aus dem Netzwerk Insider Februar 2024
Es ist so weit: Am 8. Januar hat die Wi-Fi Alliance ihr Zertifizierungsprogramm Wi-Fi CERTIFIED 7™ vorgestellt [1]. Sie kennen die Vorgehensweise bereits von früheren WLAN-Versionen: Der Standard ist seitens des IEEE noch lange nicht verabschiedet, Hersteller und Ausrüster einigen sich aber schon einmal auf die wesentlichen Details, um ihre Produkte einigermaßen investitionssicher vermarkten zu können. Immerhin rechnet man bei IEEE mit einer Verabschiedung des zugrundeliegenden Standards IEEE 802.11be noch in diesem Jahr [2]. Die Task Group 11be hat im Dezember 2023 die erforderliche Zustimmung zu ihrem Draft 5.0 erhalten. Jetzt ist als nächsthöheres Gremium die IEEE Standards Association dran.
Nach “Very High Throughput” (Wi-Fi 5) und “High Efficiency WLAN” (Wi-Fi 6) kommt mit Wi-fi 7 nun “Extremely High Throughput” (EHT). Wer hätte das gedacht: Abermals höherer Durchsatz mit WLAN. Und so sind einige der gewählten Konzepte naheliegend. Mein Kollege Dr. Johannes Dams wusste das im Grunde bereits vorletztes Jahr zu berichten [3]. Fangen wir mit den nahliegenden Lösungen an:
- 320 MHz Kanalbandbreite: Doppelte Bandbreite ergibt doppelten Durchsatz. Das Konzept kennen wir bereits seit mehr denn 10 Jahren. Es wurde mit IEEE 802.11n das erste Mal angewandt. Nur: zum einen bedeutet doppelte Bandbreite auch doppelte Sendeleistung. Und da das in der Regel nicht erlaubt ist, doppeltes Rauschen beim Empfänger. Man muss also näher heran an den Access Point (AP). Zum zweiten haben wir in Europa eh nicht genügend Frequenzen, um auf dieser Basis eine sinnvolle Kanalplanung durchführen zu können. Das taugt also allenfalls für die Wohnzimmerecke.
- 4096 QAM: Die Quadraturamplitudenmodulation wurde noch einmal aufgebohrt. Pro Zeiteinheit lassen sich somit 20% mehr Daten übertragen als noch mit Wi-Fi 6, das „nur“ bis zu 1024 QAM unterstützte. Auch dafür braucht es eine hohe Signalstärke am Empfangsort. Die Praktiker wissen, dass in WLANs üblicher AP-Dichte meist nicht mehr als die Hälfte dessen erreicht wird. Oder anders ausgedrückt: Damit hoher Durchsatz auch außerhalb des Wohnzimmers möglich wird, braucht es wesentlich mehr APs als Sie und wir derzeit installiert haben.
- 512 Compressed Block Ack: Bis zu 512 Pakete (MAC Protocol Data Units, MPDUs) lassen sich auf einmal senden und mit einem einzigen Paket quittieren. Dadurch spart man einen Haufen Wartezeit, Präambel und Header ein. Der Performance-Gewinn ist erheblich, wenn eine Station viele Daten zu versenden hat. Die Idee ist aber schon alt; Wi-Fi 6 unterstützte 256 Compressed Block Ack.
- Multiple RUs to a single STA (M-RU): Das Konzept der Resource Units stammt bekanntlich aus Wi-Fi 6. Mehrere Stationen können gleichzeitig adressiert werden, indem man ihnen verschiedene Unterträger der OFDM zuweist. Die Unterträger wurden in Resource Units (RUs) gruppiert. Einer Station wird in Wi-Fi 6 immer genau eine RU vom AP zugewiesen. Das Verfahren ist auch unter der Bezeichnung Orthogonal Frequency Division Multiple Access (OFDMA) bekannt und stammt letztlich aus dem Mobilfunk. Dort ist es, was die Zuweisung von RUs angeht, flexibler als im WLAN. M-RU schwächt diesen Nachteil ab, indem es erlaubt, einer Station mehrere RUs flexibel zuzuweisen.
Daneben gibt es jedoch wirklich neue Features in Wi-Fi 7. Sie werden vor allem damit beworben, dass zukünftig Anwendungen aus Industrie und Augmented / Virtual Reality bis hin zu Notruffähigkeit auf Basis von WLAN möglich werden sollen. Sie erinnern sich, das war auch eine wesentliche Werbeaussage bei der Einführung des 5G-Mobilfunks. Ich nenne zwei interessante neue Features von Wi-Fi 7:
- Multi Link Operation (MLO): Eine Station steht über mehrere parallele Kanäle mit dem AP in Verbindung. Da sowohl AP als auch Endgeräte über WLAN-Adapter mit mehreren Radios verfügen, liegt es nahe, diese parallel zu verwenden. MLO erlaubt die gleichzeitige Nutzung jeweils eines Kanals im 2,4- 5- und 6-GHz-Band. Datenpakete können über mehrere Kanäle aufgeteilt oder redundant übertragen werden. Es soll sogar möglich sein, gleichzeitig zu senden, während mit dem anderen Radio Daten empfangen werden – quasi Full-Duplex auf der Luftschnittstelle. Es ist auch denkbar, den Kanälen unterschiedliche QoS-Profile zuzuweisen. Man könnte z. B. eine Station Massendaten im 5-GHz-Band und Echtzeitdaten auf 6 GHz übertragen lassen.
- Triggered Uplink Access Optimization: Das oben beschriebene Verfahren des OFDMA erfordert, dass der AP die Stationen explizit zur Datenübertragung auffordert („triggert“). Wi-Fi 7 hat zu diesem Zweck den Stream Classification Service (SCS) erdacht. Mittels SCS informiert die Station den AP, in welchem Abstand sie wie viele Daten senden möchte und welche Antwortzeit sie erwartet. Der AP wird daraufhin die Station entsprechend triggern.
Insgesamt klingt das für mich schon recht interessant. So ist der SCS meines Erachtens ein Baustein, der zu einer sinnvollen Nutzung von OFDMA noch fehlte. Und MLO kann sicher die Verlässlichkeit („Reliability“) der WLAN-Übertragung verbessern helfen – um den Preis geringerer Kapazität.
Insgesamt scheint man sich mit Wi-Fi 7 der (vermeintlichen) Konkurrenz 5G annähern zu wollen, insbesondere der 5G-Spielart „Ultra Reliable Low Latency Communication“ (URLLC). Auch dort wird auf Kosten der Kapazität die Verlässlichkeit der Übertragung erhöht. Nur macht man es bei 5G aus meiner Sicht wesentlich wirkungsvoller.
Ich behaupte, WLAN wird in dieser Hinsicht 5G niemals auch nur annähernd das Wasser reichen können. Zum einen werden wir in der Praxis immer mit den Altlasten zu kämpfen haben, die eine flächendeckende Umsetzung der tollen neuen Features erfolgreich vereiteln werden. Bezogen auf Wi-Fi 7 ist nicht einmal das 6-GHz-Band eine „grüne Wiese“, denn dort werden sich bereits Endgeräte des Standards Wi-Fi-6e tummeln, die mit MLO und SCS nichts anfangen können.
Und noch einen Geburtsfehler des WLAN hat man bisher nicht heilen können. Es fehlt nach wie vor die enge Verzahnung von Access Points untereinander und mit den Clients, so wie es der Mobilfunk immer schon macht. Stellen Sie sich vor, MLO versetzte einen Client in die Lage, gleichzeitig mit verschiedenen APs kommunizieren zu können. Ein unterbrechungsfreies Handover für mobile Anwendungen ließe sich realisieren. Nur – man bräuchte dafür ein Inter Access Point Protocol (IAPP); bekanntlich ist eine entsprechende Spezifikation bereits vor 20 Jahren gescheitert.
Verstehen Sie mich nicht falsch: WLAN hat seinen Platz! Insbesondere liefert es die Übertragungskapazität, die dem Mobilfunk fehlt. Eine Wireless-Lösung für das „Enterprise“ sollte also beide Funktechniken dankbar annehmen, jede für Ihren Zweck. Kooperation statt Konkurrenz!
Verweise
[1] https://www.wi-fi.org/news-events/newsroom/wi-fi-alliance-introduces-wi-fi-certified-7
[2] https://www.ieee802.org/11/Reports/802.11_Timelines.htm
[3] https://www.comconsult.com/wi-fi-7-jetzt-schon-wirklich/