worten: Upgrades von Betriebssystemen waren selten (dann aber aufwändig).
Das hat Microsoft grundlegend geändert! Microsoft nennt das neue Modell „Windows as a Service“ und spricht beim Upgrade von „moving from project to process“ : Ein Wechsel auf eine neue Windows-Version ist kein Mammutprojekt mehr, bei dem sich viele grundlegende Dinge von der Betriebssystemarchitektur über die Bedienoberfläche bis hin zu Hardware-Anforderungen ändern, sondern wird zur fortlaufenden Pflege des Betriebssystems. Die Release-Wechsel passieren zweimal im Jahr, und bei jedem Wechsel werden eben nur kleinere Änderungen an der Architektur und Oberfläche vorgenommen. Man kann daher durchaus erwarten, dass diese kleinen Schritte besser kompatibel sind und weniger Aufwand verursachen als beispielsweise ein Upgrade von Windows XP auf Windows 7 in der Vergangenheit.
Gleichzeitig reduzierte Microsoft die Supportlaufzeiten auf jeweils 18 Monate pro Release. IT-Abteilungen und Privatanwender haben also nicht mehr die Möglichkeit, sich 10 Jahre lang (oder länger) auf einem Betriebssystem auszuruhen: Die Pflege des Betriebssystems wird zum kontinuierlichen, immerwährenden Standardprozess der IT, Updates werden standardmäßig sogar automatisch eingespielt. Dieses Modell ist damit dem sehr ähnlich, was Apple mit Mac OS macht.
Achtung: Verwechseln Sie diese für den Office-Betrieb vorgesehene Windows-10-Versionen nicht mit den ebenfalls verfügbaren LTSC-Versionen (Long Term Servicing Channel, früher Long-Term Service Branch (LTSB)). LTSC-Versionen genießen einen 10-jährigen Support für Sicherheitsupdates, erhalten aber keinerlei Funktionsupdates. Es soll aber alle zwei bis drei Jahre eine neue eigenständige LTSC-Version geben. Dementsprechend sind LTSC-Versionen abgespeckte Windows-10-Versionen ohne Apps wie Edge, Store, Cortana, OneNote u. a., die ausschließlich für spezielle Systeme wie Geldautomaten, medizinische Geräte, Geräte zur Steuerung von Betriebsanlagen und ähnliche Systeme geeignet sind. Microsoft rät dringend davon ab, LTSC-Versionen von Windows 10 auf Standard-PCs zu installieren, insbesondere an Büroarbeitsplätzen oder zusammen mit Microsoft-Office-Produkten – auch wenn die Verlockung, auf diese Weise das Windows-as-a-Service-Schema zu umgehen, dem einen oder anderen groß erscheint.
Denn obwohl Windows 10 und dessen Update-Konzept jetzt schon ein paar Jahre im Markt sind, haben sich viele Unternehmen immer noch nicht damit angefreundet, zum Teil es sogar gar nicht richtig verstanden.
An Letzterem ist Microsoft übrigens nicht ganz unschuldig, da der Hersteller wesentliche Begriffe immer wieder geändert hat. Ursprünglich gab es zwei Release-Zweige, den „Current Branch“ (CB) und den „Current Branch for Business“ (CBB). Natürlich provozierte schon allein die Namensgebung die Erwartungshaltung, dass der CBB das ausgereiftere, stabilere Release sei.