Multi-Protocol Label Switching (MPLS) ist seit ca. 20 Jahren der de-facto-Standard für private Wide Area Networks (WAN). Darüber hinaus hat sich MPLS in den letzten 5 bis 10 Jahren zum Standard für mandantenfähige Campusnetze entwickelt. Seit einigen Jahren gibt es aber einen Standard, der das Potenzial hat, MPLS abzulösen. Gemeint ist Ethernet Virtual Private Network (EVPN). Wie MPLS wird EVPN von der Internet Engineering Task Force (IETF) standardisiert. Und es gibt noch mehr Gemeinsamkeiten. Die Frage ist berechtigt, ob MPLS von EVPN abgelöst wird.
Was EVPN leistet
Wie MPLS wurde EVPN für Mandantenfähigkeit entworfen. Diese Eigenschaft spiegelt sich sogar in der Bezeichnung EVPN wieder. Das Ziel von EVPN ist die Bildung mehrerer virtueller privater Ethernet-Netze auf der Basis derselben physischen Infrastruktur. Eine weitere Gemeinsamkeit von MPLS und EVPN besteht darin, dass in beiden Technologien die Steuerungsebene (Control Plane) auf dem Border Gateway Protocol (BGP) basiert. BGP ist ein sehr flexibles Protokoll, mit dem vielerlei Informationen propagiert werden können. EVPN nutzt zum Beispiel BGP-Informationen über Erreichbarkeit von Zielen, die sowohl die MAC- als auch die IP-Adresse enthalten. So ist es möglich, mittels BGP die Erreichbarkeit einer MAC- oder einer IP-Adresse zu propagieren. Das ist die Basis einer flexiblen Architektur, die Bridging anhand von MAC-Adressen genauso wie Routing anhand von IP-Adressen unterstützt. D.h. mittels EVPN kann sowohl ein Layer-2- als auch ein Layer-3-Service implementiert werden.
EVPN und MPLS sind kombinierbar
EVPN und MPLS sind kombinierbar. Mehr noch: Der RFC 7432, das Hauptdokument zur EVPN-Standardisierung, spezifiziert die genauen Abläufe für EVPN auf der Basis von MPLS. Was die Control Plane betrifft, nutzt EVPN ohnehin das von MPLS auch genutzte BGP. Auch die Data Plane von MPLS, im Wesentlichen MPLS Encapsulation mit Labels, kann für EVPN durchaus genutzt werden. Jedoch lässt der EVPN-Standard auch andere Data-Plane-Optionen zu. Wir kennen von LAN-Umgebungen (hauptsächlich in Rechenzentren) die Kombination von EVPN und VXLAN. Die Data Plane ist bei EVPN beliebig austauschbar. Es gibt und wird EVPN-Implementierungen ohne MPLS Encapsulation geben.
Unterstützung durch Produkte
Ein Standard ist wertlos, wenn es dazu keine Implementierungen gibt. Das gilt natürlich auch für EVPN. Die gute Nachricht ist, dass es seit Jahren schon Produkte mit EVPN-Unterstützung gibt. EVPN hat mittlerweile das Rechenzentrum, wo es zuerst zum Einsatz kam, verlassen. Es gibt WAN-Provider-Angebote auf EVPN-Basis. Ferner unterstützen immer mehr Campus-Switches EVPN. Angesichts der Langlebigkeit von Provider-Technologien ist im WAN-Bereich eher mit einer evolutionären Einführung von EVPN und einer Symbiose von EVPN- und MPLS-Angeboten zu rechnen. EVPN kann aber in Campusnetzen durchaus zu einer disruptiven Technologie werden. Es bietet alles, was für mandantenfähige Campusnetze gebraucht wird, vor allem Layer-2- und Layer-3-Dienste sowie Unterstützung in Chip-Sätzen mit Bitraten im Bereich 100 Gbit/s und mehr. Somit gehört EVPN auf jede Short List für Designer von skalierbaren und mandantenfähigen Campusnetzen.